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-erlich, wenn die Voraussetzung hierfür war das Vor handensein eines vorzüglich geschulten Sängcrchores, dessen sich auch wohl fast alle katholischen Kirchen jener Zeit erfreuen konnten; und daß dieser innige Konnex auch bei der Dresdner Kreuzkirche bestehen mußte, geht schon daraus hervor, daß jene Schule sich dicht an der Kreuzkirchc befand. Und so wurde hier Jahrhun derte lang von dieser Schule derGottcsdienst mit tüchtigen Sängern versorgt. Und das war wohl auch der Zweck der Uebung — der Unterricht trat in die zweite Reihe -er Unterrichtsfächer. Für ihn war wohl auch nicht viel Zeit mehr übrig, wenn man bedenkt, wie ich früher schon berichtet habe, daß in -er Kreuzkirchc wöchentlich 136 Messen gelesen wurden — gottesdienst liche Anforderungen an die Sänger, die diesen keine Zeit zum Sprachunterricht mehr ließen. An der Spitze dieser Gesangschule, wie wir wohl alles Recht haben zu sagen, stand wie auch heute noch -er Kantor. Doch kennen alle vorrcformatorischcn Quellen diesen Titel nicht. Bei der Bezeichnung -es Lehrerkollegiums des Gcsangskörpers -er Krenzka- pellc erscheinen dagegen die Bezeichnungen Schul meister, Baccalaureus, Gesellen, Locaten, Collabora- torcn, sogar ein Eignator (der unterste Lehrer und zugleich wohl auch Kalcfaktor), nicht aber der Kantor. Auch die Akten über die erste Schulvisitation bei Ein führung der Reformation 1539 sprechen vom 1., 2., 3. Caplan, dem Schulmeister, dem 1., 2., 3. Baccalau- reo, dem Organisten usw., nicht aber vom Kantor. Trotzdem war auch damals schon diese Bezeichnung nicht unbekannt, wenn sie vielleicht auch nicht offiziell war. Denn im Hauptstaatsarchiv in Dres den findet sich im Gcrichtsbuch v. I. 1523 erwähnt: ein »großer geselle Sebastianus genantt, Cantor uff der schule gewest". Und in einem an Herzog Moriy, den Freund der Reformation, am 3. 11. 1542 erstat teten Bericht -cs Dresdner Rats über die Besoldungs verhältnisse vor der Reformation heißt es: »Der Schulmeister sampt seinen Baccalanrien vnd Cautori haben auch keine namhafftigc besoldung, alleine von den Schuelern -aspretium (Schulgeld)", sonst findet man aber -en Titel Kantor nirgends, auch nicht in den Brückcnamtsrechnungen, die bekanntlich mit -er Kreuzkirchc in engem Konnex standen. Die Funktionen eines Kantors haben jedenfalls, das müssen wir wohl im Auge behalten, schon vorher bestanden. Diese wurden von einem Schulmeister versehen oder, falls diese nicht musikalisch veranlagt waren, einem Locaten übertragen, der am Kathari- »cntag (25. 11.) direkt von den Schülern den sogen. »Sanghcller" bezog, während er sonst sein Gehalt vom Schulmeister erhielt. Das bezeugen auch die Brücken- amtsrechnungen: 1467 68 »Item 4 gr. deine schole- meystcre", 1470: »4 gr. -em Schulmeister von Vigilien", 1471: »4 gr. von vigilien vnde messen czu singen". Und nach einer 1398 eingesetzten Stiftung hatte jeden Abend der Schulmeister abwechselnd mit seinen Collaborato- rcn unter Geläut und Kcrzenschein das ^s»lv« Uexia»' und , 0 crux* zu singen gegen Vergütung an Geld und Naturalien. Der Cantor kommt also, wie wir oben gesehen haben, erstmals in dem Bericht des Dresdner Rats an den Herzog Moritz vor, in dem es an andrer Stelle noch heißt: »Dem Schulmeister geben wir 120 fl. Dem Supremo 60 fl. Dem Cantori 50 fl. Dem Jnfimo 50 fl. Dem deutzschen Schulmeister 40 fl." Bei dieser Ge legenheit möchte ich noch auf die Rebeueinnahmen des Kantors zu jener Zeit, wenn diese sich auch sehr oft änderten, kurz eingehen. Neben dem obengenannten festen Gehalt von 50 fl. waren die Haupteinnahmen die Accidcnzien von Begräbnissen und Brautmessen, dazu kamen das Schulgeld, mehrere Stiitunasaeldcr. Tranksteucr, 10 fl. aus der Sophicnkirchc, freie Woh nung, pcrsönl. Zulagen usw. Im Konsistorialarchiv findet sich eine »Matricul Dresde de ao. 1575", in der es heißt: Lcciäsoti» vaotoris von kuneribu». 2 gr. vom kuovro so der Cantor alleine Zur äeäuction ge- fordert wirbt 3 gr. wan die gantze schul mitgchrtt, vimd auß der gemein bürgerschaft beleittet wirbt 5'/, gr wan ein rahts Person oder vom Adell beleittet wirbt. 3 Pf. vom Crucifix, so vorgctragen wirbt, darumb werden Rutlen Zu castigiren gekauft Von Hochzeitlen 1 gr. Vom 1« ävum 1»lläawu» cdvr»Iit«r gesungen 12 gr. vom le vouw v»u<i»mu» kigurnliter gesungen »Wan Eine stadtliche Hochzeit ist, darauff man In der Kirchen Zuvor Figurirt halt, halt der Cantor macht, In die Hochzeit Singen zu gehen mitt ettlichen knaben, so darzu tüchtig crkantt worden. Daß Geldt, so da gefeldt, wird in Hl gleiche teil geteildt, li teil gehören dem Cantori vnd daß dritte den Knaben, so mitt dem Cantori gesungen haben". Aus der oben erwähnten Gehaltstafel ersehen wir also, daß dem Kantor die 3. Stelle im Lehrerkollegium zukam, die er auch bis zum Jahre 1625 behauptete, wo das Kautorat durch den Rat um eine Stelle herunter gesetzt ward. Drei Kantoren wirkten somit als Quarti, bis I. Z. Grundig i. I. 1715 als ord. Kantor Fünfter ward, nachdem er vorher viele Jahre Sextus als solcher seit 1713 Substitut des Kantors Petriy ge wesen. Bis 1822 blieb das Kantorat an 5. Stelle. Dann sank cs noch um eine Stelle, bis es beim Abgang des bekannten Komponisten Julius Otto außerhalb des Kollegiums gestellt wurde. Ursprünglich war die Musik, speziell der Gesang, das Hauptfach -es Kan tors. Später mußten sic aber auch andere Fächer mit übernehmen. Im Konsistorialarchiv zu Dresden be findet sich ein Lektionspla«, der i. I. 1575 von Rektor M. Friede. Zorler bei Gelegenheit einer General- Kirchen- und Schulvisitation ausgestellt wurde. In ihm werden die Lehrstunden wie folgt angegeben: Montag und Dienstag 6'/, Uhr: kreces msiutivas (Lrim, bis leni») 8 „ klares pvetarum (Sscumi») 12 , HIsäi» kor» tridnilnr exereitio, et meäi» «L- plicstivni pracceptorum U-.isices (UriwL bis Lswitvrti») 1 „ Nullit et scriptni»m eorri-it (Husrts) 2—2'/, » krecss Vespertin»s (Lrim» diS 1vrti») Mittwoch. 6'/, Uhr: Lrecvs iv tewp (Liiw» bis lerti») 8 » klares Laetsrum et sxercitium -lemonae (8s- euvä» und lerti») 12 , Hiusic» (?riw» bis 8ewiterti») 1 , Vvxuntvtsoriptnr»mexkibeurO»vtorj(Hllmt») 2— 2'/, » Vrecvs Vvepvrtinae (Urims bis lerti») Donnerstag und Freitag. 6'/, Uhr: kreces m»tutio»o (krim» und Lecurut») 8 » Recitaot leetivoem 6»ntori (tzuint») 1 . Lxvrcitium Äusicum (kriw» bis 8emiterti») 2 „ Luäit Oaotor (guiot») 3— 3'/, » Lreces Venpertioas (Urims bis lerti») Sonnabend. 6—8 Uhr: Rscitatio st expooitia c»teckismi v. Vutkvri (tzu»rt») 8 , Vvctio Lrnagvlü 6vrm. (tzuiot») Es kamen also auf -en Kantor täglich etwa zwei Unterrichtsstunden, die sich allerdings später vermehr ten und 1584 auf vier Stunden stiegen. Aus obigem Stundenplan geht des weiteren hervor, daß Montag und Dienstag die Stunde von 12—1 Uhr zur Hälfte kür -en theoretischen, die andere für praktische Uebungcn verwendet wurde. Um vieles mehr war den Kantoren zu Heil. Kreuz fn Dresden schon um 100 Jahre später, nach dem Dreißigjährigen Krieg, Arbeit aufgehalst. Ein Stun denplan »o« Jahre 1670, abgedruckt in den Reuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik. 112. B-. 1875, B. G. Teubner, unterrichtet uns darüber aufs gewissenhafteste. Es heißt da in einem Beitrag über den Rektor -er Krenzschule zu Dresden (1639—1676) Hl. Johann Bohcmuk, Kaiser!, gekrönter Poet, über das ,,I*oi>«ni» enntorl» eoNszx»» IV. »ck v. Ovne." Vivdus vun»e st tl»rti«, doris prvweriäi»nis » 7 »ä 8 etvwoloxi» cowpvuäü grawmatioss Lckwiäii cum quivtavis »d 8 »<i S vsstidul um 3»uu»s V»tivit»tie Lomsaii cum iixiem » 10 »ä 11 dar» privat» postmeriäisuis » 1 »ä 2 sxercitium musicum cum alumuis » 2 »ck 3 s^otoxis oompvuäü gr»a>m»tics» Lcbmiäii cum (juartsuis » 3 »<i 4 verüb. Ooweoü cum ü«6em Li« Uereurii pronivriäi»«»» » 7 »ä 8 pa» terium Oermavicuw cum t«rti«mi» st quartanis per vics« cum voll, tvrtio ab 8 »<i S cstecd'sw l^iiua cum quarMriis » 8 »ä 10 vxereitioli prvposltio et emenäsiio » 10 »<i II dar» privat» Vie 3ovis prvmeriäiaui» » 7 »ä 8 tompli krvgusvtatio a 10 »ä II kor» privat» posimvriöisnis » 1 »ä 2 sxercitium musicum cum ^lumvi» » 3 »ü 4 proseäi» xiamm»tioos 8cbmi«iii vum 8ecuo<l»oia st iortiLvis Vie Voueri» promeriäirmis » 7 »cl 8 »xvtaxie compsuäii gr»mmatic« Lekmiäii cum c(u»rt»vi8 »d 8 »<l S vvsiidulum Lomwsuii cum iisäsm » 10 all 11 kor» privat» po«tmeri<li»vis » I »<i 2 exsrcitium musicum cum »lumai» » 3 »ä 4 Iocioommuue»3od»uuislturwviücuws«!uo(l»lli» et tortiavis Vie 8»turui psvmsri6i»ui« a 7 »cl 8 Ivctio ev»ar «lii 6r»ve» cum t»rti»lli, et gu»r- «»oi» per viovs cum collex» III. »d 8 »ä S compeuäium Uütteri cum gu»rt»oia » 9 »ä 10 vxsrcitioli propositio et emvuäativ cum iiaäem » 10 »ä II kor» privat» Diese Untcrrichtscrtcilung lag den Kantoren noch über 120 Jahre ob; im November 1791 en-lich wurden sie auf Antrag -cs LantorS Lhr. Ehregott Wcinlig davon gänzlich befreit, damit ihnen Zeit gelassen werde, den gesteigerten musikalischen Anforderungen beim Gottesdienst besser uachkommcn zu können. Und nun möchte ich noch mit einigen Worten auf die kirchliche« Amtspflichten der Kantoren der Kreuz kirchc von alters zu sprechen kommen. Wir wissen, daß bei Einführung der Reformation — in meinem Artikel darüber, soweit Tres-en in Frage kommt, habe ich mich eingehend darüber ausgesprochen — die Formalien der katholischen Kirche nur sehr langsam zum Verschwinden gclommcn sind. Mau ließ manche» weitcrbcstchcn, was nicht unbedingt fallen mußte, -a es die neue Lehre verlangte. Das war auch der Fall bei den lateinischen Metten und Vespern, die erst 1671 durch Konsistorialvcrordnung durch deutsche Lieder ersetzt wurden. Dem Kantor lag in erster Linie die gesangliche Leitung aller Gottesdienste -er Kreuzkirche ob und zwar in bezug auf Choral- und Figuralgesang wie auch in bezug auf Figuralleicheu und Partikular leichen, d. h. ganze und halbe Leichen. Vor Einführung der Reformation begleiteten die letzteren wöchentlich abwechselnd die drei Lokalen. Es lag nun in -er Ein teilung -es Dienstes bei den Leichenbegängnissen im mer der Grund für entstehende Streitigkeiten und Dif ferenzen zwischen Kantor und den übrigen Lehrern; immer mußte sich der Kantor seiner Haut wehren, um in seinen Einnahmen nicht beschnitten zu werden. Erft in der 2. Hälfte -cs 17. Jahrhunderts trat -er Kantor alle von ihm allein zu betätigenden Leichenbegleituu- gcn dem kvxsns Lluamorum ab, wofür dieser de» Kantor bei allen Krühmcttcn vertreten muhte. Der Lvssvus Huauwruw wurde, wie wir dies bei Inter naten noch heute vielfach antrcffen, bis zum Jahre 1640 zur Beaufsichtigung -er Alumnen (Schüler mit Kost und LogiS) aus den ältesten Schülern entnommen, später wurde» nur solche dazu verwendet, die ihr Universitätsstudium bereits beendet hatten. Vermut lich wurde die Einrichtung Les Regens im Jahre 1557 geschaffen, da in diesem Jahre die Einrichtung -eS AlnmncumS, eines Ncubaus, vollendet war. Nament lich ist uns der erste Regens nicht bekannt, wenn auch die Akten ein Schreiben eines Hieronymus Kloßmann enthalten, »der armen knaben auf der schul streue", — datiert 29. Mai 1575 —, so müssen doch nicht deren vorhcrgcgangcn sein. Dem Kantor lag also, wie oben erwähnt, in erster Reihe die Pflege und Leitung der Fignratwns» (Kirchenmusik im Gegensatz zum Choralgesang) ob, und zwar nicht nur im souutägigeu Hauptgottesdienst, also bei -er Amtsprcdigt, sondern auch bei den Wochen predigten und zwar am Montag früh 8 Uhr in der Sophicnkirchc — diese waren 1610 von der Kurfürftin Sophie gestiftet und wurden abwechselnd von alle» Geistlichen der Kreuzkirche gehalten — und Donners tag früh 7 Uhr in der Kreuzkirche wie auch bei musika lischen Vespern, bei Figuralleicheu (s. o.), bei Braut messen, in Hochzeitshäuscru usw. Die Kirchenmusiken, instrumental wie auch vokal, wurden vor 1577 außer bei Fcstzcitcn seltener aufgeführt; immer wenn -er Superintendent predigte, war Kirchenmusik, allerdings später fiel auch dieser Vorzug fort. 1577 wurde jeden falls der Kantor Andreas Petermann verpflichtet, jeden Monat einmal zu figurieren. Von 1581 ab mußte »ein Sonntag omb -en andern in -en Zweyen kirchcn figurirct wcr-en". Im Jahre 1600 mußte -er Sautor -er Kreuzkirche auch die Musik in -er Franc»- - kirche mit übernehmen — in dieser Kirche lag die- Amt seit 1559 -en unteren Kollegen ob, wobei aller dings keine Musterleistungen zustandekamen, da von diesen nur die wenigsten musikalische Begabung hat ten —, bis diese vom Jahre 1681 ab ein musikalisch veranlagter Kollege wie-er freiwillig versorgte. Doch hatte auch -Lese Regelung keinen langen Bestand: im Jahre 1725 übertrug man dies Amt wieder dem Kan tor, dem es auch verblieb. Neben diesen Aufführungen währen- -er Gottes dienste traten im 18. Jahrh. die musikalischen Vespern am Sonntag nachm. und die Pasfionsmusiken mehr und mehr in -en Vordergrund. Als dann im 19. Jahr hundert di« Abendgottesdicnste zur Einführung kamen, wurden die Bessern ans den Sonnabend nach-