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Peter Hagen: ov-Lsi Vk»l.^a osn^g /nklL7k» »Vknoxo , §-,. §8 .Kamerad Tonne ^es braunen öo^uien ckernes Denkmal Eigentlich rbnnte man sich in der Dorfknekpe eine heiße Tasse Kafsee geben lassen. Aber nur wenige von uns könnten da- bezahlen. Kommt also nicht in Frage, Lte Sache mit dem Kaffee. Entweder alle oder keiner! Ja, nun stehen wir hier und warten. Die Beine sind wie abgestorben. Da- merkt man erst richtig, wenn man nicht mehr marschiert. Ich habe mir den unken Hacken wundgelaufen. ES brennt wie Feuer. Tin ziemliches Loch muß daS sein! Manchmal dachte ich schon, es ginge Nicht mehr, aber eS ging eben doch. Am liebsten würde ich jetzt den Affen auch m den Dreck schmeißen und mich braufsetzen, aber ich tu » nicht, weil die meisten anderen auch nicht sitzen. Der Morgenwind ist kälter al» der Sturm, der uns heute nacht den Regen um die Ohren peitschte. Aber bald muß ja die Sonne herauskommen, und dann wird's warm. Wenn erst die ganze Standarte zusam men ist, marschieren wir noch eine Viertelstunde und lagern nachher auf einer Wiese. Dann ziehen wir die nassen Klamotten aus, legen sie -um Trocknen in die Sonne und schlafen. ES ist ja Sommer, wenn man auch jetzt noch nicht» davon spürt. Baden werden wir natür lich auch, denn die Wiese liegt ja an einem großen See. Die Blätter an den Bäumen hängen immer noch regenschwer. Ueberall auf Straßen und Wegen blinken Pfützen. Auf der Dorfstraße hat sich sogar ein kleiner Leich angesammelt. Neben mir an der Mauer lehnt Georg Thone, den wir Tonne nennen. Er holt fein rote» Taschentuch heraus und wischt sich die letzten Regentropfen von der Stirn. »Mensch, sagt er, »war das ein Schlamassel! Dafür werden wir nachher aber pennen bi» in die Puppen! — Kaste nicht 'n Kamm da?" Er kämmt sich die blonden Haare zurück, die feucht verklebt an der Stirn pappen. Dann zupft er die au», gekämmten Haare vom Kamm, wischt ihn über die Hose und gibt ihn mir dankend zurück. Einer ruft. Als wir neugtertg die Straße hinunter gucken, kommen da welch« anmarschiert. — »Junge, Junge, wie die schleichen! — Jetzt singe» sie sogar. Na ja, die wolln noch 'n bißchen anjeoen." Ja, sie kommen mit Gesang, und eS scheint wirklich, als feuere sie da» wieder an. Sie sind genau so zer- schlagen wie wir, aber sie greifen noch einmal forsch aus. Jetzt sind sie heran. »Die Bierundzwanztger!" So müssen wir auch au-gesehen haben, als wir ankameru Wie eine abgekämpfte Truppe^die au» dem Grotzkanlpf ksmmt, Drecksprttzer an den Mänteln bis hoch hinaus. Tchlufi. Fritz Steckler hobelt mit der Mundharmonika über seine Lippen hin und her, nnd wir singen dazu. Es ist ein uraltes Soldatenlied. Ganz einfach ist die Melodie, wie geschaffen, in den Morgenwind htneingesnnaen zu werden. Der soll sie hinanstragen über die Straßen, die wir noch marschieren werden. Denn wir werden noch viele Straßen marschieren. Heute vielleicht nicht mehr, aber morgen, oder in ein paar Tagen, oder in einigen Wochen... So halten wir eine stille Weihestunde. Rauhe nnd knotige SA.-Männer. Da steht ein Student neben dem Arbeitslosen, und beide singen sie. In den Pausen ziehen sie abwechselnd an einer Zigarette. Wieder marschiert ein Sturm vorbei. Wir müllen ein wenig zurücktreten, um Platz zu schaffen. »Die Sieben- unddretßiger!" sagt einer. Sie lachen uns zu. Wir grüßen manchen, den wir kennen. Plötzlich stößt mich Tonne an. Dann benqt er sich verwundert vor, als sähe er etwas Seltsame». Ich folge seinem Blick. Drüben bei den Stebenund- dreißiger« marschiert einer, der zu uns herüberwinkt. Ein älterer Mann mit einem kleinen Schnurrbart unter der Nase. Er winkt uns zu, aber ich kenne ihn nicht. Vielleicht meint er Tonne. — Der hat seine Hände au» den Manteltaschen genommen, al» wolle er zu dem Manne hinlaufen. Aber er bleibt stehen und strafft sich nur etwa». Ein große» Erstaunen liegt in seinem Ge sicht. Aber dann winkt er auch und lacht, lacht. Der Siebenunddretßtaer mit dem Schnurrbart lacht zurück und wendet im Weitermarschieren noch den Kops nach un» zurück, bis sein Sturm um die Ecke gebogen ist. »Kanntest du den, Tonne?" Tonne steht mich an, als erwache er au» einem Traum. Aber dann schlägt er mir lachend auf die Schul- ter. Laß eS kracht. »Ob ich den kenne? — Mensch, daS ist doch Markgraf!" 21. Menschenmauern auf den Reitwegen und Bürger- steigen an der Charlottenburger Chaussee. Menschen- mauern, die immer stärker werden. Auf allen Wegen des Tiergartens kommen Leute berbetgelaufen, schließen sich an die dunklen Wälle an, die an beiden Seiten der breiten Asphaltstraße emporgewachsen sind. Wir marschieren mitten hindurch. Bor uns flattert die Sturmfahne. Diese rote Fahne, die wir so ost auf den weiten Landstraßen vor uns sahen. Da flattert sie nun wie immer, und eS ist doch heute etwa» Besonderes um diese» rote, schlagende Tuch. E» ist der SO. Januar 1SSS! Wir denken, daß wir diesen Tag in unsere Herzen ein- graben müssen, wie man eine Inschrift in einen Granit stein meißelt. Langsam nur marschieren wir. Bor uns geht ein end loser Zug die gerade, breite Straße hinunter. Ost müssen wir halten .,. Aber die Menschen schwenken die Hüte, recken un» die Arme entgegen, lachen un» an, rufen, winken ... ES kommt wie ein Rausch über mich, al» ich immer wieder in lachende Augen sehen muß. Wie eine Flamme schlägt e» über mich zusammen, ein Taumel der Freude und Begeisterung. Ich möchte au» der marschierenden Kolonne springen uns alle diese Sünde drücken, die uns zum Gruß entgegengestreckt werden. Eine Kapelle marschiert vor un» im Zuge. Marsch musik dröhnt auf, der »Hohenfrtedberger"... Mein Nebenmann singt leise den Text mit. ES ist Tanne. »— und ständen sie auch noch so dicht auf Friedberg» Höh', wir reiten sie zusammen wie FrühltngSschnee!" tnd ja noch >t hatte! - en Dank!" Nachdem sie weaaetreten sind, lehnen sie sich auch an die Mauer, und träumen wie wir von der Sonne. Ich faste in die Manteltasche. Herrjeh, da si Zigaretten! Daß ich daran nicht mehr gedacht ^stauchst du, Tonne?" — »Klar, Mensch, heiß« Ist da» ein Genuß! Tief saugen wir den Ranch ein und stoßen ihn in dünnem Strahl durch die Lippen. Bald treffen auch die anderen Stürme ein. Der Sam melplatz belebt sich. Man läuft herum und begrüßt Kameraden. Fritz Steckler kommt. »LoS, Jungen», woll n mal 'n bißchen singen!" Schnell hat er seine Mundharmonika angesetzt. — Sech» Mann stehen wir an der Mauer und singen, nicht laut, wie beim Marsch, sondern nur leise für uns. Lsetzt geht der Marsch in» yellr- Der Kaiser braucht Soldaten, Soldaten müssen sein! Der Kaiser, der tut schlafe», Soldaten müssen wachen. Dazu sind sie'» bestellt!" Der aufreizende Takt diese» Marsche» schlägt ins Blut, jagt e» in pulsenden Wirbeln durch die Adern »Mensch, Tonne, da» tS'n Tag, wa»?" Er steht mich an und lacht nur. Lacht, daß man alle Zähne sehen kann. »Tonne, auf den Tag haben wir gewartet! Nnd nun tste» so weit. — Wenn » bloß schnelle ginge, wir kommen ja gar »ich vorwärt-!" Die beiden Zeilen der hohen Bäume link» nnd rechts der Straße scheinen sich vor un» zussmmenznschiebcn, un- hinter dem Gewirr ihrer Aeste schimmern grau und verschwommen die hohen, festen Säulen de» Branden- burger Tore». Brandenburger Tor! — Wie lange aalt diesem ge waltigen Steingefüge unsere Sehnsucht! Durch diese- Tor wollten wir mit unseren Fahnen und Standarten marschieren, wenn wir den Steg erfochten hätten Und nun ist e» io wett! — Ja, nun ist e» so weit! Wir marschieren schon. Seht doch, gerade vor un»! Hundert Meter vor un» schwankt ein lodernder Wald roter Fahnen zwischen den aufstetgenden grauen Säu- len de» Tore». Und nun marschieren wir selbst hindurch. »Mensch, Tonne!" ES ist, al» tauchten wir hinter dem Tor, ans dem Pariser Platz, in eine brodelnde Schlucht voll Jubel und Singen. Gewaltige Bolksmasten haben uns eine schmale Gaste freigelasten. Ein winziger Kanal in diesem Meer überschwenglicher Menschen. Bis in die Bäume sind sie hinaufgeklettert, wie Tauben hängen sie an den Masten der Lampen. Und wie ein ununterbrochener Donner geht ein Singen über die Hunderttausende hin ... »Deutschland, Deutschland über alle» .. Unsere Fahnen weben, Pfeifen gellen, Trommeln rasseln. Wir biegen in die Wilhelmstraße ein. Wir marschieren ganz langsam, müssen immer wieder auf der Stelle treten. Und um uns Winken und Lachen und Singe« und Rufen und Jubeln. Adolf Hitler Reichskanzler! Dreißigster Januar neunzehnhundertdretunddreißigl »Tonne, Mensch, Tonne steh doch, da rechts . .." Wir marschieren an einem erleuchteten Fenster vor bei. In schlichtem Schwarz, voll eherner Ruhe, eine hohe Gestalt: Der Reichspräsident von Hindenburg, der Generalfeldmarschall des großen Krieges. Grüßend hebt er vor unseren Fahne» die Hand, neigt den silber weißen Kopf... Vorbei... Und lehr, wenige Meter wener, die Reichskanzlei.., Unsere Flügelmänner trimen Fackeln, deren rot- brauner Qualm durch den Abend wallt wie feuriger Nebel... Bon vorn ein Kommando: »Augen recht»!" Die Köpfe schlagen herum. Da oben — am Fenster — die Hand zum Gruß erhoben — Adolf Hitler — unser Adolf Hitler — unser Führer — der neue Führer -eS Volkes... . Rasender Jnbel bricht immer wieder aus dem schwär- zen Menschenmeer hervor. Wir aber marschieren stramm un- stumm vorüber. Wir könnten auch gar nicht rufen. Unsere Herzen schlagen bi» in -en Hal» hinauf, un- die Kehlen sind uns wie zugeschnürt... Biel später erst löst sich diese atemberaubende Be- klemmung. Da sind wir schon hinter dem »Kaiserhof". Und da spreche» wir wieder... »Hast du ihn gesehen, Tonne? — Dr. Goebbels stand be, ihm, und Goring und Frick .. Tonne reicht mir schweigend seine Rechte herüber. Ich greife diese Hand im derben grauen Wollhandschuh, und so marschieren wir schweigend, Han- in Hand, un sogen nicht», und lachen uns m»r a« ... — Ende.--