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181. Ä. Beilage znm Riesaer Tagelriatt. Donnerstag, 8. Anni 1N88, avenvs. 8«. Iattrg. MeWeMmWle SaW. Sn Sroßstädteln bet Leipzig wurde in Anwesen heit de» sächsischen Arbeit-Ministers Dr. Schmidt und zahl reicher Vertreter der Reichs-, der staatlichen und städtischen Behörden, der Arbeitsdienstverbände, des Stahlhelm und der Nationalsozialistischen Bewegung die Bezirksführerschule Sachsen für den Deutschen Arbeitsdienst, dteerste Landes- Ichule inDeutschland überhaupt, eröffnet. In wenigen Wochen ist das der Aktiengesellschaft Säch sische Werke gehörende Gräflich Wallwinsche Schloß, das seit über acht Jahren unbewohnt stand und sehr verwahrlost war, für die Zwecke der Landesführerschule eingerichtet wor den. Die Schule, auf der zunächst jeweils 50 Führeranwär ter in Istägigen Kursen ausgebildet werden, ist mit einem Arbeitslager von 250 Mann verbunden, das am Ausbau des Elsterstausee« eingesetzt wird. Um die insgesamt 300 Mann unteroringen zu können, mußten noch verschiedene Baracken errichtet werden, u. a. eine Wohnbaracke für 120 Mann. Landtagspräsident Dönicke sprach seine Freude dar über au«, daß die Landesführerschule Sachsen als die erste deutsche Üandesschule nach Leipzig gelegt wurde. Gaufach bearbeiter und Stabsleiter Haase erklärte: Wir wollen im Arbeitsdienst das wiederfinden, was das Volk im Lause der letzten Jahre verloren hat; die Zerrissenheit im Volk selbst wollen wir ausschalten. Wir wollen unsere Ju gend kräftigen, damit sie den Gefahren und Anforderungen des Lebens gewachsen ist. Die Kameraden vom Arbeitsdienst haben nicht nur die Pflicht der Disziplin innerhalb der Ab teilung und an der Baustelle, nicht nur der Wahrung echter Kameradschaft übernommen, sondern die höchste Pflicht ist es, auch außerhalb der Abteilung durch straffe Haltung und durch Disziplin zu zeigen, daß sie wert sind, da» Ehrenkleid des Deutschen Arbeitsdienstes zu trauen. Stabsleiter Haase übergab den 300 Jahre alten Schlüssel des Gebäudes dem Leiter des staatlichen Arbeitsdienstes, Oberstleutnant von Alten, der die Bezirksführerschule des Landes Sachsen für eröffnet erklärte. Arbeitsminister Dr. Schmidt überbrachte die Glück wünsche der Sächsischen Gesamtregierung und sagte jede mög- liche Unterstützung und Förderung zu. Das Wort Arbeits dienstpflicht umfasse mit den drei Begriffen, aus denen es zusammengesetzt sei, ein ganzes Programm. Es umreiße das, was unserm Volk not tue. Die Sächsische Regierung wünsche, daß diese drei Begriffe ganz ins Herz der jungen Kameraden einziehen zum Segen unseres heißgeliebten Vaterlandes. Nach einer kurzen Aussprache des Bürgermeister Haake- Leipzig schloß die einfache Feier mit dem Horst-Wessel-Lied. Ein Runogang durch das Schloß und die Nebengebäude zeigte, in wie vorbildlicher Welse ein einfacher würdiger Nah men für die großen Zwecke der Landesführerschule geschaf fen worden ist. Ne Rot der Musttiuftr»me»te« 3«d»Vrke Belebung der Volks- und Hausmusik Oben, an den Hängen des Erzgebirges, im Vogtland, in Mar kn eukirchen und Klingenthal, sitzt eine uralte deutsche Industrie, die Musikinstrumenten-Jnoustrie. Ihren Absatz fand sie bisher zu SO Prozent im Ausland. Durch die Wirtschaftslage und die Begründung von nationa le« Industrien, besonders in Nordamerika und Japan, ist sie jetzt nahezu auf 25 Prozent ihres Vorkriegswertes zu- rückgeaanaenl Beispielsweise tst die Produktion von Zithern von 56 100 im Jahr 1913 auf 9600 im Jahr 1932 gesunken. Erwerbslosigkeit dieser fleißigen und bedürfnislosen Men schen im Vogtland und mangelnder Absitz für di« deutsche Landwirtschaft sind die Folgen. Di« vorübergerauschte Zeit der Niagermusik hat di« alte deutsche Volks- und Hausmusik verdrängt. Die Zeiten der alten deutschen Kirchweih und der Kirmes sind vorüber. Der Nationalsozialismus aber bejaht da» deutsche Volkslied m seiner ganzen Kraft und seiner ganzen Lebensfreude. E: muß wieder dahin kommen, daß überall die gute alte deutsch? Volkssitte, die alten Volksweisen und Volkstänze aufkom- men, und damit erfüllt man auch eine nationale Pflicht ge genüber den Tausenden und Abertausende» von Erwerbsw sen des voatländtschen Erzgebirges. Bauern war früher das Land der Zither und muß cs wieder werden. Die Wasserkante war früher die Heimat des Matrosenklaviers, der Handhar monika. Die gute Zeit der schönen Hausmusik — jene» Bild des verinnerlichten Deutschtums — muß wiederkehren. Der Rundfunk sollte einmal wieder deutsche Hausmusik verbrei ten; damit wird wieder Absatz für Geigen und andere Musik- instrumente geschaffen. Unseren Kindern soll man gern das Vergnügen gönnen, die Anfänge der Musik mit der Mund harmonika zu erlernen. All dies hilft den schwerleidenden Vogtländern und gibt ihnen die Möglichkeit, dem deutschen Bauern wieder deutsche Lebensmittel abzukaufen. Möge dieser Appell gerade in den landwirtschaftlichen Gegenden Deutschlands, wo Sinn für deutsches Wesen, Sinn für Blut und Boden herrschen, nicht ungehört verhallen! M »MWe MM Ist len Mtmlem Mildem». Eine Entscheidung des Reichsgerichts. vdz. Berlin. Die nationalpolitische und volkswirt schaftliche Notwendigkeit, gerade gegenwärtig dem deutschen Erzeugnis bei allen Einkäufen im Inland den Vorzug zu geben, ist überzeugte Ansicht des deutschen Volkes gewor ben. Es ist aber nicht verwunderlich, daß bei Len Ver suchen, diese Notwendigkeit in die Praxis umzusehen, recht liche Streitfragen anstauchen können, besonders gegenüber solchen Formen, die seit langer Zeit Einfuhrartikel ver treiben. Mit einem derartigen Rechtsstreit hatte sich jetzt das Reichsgericht zu beschäftigen. Als Klägerin durch alle Instanzen war eine Firma ausgetreten, die Importartikel verkauft und die einen Verstoß geg-n das Gesetz über Leu unlauteren Wettbewerb darin erblickte, daß eine Konkur renzfirma mit dem Argument auftrat. „Deutschland den Deutschen", und daß diese Konkurrenzsirnm die Notwendig keit unterstrich, das bei ihr hergestellte deutsche Erzeugnis dem bei der anderen Firma vertriebenen ausländischen Erzeugnis vorzuziehen. , , Das Reichsgericht hat sich in einer musterhaften Ent scheidung dem Kampf kür die Förderung b»r deutschen Wirt schaft angeschlossen. Es hat ausgeführt, -aß in der heu tigen Zeit dem dentschen Kankmav" nickt verweßrt werden könne, für seine Waren durch den Hinweis aut ihre bentkche Herkunft und aut die notivendige Beschränkung ansliin- disckcr Einfuhr Reklame zu macken. Die Notlage der deut schen Wirtschaft einerseits, so heißt cS in der Ncichsacrichts- entschcidung, und die im Ausland überall durch Zollmaß nahmen und dergleichen zutage tretend'»». dem Schutze -er nationalen Erzeugnisse dienend»», Abschlußbestrebungen andererseits, ließen beim Vertrieb unserer einheimischen Waren einen Appell an die vaterländische Gcsinnuna der Käufcrschaft, durch -en Bezug deutscher War»« zue Linde rung der deutschen Not beizntrageu vielmehr als durchaus gerechtfertigt und keineswegs als Verstoß gegen die guten Sitten -eS Wettbewerbs erscheinen. Dieser Recht-begriff sei kein starrer, unabänderlicher. Wenn auch iu früheren wirtschaftlich normalen Zeiten ein Hinweis aus den aus ländischen Charakter eines Geschäfts oder einer Ware unter Umständen als Verstoß gegen den 8 1 des unlauteren Wettbewerbs-Gesetzes beanstandet worben sei, so hätten sich doch mit der inzwischen eingetrctenm völlig-,, Verän derung der wirtschaftlichen Lage mnd Verhältnisse fast In der ganzen Welt die maßgebenden Anschauungen -cs Ver kehrs ebenfalls geändert. In den jetzt herrschenden wirsichaftlichen Notzeiten mit Rücksicht auf das von anderen Ländern -de hrlb geübte Verhalten erscheine es daher ausgeschlossen, in d»m Apocll der Beklagten an sick einen Verstoß gegen die Gesche d's lauteren Wettbewerbs zu sehen. Die erste Seite des Werbeblattes der Beklagten mi? der Neberschrift. „Teutscl> land den Deutschen", sei daher nicht zu beanstanden. MnN-Wzetz w ME Ivo Zeuge», drei Monate Verhandlung. vdz. Berlin. Vor der 1. Strafkammer beim Land- gerickt lll Berlin, unter dem Vorsitz von LandgcricktSdirek- tor Nambke, begann am Mittwoch unter dem Rubrum „Schultz und Geuossen" ein Wechselschiebungs-Prozeß gegen »1 Angeklagte, der an die Ausmaße des Sklarek-Prozcsscs erinnert. Die Anklageschrift, die von Staatsanwaltschafts rat Hers vertreten wird, umsaßt nicht weniger als 318 Setten. Von der Staatsanwaltschaft sind allein über hun dert Zeugen und Sachverständige benannt. In die Wechsel schiebungen ist n. a. auch der srühere Landgerichtsdircktor Willibald von Wedel-Parlow verwickelt. Die 31 Angeklagten werden von der Anklage in drei Gruppen geteilt. Im Zentrum der ersten Gruppe, die die Wechselschiebuugcn tätigte, steht der Angeklagte Max Schultz, der mit dem Angeklagten Daume, einem früheren Offizier, und anderen Angeklagten einen Autohanbel betrieb. Diese Angeklagtengruppe kaufte Wechsel auf, deren Aussteller dem Namen und Stand nach als sicher erschienen. Mit diesen Wechseln und einer kleinen Baranzahlung kaufte man AutoS auf, die man sofort gegen eine erheblich höhere Bar anzahlung und gute Wechsel wetterverkaufte. Ans diese Weise erzielte man nicht nur einen Bargewinu, sondern verfügte statt der von ihnen benutzten wertlosen Wechsel über gute Wechsel. — Die zweite Gruppe der Angeklagten sind die Wechselaussteller. Zu dieser Gruppe gehört neben dem früheren Lanbgerichtsdirektor v. Wedel-Parlow, der allein über eine halbe Million Wechsel ausgestellt hat, auch die Ehefrau des früheren Landgerichtsdirektors Engelmann. Wedel-Parlow, der in früheren Jahren Strafrichter in Moabit war und dann als Vorsitzender einer Zivilkammer beim Berliner Landgericht I wirkte, hatte sich schon unter der Anklage der Unterschlagung und des Betruges vor dem Schöffengericht Berlin-Charlottenburg zu verantworten. Dieses Verfahren wurde jedoch nicht durchgeführt, sondern zu gemeinsamer Verhandlung mit diesem Prozeß vcrbun- den. Wedel-Parlow, der sich bei Ausstellung der Wechsel in katastrophalem Vcrmögcnszerfall befand, verteidigte sich da mit, daß er an der Auswertung eines englischen Patentes zur Herstellung künstlicher Därme beteiligt sei und deshalb in gutem Glauben Wechsel in derartiger Höhe gegeben habe. Frau Engelmann führt zu ihrer Verteidigung ein angeblich wertvolles Kohlenbergwerk ins Feld, das aber nach Darstellung der Anklage vollkommen wertlos ist. — In der dritten Gruppe der Angeklagten, die bei der Ver mittlung der Wechselgeschäfte tätig waren, findet sich der Berliner Rechtsanwalt Zcrba und ein Rechtsanwalt und Notar G. Unter der Anklage des Betruges hat sich ferner der Graf Soltikow-Benuecke zu verantworten. Für den Prozeß wirb eine Rerhandlungsdauer von mindestens einem Vierteljahr benötigt werben. «D/e/kttigeir 6emü/e änwoH/AsMmac/r—Ver/sngerr S/e aber Oopzcrigbt t>x dlartio keucbtvanger, lkslla <8»»l«f lS7 Was wollte der von ihr?* „Was ist?" fragte sie ihn unliebenswürdig und un zeremoniell, sogar vor der Dienerschaft die hergebrachten Formen und Begrüßungsworte vernachlässigend. „Ich habe gehört... Du... Dieser Oberförster Cor nelius ..." Ein Winken ihres Kopfe- — die Dienerschaft ver schwand. „Eifersüchtig?" fragte sie hohnvoll. „Mein Herr Ge mahl? Und die Peppt, der Sie vor den Toren Wiens das lustige Jagdschlötzchen eingerichtet haben? Und die Annerl, die Sie an den Hofschreiber Reger verheiratet haben, um sie ungestört besuchen zu können? Und die LuiS, die meinem Kinde ein Schwesterlcin wiegt, daS niemals Fürstin heißen wird? Und... Soll ich noch mehr auf zählen?" Der junge Fürst, der einen Augenblick gestutzt hatte, hatte bereits seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen. „WaS redst für Zeugs?" sagte er mit der Grobheit des Kleinbürgers gegen die angetraute Gattin. „Bin ich a Weibsbild wie du? Wo hast dein Buhlen? Zeig' ihn her, daß ich ihm das Leder verdresch — höchst eigen händig, wenn er'S mir wert scheint..." „Einen Buhlen habe ich nie gehabt..." Leider!, dachte sie mit einem Male. „Aber mäßigen Sie Ihre Stimme, Fürst. Ein Verwundeter hier im Hause feiert Wiedersehen mit seiner Braut. Ich wünsche, daß er ungestört bleibt. Seine Tage nicht nur, seine Stunden sind gezählt." Joseph Windischgrätz zögert«. „Lüge!" lärmte er von neuem. „Das werde ich gleich sehen!" Mit einer Wendung stand Jgnis vor der Tür, hinter der Ernst Cornelius lag. Sie breitete die Arme aus, um den roh-zudringlichen Gatten den Eingang zu verwehren. „Ruhe!" sagte sie so voller Würde, daß der junge Mensch trotzig eine Wendung machte, als wollte er gehen. „Das... So wird man nun empfangen von dem eigenen Weib...!" „Heuchler!" sagte Jgnis ruhig. Ihre Blicke wurzelten ineinander. „Wenn da einer drinnen stirbt — wo ist nachher der Priester? Muß doch die letzte Oelung geben..." „Cornelius, wie ich, ist — Hugenott!" sagte Jgnis. „Kümmern Sie sich um Ihre eigene Seele, Fürst Win- dtschgrätz!" Und plötzlich horchte sie auf. „Mein Gott — was ist?" Sie riß die Flügel der Tür auseinander. Laut weinend stand, mit gerungenen Händen, die Braut mitten im Zimmer. Ein einziger Blick auf das geliebte Antlitz zeigte Jgnis, daß Ernst Cornelius den letzten Atemzug getan. Fast beruhigte es sie. So blieben ihm Roheiten er spart, die ihr Gemahl gewiß sich nicht hätte versagen können — und sein ersehntes, bescheidenes Glück hatte er gehabt... Sie lächelte schmerzlich in das edle Gesicht des Toten. Und plötzlich war ihr alles eins — das Urteil der Welt, die schluchzende Braut, die erst jetzt ihr Herz ent deckt hatte und durch ihre Feigheit den Leidenden noch manchen überflüssigen Schmerz gemacht. Mit ruhiger Selbstverständlichkeit schritt sie zu dem Toten hin, sanft zärtlich strich sie über die eingefallenen Wangen, das vom Tove seines Glanzes noch nicht beraubte Haar. Dann beugte sie sich herab und küßte leicht und wie mit dem Hauch ihrer Seele die Lippen, die der Tod noch nicht ge kühlt. Windischgrätz ritz sie zurück. Ihm flößte auch dies Sterben keine Ehrfurcht ein. „Willst du noch leugnen, daß du ihn geliebt hast?" schnob er Zorn. Jgnis sah ihn an wie etwas Fremdes, Fernes, Un begreifliches. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein!" sagte sie. „Das leugne ich nicht! Gewiß habe ich ihn geliebt..." Ihre ruhige Selbstverständlichkeit verblüffte ihn so, daß er sie ungehindert an sich vorübergehen ließ. „Sie sehen, Fräulein", sagte er zu der still und offiziell vor sich hinweinenden Irene, „was für eine Frau ich habe. Mir bricht sie die Treue, Ihnen raubt sie den Ver lobten..." Irene sah auf. Sie sah ein nichtssagendes junges Männergesicht, in dessen wasserblauen Augen geschrieben stand, daß er sie reizend fände. Sie war arm. Der, der ihr Haus und Ver- sorgung hatte bieten wollen, war tot. Das Leben bei den alten Tanten, einerlei, ob sie in Berlin oder Breslau wohnten, gleich öde und freudlos. Sie sehnte sich nach einer Chance, einerlei, welcher Art, In dem Zimmer, das noch der Todeshauch ihres Verlobten füllte, tauschte sie, über seine Leiche hinweg, einen Blick zärtlichen Ein verständnisses mit dem jungen Fürsten Windischgrätz. „In Wien", flüsterte er, boshaft und verliebt, „sehen wir uns wieder!" JgniS hatte sich in ihr Zimmer begeben. Niemand als Bertel durfte zu ihr. Die schickte sie auch zu dem Freiherrn, ihm vom Stand der Dinge zu unterrichten. Stein kam sogleich, ordnete alles, was zu ordnen war. Der Fürst war bereits wieder abgereist. Die Gegenwart eines Toten war ihm peinlich. Jgnis fragte nicht einmal nach ihm. Und keiner sprach zu ihr von ihm. Sie alle ehrten ihre reine Liebe und ihre stumme Verachtung.