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^-57.2. Beilage znni Riesaer Tageblatt. Mittwoch, 8. MSrz 1932, avenvs. 8«. Jas>rg. <Woie4. Za den Borginzen in Hesse«. Lr. Adelung, der hessische Staatspräsident. Das hessische Staatsministcrinm in Darmstadt. Bilder rechts. Jakob Wassermann, der sich in seinen Romanen — erwähnt seien „DaS Gänsemännchcn" und „Der Fall Mauritius" — als Meister der psychologischen Analyse gezeigt hat, vollendet am 10. März sein 60. Lebensjahr. Als Leiter der Preussischen Justizverwaltung in Aussicht genommen. Rechtsanwalt Dr. Luctgcbrnnc, der gegenwärtig als Kommissar zur besonderen Verwendung im Preussischen Innenministerium tätig ist, wird als (5hcf der Preu ssischen Justizverwaltung genannt. Bild unten. Mit der Wassersprisse gegen Streikende. Bei einem Streik in Waukcsba im amerikanischen Staat Wisconsin rief die Polizei die Feuerwehr zn Hilfe: mit einem starken Wasserstrahl wurden die Streitenden in wenigen Minuten anScinandcrgetricbe» — ei» sicher ebenso ungefährliches wie crsolgsichcrcs und nachahmens wertes Mittel. Sine Urenkelin Franz JosesS I. als Brant. Prinzessin Stephanie zu Windisch-Grätz hat sich kn Brüssel mit dem Grafen Peter d'AIeautara de Oucrricu verlobt. Die 'Braut ist 26 .Zähre alt und eine Urenkelin des Baisers Franz Josef l. von Oesterreich. Bild darunter: Neuer Rcchtsbrnch Polens in Danzig. Ans der Westcrplattc bei Danzig laus uuserm Bilde von der Hafeneinfahrt nach Danzig das linke User), wo Polen ein Militär- nnd Munitionslager unterhält, wurde die Besatzung entgegen den bestehenden Verträgen nm 100 polnische Soldaten verstärkt. In Danziger Kreisen herrscht über dieses unerhörte Vorgehen Polens berechtigte Erregung, man hofft jedoch, dass der Volker- bnnd dieser Vertragsverletzung entgegentreten wird. Lopxrigkt dlartin keuoktvvsvger, blslle (Saale) 119 Aber der Wagen bog um die Ecke, glitt durch die nacht stillen Strassen des vornehmen Villenviertels, in das sic vor kurzem gezogen, ehe der Dritte sie verlassen hatte. Grenzenlos enttäuscht starrte sie zum Fenster hinaus, an dem Mauern, Bäume, Laternen wie schattenhafte Schemen vorüberhuschten. Warum kam Magnus nicht zu ihr? Wohin wollte er? Was erfüllte seine Gedanken, dass er den schönen Abend so jäh beschloss? Er war so un- möglich zu hallen wie fliessendes Wasser, entglitt, wenn man ihn am festesten gebunden wähnte. Nie befass man ihn ganz. „Verzeih, wenn ich nicht mitkomme, Li — ich habe aber noch dringende Geschäfte zu erledigen." Er hielt ihre beiden Hände fest, küsste sie. Sie spürte die Wärme seiner Lippen und zitterte. „Magnus, wirklich Geschäfte?" Ach, dass er doch bliebe. „Ich lüge dich nie an, Li." Seine Stimme war sanft Wie selten. Ein unterdrückter Seufzer. „Morgen?" „Vielleicht, wenn die Aufsichtsratssitzung sich nicht zu lange ausdehnt." „Rufe mich doch auf jeden Fall an, ja? Ab zwei Uhr bin ich zu Hause. Gute Nacht, Magnus." Wie traurig sie ihn ansah, die vor einer halben Stunde noch so heiter, unbeschwerter Lebensfreude voll, in seinen Armen durch den Hellen Saal geglitten. „Ich rufe an", versprach er und nickte ihr leise lächelnd zu. Da schwand die Trauer aus dem reizenden Gesicht. Morgen war bald... Hans-Heinrich Gebier wurde wunschgemäss an seinem Klub abgesetzt. Dann schoss der Wagen pfeilgeschwind auf ver langen, fast leeren Allee weiter gen Westen, wo sich Magnus Stcinherr fern vom Trubel der Stadt und nahe seinen Werken ein altes Jagdschloss zum Heim erworben hatte. „Sie scheinen sich hier draussen auszukennen", bemerkte er zu vem Fremde» neben sich, der mit angespannter Auf merksamkeit geradeaus sah und, sobald sie die Stadt grenze überschritten, höchste Geschwindigkeit einschaltete. Tas gleichmässige Summen ves Motors war das einzige Geräusch hier draussen auf der Chaussee, die weiter oben in einen Walv mündete. „Schon als Kind kam icb hierher mit meinen Eltern, 'wenn die Königlichen Herrschaften ein Gartenfest für die Kinder ihrer Familie veranstalteten", erwiderte Georg von Vandro, ohne den wachsamen Blick von der Strasse zu wenden. „Nnd als Student machte ich öfters Ausflüge mit Bekannten hierher. Später hiess es, das Schloss sei verkauft. Es ist schön hier draussen, schön und einsam." „Deswegen liebe ich es", sagte Steinherr. Er schwieg einige Augenblicke. „Was sind Sie von Berus, Herr von Vandro?" fragte er dann unvermittelt. Der lächelte. „Kunsthistoriker, Herr Stcinherr, aber auch Ski- und Tennislehrer, oder auch Eintänzer, je nach Bedarf." „Seit wann müssen Sie..." „Seit vier Jahren." Steinherr stellte keine weiteren Fragen. „Es ist nicht leicht", sagte er nur. „Was ist leicht heutzutage, Herr Steinherr", sagte der Jüngere ruhig. Die Antwort gefiel Stcinherr. Er runzelte die Stirn, dachte nach. Nun fuhren sie zwischen hohen Bäumen dahin auf ge pflegtem Weg, der nur spärlich von Laternen erhellt war Ein grosses eisernes Tor gebot Halt. Auf mehrfaches Hupen flog es, vom seitwärts liegenden Portierhäuschen aus geöffnet, auf. Wieder ging es, jetzt allmählich an steigend, durch herrlichen alten Baumbestand weiter, dem Haus aus Hellem Gestein zu, das in seinen einfachen. schmucklosen Linien den Eindruck sturmfefter Standhaftig keit machte. /'-v „Wie schön Sie es restaurieren ließen", freute sich Vandro, für den Augenblick seine Stellung als Unter gebener vergessend. „Wie gut passt die breite Terrasse über die Söulen und der Freitreppe — da haben Sie Wände hcranSbrechen lassen!" „Nur das Nötigste, was für heutige Behaglichkeits ansprüche unbedingt erforderlich war, wurde gemacht, auch ! möglichst wenig abgeholzt", antwortete Steinherr und wies nach links. „Da hinten liegt die Garage." Er fuhr mit, wartete, bis Vandro den Wagen hinein manövriert hatte, und ging, den jüngeren Mann an seiner Seite, dem Hause zu. Zwischen den Bäumen leuchtete der Himmel im rötlichen Dunst über der nächtlichen Stadt. An der offenen Tür stand ein Diener in dunkler Livree. Iteinherr übergab ihm seine Garderobe und bedeutete Vandro, ebenfalls abzulegen. In dem grossen Arbeits zimmer, dessen sachliche Nüchternheit den Zweck des Raumes scharf betonte, griff der Hausherr nach dem Glas kasten mit Zigaretten auf dem Schreibtisch und bot davon seinem Gast an. „Setzen Sic sich, Herr von Vandro!" Sein Blick ruhte forschend und freundlich auf dem Gesicht des Mannes vor ihm. „Ich möchte meinen Findling gern näher kennen lernen." Elftes Kapitel. Spät war es, als die beiden Männer sich trennten. Aus dem Fragespiel war ein unbefangener Gedankenaustausch zweier Menschen geworden, die viel Gemeinsames in einander entdeckten und sich dessen freuten. Dann wurde der Ton des Stahlmagnaten plötzlich wieder geschäfts mässig. „Ich kann Ihnen keine Ertrastellung schaffen, Herr von Vandro, aber wenn Sie sich mit derjenigen eines Chauf feurs begnügen wollen, bis Besseres sich bietet, so können Sie die am heutigen Abend übernommene Tätigkeit gleich weiter ausüben"