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2. Veilarle zum Riesaer Taflevlatt. DonnerStaa, 9 Fevrnar 193S, avenvs. 86. Iahra. Aus dem Landtag Die Steuernachlässe de, früheren Ainanzmlnisters weher Der vom Landtag eingesetzte Ausschuß zur Untersuchung --.-wisser Vorgänge bei der Steuererhebung während der Zeit es Finanzministers Dr. Weber trat nahezu einstimmig dem llntrag des Mitberichterstatters, Abg, Enterlein (Wirtschp.), bei, wonach der Landtag beschließen möge, von seinem Be richt zustimmend Kenntnis zu nehmen. In diesem Bericht wird ausdrücklich hervorgehoben, daß sich Dr. Weber einer eigenen Entscheidung über die damals vorgelegten Gesuche um Steuerbefreiung für das Erholungsheim »Kaiserhof- in Bärenfel, hätte enthalten sollen. Es handelte sich dabei, wie erinnerlich, um etwa VOOO RM Steuernachlaß für das ge nannte Heim. Kraftverkehrssrageu vor dem Haushalksausschutz 8m Haushaltsausschub de« Sächsischen Landtages stan den mehrere auf Verbilligung des Kraftwagen verkehr» gerichtete Anträge Kur Beratung. Ein Regie- runge*«rtreter erklärte, daß die schwierige Lage der Kraft- waaenbesitzer anzuerkennen sei, andererseits könne das finan- ielle Interesse des Staates nicht vernachlässigt werden. Zwi- chen den Reichsressorts sei über die Neuregelung des Brenn- toffzolles und der Kraftfahrzeugsteuer noch keine Ueberein- timmung erzielt, werde jedoch bis zum 31. März erwartet. Ein« Neuregelung der Führerscheinfrage werde ebenfalls vorbereitet. Die Anträge, beim Reich auf Senkung der Betriebsstoff, preise Hinzuwirten und die Droschkenbesitzer bei nachgewie sener Notlage von der Kraftfahrzeugsteuer ganz oder teil weise zu befreien, wurden einstimmig angenommen. Eine Mehrheit fand sich auch für den Antrag, Motorräder bis zu 500 ccm Hubraum und Kraftwagen von Kleingewerbetrei- benden von der Steuer freizulassen. Auf die Reichsregierung solle dahin eingewirkt werden, daß die Wiederbelieferung mit zollfreiem Betriebsstoff für Kraftdroschken wie bis zum Jahr 1V23 wieder eingeführt wird. Zu einer längeren Aussprache führte der Beimischungs zwang von Spiritus zum Autobetriebsstoff und die Zollfrage für einzuführendes Benzol. Den Erklärungen der Regie rung war zu entnehmen, daß der Beimischungszwang in an- deren Ländern viel weiter gehe. Die Spiritusverwenoung sei für den kartosfelanbauenden Osten eine Lebensfrage. Die Herstellung von Holzspiritus sei im Fortschritten begriffen. Die maßgebenden Stellen seien bemüht- auf eine Senkung der hohen Einfuhrzölle für Benzol hinzuwirken. — Angenommen wurde noch ein Antrag auf Umgestaltung der Kraftfahrzeug- steuer nach dem Verbrauch und dauernde Vorbehaltung dieser Steuer zu Straßenbauzwecken. Für einen Antrag, für den gesamten Triebstoff- und Mineralölhandel ein Reichsmono pol zu errichten, fand sich im Ausschuß keine Mehrheit. Meit iilr öenLMW. X Dresden. Nack einem von der sozialdemokratischen LandtaaSiraktion einaebrackten Antrag toll die Reaieruna oeanstragt werden, ioiort die Einberufung des Reichs- ruteS zu fordern und dort fchSrfstenS argen die Absetzung der preußischen Negierung zu protestieren und ferner in dieser Angelegenheit Klage beim Staatsgerichtsbof zu erheben. Ein weiterer sozialdemokratischer Antrag will die Re gierung erstickt willen, der Abtrennung der Gebiete Tarif rind Schlichtungswesen, ArbeitSreckt, Arbeitsschutz, Sozial versicherung und Wohnungswesen vom ReichsarbeitSmini- fterium mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln ent gegenzutreten. Nach einem 3. Antrag derselben Fraktion soll die Re gierung erstickt werden, bei der ReickSregierung und im ReiLSrat auf eine beschleunigte Neuregelung der gesamten ArbeitSloienoersorgiing hinutwirken und dabei insbesondere die Forderungen auf Wiederherstellung der Arbeitslosen- Versicherung durch Beseitigung der Hilfsbrdürstigkeit«. vriifuna und auf organiscke Zusammeniaffuna der Krisen- und kommunalen Vrwerbsloleniürsorae zu vertreten. Schließlich verlangt ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion non der Regiernna, bei der ReickSregierung di« Erweiterung des Mereke-BlaneS und darüber hinan« eine umfassende ArbeitSbesckaffnnaSaktion zu fordern. Bei Ar beiten, die im Rabmen des ReichSarbeitSbeschaffungSpro- orammS durchgestihrt werden, tolle den Arbeitern der volle Tariflohn gezahlt werden. Ferner solle die 40 Etunden- Woche als allgemeine Höchstarbeitszeit reickSgesetzlich fest gelegt werden. VMt der Gewerdekmmer Skeslen. Dresden. Wie aus dem letzten Bericht der Gewerbe kammer Dresden hervorgeht, häufen sich die Klagen aus den Kreisen des Gast- und Schankwirtschaftsgewerbes über die außerordentlich ernste wirtschaftliche Lage infolge der zu hohen Besteuerung des Bieres, der allgemeinen Steuerlasten, der Konkurrenz der Warenhaus-Erfrischungsräume u. a.; ganz besonders trostlos sehe es im Grenzgebiet aus. — Der zoologische Handel habe als ausgesprochene Luxusbranche unter der Wirtschaftskrise am stärksten zu leiden; trotzdem werden Neugründungen und ein heftiger Konkurrenzkampf gemeldet. Zur Frage der Einführung der 24-Stunden-ZSHlung im amtlichen Verkehr habe die Gewerbekammer auf neuerliche Anfrage des Wirtschaftsministeriums ein Gutachten dahin abgegeben, daß die Bevölkerung sich mit der durchgehenden Bon der Werbewissenschast und genugsam auch in der Praxis ist immer wieder festgcstellt worden, daß in Krisenzeitcn die Umsatzknrven bei Firmen» die systema tisch inserieren, nicht so schnell und auch nicht so ties sinken, wie bei nicht inserierenden Firmen. Ebenso, baß bei Konjunkturbesierung die Umsatzknrven der Inser enten schneller und höher ansteigen als jene der Unternehme«, die sich mit allen möglichen „Auch- Reklamen" z« behelfe« suchen oder die Kosten dafür „er sparen". Bei der Rolle, die bas Riesaer Tageblatt bei der Ber» mittlung allen Angebotes spielt, das für die große Masse bestimmt ist, ist es unzweifelhaft, baß die Inser tion darin insbesondere zur Umsatzsteiaerung der Ge schäftswelt beizutragen vermag. Bitte, setzen Sie sich mit «ns in Verbindung. Wir beraten Sie kostenlos! Stundenzählung mehr und mehr vertraut gemacht habe und daß der Einführung der 24-Stunden-Zählung bei den säch sischen Staatsbehörden Bedenken nicht mehr entgegenstehen dürften. — Bei den Erwägungen über Gcschäftsoeremfachun- gen war im Sächsischen Gemeindetag die Frage des Ver zichte» auf die Ausstellung von Arbeitsbüchern für minder- lährige Arbeiter und Arbeiterinnen erörtert worden. Die Ge werbekammer setzte sich demgegenüber für die Beibehaltung der Arbeitsbücher ein; im Handwerk werde allgemein die Ansicht vertreten, daß das Arbeitsbuch am besten ein Bild über die bisherige Tätigkeit eines jungen Menschen gebe. Auch sei seine moralische Bedeuutng nicht von der Hand zu weisen. — Der Handwerksausschuß der Gewerbekammer erkannte die Glasinstrumentenmacherei im Hinblick auf die Vielseitigkeit und die besonderen Anforderungen, die bei der Erlernung dieses Berufes zu stellen sind, als Handwerk an. Wk MlÜNW m KWUen GemlMlen Die Führertagung des Landesausschusses Sachsen der Christlichen Gewerkschaften nahm zur politischen Lage Siel- lung und faßte eine Entschließung, in der u. a. ausgeführt wird, daß die letzten Vorgänge in der Reichspolitik der christlich-nationalen Arbeiterschaft Anlaß zu größter Besorg, nis gäben. „Aeußerungen und Taten von Männern, die auf Grund ihrer gegenwärtigen Stellung den Gang der Wirtschaft wesentlich beeinflussen, lassen befürchten, daß auf die Sonderheit der sächsischen Wirtschaft und damit auf die Lebensquelle des sächsischen Volkes nicht genügend Rücksicht genommen wird. Wir war- nen die Arbeiterschaft vor unüberlegten Handlungen, aber fordern sie auf, von ihren staatsbürgerlichen Rechten Ge brauch zu machen und zu erkennen, daß nur eine einige, alle Glieder des Volkes umfassende wahrhaft soziale Nation, das stärkste Bollwerk gegen volkszersetzcnde Kräfte ist.- ötMMliOektm rmlchkkt W «II Seil Ärmsten. vdz. Berlin. Der Stadtoberinsvektor Emil Setzfert ftrbt aeaenwärtig vor der Strafkammer des Berliner Land- aerickt« 2 unter der schweren Anklaae, jahrelang durch AmtSnnterschlagnng, Betrug, Urkundenfälschung und Urkundenvernichtung sich bereichert zu haben auf Kosten der armen Wohlfabrtscmvsänger, deren Betreuung ihm anvertraut war, Mit angeklagt sind der Prüfer Walter Meser und die WohlsabrtSemvfängrrin Frau llblemann, die seine Helfer waren. Seyiert bearbeitete die Gesuche der Kleinrentner und WablfabrtSempfängrr um einmalige Geld- beihilfe». Bei der Auszahlung der bewilligte» Beihilfen zog er einfach grSßere Beträge ab, die er in die eigene Tasche steckte. In anderen Fällen ließ er die Beihilfen durch Frau Ublemann oder Meser abheben, unter dem Vor- wand, daß die Unterstützungsempfänger wegen Krankheit nicht selbst kommen kännten. Dr teilte di« Beute mit seinen Gehilfen und vernichtete di» an die berechtigten Empfänger gerichteten Mitteilungen. Schließlich hat er auck vielfach die Zahlungsanweisungen durch Urkundenfälschung erhöht und die Differenz eingesteckt. — Der Prozeß dürste mehrere Tage in Anspruch nehmen. I» Grotzwuppertal 25V Tote in k Tagen. )l Wuppertal. Dom 30. Januar bis 4. Februar sind in Großwuppertal L6V Tterbefälle verzeichnet worden, eine erschreckend Hobe Zahl, dg die normale Sterblickkeits. ziffer für diesen Zeitraum nur etwa 70 beträgt. In den meisten Fällen wurde Grivve als Todesursache festgestellf. SM/gks SM/sc/kLis Assn WMWWWWWMWWWWWWWWWWWMWWWWWUWWMWWWWWWMWM-/7L/<:?i bs/M/Vck<7/)/ü//6/7 §/s Sutsc/rsMe - LZ Oop^rlgstt dlartlo ksucdtvsvgor, Uallo (8-uüsj IN Mißmutig ging Mister Chirot die Treppe hinunter und gab einem Chauffeur die Adresse des Hotels, in dem er abzusteigen pflegte. Zu dumm war es, daß er diese- unbekannte junge Mädchen aus den Augen verloren Hatter! Lore von HuniuS hatte ihr Gepäck einem Träger über geben und folgte ihrem Bruder in ein kleines Cafs, da- gegenüber dem Anhalter Bahnhof lag. Nun saßen sie sich in dem behaglich durchwärmten kleinen Raum gegen über. Ihre Begrüßung war ziemlich förmlich gewesen» denn seit Horst von HuniuS ein Leben begonnen, das LoreS An schauungen nicht entsprach, waren ihre Beziehungen kühler und kühler geworden. Und auch jetzt sah sie in Horsts un ruhigen, flackernden Augen nichts Gutes. „Siehst ja verdammt gut aus, Lore", sagte Horst von HuniuS, nachdem der Kellner daS Bestellte vor ihn und seine Schwester hingestellt hatte, und bemühte sich, seiner Stimme einen recht sorglosen, burschikosen Ton zu geben. „Du hast ja auch eine feine Sommerfrische da im Ge birge gehabt. Unsereiner mußte hier während der blöd sinnigen Hitze in der Stadt sitzen." Herb sagte Lore: „Du täuschst dich, wenn du glaubst, daß diese Zeit bei Onkel und Tante Bindermann so eine Art Faulenzerleben gewesen wäre. Ich habe tüchtig arbeiten müssen. Aber das wollte ich ja gerade. Und vermutlich sehe ich deswegen eben auch besser aus als du." „Machst du mir wieder Vorwürfe?!" fuhr der Stief bruder auf. „Was ihr Frauen euch schon so denkt! Ein bißchen Kochen, ein bißchen Staubwischen — das nennt ihr Arbeit. Für einen Mann ist es nicht so leicht, zu arbeiten. Das Geld liegt heute nicht mehr auf der Straße!" Lores Gesicht nahm einen noch härteren Ausdruck an. „Das weiß ich. Aber man mutz sich eben bemühen und auch mit wenig zufrieden sein." „Verlangst du vielleicht, daß ich irgendeine Arbeit an nehm«, die unter meinem Stande ist? Soll ich vielleicht als kleiner Angestellter oder Bürokult mein Brot ver dienen?" „Alles besser, als es von Verwandten sich zu leihen! Und mit der Arbeit unter unserem Stande? Lieber Gott, es gibt keine Arbeit, die ein anständiger Mensch nicht tun könnte. Vielleicht findest du es auch unter unserem Stande, daß ich die Stelle als Stütze in der Pension der Frau Stetten angenommen habe? Aber ich bin der Ansicht, daß eS heute nur eine Schande gibt — eine Arbeit, die einem geboten wird, nicht anzunehmen I" Auf Horst von Hunius' Gesicht stand ein trotziger, ärger licher Zug. Er konnte eS durchaus nicht vertragen, ge- tadelt zu werden. Und deutlich sprach der Tadel aus den Worten seiner jüngeren Halbschwester. Schon lag ihm ein heftige- Wort auf den Lippen. Doch er bezwang sich. Er durfte Lore nicht reizen — er kannte sie. Auch sie hatte den Etsenkopf der Hunius' — und er brauchte Lore. Er durfte sie nicht erzürnen. So sagte er denn einlenkend: „Das ist doch etwas ganz anderes. Frau Stetten ist eine wirkliche Dame, und wenn du in ihrem Hause mit repräsentierst, wird bei den heutigen Zeiten kein Mensch etwas dabei finden. Ich bin sehr froh, daß du diese Stellung bekommen hast, denn nun ist für dich doch gesorgt. — Wie ist es übrigens, Lore", fragte er und wurde rot, „kannst du mir mit einer Kleinigkeit aus helfen? Ich sitze Wiede« einmal ganz auf dem Trockenen." Lore entnahm ihrem kleinen Handtäschchen einen Geld schein und gab ihn Horst. „Es ist beinahe das letzte, was ich habe", sagte sie ernst. „Ehe mein Gehalt nicht fällig ist, muß ich mit jedem Pfennig rechnen." „Na, dann läßt du dir eben einen Vorschuß bei deiner Stetten geben! Das ist doch jetzt so Sitte." „Was jetzt Sitte ist, lieber Horst, kann mich nicht be stimmen. Für mich wird es Sitte bleiben, erst Geld zu verlangen, wenn ich gearbeitet habe. Ich kann dir setzt nicht weiter helfen. Mein Konto ist ausgezahlt. Du mußt selbst sehen, daß du etwas verdienst." Sie sah auf ihre kleine Uhr. „Bitte bring mich jetzt zu Frau Stetten. Ich möchte nicht zu spät kommen, denn die Ankunftszeit meines Zuges lst ihr bekannt." Siebzehntes Kapitel. Eine halbe Stunde später klingelte Lore von HuniuS an der Tür eines vornehmen Hauses des Westens, an der ein großes Schild befestigt war: „Pension für In- und Ausländer. Frau Stetten." Ein korrekt gekleidetes Hausmädchen in schwarzem Kleid, mit weißer Schürze und Häubchen, öffnete ihr und führte sie in ein behagliches Empfangszimmer. Lore mußte einen Augenblick warten. Sie sah sich in dem Raume um. Tas Zimmer atmete Behaglichkeit und Kunstsinn. Schöne, alte Möbel und eingelegte Vitrinen mit altertümlichen Tassen und Porzellanen standen ver- teilt im Raume. Ein großer Flügel und ein Geigenpult zeigten, daß im Hause auch für künstlerische Dinge Sinn vorhanden war. In ein paar schönen Vasen standen Blumen und gaben dem Zimmer trotz des trüben Herbst- tageS eine warme, freundliche Note. , Lore von Hunius fühlte sich in diesem Raume sofort daheim und vertraut. Es war die gleiche Art der Einrichtung, wie sie sie von ihrem Elternhause und von den Schlössern ihrer Freunde und Verwandten her kannte. Es waren die gleichen alten Möbel, die sich von Generation zu Generation vererbt hatten, die gleichen Bilder gepuderter, vornehmer Frauen und stolzer Männer Es mar die alte Kultur, die sie hier begrüßte.