Volltext Seite (XML)
Voraussetzung für den Erfolg deS Arbeitsbeschaffung». Programm» seien aber Ordnung und Frieden im Innern. Ein gewaltsamer Umsturz müsse in Deutschland zum Bür- gerkrieg und damit zu Hunger und Elend führen. Die Zeit sei gekommen, wo man sich von Hanswürstcn und falschen Propheten ebenso wie von denen, die in Konventikeln und Klubs unverantwortliche Politik treiben, abwenden müsse. Eine weitere Borbedingung sür da» Gelingen de» Planes sei eine Stärkung der Rechtssicherheit. Auf dem Gebiet deS StaatSrechteS müßten wir zur BerfassnngSehrlichkeit zurück kehren. Schließlich müßten wir den Kamps um einen wirk lichen Frieden an Stelle de» Versailler Vertrages weiter führen. Wir brauchten Sicherheit, um die Freiheit nach außen und innen gewinnen zu können. Der Sinn aller Arbeit sei die Freiheit der Persönlichkeit. Nach einer angeregten Aussprache schloß -er Versapim- lungSleiter Dr. Cremer die Kundgebung mit dem Aufruf an die Erschienenen, sich in die große volksbürgerliche Sammlungsbcwegunq einzurethen, die der Deutsche Natio nalverein anstrebt. Mit einem Hoch auf das deutsche Vater land beschloß er die eindrucksvolle Versammlung. Vermischtes. Jeder fünfte Einwohner bekam einen Zahlungsbefehl. In der setzten Gemeinderatssitzung in Walddors bei Tübingen erstattete der Bürgermeister einen Jahrcsrttckblick über das Fahr 1932. Noch niemals, so erklärte er, mußten während seiner säst ltiährigen Amtszeit die Schulden der einzelnen Geineindebürger tn so rigoroser Weise eingetrieben werden. Es gingen an Säumige rund 200 Zahlung»- und Vollstrcckunnsb-ichle heraus. Tie Einwohnerschaft des Ortes beträgt etwas über 1000 Köpfe. Jeder fünfte Bürger erhielt somit einen Zahluugs- oder Bollstreckungsbefehl. Deutschlands größte und tiesste Seen. Deutschland darf sich rühmen, eines der seenreichsten Län der Europas zu sein und außerordentlich viele landschaft lich besonders schöne Gewässer zu besitzen. Insgesamt 33 deutsche Seen bedecken je mehr als 15 Quadratkilometer Fläche. Unter ihnen steht der deutsche Anteil am Boden fee mit 305 Quadratkilometern an der Spitze. Es folgen als nächstgrößte der Müriksee in Mecklenburg mit 138 Quadratkilometern, der Spirdingsee in Ostpreußen mit 122,5 Quadratkilometern und der Mauerwc (Ostpreußens mit 104,5 Quadratkilometern. Größe des Sees ist mit Tiefe durchaus nicht gleichbedeutend. Allerdings hat der Bodensee auch in bezug aus Tiefe die Führung mit 252 Meter Tiefe. Im folgen der Walchensee in Oberbayern mit 102 Metern, der Königsee bei Berchtesgaden mit 188 Metern und der Starnberger See bei München mit 123 Metern. Alle übrigen Seen bleiben mit ihrer größten Tiefe unter 100 Metern bi) hinab zu den flachsten, dem Buckower See in Pommern und dem Draufensee in Ost preußen, die nur 2,5 Meter Tiefe haben. Deutschlands „höchster" See ist übrigen» der Eibsee, der in 973 Meter Höhe liegt. Goldrausch in Südafrika. Johannesburg ist wieder einmal von einem Goldrausch ersaßt. Tie Ursache ist diesmal aber nicht die Entdeckung irgendeines neuen Goldfeldes, sondern die Ankündigung der Banken, daß sie sür einen Sovereign (10 Schilling-Goldstück) 26 SciMing in Banknoten zahlen würden. Ganz ähnlich wie in Eng land in den Tagen der Abkehr vom Goldstandard bilden sich an den Baukschaltern lange Schlangen von Leuten, die Schachteln, Markttaschen, ja ganze Körbe mit Gold stücken bringen und dafür das 2Vr fache in Banknoten ernten. Die Grippe-Epidemie in England. In England herrscht seit einiger Zeit die schlimmste Grippe- Epidemie, die in den letzten Jahren ein europäisches Land heimgesucht hat. Berschiedene -Städte haben besondere Verhaltungsmaßregeln sür die Bevölkerung in den Stra ßen anschlagen lassen. Der Leiter deS Gesundheitswesens in Peterborough hat die Schließung sämtlicher öffent lichen Schulen in der Stadt anordnen müssen, weil wegen der herrschenden Influenza-Epidemie von den 5800 Schul kindern nicht weniger als 2500 fehlten. Ter englisch« Prinz George ist ebenfalls an Influenza erkrankt, befindet sich aber bereits auf dem Wege der Besserung, wenn er auch noch mehrere Tage das Bett wird hüten müssen. Isaac Lewin entlarvt. Frederjc Normann, kurze Zeit Professor der Havard-Universität, ist nunmehr einwandfrei als der Bankier Isaac Lewin aus Berlin festgestellt worden. Lewin, der nach dem Kriege au» Ruß- land nach Tcutsch-land kam, wird von den deutschen Be hörden wegen Schwindeleien in Höhe von 3 Millionen Mark gesucht. Bl u ti g er Z u s a m m en sto ß zwischen Pvli - ei Und K oinmunisten in Ehikago. 5000 Kommunisten veranstalteten am Freitag in der Nähe der Amtsräum« der Nothilse eine Kundgebung. Tabei kam eS zu einer wilden Schlägerei mit der Polizei, die vom Gummiknüppel Gebrauch machte. Tie joh'ende Menge bewarf die Poli'ei «nit Steinen und Holzknüvpeln und drückte zahlre che Schaufenster ein. Mehrere Personen wurden niedergetreten. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Schwerverletzte. Erst nachdem die Polizei Verstärkung erhalten hatte, konnte die Ruhe wiederhergeftellt werden. Ter Geigenvirtuose Roland Goll als Bettler aufgegrifsen. Aus Brüx wird dem Tel- union-Sachsendieust geschrieben: Im Brüxer Stadtgebiet Hsrnxsprmn 2,— KM okos 2u8tsllLsdükr. «iso Nwimnr ^2^77^// Sii« cbs Tustsllnne iLgsblLtts» kür vüo»ot>«i> Ntzudtzsttzllunstzn auf Sag in allen Schichten der Einwohnerschaft vo« Ries« und Umgegend gern gelesene Riesaer Tageblatt zum Bezug nehmen jederzeit entgeaen kür Altbirschstein: Hugo Rühle, Boritz Rabra: Hugo Rühle. Boritz. Bloßwift: W. Nauioks, Seerhausen 17 Bobersen: Frau E Vogel. Boberien Nr. 72 Boritz: Hugo Rühle, Boritz Canitz: O. Thiele, Gröba, Oschatzer Straße 19 Glanbitz: Fran Helle Nr. 8 GobliS: E Kiibne, Nr. 57 Groptitz: W. Naujoks. Seerhausen 17 Gröba: A Haubold Strehlaer Str. 17 „ M. Heidenreich Alleestr t . A Riedel. Oschatzer Str 2 „ Frau Kulke Kirchstr 19 Grödel: O Vetter, Grödel Nr. 1 Hepda: Frau H. Horst, Henda, Nr. 42 JacobSthal: W Schöne. JacobSthal 21b Jabnishausen-Röblen: Frau TrimuS. Nickritz Nr. 21o Kalbitz: Fran Müller. Seerhausen Nr. 183 Kobeln: A. Dietze, Kobeln Nr. 18 Lanaenbera: Okto Scheuer Väckrrmeister Kentewltz bei Riesa: Willi Herrmann, Leutewitz Nr. 17^. Mautitz: M. Nausoks, Seerhausen 17 Mehltheuer: Rich. Grüble, Mehltheuer Nr. 59 Meraendnrk: L Schumann. Povvitz 13 Merzdork: O Thiele Gröba Oschatzer Str. 19 Moritz: O. Vetter, Grödel Nr 1 Nickritz: Frau TrimuS, Nickritz Nr. 21e Nünchritz: Marie Thränitz Miesentarstr. 8 Oellltz: Herm. Steglich. Pausitz 13 E Morenz: A. Dietze. Kobeln Nr. 18 Pausitz: Herm. Stealich. Pausitz 13 E wunnltz bei Riesa: ? Schumann Nr 13 Prausitz: Fran TrimuS Nickritz Nr 21a Reußen: A. Haubold, Gröba, Strehlaer Str. 17 Rieka: Alle ZeitnngSträaer nud zur Vermittlung an diese die Tageblatt-Geschäftsstelle Goethestr. 59 (Telefon Nr 2M Nöderan: M Schöne Grnndstr 18 Sga-rstz: Fran Helle Msgub'tz Nr 8 Seerhausen: Fran Müller. Seerhausen Nr 183 Weida sAlt-f: Fr Kluge, Friedrich-List-Str. 29 Weida (Nea-i: F Pöge. Lange Str 28 Zeithain-Dorf: S Sanbholz Teichstr 18 Zeltbain-Laaer: Richard Schönitz, Buchhändler Zschepa: P. Neitzig, Zschcpa wurde der 28 jährige ehemalige Violinvirtuose Roland Goll " von der Gendarmerie bZm "Betteln betroffen und wegen Landstreicherei verhaftet. Ein tragisches Kiinstlcrschick- sal entrollt sich damit vor der Oessentlichkeit. Roland Goll, ein gebürtiger Kaadner, war vor einigen Jahren noch ein gefeierter Künstler, der nicht nur in allen grö ßeren Städten Nordwestbötnnens mit außerordentlichem Erfolge auftrat, sondern auch im Ausland, so in Paris und London, zusammen mit seinem Bruder, der derzeit in Newyorr lebt und dort als Klaviervirtuose einen ge achteten Namen besitzt, Triumphe feierte. Krankheit und Engagementslosigkeit haben den Bedauernswerten den Boden unter den Füßen verlieren lassen. Man vernahm lange nichts von ihm, jetzt aber stellte sich heraus, daß der arme Mensch schon seit Jahren sein Leben als Bettel musikant fristete. In der letzten Zeit hatte er auch noch sein Instrument eingebüßt und war nun Nur auf das Betteln angewiesen. Mit dem wirtschaftlichen Zusammen bruch des Künstlers ist auch ein seelischer Niede'-gang ver bunden gewesen. Sein Gesundheitszustand ist schlecht, und seine Nerven sind zerrüttet. Bei dem Verhör gab er Ant worten, die Zweifel an seiner geistigen Klarheit auf kommen lassen. Ter Unglückliche, der dem Bezirksgericht übergeben wurde, ist auch äußerlich ganz verwahrlost und bietet für alle, die ihn einst als ausübenden Künst ler von großer Zukunft auf dem Podium sahen, ein erschüt terndes Bild. Eine Katzengeschjchte und ihr« Folgen. Eine Katzengeschichte, die mehrere Instanzen hindurch das Gericht beschäftigte, hat jetzt, nachdem darüber Aktenbänbe angcwachsen waren, ihr Ende erreicht. In Frankfurt am Main, im Stadtteil Nordend, wohnte ein Beamter und über ihm hatte ein Lehrer sein Heim. Tem Lehrer ge hörte eine Katze, die fick) nächtlicherweile erlaubte, in dem Mädchenzimmer des Beamten zu erscheinen, die schla fende Maid aufs tödlichste zw erschrecken, Gegenstände um zuwerfen, die Bettücher zu beschmutzen und was dergleichen Katzcneinfälle weiter sind. Mahnungen des Beamten, der Lehrer wolle das Katzenvieh gut eingesperrt yalten, fruch teten nicht. Mieze kam immer wieder zu ungelegener Stunde, was schließlich zn einer Nnterlassungsklage gegen den Lehrer führte, der in dem Amtsgerichtstermin die Katze im Sack mitbringen ließ, dieweil er das Gericht von der Schönheit und Reinlichkeit des Tieres überzeugen wollte. Tie Katze war auch wirklich ein Musterexemplar ibrer Gat tung und ihre Großeltern ruhen sicher im fernen Tibet oder in der Mongolei. Tas Gericht entschied zunächst über die Kosten, die dem Lehrer auferlegt werden sollten. Unter diesen Kosten befanden sich auch solche, die der Beamt« zur Anfertigung von Tatortsphotographien ausgegebeu hatte. ES handelte sich um etwa 2,60 Mark, deren Erstat tung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vom Ge richt für notwendig erachtet wurde. Ter Lehrer bezahlte deu Betrag, erstattete aber gegen den Beamten Straf anzeige wegen Betruges, weil der Beamte angeblich eigene Photos in Anrechnung gebracht habe. Aus dieser klassischen Vorgeschichte entwickelte sich ein Strafverfahren, und zwar nicht gegen den Beamten, sondern gegen den Lehrer, der der falschen Anschuldigung angeklagt wurde, da er wider besseres Wissen eine falsche Anzeige gegen den Beamten gemacht habe. In erster Instanz wurde der Lehrer frei gesprochen, weil das Gericht seine Gutgläubigkeit an nahm. Gegen dieses Urteil legte der Beamte Berufung ein und der Sachverhalt mußte vor der Strafkammer durch ein langes Zeugenverbör nachgeprüft werden. Dies mal gestaltete sich die Beweisaufnahme ungünstig für den Lehrer, und der Staatsanwalt beantragte zwei Monate Gefängnis und 600 Mark Geldstrafe. Tie Katzentragi komödie endete schließlich damit, daß der Lehrer wegen falscher Anschuldigung zu 200 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. Immer wieder Strafverfahren wegen des Sklarek-Falles. vbz. Berlin. Die StaaiSanwaliichast l in Berlin bat. wie das „Tempo" berichtet, nach lönaeren Ermittlungen Anklage wegen schwerer passiver Bestechung im Amte gegen den Direktor bei der Berliner Stadtbank Karl Schröder erhoben. Schröder, aegrn den bereits früher zahlreiche schwerwiegende Vorwürfe im Zusammenhang mit der Sklarek-Affärr erhoben worden waren, wurde vor etwa einem Jahr von seinem Dienst als Büradirrktor vorläufig suspendiert. In dem staatSanwaltlichen Veriahren wird ib» zur Last gelegt, bereit« in den Jahren 1928 bi« 1929, w, er Leiter der Kredit-Kontrollabteiluna der Berliner Stadt bank war, seine Amtspflichten zur Kontrolle der Sicher- heilen, die die Stadtbank sich von der Firma Sklarrk sür die von ihr gewährten Kredite geben ließ, grob verletzt und im Zusammenhang damit sogar Zuwendungen der SklarekS in Gestalt von Renuwettgewinuen angenommen zu haben. Oop^rigbt b^ ölartin keucktvanger, blsll« (8aale) sl Da war Frau Doktor Dehn ganz rot geworden und halte sich mil einem Wulblick kühl von der höflich sich ver neigenden Lent verabschiedet. Lent Halle ihr mil innerlicher Befriedigung nachgeblickt. Dieser kleine Hieb hatte gesessen. War es doch allgemein bekannt, daß Frau Doktor Dehn nur von den Geldern lebte, die ihr verschiedene Verwandte schickten, ohne auch nur den Versuch zu machen, selbst etwas zu tun, um ihre Lage zu verbessern. Leni war sonst ein sanftes, liebenswürdiges Geschöpf, dem alle Schärfe und Bosheit fern lagen. Aber wenn man eine Kritik an ihren Eltern übte, dann traf man sie an der empfindlichsten Stelle, dann empörte sie sich. Sie überdachte auf dem Heimweg, ob sie nicht gegen die ältere Dame sich vielleicht unehrerbietig benommen — denn sie hatte unter der sanften und liebevollen Leitung ihrer Mutter gelernt, daß man nie die Gebote der Höflich keit außer acht lassen durfte. Aber tn diesem Falle würde ihr auch die geliebte Mutter vielleicht recht geben. Denn nun würde Frau Doktor Dehn es nicht wagen, den Pater mit spitzen Bemerkunge» zu kränken, wenn sie ihm, was nicht zu vermeiden war, im Laufe des Sommers begegnen würde. Und der Vater, das wußte Leni, wurzelte doch noch so sehr tn den altüberkommenen Anschauungen von der Lebensführung eines Mannes aus altem Hause, daß solche bissigen Bemerkungen wie die von Frau Doktor Dehn ihm seinen schwer gefaßten Entschluß noch bitterer machen mußten. Leni war also nicht unzufrieden, daß sie den ersten Strauß abgeschlagen hatte. Und nun war das alles schon so weit hinter ihr. DaS war damals im März gewesen. Jetzt war Juni, blühender Juni — Rosenmonats Der Frühling hatte sich mit einem wundervollen Wetter eingestellt. Die Saison tn dem lieb lichen Badeorte war in vollem Gange. Und der Karlshos war einer der beliebtesten Ausflugsorte für die Badegäste geworden. Seine idyllische Lage mitten im dichten, duftenden Walde war auch unvergleichlich. Die Möglichkeit, ohne jede Anstrengung auf fast ebenen, schattigen Waldwegen zu ihm zu gelangen, war ein Vorzug für alle die Men schen, deren Gesundheit ansteigende Wege nicht erlaubte. Seine Zufahrtstraben waren für Fuhrwerk und Autos gleicherweise bequem. Und der Ruf einer vorzüglichen Küche hatte sich schnell unter den Fremden des Badeortes verbreitet. Alltäglich war der weite Garten mit seinen schönen Anpflanzungen und Baumgruppen von vielen Badegästen besucht. Auf der Veranda war meist kein Platz zu be kommen. Besonders die Sonnenwicse am Rande des sanften Abhanges war sehr begehrt, und die Zahl der Liegcstühle reichte binnen kurzem nicht mehr aus. Die ganze Leitung des Gastbetriebes ruhte auf Leni, die ihn, zusammen mit einer Mamsell und dem übrigen Personal, lenkte. Der Vater hatte sich ganz auf die Bewirtschaftung seines Gutes zurückgezogen und unterstützte seine Aelteste nur tn der Abrechnung und Buchführung. So konnte er sich einen Inspektor sparen und sich neuen, rationelleren Arbeits methoden zuwenden. Man hatte den Eingang zum Herrenhause nach hinten gelegt und durch einen Holzzaun, den man mit einer schnellwachsenden Schlingpflanze bepflanzte, von dem Gutseingang getrennt Aus den geliebten großen Park wie auf die Veranda mutzte man allerdings verzichten, aber es blieb noch hinter dem Hause ein Stück Garten, in dem die Mutter bei schönem Wetter in ihrem Rollstuhl sitzen konnte. Für Lent blieb gar keine Zeit mehr zum Ruhen und Träumen. Sie hatte mehr zu tun, als sie schaffen konnte; und der Tag hätte für sie die doppelte Anrahl Stunden haben müssen. Aber sie kam vorwärts. Die strenge Schulung, die sie in der Fraucnschule gehabt — nun bewährte sie sich. Sie verstand auch ein so schwieriges Unternehmen zu leiten, wie es sich hier bot. Glücklicherweise lieferte die eigene Landwirtschaft daS meiste, was sie brauchte: Eier, Butter, Geflügel, Früchte. Und was sonst noch fehlte, bekam Leni dank ihrer Waren kunde preiswert und gut in dem nahegelegenen Badeort oder von den Lieferanten aus Meiningen und Würzburg. Die Mutter wunderte sich mitunter, mit welcher Energie das zarte, sonst so scheue Mädchen die Zügel der Wirtschaftsführung in ihre kleinen Hände nahm. Und der Pater, wenn er müde vom Felde heimkam, nahm wohl die Hände seiner Aeltesten tn die seinen und sagte halb anerkennend, halb traurig: .Ganz verarbeitete Hände hat meine Leni bekommen!* Aber Leni sagte lachend: .Vater, glaube mir, ich bin glücklicher über diese ver arbeiteten Hände, als ich früher über meine tadellosen war. Die Hauptsache, datz ich dir ein bißchen helfen kann.* Da hatte Klaus Bindermann seine Aelteste mit einem Blick angesehen, vor dem sie in froher Scham das Ge sichtchen gesenkt: Sie wußte, der Vater war mit ihr zu frieden. Das einzige, was ihr mitunter schwer geworden war, daß sie nun keine einzige Altersgenossin hatte. Die Freun dinnen aus ihrer Schulzeit weilten alle in Kisstngen, und sie hatte keine Zeit, viel mit ihnen zusammen zu sein. Aus dem fröhlichen Kreis waren auch schon viele ver heiratet und fortgczogen. Die Zurückgebliebenen hatten andere Interessen und verstanden tn törichtem Hochmut nicht, wie sich die Leni Bindermann zur .Wirtstochter* machen konnte, wie die eine einmal spöttisch gesagt. So wurden die Beziehungen zu den jungen Mädchen immer loser, und Leni fühlte sich doch oft recht vereinsamt. Aber nun war auch dieser Kummer vorüber. Seit vier Wochen weilte eine jüngere Freundin von ihr aus der Pension im Hause, um sich im Haushalt unter Leitung von Leni weiter fortzubilden. Gortletzun- solM