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künftighin das Interesse am Werke „Unsere Heimat" lebendig erhalten. Die Wissenschaft weiß jede Unter stützung ideell zu schätzen. Endlich sei allen Mitarbeitern der Heimatbeilage Dank gesagt für ihre Treue znm gemeinsamen Unter nehmen. Einig sollen sich alle am Werke wirkenden Kräfte darin sein, daß die Schwere unsrer Zeit einen beson ders starken Halt erfordert, der den Menschen über so manches hinweg zu helfen vermag; dieser Halt ist -er Begriff und die Tatsache „Heimat". Diesem idealen Gedanken zu huldigen, Liebe zur Heimat zu erwecken, ist neben ihrem erlisten, wissenschaftlichen Zweck das edelste Bestreben der Hcimatbcilage. Aus ihrem In ¬ halt sollen sich alle ihre Freunde in der wöchentlichen Stunde der Sammlung die Erkenntnis holen, daß Kampf immer der Trieb des Lebens gewesen ist; zu Zeiten unsrer Urväter nicht minder, als gegenwärtig; aber auch die Erkenntnis soll der Lektüre der Heimat beilage entspringen, daß Geschlecht um Geschlecht in unsrer Pflege treu in ernsten wie in frohen Tagen zur Heimat gestanden hat, als der Hüterin aller irdischen Wohltat; und diese Treue soll auch die Tugend unsrer Zeit fein: Treue der Heimat, Treue -en Förderern heimatlicher, guter Werke; darum auch Treue für „Unsere Heimat". Glückauf dem neue« Jahrgang! Johannes T h o m a s, R i r s a. Gottfried Silbermauu, der „Orgelmacher". Zu seine« L5V. Geburtstag am 14. Januar 1833. Bon Walter Schellhas, Dresden. l. 8a« „läse* Friedel" zu« Hof- «ud Landorgclbauer. Neben dem amtlichen Eintrag der Geburt (14. 1. 1683) -cs Lohnes Gottfried des Lchloßzimmcr- mannes uud Gcrichtsjchvppcu Michael Silber mann auS SlcinbobritzsH (nach Frauenstcin i. Erzgeb. eingepfarrt) im Kranensteiner Kirchenbuch hat die Hand des damaligen Diakonus die Worte ver- inerkt: „Gott gebe dem Kindlcin Leben nnd Legen!". Ja, in dem begabten Knaben steckte so viel „Leben", -ah er sich bald zu einem wahren Tunichtgut ent wickelte, -er feinen Eltern und Lehrern — anfairgs in Kleilrbobritzsch, ab 1683 in Frauenstcin, wohin die Familie, ihren Wohnsitz verlegte — manche schwere Sorge bereitete. Der Wunsch des Konfirmanden, Musiker zu werden, fand nicht des Baters Beifall, und der gewählten Lehrstelle bei einem strengen Lpiel- warenfabrikantcn in Leissen entlief er schon am ersten Tage. Der nun vom erzürnten Bater bestimmte Buch- binderbernf sagte ganz nnd gar nicht Gottfrieds leb haftem Geist zn, der in allerlei mehr oder weniger harmlosem Schabernack gegen Fraucnsteins Bürger schaft sich Luft machte. Als schließlich die Behörde deü „kvseu Friedel" wegen recht ausgelassener Lpäße gegen die Honoratioren des Städtchens in Haft nehmen lieb, rettete er sich durch schnelle Flucht ans dem Ge fängnis zu seinen Bcrwandten in Bvhmisch-Einsicdcl. Seine schwierige Lage brachte den von der Polizei Bcrfolgtcn endlich zur Besinnung, und er beschloß, nach Straßburg zu wandern und -ort bei seinem Bruder Andreas das edle Orgelbanerhandwerk zu erlernen. Andreas Silber mann <1678—1734) hatte bei Eugenins Casparini, dem größten Orgel bauer seiner Zeit, gelernt, war dann in Hagenau im Els. tätig gewesen und 1702 nach Straßburg übergesic- delt. Manches wertvolle Orgelwerk des Elsasses ist aus feiner Werkstatt hervorgcgangen. Meister An dreas nahm seinen Bruder troy des Baters Warnung auf: „Wenn du den Gottfried aufnimmst, so sieh dich vor. Er ist ein Tunichtgut, ein verschlagener, ausge lassener Bursche, der das Zeug hat, entweder ein großer Mann oder ein Spitzbube zu werden." Und er hatte es nicht zu bereuen, denn nach mehrjähriger Aus bildungszeit (davon 1 Jahr als Tischlerlehrling in Wien) hatte -er strebsame junge Mann sich zu einem seinem Bruder ebenbürtigen Orgelbauer entwickelt, -er mit dem Bau -er Orgel für die Straßburger Betrikirche sein Meisterstück machen konnte. Das Jahr 1709 bedeutete in Gottfrieds Leben einen Wendepunkt: Als er im St. Margareten- klostcr zu Straßburg eine Orgel aufzustcllen hatte, gewann er die Liebe der jungen N onue Rosalie. Die von ihm sorgfältig vorbereitete Entführung des geliebten Mädchens mißlang jedoch im letzten Augen blick, aber ihm selbst gelang cs, seinen Verfolgern zu entkommen. Das (vcdenken an Rosalie, die er einer schweren Strafe verfallen wußte, bestimmte ihn, hin fort keine Ehe cinzugehen. Im Anfang des Jahres 1710 kam er in seiner Heimat Fraucnstein an, und bald halte der 27jährige „Orgclmacher", der aus dem Elsaß außer vorzüglichen Zeugnissen beträchtliche Ersparnisse hcimbrachte, seinen ersten Auftrag in -er Tasche: -en Bau einer neuen Orgel für die Kirche in F r a u c u st e i n. Dank dem guten Gelingen dieses Werkes folgten bald darauf weitere ehrenvolle Aufträge, die der Meister nach seinem Ende 1710 erfolgten Umzug in seiner neuen Werkstätte imit Wohnung) in der sog. Reiterivachc Ecke Schloßplatz und Kirchgasse zn Freiberg i. La. erledigte (v g l. n. Orgeln und Klaviere). Bis zum Jahre 1751 (nicht 1741, wie die Gedenktafel über der Tür des Freiberger Silbermannhauses angibt) war Gottfried Silbcrmann hier tätig, nnd die aus die sem Hause stammenden fast 50 Orgelwerke und zahl reichen Klaviere verkündeten die geniale Begabung und gewaltige Schaffenskraft -es Meisters weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Bei dem Landesherr» und seinem Sohne stand er in hyhcr Gunst, nnd im Jahre 1723 erfolgte feine Ernennung znm ,2Kön. Pohln. und Churs. Sächs. Hof- und Land- Orgelbauer"; als man ihn in England, Peters burg, Moskau nnd Kopenhagen zu haben wünschte, er klärte er, „er wolle aller anderen aus der Fremde ihm gethanen sehr vorteilhaften Vorschläge unbeachtet, sein Vaterland vorziehen und seinen Aufenthalt wie bis her ferner in Kreyberg behalten, weil diese Stadt ihm wegen -es Holtzes und anderer zu seiner Profes sion gehörenden Materialien vor andern sehr wohl ge legen sei". Obgleich Silbermann in seinen letzten Lebensjahren sehr unter -er Gicht zn leiden hatte, hat er bis zuletzt die Arbeiten seiner Wcrkstätte selbst ge leitet, un- während der Tätigkeit an seinem größten Werke, der Orgel der Sath. Hofkirche zu Dresden, nahm -em SiHzigjährigen der Tod das Werkzeug aus der fchaffensfrohen Hand (4. August 1753). Am «i-j rrwhsuzvuo suskr,- „uini urnhyauN ura rn) l oun ruigom vrrqrn»« wo u„»,rqsm 'u,v,me frühen Morgen des 8. August wurde sein Leichnam „in der Stille" auf dem Dresdner Johannissriedhof bei gesetzt, wo auch sein Freund un- Landsmann George Bähr, der geniale Erbauer der Dresdner Frauen kirche, ruhte. In seinem Testament vom 20. Juli 1751 (Freiberger Ratsarchiv) hatte Silbermann als Universalerben seines beträchtlichen Vermögens sei nen Neffen Johann Daniel Silber mann, den Lohn seines Straßburger Bruders Andreas, ein gesetzt. Dieser übernahm es, das Meisterwerk seines Onkels in dessen Sinn und Geist zu vollenden. Nun noch einige Worte über des Meisters Per sönlichkeit! Ein sicher beglaubigtes Bild Gott fried Silbermanns fehlt leider; ob der von Archiv rat Th. Distel aufgesnndene Schattenriß (im Besitz der Dresdner Hofmusikalienhandlung C. A. Klemm) als Bildnis des großen Orgelbaumeisters betrachtet wer den kann, ist bis jetzt noch nicht bewiesen worden. Silbermanu war eine originelle Persönlichkeit. In feiner Jugend ein Tunichtgut, hat er sich später durch Energie nnd unermüdlichen Fleiß schnell empor gearbeitet. Seiner rasch aufbrausenden Gemütsart war er sich selbst wohl bewußt: „Ich Lin ein Hitzkopf, die Höflichkeit läuft mir nicht nach wie ein Pudelhund, ich habe auch nicht immer Recht." Anna Magdalena B a ch nennt in ihrer „Kleinen Chronik" diesen Freund ihres Gatten Johann Sebastian „eine sonderbare hän delsüchtige, höchst handfertige Persönlichkeit", und an anderer Stelle spricht sie von „seinen rauhen Reden und seinem schiver umgänglichen Wesen". Da bekannt lich auch Bach, -er König der musica sacra, bei seinem heißen Temperament zuweilen sehr anfbrausen konnte, hat cs zwischen den beiden Meistern wiederholt sehr heftige Auftritte gegeben. „Doch trotz all dieser Miß helligkeiten hegten beide große Achtung vor einander, Gottfried Silbcrmann erkannte das Genie Sebastians willig an, und Sebastian ehrte in Silberniann immer -en großen Orgelbauer" (Anna Magdalena Bach). Vielfach bezeugt sind uns Silbcrmauns Vaterlands liebe und Frömmigkeit: „Solange ich hier mein Brot finde, verlasse ich mein Sachsen nicht. Meinem Land und meiner Religion werde ich nicht untreu." Seinen Gesellen und Lehrlingen, bei denen er streng auf Tisch gebet und Abcnösegen hielt, stellte er oft den Spruch vor: „Faul in der Arbeit, fleißig im. Beten, ist Orgelspiel ohne Bälgetreten." Fleiß und Gewissen haftigkeit in -er Arbeit verlangte er von seinen Ge sellen, wie er auch selbst immer nur den Ehrgeiz hatte, pünktliche und untadelige Arbeit zu liefern. Wir wis sen, daß seine rasche Hand manches Werk mit der Art zerschlug, dessen Qualität dem Künstlerstolz und -gewissen des „Hof- und Landorgelbauers" nicht zu sagte. Andererseits rühmte man seine Freigebigkeit gegen die Gesellen und Lehrlinge; zum Beispiel er hielt I. Georg Schöne, der ihm länger als dreißig Jahre Iren gedient hatte, durch die testamentarische Bestimmung des Meisters aus dessen Nachlaß zwei tausend Taler und die znm Orgelbau dienenden Mate rialien und „den Werckzeug". Silbcrmanns persön liche Uneigennützigkeit beweisen die Tatsachen, daß er oft „von der geforderten Summe Gott zu Ehren und der Stadt zum Besten fast ein Drittel remitiret und geschenkt", und daß der ihm wohlgesinnte König ihn vor dem Bau der Orgel der Dresdner Kath. Hoskirche ansfordcrte, diesmal mehr wie sonst auf seinen mate riellen Vorteil zu sehen. Silbermann war kein Heuch ler nnd Schmeichler vor hochgestellten Leuten: „Ich kann mit großen Herren nicht wohl nmgehen, kann nicht Katzenbuckeln und sauere und süße Gesichter nach Belieben schneiden." Am liebsten weilte er in seiner - Wcrkstätte, an deren Bretterwand seine mit Kreide Geschriebenen Worte zn lesen waren: „Der lebt am glücklichsten, der ivcdcr selbst groß sein will, noch mit den Großen -er Erde viel zu thun haben will!" In seinen letzten Lcl>enSjahrcn litt der Meister körperlich durch die Gicht und seelisch durch trübsinnige Anwand lungen, und sein Wesen wurde dadurch immer mür rischer und unzugänglicher. Als am 4. August 1753 -er Siebzigjährige mitten aus seinem schaffensrcichen Leben abgcrufen wur-e, hatten die früheren Zeilen Andreas Silbermanns an den alten Kantor in der Heimatstadt Frauenstcin sich erfüllt: „. . . . große Komplimente macht er nicht, er ist kurz, resolut; beruhigen Sie seine Eltern, crwird einmal ihr Stolz werden." n. Orgeln nnd Klaviere. Gottfried Lilbermaun ist das berühmteste Glied -er weitbekannten Lrgelbauerfamilie. Von seinen etwa 50 sächsischen Orgelwerken sind heute noch 36 vor handen. Wie bereits erwähnt, war sein Erstlingswerk in Sachsen die Orgel der Kirche in seiner Heimatstadt Fraucnstein. Mit 2 Gesellen und 1 Lehrling hat er in 33 Wochen (1710) dieses Werk vollbracht, dessen von. dem Leipziger Thomaskantor Kuhnau und dem Freiberger Domorganisten Mentzer vorgenommenc Prüfung zur vollsten Zufriedenheit dieser Leiden strengen Sachverständigen ausfiel. Bei dem großen Fraucnsteincr Stadtbrandc von 1728 wurde die Kirche mit der Orgel ein Raub der Flammen, aber schon 1737 wurde die von Gottfried Lilbermaun für die neue Kirche erbaute Orgel geweiht; 1869 verbrannte auch diese zrveite Silbcrmaunorgel. Trotz Kuhnaus Für sprache wurde der Ban einer neuen Orgel für die P a u l i n e r k i r ch e (U n i v c r s i t ä t s k i r ch e) in Leipzig nicht Silbermann, sondern dem Leipziger Orgelbauer Job. Scheibe übertragen. Dagegen er hielt jener den Auftrag zur Erbauung einer Orgel für den Freiberger Tom: „. . . in Summa, das ganze Werk soll also beschaffen sein, daß es, wenn gleich die ganze Gemeinde beisammen ist, dennoch seinen rechten Effect zeigen kann und capabel ist üurch- zndringen" (Kontrakt zwischen dem Freiberger Rat nnd Silbcrmann vom 8. Oktober 1710 im Freiberger Ratsarchiv). Am 20. August 1714 fand die Weihe der Domorgel, eines Merkes mit 2674 Stimmen auf drei Manuale und 1 Pedal, statt, nachdem die beiden Sach verständigen Kuhnau-Lcipzig und Bestell-Altenburg ein vorzügliches Gutachten darüber abgegeben hatten: „.... also ist nun dieses Examen, welches sonsten gar selten zu geschehen pfleget, mit gutem Vergnügen und zu des Meisters dieses herrlichen Werkes sonder barem Ruhme gehalten und beschlossen worden . . ." Silbermann erhielt 1850 Taler; die Materialien für den Ban sowie das Gehäuse, Bildhauer-, Tischler- und Schlosserarbeit kosteten dem Freiberger Nate gegen 2300 Taler, die ganze Orgel also 4150 Taler (Quit tungen im Frcib. Ephoralarchiv). Als 1799 der Ita liener Dr. Gautieri diese Orgel sah und hörte, rief er ans: „Tas ist die erste in der Welt!", und die heutige Generation der Orgelkünstlcr schaute aus ihrer großen Tagung 1927 mit Ehrfurcht und Bewunderung auf dieses einzigartige Tcnkmal und Meisterwerk der Barockzeit. Es würde zn weit führen, alle von Gott fried Silbcrmann in der Zeit von 1710 bis 1753 ge schaffenen Werke im einzelnen hier zu besprechen; der Kürze wegen sollen nachstehend nur die Orte dezw. Kirchen, für die Lilbermaun Orgeln gebaut hat, ge nannt werden. Tie Stadt Freiberg, wo der Meister 1710 bis 1751 seinen Wohnsitz hatte, darf außer der erwähnten Tomorgcl noch je eine Orgel in den Kirchen St. Jakobi, St. Petri und St. Jo hannis aus der Wcrkstätte ihres großen Bürgers ihr Eigen nennen. Von den Städten nnd Dörfern