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Ein Vielfratz Im Jahre 1754 starb in Wittenberg der Gärtner Jakob Kahle, der weit und breit wegen seiner übergroßen Gefräßig keit berühmt gewesen war. Deshalb hieß er auch „Freß- Kahle". Alles, was nicht niet- und nagelfest war, ließ er neben großen Mengen gewöhnlicher Nahrungsmittel in seinem Magen verschwinden. Wie zuverlässige Zeugen bekundet haben, soll Freß-Kahle an manchen Tagen zum Morgen ein rohes unausgenommenes Ferkel mit Borsten verzehrt haben. Zum Mittagessen kam dann ein roher Hammel mit Wolle und Knochen an die Reihe. Als Kompott mußten Gläser, Bestecke, Teller, Steine oder kleingeschlagcne Ofenkacheln herhalten. In der Wittenberger Stadtchronik hat der hohe Rot als Zeuge vermerkt, daß dieser unersättliche Vielfraß ein massives Schreibzeug aus Bleiguß mit Tinte, Federn und Streusand verschluckt hat. Guten Appetit Lckkafsclgen . r-, , k- < Doch, dos kam io: Der Oberförster mar draußen im Das bekannteste Schlaf märchen Ist das vom hundertjährigen Dorn röschenschlaf. der mit dem Erlösungskuß des Wunderprinzen endet. Auch Schneewittchen liegt im Glassarg im lodesähnlichen Schlaf. war. Der Oberförster fragte sich vergeblich, was in dem Tier einen solchen Schreck und eine so ungeheure Ent schlossenheit hervorgerufen hatte. Der Oberförster fand keine Antwort auf diese Frage. Kopfschüttelnd und aufrichtig betrübt ging er in sein Haus. Hier wurde ihm das Rätsel klar, als er seinen Hut abnahm und den oarangesteckten Bruch erblickte. Kein Zweifell Das Tier hatte das Blut seines Art genossen gewittert und instinktiv den Mann erkannt, der den Verwandten getötet hatte. Von Entsetzen gepackt war Fritze in höchster Todesangst und voll Grauens entflohen. Er kehrte nie wieder zurück Man begegnete ihm auch auf keinem der Pirschgänge im Revier. Nur der liebe Himmel konnte missen, wie viele Hunderte Kilometer weit das geängstigte verscheuchte Tier geflüchtet war. Der zahme Rehbock Fritze war noch ein ganz zarte» Kitz, böcklein. als ihn der Ober- förster au« dem Wald« brachte. Er erhielt lern Gehege im großen hochumzäunten Wald- park wo er wie in der Frei heit leben konnte. Da hatte Fritze genug frei« Bahn, um nach Herzenslust durch Wald und Busch zu springen Im Sommer konnte er auf den Lichtungen im Sonnenglanz äsen. Im Winter sorgte der Oberförster für Futter und Trank und für ein weiches Lager. Es war daher selbstver- stündlich, daß eine innige Freundschaft Beschützer und Beschützten verband. Sobald Fritze den nahenden Oberförster witterte oder sein« Schritte hörte, stürmte er ihm schon mit weiten Freudensprüngen entgegen, um sich an ihm zu reiben und die Rocktaschen genießerisch zu beschnuppern, aus denen wie aus einem Zaubersack manch kleiner Leckerbissen für Fritze zutage kam. So ging das Jahr um Jahr. Fritze wuchs und wurde ein stattlicher Prachtbock. Aber das Verhältnis zum Ober förster blieb immer das gleiche, wie es in der Jugendzeit gewesen war. Noch immer holte sich Fritze begeistert die Liebkosung und den Willkommbissen aus der Hand seines Herrn. Kein Wölkchen verdüsterte diesen Frcundschaftshimmek. Und Fritze schien nichts zu vermissen da er sich im Wild- park nicht wie in der Gefangenschaft fühlte. Bis eines Tages . . . Wie all« Volksmärchen sind auch diese beiden auf dem Hintergrund wirklicher Begebenheiten entstanden, bevor sie von der Volksphantasie romantisch umschleiert wurden. Denn es gab zu allen Zeiten die Krankheit der Schlafsucht. Man kennt alle Fälle, in denen Schlafkranke bis zu vierzig Jahre in einem Zuge schliefen, während man sie nur künstlich mit flüssiger Nahrung am Leben erhielt. Da die Schlafkrankheit auch heute zu den Rätseln der Heilwissenschaft gehört, kann man sich denken, wie bestürzt man in alten Zeiten vor einem so unnatür lichen und unerklärlichen Langschlas stand. Die Ent stehung der Märchen und Sagen war daher nur eine Selbst verständlichkeit, indem man. dem Zeitgeist entsprechend, den Schlafkranken für verzaubert hielt. Schon seit dem Wald ans der Pirsch, wo er mit Weidmannsheil einen stolzen Nehbock erlegte. Er weidete ihn selbst au» und steckte sich nach Iägerbrauch an den Hut den „Bruch", einen kleinen Zweig den er in das Blut des Bocks getaucht hatte. So kam der Oberförster nach Haus. Er betrat den Park, nm Fritze den gewohnten Leckerbissen zu reichen. Wie immer sprang auch diesmal Fritze in froher Eile heran. Sein lchönes Haupt war erwartungsvoll vorge streckt. während die schwarte Nase begehrlich schnupperte. Er kam an den Oberförster heran, der ihm den ge wohnten Bissen lockend Hinhielt. Aber diesmal schnappte Fritze nicht danach. Er stutzte und wich zurück. Dann machte er plötzlich einen Satz der ihn aus mehrere Meter weg vom Ober förster brachte. Und nun schien der Rehbock ganz toll zu werden Im weiten Kreis sauste er mehrmals rings um den Oberförster herum. Und dann tat er das was er bisher nie auch nur ver sucht hatte. Mit Riesensätzen schnellte er sich gegen den mehr als zwei Meter hohen Zaun. Nach aller Berechnung gab es keinen Rehbock der da hinilberspringen konnte. Aber Fritze nahm das Hindernis mit einem unglaublich gewaltigen Sprung. Verdutzt und bestürzt starrte der Oberförster auf die Liunstcllc, über die Fritze aus dem Parkgeheg« entkommen grauesten Altertum knüpften sich Schlafsagen an geschicht- liche Persönlichkeiten, die unter geheimnisvollen Umständen oder weit in der Fremde den Tod sanden In der deutschen Geschichte gab der Tod des Hohenstaufenkaisers Friedrich des Zweiten Anlaß zu einer Schlafsage, di« vielfach dich terisch ausgestaltet wurde. Friedrich II. starb 1250 in Florentino Da er dem damaligen deutschen Volksbewußt sein als letzter gewaltiger Vertreter des Staufengeschlechte» galt, wollte man vielfach an seinen plötzlichen Tod in der Fremde nicht glauben. Noch drei Jahrzehnt« nach seinem Hin scheiden traten in Deutschland Männer auf, die sich betrüge risch für ihn ausgaben und dabei auch gläubige Anhänger fanden. Später hieß es dann, daß Friedrich der Zweite gar nicht gestorben war. sondern verzaubert im Thüringer Kyff- häuser (oder im Salzburger Untersberg) säße. Dort schläft er, während sein wallender Bart in die Steinplatte seines Tisches und um di« Tischfüße wächst. Nur von Zeit zu Zeit bewegt er sein blondlockiges Haupt, um aufzuhorchen, ob die den Berg umkreisenden Raben ihn nicht zu Hilfe rufen, weil Deutschland in groß« Not geraten ist. Wenn dies geschieht, dann kommt der Stausenkaiser wieder, um dem Vaterland das goldene Zeitalter zu bringen. Diese Zaubersage hatte' außer dem Tod in der Ferne noch den historischen Hinter- gründ, daß am sizilianischen Hofe Friedrichs des Zweiten arabische Magier. Sterndeuter und Alchimisten lebten. Das Interesse des Kaisers für ihre Geheimwissenschaften bracht« ihn selbst in den Ruf eines Zauberers, woraus sich die Schlaffage ergab. In der Folge verblaßte im Volk die Er innerung an Friedrich den Zweiten, während die in seinen Großvater Friedrich den Ersten (Barbarossa oder Rotbart) lebendiger blieb. Auch Barbarossa war in der Fremd« ge storben. Er ertrank während seines Kreuzzuges nach dem gelobten Land im Halef-Fluß (1190). Sein mächtiger roter Bart hatte ihm nicht nur den erwähnten Beinamen gegeben, londern es ergab sich dann in der Dolkssage von selbst die Verbindung zwischen diesem Bart und jenem, der durch die steinerne Tischplatte wuchs. Daher wurde Friedrich Rotbart im Laufe der Zeit der Kaiser, um den dieKyffhäuser- Sage rankt. Eine Variation der Sage läßt Karl den Großen im Salzburger Untersberg oder im Odenberg schlafen. Es gab aber noch bis in unsere Zeit unerwartete Todes nachrichten von Fürsten, bei denen das Volkseinpfinden Un glauben zeigte und Sagen erfand. Als König Friedrich August von Sachsen 1854 in Tirol tödlich verunglückte. Als der wahnumnachtete König Ludwig der Zweite von Bayern 1888 Selbstmord durch Ertränken im Starnberger See be ging. Als der österr.-ungarische Kronprinz Rudolf sich 1889 erschoß. Als der Erzherzog Johann Salvator (Johann Orth) ein Jahr darauf mit seinem Segelschiff (vermutlich bei Kap Horn) zugrunde ging. Als Maximilian von Habsburg als Kaiser von Mexiko 1867 in Queretaro kriegsgerichtlich von nationalen Mexikanern erschossen wurde. In allen diesen Fällen wollte das Volk nicht an die Todesnachricht glauben. Man vermutete Hof- und Staatsintrigen, als deren Opfer die Betreffenden in einer oder der anderen phantastisch aus geschmückten Form im Kerker oder in der Fremde wetten lebten. 1. Ein Hemd im Sturm die Nacht durchbraust; dem Gespenst dem Bummler graust. 2. Dor Schrecken gibt er Fersengeld; Las Hemd verfolgt ihn über'» Feld, Daheim entgeht er froh dem Grau«, Loch auch das Hemd ist hi« zuhau» 4. Der Sturm schllngt's wieder um die Leine, voq der «'s abriß ganz alleine.