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Vor zehn Sohren: Ruhreinfav. Am 11. Januar jährt sich zum zehnten Male der Tag, an dem die Franzosen eine „Mission von Ingenieuren in Be- gleitung von einigen Truppen" „zur Kontrolle der Kohlen- Die Besetzung von Esse». Der französische Gencralstab in Esstn — vorn Unf ein deutscher Beamter, der mit den Franzosen ver handeln mutzte. Bild darunter: Die Franzosen marschieren in Essen ein. Unser Bild aus den Tagen des Einbruchs der Franzo- sen ins Ruhrgebiet gibt eine Abteilung französischer Dragoner beim Einmarsch in Essen wieder. Neferungen" in- Ruhrgebiet schickten und wehrlose- deut sches Land widerrechtlich besetzten. Tic „friedliche Jnge- nieurmission war von einer schwer bewaffneten Armee begleitet. Die sranzösische Soldateska requiriert. Ein typisches Bild aus den Tagen der Ruhrbcsetzung durch die Franzosen: Schreibmaschinen werben requiriert. Bild unten. Dortmund wird besetzt. Französische Truppen — im Vordergrund eine Ossi- zierspatrouille, hinten ein Panzerwagen — in den Straften Dortmunds am Tage der Besetzung der Stadt, am 16. Januar 1926. Der Aufmarsch der französischen Truppe» in da- Ruhrgebiet vollzog sich im sogenannten Sanktions gebiet, das war das lin unserer Karte punktierte) rechts rheinische Gebiet der Städte Düsseldorf und Duisburg, die schon im Frühjahr 1921 besetzt worden sind. In der Nacht vom 10. bis 11. Januar 1928 überschritten die französischen Truppen die Grenzen des Sanktionsgebietes und fielen in das Kohlengebiet ein. Im Bcrlauf des Ruhrkrieges wur den dann all die Gebiete besetzt, die in unserer Karte schraf fiert sind, auch Gebiete am Mittel- und Oberrhein. Die linksrheinischen Lande und die sogenannten Brückenköpfe von Kehl, Mainz, Koblenz und Köln sind bekanntlich schop 1918 besetzt worben. Nlksdlier StrelsMe. Kunst in Dresden. — Etwas für Blumen freunde. Ter FeiertagStrnbel ebbt ab, Lichter am Weihnachts baum brennen herunter, und in den Geschäften nehmen 'Angestellte die Weihnachtsmänner und al: den Flitter aus den Fenstern und von den Fassaden, um diese sicht baren Zeichen des Festes zum nächsten Jahr aufzubeioahren. LaS Interesse der Dresdner iveudet sich wieder den Ver gnügungsstätten zu. Theaterdirektoren, Kinobesitzer, Kon- ^ertveranstalter atmen hörbar aus, denn jetzt kommt die Zeit ihrer Ernte. Hoffnungen und gute Wünsche, das ist die etwas un sichere Basis aller Unternehmungen. Schauen wir unsere Theater an. Tie Staatstheater, — alle Achtung! Sie sind von den verschiedenen Experimenten der vergangenen Jahre zurückgekvmmen und bringen herrliche Werke der Kunst in bester Ausführung. Aber wer kann sich schon den regelmässigen Besuch dieser Kunststättc leisten? Tie Zeit ist schwer, der Verdienst knapp. Tas Publikum sei wählerisch geworden, sagen Sie? Hm, — wir mansnimmt. Gewiß hebt sich dir Urteilskraft Einzelner, die sonst der Kunst ferne standen durch das Anhören erster Kunstgrötzen im Rundfunk, und doch, — wo bleibt besseres^Erkennen und eigenes Urteilen, wenn bei den ältesten Schmarren mit edlen Fürstlichkeiten und unmöglich naiven Operetten- Naiven ein gerührtes Flüstern durch die Reihen des Parketts säuselt: „Ja, so sein die Färichten, — die habens wärklich nich leicht!" Grotzrr, tränrngernhrtcr Applaus für die vor dem schönen, edlen Kaiser in die Kni« sinkende Försterchristcl, und auch der Trompeter von Säkkingen, der mit seinem schmelzenden Abschiedslied nur noch im Marionettentheater Unterkommen fand, feiert fröhliche Auf erstehung. Von den Kinos gar nicht zu sprechen, wo die schönsten Liebesromane im Stil der berüchtigten Eourths- Mahlcr die Tränendrüsen reizen und zu heimlichen Küssen und Händedrücken im Dunklen nur jo heransforoern. Taft aber noch nicht alle Dresdner auf dem Stand punkt kunstkcnnenden Genietzens angelangt sind, beweist eine kleine Sammlung von Aussprüchen gemütlicher Mit bürger über die von ihnen besuchten Theateraufführungen. Da erzählt ein kleiner dicker Herr von der „ausverkauften Braut": das junge Mädchen berichtet von dem „treulosen Lohengrin", der gleich nach der Hochzeit wieder „fort machte": und eine witzbegierige Dame fragt, warum es eigentlich „Urfaust" heißt, sie habe nicht eine einzige Uhr in dem Stück bemerkt. Tagegen sind die Veranstaltungen, wo es kein Ein trittsgeld kostet, diesen Winter recht gut besucht, und oft sind das recht wertvolle, vorausgesetzt datz sie nicht von Leuten unternommen wurden, die unter dem Teckmantel der Nächstenliebe nur sich selbst und ihrem Geldbeutel helfen wollen. So hat die Leitung des Botanischen Gartens eine Ausstellung moderner Zimmerpflanzen zusammenge stellt, in deren Rahmen auch belehrende Vorträge gehalten werden. Und da unser Dresden die „blumenreiche Stadt" genannt wird, dieweil Männlein und Wciblein nur -n gern die Poesie einheimischer und exotischer Flora in ihr Haus verpflanzen, ist täglich der Andrang groß, so daß '.n den Borträgen Karten ausgegcben werden, die zwar lichts kosten, aber doch übermäßigem Andrang Vorbeugen. Im Rundbau daS Gewächshauses, wo ehedem die Königin der Blumen, die träumerische Victoria regia; resi dierte lind, von einander gesondert, dir Pftansengruvven zu sehen, die man als modern bezeichnen kann. Tas sind, so sührt der Vortragende aus, durchaus nicht Pflanzen von der Natur neu erschaffen oder von Menschen neu entdeckt, auch hierin wechselt der Modegeschmacl, wendet sich ent weder besonderen Gruppen zu oder greift auf frühere Modepflanzen zurück. Unsere moderne Wohnkultur, die Farbe und Form möglichst in Einklang zu bringen sucht, braucht andere Pflanzen, als eine frühere Zeit, die wahl los, nur um blühende Gewächse im Zimmer zu haben, die Blumen wählte. Rückschauend spricht der Vortragende über die verschiedenen Perioden, die von ungefähr löM an den Geschmack der Blumenliebhaber regierten und die mit dem historischen Geschehen, Orientfahrten, Landcntdeckungen in engstem Zusammenhang standen. Tie Kostbarkeit der Tul penzwiebeln, die holländische Züchter zu Millionären machte, — die Feinheit der Erika, vom Kapland zu uns erngeführt, — endlich die Palmen und Farren und die nicht nnnder kostbare - Orchidee, die Modeblume nm 1900. Ter Expressionismus der Nachkriegszeit hob den Kaktus zur Modcpslanzr empor, während neuerdings sich das Interesse mehr den Pflanzen zuwendet, die in Form und Linie dem Stil unserer Wohnungen eine besondere Note geben. Neben den bekannten Alpenveilchen und üppig blühenden Primeln fesseln als Neuheit die trichterförmigen Blattpflanzen und andere 'ornamental wirkende Tropenpflanzen, die in ihrer Heimat meist auf Bäumen aus Rinde und Moos ihr Dasein fristen, hier in Ampeln gezogen unendlich anspruchslos in der Pflege sind. Der reizende Zwcrgefeu, die rote Drac«na, Farne, auch der Gummibaum und der blühende Blatt- kaktuS ersreuen sich groher Beliebtheit. Herrliche Exemplare seltener exotischer Pflanzen, ihre Pflege und Besonderheit lvcrden, in besonders geordneten Gruppen, vorgeführt eine anregende Schau für jeden Blumenfreund. Regina Berthold. 8S Ml eine alle Legende... Von Julie Schlosser. WK. Es gibt eine alte Legende — Selma Lagerlöf hat sie wunderschön nachcrzählt — von einem Einsiedler in der Wildnis, dem eine solche Kraft der Sammlung und Andacht eigen war, daß er einmal in seinem in brünstigen Gebet gar nicht merkte, wie in seinen Händen ein Vogelpärchen sein Nest baute. Er hatte sein« .Hände in der Weise alter Zeit ausgcbreitet wie zum Empfang einer göttlichen Gabe; und sieh: AIS er mit seinen Ge danken auf die Erde zurückkchrte, fand er ein Vogelnest darin mit kleinen bräunlichen lHern. War das die Gabe Gottes an ihn? Sie schien so Nein, tausende solcher Vögel gab es überall, was hatten sie für einen Wert? So dachte er zuerst. Aber als er diese wundersamen kleinen Gebilde, die das Geheimnis des Lebens bargen, länger ansah, vermochte er doch nicht, sie zur Erde fallen zu lassen. Da wagte die Vogelmutter sich in seiner Hand auf ihre Eier zu setzen. Wie hätte er sie nun noch sinken lassen können? So hielt er seine Hände wie zum Gebet offen, um da» Leben in ihnen zu erhalten und zu schützen, damit es sich freudig entfalten konnte, und stand, seiner Müdigkeit nicht achtend, aller der Tinge nicht- achtend, die er sonst zu tun Pflegte, und diente in tiefer Freudigkeit dem Leben, daS Gott ihm anvertraut hatte — bis die kleinen Schwalben das Nest verließen und im Jubilieren ihrer Stimmcheu davon fl ogen. Was aber hat diese seltsame Legende mit uns zu tlm? Sehr Kielt Len» die dringende, drängende immer erneute Forderung: Helft, helft — helft mehr, und lxelfl besser! will ja nichts anderes rufen als eben dazu, Leben zu erhalten, zu schützen, datz es nicht in Not erstickt. Das ist eine sehr ernste, sehr schöne Aufgabe. Wie groß und schön sie ist, vergessen wir oft, weil wrr müde werden, von dem immerwährenden Elend um uns her, von der Häßlichkeit des Lebens, den uns bedrängenden Aufgaben und unseren Sorgen und Mühseligkeiten. Darum ist es nötig und gut, das Werk dcS Helfens, zu dem wir gebraucht werden, dazwischen in seinem tiefsten Wesen und rn seinem großen Zusammenhang und auch — wie in einem Bilde — in feiner Schönheit zu scheu. Zahllose Leben find in Not und äußerster Gefahr. Leben, die eigentlich auf ihrer Höhe sein sollten, nnd junge Leben — und .Kinderleben — und konnten doch gerettet werden. Es ist gar keine Frage: Wenn überall, aber wirk lich überall der feste Wille wäre, diese verkümmernden Leben wieder lebcuswert zu machen, so würde es geschehen. Wie zu helfen ist, da gibt cs viele, viele Wege. Es gibt in der allernächsten Umgebung eines >eden die ganz nahe liegenden Notwendigkeiten, die getan werden müssen. Man muß eS nur verstehen, sie zu sehen. Und das ist im Grunde so einfach! Helfen soll den weiten und herrlichen Sinn haben, daß die Menschen ihre Hände auftun gegen alles Leben, das leidet. Und dem, der von Herzen bereit ist, wird eS auch gelingen. Milke Aerzen. d. Im Zeitraum von knapp drei Tagen hat ein Plötz- licher Tod drei Mächtige der Erde jäh abbe« rufen. Reichskanzler a. D. Enno, Expräsident Eoo- lidge, Ernst von Borfig — drei glänzende Namen der neuesten politischen und wirtschaftlichen Geschichte. Aber diese Häufung von Todesfällen stimmt nachdenklich, wem: man die Todesursachen ins Auge faßt. Tie drei Männer starben eines jähen Todes, weil der Herz motor auSsetzte. Skranke Herzen bei Män nern, die gewiß Riesiges zu leisten hatten und geleistet haben, die aber doch andererseits auch wahrhaftig niemals Not zu leiden brauchten, denen materielle und moralisch« Erfolge fast ungemesseu zuteil wurden und deren Arbeit, physisch gesehen, nicht so schwer war, daß das Versagen des Herzens ohne weiteres erklärlich wäre. Sollte man nicht vielleicht richtiger sagen, daß sie an einer kranken Zeit starben? An einer Zeit, die selbst die kraftvollsten und gesundest«: Herzei: nnd Seelen krank macht? Herzneurose sagt der Arzt in die sem Falle und die Menschen beruhigen sich zumeist bald dabei. Aber seien wir doch ehrlich zu uns selbst: w:r alle sind mitschuldig an dem Verhängnis, das jene Männer zu einer Zeit traf, in der man eigentlich noch «in der Blüte seiner Jahre" stehen sollte. Aber die Treibhaus temperatur der modernen Betriebsamkeit, nicht der eigent lichen Arbeit, läßt die Blüte dieser besten Jahre unnatür lich früh und rasch welken. Warum? Weil fast niemand den Mut hat, mit jener Betriebsamkeit entschlossen zu brechen, die fast ausnahmslos allen und gerade den füh renden Männeri: der Welt von heute einen unverhältnis mäßig großen Teil ihrer Spannkraft und ArbeitSfrischc kostet, ohne ihnen auch nur annähernd Gleichwertiges dafür zu geben. Sollen nicht gerade die gesundesten.Her zen und Seelen schon aus Kummer darüber krant werden, daß sie nichtiger Betriebsamkeit so viel von ihrer Aktivität zilm Opfer bringen mMen.2