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^-204. 2. Vellage z«M Riesaer Tageblatt. Mittwoch, LI. August ISSS, abends. 85. Jahrg. Bildbericht von -er Eröffnung -es Deutsche« Reichstages. Die Eröffnungssitzung des neuen Reichstages. Ein Blick in den Plenarsitzungssaal des Reichstages am Tage der Eröffnung. Bilder rechts. Das Präsidium des neuen Reichstages. Zum Präsidenten des Reichstages wurde der national sozialistische Abgeordnete Hauptmann Goering slinkss gewählt. Rechts: der Zentrumsabgeordnete Esser. Absperrungen um den Reichstag. Die Polizei räumt die Umgebung des Reichstages von Schaulustigen, um Zwischenfällen jeder Art vorzubeu- gen; im Hintergründe die Siegessäule. Es ging nicht ohne Unruhen ob. Während der Eröffnung des Neichslao kam es vor dem Gebäude verschiedentlich zu Unru u und .stund- gebungen, die — wie unsere Bilder berichten — zu ein zelnen Verhaftungen führten. Die Ministerreise nach Rcudeck. Ein Bild von der Abfahrt des Reichskanzlers, des Reichswehrminisicrs, des Ncichsinuenininistcrs und des Staatssekretärs Meißner nach Neudeck, wo sie dem Reichspräsidenten das neue Regierungsprogramm des Neichskabinetts vorlegen wollen. Unicre Ausnahme zeigt svon links) Rcichswehrminislcr Schleicher — firau von Schleicher — Reichskanzler von Papcn — Staats sekretär Meißner — Frau von Ganl — Reichsinnen- miniiter von Gayl kurz vor der Abfahrt. Roman von Erich Eben st ein. S. Fortsetzung Nachdruck verboten »Ich fürchte fast. Sie haben recht, Doktor. Soldern mu tete sich oft zu viel zu. Nun können wir nichts mehr für ihn tun, als den Herrn bitten, daß er ihn in Frieden ruhen läßt. Aber hier — wie wird es nun werden? Dr. Trenz, Sie waren sein bester Freund und werden ja seine Absichten in Bezug auf Anneliese und den Nachlaß kennen?" »Ich stand Soldern nicht näher als Sie und Dr. Lorinser, Herr Pfarrer! Ueber seine Absichten für die Zukunft oder im Falle seines Todes hat er nie ein Wort zu mir gespro chen." »Nicht möglich!?" »Und doch ist es so! Ich glaube, Soldern fühlte sich so gesund, daß ihm der Gedanke an Tod und Sterben gar nicht kam. Oder wenn — so schob er ihn doch als etwas noch in weiter Ferne Liegendes von sich." „Sie glauben also, daß er kein Testament hinterlassen hat?" »Ich weiß, daß es nicht der Fall ist. Einmal, kurz nach dem Tod seiner Frau, sprach er mit mir darüber und sagte, daß er ein Testament errichten wollte. Aber es kam nicht da zu und als ich ihn später ein paar Mal daran mahnte, meinte er lächelnd: ,Gott ja, aber es hat doch Zeit.'" »Nun, schließlich ist die Sache in diesem Falle sehr ein fach," meinte der Arzt. Anneliese ist das einzige Kind, an dere Erben sind nicht da, also erbt die Kleine eben alles, was da ist!" „Hoffen wir wenigstens, daß die Sache sich so einfach er gibt wie sie aussieht," bemerkte der Notar zurückhaltend. Lo- cinser, ohne darauf zu achten, setzte seinen Gedankengana fort: „Die Frage wäre ja also erledigt. Eine andere, weit 'chwierigere ist, was mit der armen, kleinen Anneliese nun 'eschehen soll? Allein kann sie schließlich doch nicht weitrr- .eben auf Leidenried. Wohin also mit ihr? Die Soldern» haben, das weiß ich genau, keine lebenden Verwandten mehr, und von feiten Frau Klaras gibt es, glaube ich, auch keine mehr..." „Doch," unterbrach ihn der Notar mit seiner kühlen, ruhigen Stimme. „Don feiten der verstorbenen Frau Klara Soldern leben noch Verwandte: Eine Base, Frau Sabine Engelmann und ihr Sohn Viktor. Frau Engelmann war ja seinerzeit auch bei Frau Solderns Begräbnis hier." „Richtig, ja!" sagte der Pfarrer. „Ich erinnere mich. Eine hagere Dame mit unangenehm harten Zügen — wenigstens blieb mir dieser Eindruck. Nun, diese Dame kommt wohl nicht in Betracht für Annelieses Zukunft." „Wer weiß? Die Dame zeigte damals viel Teilnahme für das mutterlose Kind, und ich glaube, unser Freund Soldern freute sich darüber!" Trenz sagte es scheinbaar gleichgültig, aber er starrte dann eine Weile nachdenklich vor sich hin und sein Gesicht nahm einen unruhigen Ausdruck an. Plötzlich erhob er sich. „Liebe Freunde, ich möchte trotz meiner Behauptung, Soldern habe kein Testament errichtet, vorschlagen, nun doch Umschau im Schreibtisch des Verstorbenen zu halten nach irgendeiner lehtwilligen Verfügung. Es wäre ja immerhin möglich, daß irgend etwas... Die beiden Freunde sahen ihn erstaunt an. Trenz hatte sich doch vorhin so bestimmt erklärt. „Immerhin," sagte Dr. Lorinser, „Trenz hat recht. Die Möglichkeit, daß Soldern früher einmal letztwillige Wünsche ausgezeichnet oder Verfügungen über sein Hab und Gut ge troffen hat, besteht ja doch. Suchen wir also!" „Müßten wir dazu nicht Anneliese beiziehen?" wandte der Pfarrer ein. „Es widerstrebt mir, ohne sie in den Sa chen des Toten..." Aber Lorinser schnitt ihm kurz das Wort ab. „Nein! Für Anneliese wäre das jetzt eine bittere Qual, während es für Dr. Trenz, der doch in seiner Eigenschaft als Notar ohnehin Nachlaßverwalter sein wird, eine Pflicht ist, nach etwaigen Anordnungen des Toten zu suchen." Damit schritten die drei Herren zum Schreibtisch, dessen Schlüssel man vorhin mit Solderns Uhr und Brieftasche darauf gelegt hatte. Der Notar zog sämtliche Fächer auf und durchsuchte flüch tig ihren Inhalt, ohne etwas von Bedeutung zu finden. Alles war sauber geordnet: Papiere, Erinnerungen, bezahlte und unbezahlte Rechnungen, alles in besonderen Fächern ausbewahrr. Trenz' Stirne zog sich in ernste Falten, als er die vielen unbezahlten Rechnungen, die zum Teil auf hohe Summen lauteten, flüchtig durch die Finger gehen ließ. Aber er sagte nichts, sondern schob nur die Fächer wie der zu und sperrte sie ab. „Jedenfalls muß man Frau Engelmann von Solderns Tod verständigen. Ich setze das Telegramm gleich auf und nehme es nachher selbst mit." Lorinser und Kordin blickten den Notar erstaunt an. „Ist das wirklich nötig? Schließlich bestanden doch keine weiteren Beziehungen zwischen dieser Dame und Haus Hei denried!" Dr. Trenz antwortete nicht sogleich. Er war aufgestande» und ging mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Ge mach auf und nieder. „Wenn auch!" meinte er dann gleichmütig, „so ist es eben ein leerer Höflichkeitsakt." In diesem Augenblick trat der Kammerdiener Paul, einen Rock über den Arm gelegt, herein und meldete, daß soeben die Leute der Bestattungsanstalt eingetroffcn seien. Dr. Lorinser warf einen fragenden Blick auf den Rock, den Paul am Arm trug. »Was ist damit?" „Es ist der Nock, den der gnädige Herr trug, als — als das Unglück geschah. Wir haben den armen Herrn vorhin angezogen — für die Aufbahrung. Den Rock hier — er war" voll Erde und Schmutz — habe ich gereinigt, nachdem ich den Inhalt der Taschen dem gnädigen Fräulein über bracht habe."