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2. Beilage zum Riesaer Tageblatt. DlenStay, 5. Juli 1SS2, abends. 85. Jahrg. Vertrieb: Romanverlag K. Se H. Dreiser. G m b. H.. Rastatt SO. Fortsetzuva. Nachdruck verboicn Theresa schlüpfte in ihr Zimmer zurück und vollendete rasch ihre Toilette. Vorläufig also hatte die Polizei auf sie keinen Verdacht. Nun mußte sie klug handeln. Vitto- rino hatte eine volle Nacht Vorsprung I Sie stieg die Treppe hinab und hatte sich vollkommen in der Gewalt, während Will und die Mutter noch unter dem Eindruck der Meldung des Kommissars standen. „Armes Kind, du hast gewiß die ganze Nacht nicht geschlafen." „Im Gegenteil! Ich hatte ein Schkafpulver genommen und bin ganz munter. Es war eigentlich nicht recht von mir, ich hätte bei euch bleiben sollen." Will streichelte ihre Hand, als er sie so blaß vor sich sah. Er hatte ja am vorigen Abend gute Vorsätze gefaßt. „Heute abend kommt Georg und — morgen soll unsere Hochzeit sein." Sie tat verschämt und senkte den Kopf, um nicht zu verraten, daß ihr diese Hochzeit, die sie ja doch nicht mehr feiern konnte, nun vollkommen gleichgültig war. Will aber empfand gerade dieses Schweigen als das Richtige. „Ich muß leider wieder den ganzen Tag unterwegs sein. Weil ich mich für morgen vollkommen frei machen möchte, muß ich heute auf einige Dörfer hinaus, die mit zu meinem Sprengel gehören. Frau Mabel nickte. „Und ich muß in die Stadt. Wir werden morgen doch «ine Anzahl Gäste haben." „Ich werde noch die Einladungen besorgen. Ich denke, wir sind zwölf Personen, nur die nächsten Freunde." „Gut, Will! Ich werde in der Stadt das Essen be stellen — das Hochzeitsessen, kleine Ada! Dann will ich ruf die Bank. Solch ein Tag muß festlich begangen wer- oen, und ich will meinen Schmuck aus dem Tresorfach holen. Ja, Ada, ich werde ihn zum ersten Male seit dem Tode meines Manues wieder ankegen, und — ich will es dir nur verrate»! Sebr viel Schmuck Habs ich ja nicht, aber ein recht hübsches Brillantkollier ist darunter, das mir meine Mutter an meinem Brauttage um den Hals legte. Ich habe es sorgsam aufbewahrt, pm es am Hoch- zeitstage meinem Schwiegertöchterchen umzulegen. Lange genug hat Will mich warten lassen, aber — es ist ein wert- volles Stück und wird dich freuen." Theresa verbarg ihre Erregung unter einer stürmi- schen Umarmung. Ihre Freude über diese Nachricht war echt, wenn auch in anderem Sinne, als Frau Mabel glaubte. Seitdem Will die Hochzeit festgesetzt hatte und der Bruder kommen sollte, war Frau Mabel wieder ganz zärtliche Mutter und hatte über dem erlebten Schreck alles vergessen, was sie gestern nacht an ihrer zukünftigen Schwiegertochter auszusetzen zu müssen glaubte. Auch Will mußte zugeben, daß Ada sich tadellos benahm — er fuhr beruhigt im Auto davon. Hätte er nur innerlich froh werden können! Auch an diesem Tage hatte er es nicht über sich gebracht, seine Braut zu küssen; aber Theresa, der ja jetzt an alledem nichts mehr lag, hatte es ihm leicht gemacht und ihm nur freundlich nachgenickt. Sie wanderte mit Frau Mabel in die nahe Stadt hinunter. Jetzt weigerte sie sich nicht, die Mutter zu be gleiten und sah mit heimlicher Genugtuung, wenn auch anscheinend teilnahmslos, wie Frau Mabel allerhand Schmuckstücke ohne großen Wert, dann aber das Brillant- kollier, das wirklich kostbar war, und eine größere Geld- summe — fünfhundert Dollar — die sie abgehoben, in ihrer Handtasche barg. „Jetzt müssen wir recht vorsichtig sein, daß niemand uns beraubt. Weiß Gott, ich wohne nun schon zehn Jahre hier und habe immer ganz ruhig, sogar oft bei un- verschlossenen Türen geschlafen; doch jetzt sehe ich in jedem harmlosen Menschen, der uns begegnet, einen Räuber und Mörder." Theresa mußte wieder einmal alle ihre schauspieleri schen Talente aufbieten. Frau Mabel war in hochgradiger freudiger Erregung und sah sie immer wieder an, wäh- rend sie im Hotel oas Mahl, beim Konditor die Torten bestellte. „Bist du glücklich? Wirst du mir meinen guten Jungen recht glücklich machen?" Zer WUlWMWl WM Max Schmeling wieder in der Heimat. Max Schmeltng, unser geschlagener Weltmeister, ist wieder in Deutschland angekommcn und wurde vier von seiner Mutter lneben ihm) und von seinen Freunden auf das herzlichste begrüßt. Bom 1. Reichskriegertag, der in Dortmund unter Beteiligung von 1NNN0N Mit gliedern des Kysshäuserbundes aus allen Teilen des Reiches veranstaltet wurde: Reichswehr, die auch teil nahm, beim Feldgottesdienst. Adolf Hitler nimmt eine Parade der SA. ab. Der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Ar beiter-Partei, Adolf Hitler (links im Auto stcheud), nimmt eine Parade der SA. in München ab. Ueberrascheude Rettung der deutsche« Australien-Flieger. Die beiden deutschen Flieger Bertram (links) und Klausmann (rechts), die am 17. Mai von den Kleinen Sundainseln über die Timorsee nach Australien ge flogen und seitdem verschollen waren, sind an der Nord küste Australiens völlig erschöpft und halb verhungert aufgefunden worben. Durch stürmische Winde und Benztnmangel wurden die Flieger vom Flugweg abge trieben und mutzten westlich ihres beabsichtigten Zieles landen, in dessen Nähe sie jetzt gefunden wurden. „Graf Zeppelin" über Loudon. Ein Bild vom letzten Besuch des deutschen Luktricsen „Graf Zeppelin" in London: das Lustschiff kreist vor seiner Landung über dem Londoner Flughasen Han werth, wo es von einer begeisterten Menschenmenge freudig begrüßt wurde. Die „Antifaschistische Aktion" marschiert auf. Als Auftakt zu den Reichstagswahlen veranstaltete die Kommunistische Partei im Berliner Lustgarten eine Demonstration gegen den Faschismus, an der nicht nur Mitglieder der KPD-, sondern auch Sozialdemokraten und Reichsbannerabteilungen als Geaner der Faschisten teilnahmen. Und dabei dachte die „züchtige" Braut während all dieser Gänge nur daran, wie sie entfliehen und die gute Alte bestehlen könnte. Es wurde nachmittag — sie hatten in der Stadt ein wenig gegessen — Theresa war allen möglichen Menschen vorgestellt worden und hatte nichtssagende Worte reden müssen — als die beiden Frauen wieder in dem Psarr- hause ankamen. Zuerst gingen sie durch das untere Haus, und Frau Mabel sah sich zufrieden um. „Hier sollt ihr nun glücklich leben und euch recht lieb habenI Es ist ganz gut, daß dein Bruder kommt. Hof fentlich kann er ein paar Tage bei uns bleiben. Er muß bei mir wohnen, in dem Zimmer, in dem du jetzt schläfst. Wahrhaftig, ich würde mich fürchten, allein zu bleiben." Frau Mabel sah auf die Uhr. „Herrgott, in einer Stunde kann schon Georg da sein." „Dann will ich schnell hinauf. Ich muß mich doch umziehen und mich schön machen!" Theresa hatte sich so weit in der Gewalt, daß Frau Mabel keinen Argwohn schöpfte. „Dann geh' nur! Nein, ich komme mit dir —" Sie dachte wieder daran, daß sie Ada ja nicht allein laßen wollte, und diese mußte ihre Enttäuschung ver beißen. Frau Mabel ging in ihr Zimmer und legte die Handtasche auf den Tisch; dann schrillte das Telephon in der Diele. „Es war Will. Ich muß schnell in das Pfarrhaus hinunter, ich soll Will ein paar wichtige Daten aus seinen Akten nach Happy Valley, wo er noch ist, telephonieren." Schnell hatte Theresa ihr Kleid geöffnet. „Ich ziehe mich rasch um, dann komme ich zu dir hinunter." „Schließ aber hinter dir ab! Laß ja niemand ein! Oeffne gar nicht, wenn jemand klingelt, und beeile dich. Bringe den Schlüssel mit, wenn du kommst" . Theresa lachte. „Ich bin doch kein Kind mehr!" Frau Mabel tätschelte ihre Wange, „Aber ein kleiner Angsthase!" Theresa schloß hinter der Alten zu und blickte ihr lächelnd nach, als sie den Gartenweg hinabschritt. Sobald sie hinter einer Biegung verschwand, änderte Theresa sich