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- Erscheinungsdatum
- 1923-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192308184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19230818
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19230818
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-18
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Monat
1923-08
-
Jahr
1923
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. kbmue NWs ä»ers^ «lL e» war «uk siü, Met» Weg fllhrt zum Sonncuwtnkel, ich muß «Ich -ort Hetilttge», wo ich »etue Begabung stäche, Gunild!" Er brei tete sei« Urw« «u». .Es wir- R« Zett kommen, La ich »ich srLHÜch dorthin führen kann, und -eine Kinder werden ans ttgenem Saad, in eigenen «er Wänden spiele». Ist -aS «cht etn herrischer Tramal Jlnd die Neu klein werde« -art« spuken und sich mit «ns Ist da» Glück, Gunild, das ich dir dringen wollte/ La raffte sie sich ans. Stoll, »te Gunild Westerkamp lwwer ««wese», schritt sie an Ihm vorüber, Le« Kopf ein I«ser Hei« teile»/ ^a, Berta Uukener wird eine Heimstatt Lori habe«.* ^Walter, hüte dich!" ES war ei» Schrei und ei« Hilferuf zugleich, den sie anLGieß «ach seinen Warten. Berta Unkener wird eine Heimstatt -ort habe«. Jurcht- klei» we»i« geneigt. ^li enraiS. Was hat unser Glück mit Berta Unkener „Sie Ist heimatlos, Gnnild. Und wir wolle» ihr die Hei mat schasse»." ^SiemalS/ wie-etholte sie mit hartem -lange; wie a«S ferner Welt tönte es ihm. Er aber blieb ruhig, Len« er fühlte, Latz er hier nichts »eiter zu sagen hatte. Noch einmal breitete er die Arme »ach ihr ans. Aber sie blteben leer, und Las furchtbare .Niemals" tönte wieder, härter »och, als LaS erstemal, aus ihrem Mund«, der i» herbem Schluchz«, zuckt«, al» sie eine Sekunde später das Zimmer verlassen hatte. Walter Herradors beschattete mit der Hand die Auge«. Jetzt «atzte er, Lab er sie verloren hatte, und mit ihre seine Zage«», seinen ganze« Reichtum a« Sicht und Lebensfreude. Aber er hatte ja nicht anders gekonnt. Es war seines Le he«- Trau« gewesen, ein Eigenes zu besitze«, »er Traum set»er et»tönig«n, entbehrungsreichen Jugendzeit, und Gu- «tld, seiner stolzen Gnnild, die er errungen hatte nach Lamps und Entbehrung, wollte er diese- Eigentum schenken und ihrer betder Glück. hineintragcn, damit auch er etwas t» Lie Wagschale warf für das, was sie ihm geweiht. ES war anders gekommen. Aber noch gab es Glück zu senden. Mutzte sein eigenes, entsagungSgewohateS Herz das Glück entbehren, so wollte er es anderen bringen, kleinen, armen, ttchtfehnenden Herzen, die nach Wal- und Freiheit »erlangten. Und so trug er -en ersten Baustein au Las Werk, LaS er vollen-en und -as ei» GlückSspemder für viele werden httlte und Loch ihm -as seine geraubt hatte. Die Herbstschauer gingen über das Land, und der No- «emLersturm kehrte die Aetze der Bäum« und Sträucher ab <»L hielt grobe Reinigung in der Natur. Er wirbelte die Sägespäne empor, die noch vom Bau der Holzverkleidung am So»»euwink«l auf dem Boden umherlagen, und schlug die Läden zu, obgleich drinnen Lebe« herrschte and man sich das nicht lauge gefallen lasten würde, denn es sollte Acht fet» i» Leu Stoben, wo die Buben und Mägdlein ihre La ger für -en Winter aufgeschlageu hatten. Hier »rautzen war der Herbftsturm Musik, bald ei»e Harfe, bald eine Hoboe, bald wieder ei» feiner, setdenseiner Geigeitt»», drin aber in der Stadt, da war es ein Angstruf, der durch die Stratzen heultr und alles mit sich raffte, was Ich ihm in -en Weg legte, Unrat, Staub und Gelump, das vom Meer der Tausenden angeschwemmt worden. Nur in -er Berandastube des Westerkampfchen Besitzes hatte mau die Türen vor dem Sturm geschloffen und spürte »tchtS von -em Tosen in der anfgewiegelte» Herbftnatur da draußen. Gnnild HerrnLors stand am Flügel, über die Berthoven- fonate gebeugt, deren letzter Ton soeben unter Hnlüe Sie gens Fingern durch Len Raum verklungen war. .Taute Hnlde, ich hätte nie geahnt, -atz du so — so spielen kannst, dn haft -och nie — ?" Huld« Stegen hatte sich erhoben und strich liebkosend Eber Gunilds Wangen. .Früher, als deine Erziehung meine ganze Kraft brauchte, fand ich nicht Zeit, und du — du spieltest ja nicht, anch -ein Vater nicht. Er liebte Musik nicht/ «Und unsertwegen hast du dir den Genntz verschlossen, Kmte Hulde?" „ES lag mich ein wenig Egoismus dabei, ich habe in »einer Jugend so viel musiziert, und die Erinnerung daran »»«te ich mir nicht trüben lasten." .Mit Hermann Unkener?" Taute Hulde nickte. „Wi: hatten ein schönes Trio, er Stsang. mein Bruder Geige, ich Klavierbegleitung; er hat Mir »st gerate», mich ansbilden zn lasten." .lind warum —?" »Die Brüder waren noch beim Studium —»d »lS Vater K«Lb, mutzte ich die Ntntter stützen/ ^xrruner für öle andere», vnurrro rap mir großen Trügen ins Leer«. „Und, Tante Hulde, hast du auch einmal etwas für dich getan, so rwe — wie ich jetzt?" .Dazu hatte ich kein Selbstvertrauen, so etwas nicht, aber doch — vielleicht — einmal —/ Hulde Stegen lehnte sich gegen die Wand und ließ die Hände lässig an sich niederglei ten. .Einmal — eS war Mittagszeit, Mutter und die Brü der warteten daheim aus das Mittagbrot, das ich am Arme trug — da hab' ich ein einziges Mal nur en mich gedacht. — Wir trafen einander nach langem Fernsein wieder. Ich wutzte — er war damals schon Bräutigam, aber wir ginge» mitsammen immer weiter, bis die Häuser aushörten und die Kornfelder begauuu, tief hinein in die wogenden Aehren felder führte er mich, und ich mehrte ihm nicht. Ich -achte nicht an Krida Helm, seine Braut, ich wollte ein einziges Mal — selber glücklich sein. Und er sagte mir, dah er nach Geld heiraten wüste, denn er sei selbst arm und muffe seine Mutter unterstützen. Da - habe ich nur an - meine Liebe gedacht nur ein einziges Mal, eine Viertelstunde lang. — AlS ich heimkam, gab es Schelte, ich achtete nicht darauf, «der durch mein Leben floß wie ein Goldfaden die Eiinne- »ung an jene Stunde, da er mich wisse» lieh, daß er mich liebte. Es ist von La an rin Schenken au andere geworden. Krida Helms Ettern verarmten spater, aber da waren sie schon längst verheiratet. Dann hörte ich lange, lange nichts mehr von ihm." Leise strich Gnnild über dir sich lichtenden Schläfe» -er zarten kleinen Matrone. .Arme Tante Hulde!" jagte sie liebevoll. Doch da wehrte sich die stille kleine Heldin. »Warum arm, Gnirilü? Ich bin nicht minder reich, als - als -" .Als du, willst d» sagen, ick verstehe, und doch, Tanie Hulde, das Leben verlangt, daß du -ich ihm mit ganzer Kraft und Liebe hingibft, wenn du ein Bvllmensch sein willst." .Nicht alle vermögen das zu sein." «Doch, Tante Hulde, es kommt für jeden ein Tag, eS werden zu können. Warum ergriffst du es nicht an jenem Tag im Sonmenwiukel, vielleicht hast du eine Schuld auf dich geladen, als du seine Hand nicht nahmst, die er dir nun voll und ganz bot." Mit einem stillen Weh in de» ernsten Augen sah Hulde Stegen ihr Pflegekind an. Hatte Gnnild gehört? Hatte jemand tm Leben Anteil genommen an ihrem Schicksal? Gunild, ihre stolze, kalte Gnnild hätte wirtlich - ?. Erstaunt fragte sie: „Du hast gehört?" „Nein, Tante Hulde, so hellhörig bin ich nicht, aber ich sah euch unter -er Linde sitzet! und die goldene Sonne eure Häupter nmleuchten. Ja, Huldchen, man soll im Herbst den Sonnentag nicht versäumen." In Hnlde Siegens Augen traten Tränen. „Und was hätte aus deinem Vater werden sollen, Gn rttld, wenn ich —?" „Es scheint dein Schicksal, Tante Hulde, bet jekur ein schneidenden Wendepunkt des Lebens nach einem anderen -« fragen. Du hast keinen Mut für dich gehabt — du Pflicht mensch du, abe weitzt du, Tantchen, es ist auch etn Egoismus darin, der Egoismus der Pflichterfüllung, und das Streben, in der Sette erfüllter Pflichten kein Glied fehlen zn laffen," scherzte Gnnild und küßte die Hand -er zarten Seele, die nm ihretwillen ihr Leben zertreten hatte. — Es war keine Zett mehr zum Plauder«, der Geheimrat verlangte sein« Ordnung, er wollte seinen Tee und nach dem Tee die Pfeife und mit der Pfeife die Abendzeitnng und die Poft mit Len Rezensionsexemplaren, die ihm zuge sandt worden, «nd Hulde Stegen wutzte Bescheid mit all dem Kleinkram der Gewohnheiten. Und dann wollte er plaudern, geistreich oder alltäglich, je nachdem er gestimmt war, wollt« über die Politik, über die er sich beständig ärgerte, streiten, und dazu mutzte Hulde her, denn wenn auch Gnnild, seit sie da war, jene etwas entlastete, so war es -och Hulde allein, die all die Stimmungen und Ansichten, denen er aus jedem Gebiete nachging, so genau abzuschätzen und zn verarbeiten wutzte. Wie sollte es da möglich sein, einem eigen«» Leben Platz zn geben, ja überhaupt zn erreichen. Laß sie Verständnis für sich und ihre Erlebnisse und Eindrücke find«« könnte! Der Bries in Hulde Siegens Tasche knitterte unter ihren Kin gern, als sie dann mit dem Geheimrat über Oesterreichs Sprachenwirren, über italienische Hebelgriffe in Südtirol und über Englands rücksichtslose Kolouialpolitik verhan- -elten. Sie war zum ersten Male nicht ganz bei der Sache, nnd Gehetmrat Westerkamp zankte sie aus, -atz sie heute recht verdrehte und echt frauenhafte Ansichten entwickelte; sie sek doch sonst eine gescheite Person. Gnnild war wie immer zu diese» Dämmerstunde» ge flohen; ihre Unterrichtsstunden in der Knoftgewerbeschule durfte sie nicht verfehlen, »nd sic wußte ja ihren Vater W guter Obhut. Es war in letzter Zeit nicht mehr das alte, schöne Ein vernehmen zwischen Vater und Tochter. Eine gewisse Grtl- ttakeft, die mobl seinem zunehmenden Alter, aber vielleicht aucy inner Mißbilligung von Gumws vanolungsweise zu zuschreiben ivar, trennte die beiden. Wohl Lachte er nicht mit Stolz an seine» Schwiegersohn, der als Schulmeister in einer kleinen Stadt versauerte und im» gar noch als Waldschulmeister anszittreteu beabsichtigte, aber Gunild hatte sich ihr Schicksal selbst gewünscht und mutzte cs lum tragen. Sie war Walter Herrndorss Gattin; was sie jetzt tat, war Unsinn und Verdrehtheit, Lust am Nachbeben moderner Torheiten. Er verschloß der Tochter sein Haus nicht, aber es war etwas zwischen sie getreten, das sie nicht aus dem Wege räumen konnten und das mich Tante Huldens glättende Hände nicht zn verscheuchen vermochten. Sie fühlten es alle. Bet dem Urteil über England fanden sich die beiden wieder, aber Hulde Siegens Herz stieg andere Bahnen hin an. Das schritt zu de» letzten Worten jenes Manues, der ihres Lebens Glück gewesen, zu den Worten, die er aufge zeichnet hatte imd die ihr Berta Unkener mit schmerzerfüll tem Stammeln ttr die Hände gedrückt. Im ticsen Schrein ihres stillen Stübchens bewahrte sie sie auf, wie ein junges Mädchen den ersten Brief erwachen der Liebe aus -er Hand ihres Geliebten. „Zum letzten Grub, Hnlde Stegen; ich habe Dich immer sieb gehabt, verlaß meine drei Lieben nicht! Hermann Uukener." „Verlas; ims nicht!" hatte Berta Unkener -«fleht, als sie den geliebten Vater an jenem sonnenhellen Frühlings tage auf dem stillen Bergfricdhofc ins Grab gebettet. Und hier in ihrer Tasche, da brannte ihr ein andere! Wunsch, verlangte eine andere Seele nach ihr. Die kleine Agnes Unkener, die znr Sängerin Heran reist«, hatte mi! ihren Beistand gebeten. Sie war zu einer Konzerttournee in verschiedene Städte aufgesordert und hatte keinen Menschen, der sic begleiten konnte. Berta war im Sonnemvinkel verpflichtet, sic konnte nicht von Höhnes fort, die ein Kind erwarteten und mit Malter HerrnLors gemeinsam die Waldschule hielten. „Tante Hnlde, könntest Dn Dich nicht entschließen, mich zu begleiten? Du weißt, was meines Vaters letzter Wunsch an Dich war. Kannst Du ihn erfüllen und einem verlassene» Merrschenkinde die Aussicht ans eine glückliche Zukunft er öffnen helfen? Dn würdest in tiefstem Herzen beseligen Dein« Agnes Unkener." Wohl hundertmal schon hatte sie -en Brief gelesen. Hel se», immer wieder helfen! Hulde Stegen, es ist -ein Schick sal, Gnnild mag sagen, was sie will. Aber ihr Herz lenkte sie zum Sichauflösen in anderer Lebensbahn. Wieder nnd wieder traf sie ihre Gedanken dort, wenn auch Geheimrat Westerkamp heutci ganz besonders hart- nä<kg seine Ansichten gliederte. Sollte sie ihm in diesen! Augenblicke mit ihrer Angelegenheit kommen? Was würde er sagen? Würde er es nicht für höchst vermessen halten, -atz sie einmal ihre persönlichen Wünsche den seinen nnd denen des Hauses voransetzte? War sie nicht mir Hausdame hier, wenn auch Freundin der Verstorbenen, so doch Haus dame — etn ganzes, stilles, cntsagmigsrelches Leben lang gewesen, und -ort winkte ihr ein Freundschaftsplatz, der Platz einer Mutter ohne die beständige Hausdamrnzurnck- haltuug, die sie ihr ganzes Leben lang gewahrt. Wo war Lie Grenze alle« Pflichtgefühls? Stuf der an deren Seite war die Liebe, und ein junges Menschenleben rief um Beistand, irnd so kam die Stunde, da Hulde Stegen zmn ersten Male in ihrem Leben den Kampf um ihre Liebe «rfuahm und mit kühnem Schwünge zwischen die politischen Streitfragen hinein Lern Geheimrat ihres Lebens Weg zn zeigen wagte und ihn bat, sich damit abznfinden. Sie hatte mit dem Zorne des Sechzigjährigcn nicht ge rechnet, aber sie trug es mit Milde und Nachsicht, als er ihr Undankbarkeit und Pflichtvergrsscnhcit zum Vorwurf machte und sie an jenen Tag erinnerte, Sa sie sich versprochen, bei einander zu bleiben und auSznharren. Ja, er hatte recht, das traf sic hart, sic hatte heute ihr Wort gebrochen und stand nun schuldig da. Aber di« Liebe hatte Hnlde Stegen die Richtung gege ben, und «s war, als ob ihr Schwingen wüchsen, und an ihren Küße» Flügel wären, so viel leichter ivard ihr heute, ihren Entschluß zu behaupt«!, denn — die Jugend braucht sie ja, «nd wer hatte mehr Recht ans Lebe», sie oder das Alter? So reichte sie ihm die Hand, die er zögernd und schwer ergriff: „Ich habe kein Recht, dich zu halten, -Hnlde, ich weiß, du aber hast Versäumtes nachzuholen. So mutzt -n wohl deinen Weg gehen/ sagte er ernst. Sie schritt leise aus dem Zimmer, in dem sich ihres Le bens Selbstvergcffenhcit abgespielt, lange, lange Jahre hin durch, und das Bewußtsein erfüllten Rcchttuns nnd der Sttuune ihres Herzens gefolgt zn sein, beschwingte sie. So suchte sie ihr Zimmerchen auf und setzte sich nieder, um dem jungen Kinde in der Welt drcmßen die Nachricht zn geben, -atz sie ihm »en Weg ebnen zu helfen kommen wollte, der t^n die Tür des Glückes öffnete. AlS Gnnild am Abend nach Hause kam, war Hulde Stegen nicht mehr unter ihnen, und es war, als ob rin gittcr GeiA EL dem Lanle aeuücheu. und als ob »wischen Sinter «ns Tochter v!« Seele entflogen wäre, »le sie aeelnk. Do- blieb eS ein stiller, wortloser Abend, -er sie beide die Ein samkcit doppelt empfinden ließ. * * * Aus -em Hause Westerkamp war Tante HulLes Geist gewichen, es war ein anderes Atmen jetzt, eine unruhig flat ternde Atmosphäre, ein ««geschloffenes Hasten und Treibe». An Tante Halbes Platz am Fenster saß eine andere, etwas mädchenhafte Erscheinung, die Tante Hulde «och mit lieben der Fürsorge ausgesucht, nachdem Gnnild ihrem Baler in ihrem anerkannten Gerechtigkeitsgefühl die Berechtigung von Tante Huldes Ansinnen klargelcgt hatte. Sie hatte den Brief Agnes Unkener» lese« dürfen, nnd er hatte Schatten über ihre Augen gebreitet. „Berta Unkener ist in der Wald schule verpflichtet. Sie ist feine rechte Hand, er braucht sie, und sic hilft ihm, und sie, Gnnild Westerkamp, seine Frau, verließ ihn in der Stunde, da er seines Lebens Werk begin nen wollte. Hatte jene denn nicht viel mehr Rechte «m ihn?" so -achte sie und quälte sich mit Selbstvorwürfe«. Mit unermüdlichem Fleiß« arbeitete sie jetzt au Ihrer Ausstellung. Sie beabsichtigte auch au der neuen Stätte ihrer Arbeit eineLlusstellrrng zu veranstalten, nnd Direktor Epp- ler, der auch längst in der Hauptstadt einen Platz gefunden, riet ihr dazu, denn ihre Kunst schien gereist und geläutert «nd brachte einen neue» Stil. ES war ein unharmonisches Leben Im Hause ihres Ba iers, die Dienstboten wechselten beständig, und Fräalein ». Ranft war es nicht möglich, ein geeignetes Verhältnis zn den Angestellten der Küche zu ftuden. Gunild selbst küm merte sich ihrer Studien halber wenig um Lie häuslichen An gelegenheiten ihres Vaterhauses und vermißte Laute Hulde an allen Kanten, zumal, da ihr Vater immer mißgestimm ter wurde. Dazu kam, daß das Haus Westerkamp von jeher ein offenes für alle Art geistesverwandt« Gäste war, was immerhin für die inneren Verwalterinnen eine ziemliche Last mit sich führte, die Fränleiu v. Raust nicht zu bewälti gen vermochte. Zu -en beständigen Gästen des Hauses gehörte jener junge Dozent, der aus den Platz gerufen, auf dem Gunild ihren Gatten einst brennend gern gesehen. Er war einst Geheimrat Westerkamps FamulnS und später sein Assistrrtt gewesen und hatte es nun nicht schwer gehabt, in die akade- rutsche Laufbahn hineinzuschlüpfen. Dr. Jost Fahrenbach war auch gern gesehen im Haust Westerkamp, er brachte einen Hauch von -er nrudeutschev Wissenschaft und Literatur mit, man konnte mit ihm über Geschmacksrichtungen, über Anschauungen und Stimmungen plaudern, und Gunild sah ihn gern kommen. Die Wende in des Geheimrats Zimmer, um -en runden Mahagonitisch beim gcdämpstcn Osramglanze, zu denen sich selbst Edith Klobtn und Professor Evpler noch einsanden, waren inmitten der Stürme des WinterL ein feingestinmrtes Symposion. Man faß bei Tee und Wein, beim Havannadust und einer herzhaften Speise für die Da men, rmd eS war niemand böse, wenn Krärrlein v. Ranft sich zeitig verabschiedete, und billigte auffallend den Grund, den sie angab, daß sic sonst einer schlaflosen Nacht entgegen sehen würde, wenn sie über ihre Zeit hinaus anregende Ge spräche hören «nd führen müsse. An solchen Wenden gedachte Gunild oft mit etwas Trotz dem sich schon lange eine gewisse Wehmut beigemischt hatte; an Skalier. Während die Winterstürme an de» Fensters tobten, träumte sie vom Sonnenwinkel, um dessen Zaun die Schnecmauern sich türmen und die Stürme sich jagen wür den. Und drin, ja freilich, drin saß Berta Unkener an seiner Sette, und sie läsen und musizierten, sie spielte, und er be° «leitete sie mit seinem Waldhorn, und Agnes Unkener, wenn sie daheim mar, würde Lazu singen. Und die harmlosen Waldschulktnder würden lauschen! Ja, es war eben das Unkenasyl, nnd er hatte cs ihnen gesichert, den verschuldete« und verarmten Mädeln mit Ihrer Wirtschaftsschlamperest Tante Hulde würde da viel Ordnung zu schaffen haben. Trotzig kräuselten sich dann die roten Lippen, «nd ihres letzten Denkens Schluß blieb doch der Gedanke an seine Schuld imd ihr berechtigtes Fortgehen. Jost Fahrenbach harte viel von -er Welt kennen gelernt. Oh, wie vermochte er die Schönheiten zu schildern, sie mit den Eigenheiten des Volkes und der Raffe zu verquicken, die Völker und ihre Kulturdenkmäler hineinzuverschmelzerr «nd daraus zn begründen. Er schilderte ihr die feinsinnige« Lieder -er Troubadours, um dann zum deutschen Helden liede zn gelangen und es als ein Heiligtum zn feiern. Und der alte stieheimrat zollte ihm Beifall oder belehrte ihn, nnd es war ein wissenschaftliches Geplänkel und «in leb 1-after Meinungsaustausch, an dem sich auch die übrigen be teiligten. Sv batte cs Gunild gern, und das hatte sic ost an ihrem (Äatten vermißt, dessen stille, sachliche Art mehr auf das Praktische gerichtet war nnd auch im praktischen Lehrberufe mehr Befriedignn« fand. Jost Fahrenbach war ein schöner Mensch, das dunkel blonde Haar legte sich in hohem Bogen um die klare, breite Stirn, im- r>er etwa« stolze, kalte, aber klnae Ausdruck der
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