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Sen <»»f rommen, oo er uwyl in inner Tasche Vie desinlkkve Anmeldung des Erwarteten bringe. Durch dir dichten Schwaden deS HerbstncbclS fuhr ein Wagen von der Bahnstation auf Dalchow zu. Der Kutscher, der einen Zylinder mit Litzen trug und auch sonst städtisch aussah, blickte unschlüssig und mißmutig drein, als der Weg, der längst oo» der Chaussee abgebogeu war, sich scheinbar endlos über Brachen und Viehweiden, -wischen kümmer- ltchea Grasnarbe« und auSgcfahreuen Gleisen hinzog. End lich wandte er sich herum. „Ich bin in diese Eck' noch nie reiugewefe«. DaS steht ja grad' aus, «US hört' hier die Welt auf. IS der Herr sicher, daß wir uns nicht verirrt haben?" Der Fahrgast richtete sich auf und spähte mit salken- scharfen Auge« in den weißen Dunst, durch -en hier und da dicke, verkrüppelte Weiden wie graue Schemen sichtbar wurde». »Bewahre. Alle- in Ordnung. Uebrigcns können Sie hier halten. Ich geh« die letzt« Strecke zu Fuß", sagte er mit frischer, angenehmer Stimme. Beim Schein der Wagenlaternen bezahlte er -en Kutscher uud ging bann sehr schnell und sicher seines Weges, wie jemand, der trotz der Dunkelheit vollständig orientiert ist. Mit geringer Mühe fand er die Hintertür -es Pfarr gartens, von dort zeigten ihm die erleuchteten Küchenfenfter hie Richtung. Die quer geteilte Tür, nach alter Sitte direkt f»s Freie führen-, stand halb offen. Der Fremde setzte seinen Handkoffer hin und näherte Ach vorfichttg, um bester zu sehen. In der Ecke hantierte Fiekeu mit den Schweinrkartoffeln, seitwärts stand Krischan, auf sei» Abendbrot wartend und verdeckte mit seinem breiten Rücken eine -ritte Gestalt, die in einem Kochtopf rührte. „As ick segg", sagte er, „Pieplowsch iS fiehr krank. Se -ebben ihr all Pillen ingäben vun gestött KirchenfinfterglaS «» Waß vun de Altarlichters, «wer hett allens «ich hulpcn." „Die Leute hätten viel bester getan, Medizinalrat Bollert holen zu lasten", sagte eine sympathische weiche Stimme. „Je, Fru Pastuhrin, seggen S' dat «ich Wi sälen -och aus' Tauvertrugem «ich up Minschen setten,un gestött Kirchen glas und Altarlichjrrs find doch geistliche Sakrn." Rau hörte ei» ganz leises Lachen, wie das Aufzwitschcrn eines müden Bogels; gleichzeitig trat Krischan etwas zur Sette, und der Fremde gewahrte die Sprecherin. DaS schwarze Kleid und die «roße weiße Achselschürze gaben ihr etwas Diakouiffenhastes. »Also das ist sie", dachte er. „Wie eine Heiratssprknlantin a tout prix sieht sie eigentlich nicht aus." Jetzt nahm sie mit anmutiger Bewegung den großen Suppeutopf vom Feuer. Hellauf züngelten die Flammen und übergossen das feine ovale Gesicht mit trügerischem Not. Die ganze weiße Vorderseite der Gestalt erschien in plötzlicher greller Beleuchtung. Unwillkürlich trat der Fremde einen Schritt vor und geriet dadurch selbst in den Bereich d«S Lichtes. Krischan sah ihu zurrst. „Duunersaxen, -or stecht wän!" Aitken kreischte auf. Eine fremd« Gestalt um diese Zeit an der Hintertür, zaS konnte nur ein Landstreicher sein oder ein „Spök". Gleichzeitig aber rief Krischan: »Fr» Pastuhrin! Nee, sowat krüppt «ich up'n böbbclftrn Bäh»! Uns' Herbert!" * * * Verzeihung, -atz ich Sie so erschrecke. Habe ich die Ehre, Krau Pastor Bredenkamp zu sprechen? Leutnant vrrdenkamp", sagte -er Fremd« mit gemessener Höflichkeit. »ES ist eine alte Kuabengewohnheit von mir, durch die Htutertür -U kommen, um meinen Bater zu überraschen, daher —" »Jo, dat's wohr", mengte sich Krischan in freudiger Wie-erfehenserregung rin. »Männtgmal -ebben wi «ns ver- fiehrt, H«rr Leutnant. Se Harrn ümmer so väl Knäp in'n Es war nur gut, Latz Krischan sprach, denn Dora fand kett, Wort. Lautlos war sie bis an den hohen Süchenschrank »urückgemichen und lehnte sich schwer dagegen. Aus dem er- blatzten Gesicht starrte» die Augen mit einem Grauen, wie Herbert Bredenkamp es kaum je auf einem Frauenantlitz gesehen hatte. WaS in aller Welt war ihr? War dies Nervosität oder höchstes gesellschaftliches Ungeschick oder — Komödie? Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der da aus ö«m Duukel des Gartens wie hervorgezaubert gekommen war, großer Gott, -aS war ja Martin! Jeder Zug, jede Bewegung von saft grausiger Aehnlichkeit, nur daß diese Gestalt stämmiger gebaut war und nicht so groß. Der Ein druck war überwältigend. Unbewußt sprachen ihre weihen -lppen den geliebten Namen. Ta brgrisf er und sein kühl-sremdcr Gesichtsausdruck wurde freundlicher. „Ich hätte mir -enkcn können, daß mein Anblick Ihnen schmerzlich sein würde; die große Aehnlichkeit —" Gewaltsam raffte sie sich auf. -Verzeihung, dies ist ein frostiger Empfang na» «o tanger Anwesenheit", sagte sie m« mnysam ocyerrschrer Stimme. „Darf ich bitten?" Sie glitt an ihm vorbei und öffnete die Tür zum Studierzimmer. Drinnen brannte die kleine Lampe, bei der einst die Knaben ihre Schularbeiten gemacht l-atlcn, und beschien den alten wohlbekannten schäbigen Hausrat; auch der Knaster geruch, der Herbert Bredenkamp von allen Helmatscrinne- rungen unzertrennlich war, fehlte nicht. Er warf -en Ueberrock ab und nahm den Stuhl, den sie ihm anbot. „Wir erwarteten Sic noch nicht so bald", sagte sie, in ihrer Aufregung kaum wissend, ivas sie sprach. „Ich hatte auch erst vor, in der nächsten Woche zu kommen, aber in Oberitalien traf ich es mit dem Wetter sehr schlecht. Längeres Bleiben hätte gar keinen Zweck ge habt, so entschloß ich mich kurz und kehrte heim." Da! Das war auch der Tonfall, in dem Martin ge sprochen hatte, ehe -ie Krankheit ihn heiser machte. Das war zu viel. Unaufhaltsam stürzten ihr die Tränen aus den Augen. Befangen ,ah er vor sich nieder. Was sollte er tun? Fortgehen, bis sic sich gefaßt hatte? Aber wohin? Er fühlte sich auf einmal wie ein unbequemer Gast im Hause keines Vaters. Und das war so durch ihrL Schuld. Was für ein Menschenkind war sie überhaupt? Der arme Martin hatte ja immer nur in den enthusiastischen Ausdrücken von ihr gesprochen, aber was war auf -aS Urteil eines Verliebten zu geben? In seine» wenigen Briefen an den Bater hatte er — Herbert — sich zwar keinerlei Bemerkung erlaubt, aber er hatte an dies Mädchen immer nur mit einem starken Unwillen denken können. Für ihre Handlungsweise fehlte ihm jede psychologische Er- klärnng, ja, sie schlug seinem Gefühl geradezu ins Gesicht. Würde die persönliche Bekanntschaft sein Urteil nun mildern oder verschärfen? Ihr scheinbarer Mangel an Selbstbeherr schung irritierte ihn, gleichzeitig aber tat sie ihm auch leid; er gehörte zu den Männern, -ie eine Frau nicht weinen sehen können. Mein Himmel, die ganze Gestalt bebte ja förmlich vor Schluchzen und dabei hörte man keinen Laut. Er sprang unwillkürlich auf, trat ans Fenster uud sah in die Nacht hinaus. Dann wurde ein Stuhl gerückt nnd Dora kam auf ihn zu. „Verzeihung" — begann sie. ° „Entweder hat sie ein schlechtes Gewißen, oder sie hat Martin sehr geliebt, -aß mein Anblick sie so erschüttert, aber weshalb in aller Welt hat sie sich dann mit meinem Alten getröstet?" dachte er. „Nicht doch. Mir ist, als ob ich um Entschuldigung zu bitten hätte", unterbrach er sie, „aber es handelt sich ja eben um etwas, daran ich schuldlos cknu. Es kommt wohl noch die Zeit, daß Sie sich an meinen Anblick gewöhnen werden. Bis dahin kann ich nur bitten: Ertragen Sie mich in Geduld." Sie hielt ihm die Hand hin und zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. „Es ist schon vorüber", sagte sie sanft, „7md wird nicht wieder vorkommen." „Donnerwetter, ein Paar Augen hat sie, Las muß man ihr lassen", fuhr es ihm durch den Sinn. „Bater ist leider gerade nicht zu Hause", begann sie. Es fiel ihm auf, daß sie nicht „mein Mann" sagte. Er lächelte. „Etwas Seltenes in Dalchow." ,Ha. Aber er kann jeden Augenblick kommen. Er ist nur ins Dorf zu einem Krankenbesuche." „So, so. Wie geht es ihm denn?" „Ich finde ihn unverändert. " „So schien es mir auch nach seinen Briefen.* Dann schwiegen sie. Dl« Lust schien mit Beklommenheit angefüllt. Er wun derte sich selbst, daß ihm diese Begegnung mit seines Vaters zweiter Frau so auf die Nerven fiel, war er doch sonst ge wohnt, jede Situation voll zu beherrschen. Ihn verlangt«, nach Martin zu fragen, von den letzten Lebenslagen deS Bruders zu hören, aber er wagte cs nicht, aus Furcht, daS Schluchzen wieder zu entfesseln. Da! DaS Hoftor klappte, Schritte näherten sich. »Das ist der Bater!" Mit innerlichem Aufatmen riefen! sie «S gleichzeitig. Dieses Tete-a-Tete war beiden sehr drückend. Mit einem Satz war Herbert zur Tür hinaus. Lachen, freudig erregte Ausrufe, Djüffs jaulende Be- grüßnngswonne schlugen undeutlich an Doras Ohr. Ihr war unsicher, fast ängstlich zumute, und wie eine Fremde erschien sie sich im eigenen Hause. Eine Ahnung kam ihr, daß der schwierigste Teil ihrer schwierigen Aufgabe erst mit heute beginne. ES dauerte geraume Zeit, bis Vater und Sohn wieder kcrcinkamen. In der Veranda hörte man sie reden; den Vater leise und angelegentlich, bann Herberts scharfe, akzentuierte Sprechweise. „Ich bitte Dich, darüber kein Wort. Selbstverständlich bleibt daS Deinem Urteil überlasten." --sw ipreryeu rnnr unr"7 fmnerre^uwrm 'Nyrecrnas petN- lich war ihr der Gedanke. Jetzt kamen sie, ein sehr un gleiches Paar. Zu des Sohnes gebräuntem, kühn geschnit tenem Gesicht und straffer Haltung bildete die Patriarchen gestalt des Vaters ein scharfen, malerischen Kontrast. Sie sahen nebeneinander aus wie die Verkörperung von Tat kraft nnd Träumerei. „Dorchen, dies ist er. Aber Ihr kennt Euch ja schon", begann Bredenkamp, der merklich mit einer gewissen Be fangenheit kämpfte. „Und hier — meine liebe Trösterin — -aS beste Andenken an unfern Martin. Ach, -atz er Lies Wiedersehen nicht mit uns feiern kann", seufzte er, während ihm die Tränen in die Augen traten. Seinen von der Er regung und Frende -es Augenblicks etwas betäubten Sinnen kam es nicht recht zum Bewußtsein, -atz, wenn Martin gelebt hätte» die Situation eine völlig andere sein würde. Dora stand ganz still. In ihrer Haltung lag soviel sanfte Würde und gleichzeitig eine so tiefe Trauer, -aß Herberts bis dahin und trotz eben erhaltener Erklärung seines Vaters recht gemischten Empfindungen sich zu einem deutlichen Mit gefühl klärten. Er trat auf sic zu und beugte sich über ihre Hand. „Martin hat mir oft geschrieben, -aß Sie seines Lebens Freude und Sonne gewesen wären", sagte er. „Sie müssen mir noch viel von ihm erzählen, aber nicht heute. Ich habe Sic für diesen Abend schon traurig genug gemacht." Sie neigte -en Kopf. Wieder mutzte sie einen Augen blick nach Fassung ringen, dann sagte sic ganz ruhig: „Darf ich nun zu Tisch bitten? Sie werden hungrig sein von der Reise. Nur vorlieb nehmen müssen Sie leider sehr. Es gibt nur Milchsuppe und Butterbrot mit alter Wurst." Es gefiel ihm, -aß sie sich nicht nach Art mancher Haus frauen in Entschuldigungen überbot oder im Aufzählen alles -essen, was zu seinem Empfange geschehen sein würde, wenn man nur gewußt hätte — und io weiter. ,O>, ich bitte Sic, ich kenne -ie historische Dalchower Milchsuppe und esse sie sehr gern." Den ganzen Abend sprach man dann von ziemlich gleich gültigen Dingen, wie es so häufig geschieht znnschcn Menschen, -ie sich nach langer Trcnnnng von rechts wegen viel zu sagen hätten. Dabei trug Herbert die Kosten der Unterhaltung größtenteils allein. Das war auch nötig. Er kannte seines Vaters Schweigsamkeit und fühlte ganz genau, wie das blaffe, junge Geschöpf, das ja — weiß -er Himmel — eigent lich seine Stiefmutter war, trotz scheinbarer Ruhe noch immer mit quälender Befangenheit kämpfte. „Ich bin nur begierig, wie wir beide uns auf die Dauer zueinander stellen werden", dachte er. „Gewonnen hat der Haushalt durch sie ganz unleugbar; aber trotzdem weiß ich nicht, ob ich's ihr danken od«r verdenken soll, datz sic sich d«s Alten in dieser Weise angenommen hat." Ihm selbst, nachdem -ie erste Erregung des Wieder sehens sich gelegt, war im Grunde schwer ums Herz. Es war doch ein eigenes Gefühl, heimzukehrcn in das alte Haus, in dem der Bruder für immer fehlte. Aber das durfte man sich nicht merken lassen, wenigstens heute nicht. 8. „Wollen Sie mir Martins Grab -eigen?" fragte er sie am andern Morgen, als Bredenkamp zu seinem Konfir- mandcnunterricht gegangen war. Er hätte das Grab natürlich auch allein gefunden und wußte selbst kaum, was ihn eigentlich zu der Bitte veran laßte. Vielleicht war es das zwiespältige Gefühl, aus Miß billigung und Mitleid gemischt, das ihn heute früh bet ihrem Anblick neu befiel, -er unklare Wunsch, ihr irgend etwas zu demonstrieren. Sie schreckte zurück. Eine un sagbare Scheu, ihn dahin bei seinem ersten Besuch zu be gleiten, erfaßte sie. „Gewiß wären Sic -ort lieber allein", schlug sie vor. „Nicht doch. Ich finde es selbstverständlich, -aß wir zu sammen gehen", sagte er höflich. Da schritt sie schweigend voran, durch hohes nasse- Gras und welke, raschelnde Blätter, und stand schweigend neben ihm, während er mit gerunzelter Stirn und fest zusammen gepreßten Lippen die ganze Bitterkeit einer solchen Stunde durchmachte; der Anblick dieses Grabes erschütterte ihn tief. Daß sic angesichts seines Leides das ihre nicht durch einen Laut markierte, gefiel ihm. Er bat ihr still ein paar unfreundliche Regungen ab. „Taktvoll ist sie", -achte er anerkennend. Endlich wandte er sich zum Gehen, während «in Seufzer seine Brust in schweren Stößen hob. Dabei fiel sein Blick auf ihr Gesicht. Hier im Hellen Tageslicht sah «r so recht, wie schön sie gewesen sein mochte, als Martin ihm voll Ent zücken von ihr geschrieben hatte, als ihre Züge noch voll Liebe und Leben leuchteten. Und nun so müde, so resigniert. ! ! In einer warmen Aufwallung hielt er ihr die Hand hin. ,Sie l>aben in Dalchow viel Schweres erlebt", sagte er freundlich. ,Ha", antwortete sie, und er hatte nicht das Herz, irgend eine banale Redensart von bellerrn Tagen, -ie gewißlich Evercvmmen nmroen, ymzuzumgen. Er wußte nicht, das nichts ihr hätte so wohltun können, wie Liese Verständnis volle Zurückhaltung. Bredenkamp hatte gestern abend die bängliche Emp findung nicht abschütteln können, Laß sein Sohn seine zweitt Heirat am Ende doch nicht ausschließlich im Lichte «Inei lmrmlosen Selbstverständlichkeit ansah; so freute er sich bei Tisch doppelt, daß Herbert und Dora schon ganz gut mtb einander auszukommen schienen. Nach -em Essen mußte Dora noch auf einen Augenblick in di« Küche. Als sie -«rückkam, hörte sie BreLeukamz eifrig auf den jungen Mann einreden. „Solchen Vorschlag kann ich ihr aber -och mrmögNls machen. DaS ist Deine Sache, Vater." „Nein, Du nrußt'S, Du verstehst daS besser. Ich bi« ei» ungeschickter alter Mensch. Tu mir Loch Len Gefallen, Junges Wozu Lies« Steifheit?" bat Bredenkamp. Dann, Dora gewahren-, drehte er sich hastig um uni verlieb Las Zimmer. Herbert sah unbehaglich -rein. ,^o ist Bater nun. Da geht er hin unL läßt mich in -er Patsche. Sic merken natürlich -ab wir von Ihnen ge» sprochen haben." Sie lächelte schwach. ,Mttc. DaS ist wohl begreiflich." „Sie müsse» mir nun schon erlanben. Ihnen Erklärung zu geben. Sie kennen ja Bater und seine zwauglose Art» er findet eS merkwürdig, daß wir noch immer so steif ver kehren, wie er es nennt, und wünscht dringend eine Aende- rnng. Nichtig ist ja. Laß wir bisher noch keine Anrede für einander gefunden haben, und das müssen wir Loch. Wi« ist's nun, wollen Sic seinem Wunsch entgegenkommen und Las „Sie" abschaffen?" fragte er freundlich, während ihm wie ihr die Farbe ein bißchen ins Gesicht stieg. »Ich bitte Sie um Vaters willen." Sic sah vor sich nieder. Allzu Plötzlich kam ihr daS, aber er hatte schon recht, irgendeine Anrede mußte gesunde« werden. „Herr Leutnant — Frau Pastor" — da» ging Loch auf die Länge kaum. „Mit dem „Sohn" ist es nichts, LaS würde «nS beide» komisch Vorkommen» aber wollen Sie mich -aS sei« lassen, was ich auch gewesen wäre, wenn Martin gelebt hätte — Ihren Bruder?" j Er sprach anders als Martin in ähnlicher Lage ge sprochen haben würde. Der Jüngere hätte eine» ironischen Beiklang sicher nicht unterdrücken können. Aber Dora sah nur die Aehnlichkeit in Gesicht und Stimme, und ganz hin genommen von -em Eindruck sprach sie-träumerisch: , „Ja, wenn Du cs wünschest." Nnd merkwürdig; indem sie das erste „Du" aussprach rvar cs ihr, als sei es Herbert gegenüber das einzig Richtig, nnd Natürliche und als sei mit der steife« Anrede alle» Fremde nnd Peinliche aus ihrem Verkehr geschwunden. Ihm ging es nicht so leicht. ES dauerte eine geraum« Weile, ehe er eine gewisse Befangenheit abschüttel« konnte, An einem der nächsten Tage sah er auf dem Wege zu seinem Zimmer Dora, die in einer Bodenkammer herum kramte. Er trat in -ie Tür und sah ihr zu. Dabet fiel sei» Blick auf eine große, flache Kiste, -ie an -er Wand lehnt«. »Was verwahrt ihr denn darin?" Sie räumte gerade einen Stapel irdener Töpfe und Ein- machegläscr -ttsämmen. > „Ein Bild", sägte sie gleichgültig. „Eine Freundin — Johanne Reischach — schickte es mir zur Hochzeit, aber Bater mochte es nicht leiden. So steht eS hier." „Dann ist's gewiß eine Venus oder eine thronende Madonna", lachte er, „darf man Las Corpus deltctt nicht mal ansehen?" „Gerne." Er stieb den Deckel zurück, ein prächtiger, grober Lupfe» stich kam zum Vorschein. „Böcklins Totemnsell Und Las steht in -er Dachkammer. Ja, seid ihr denn alle ganz und gar — Pardon!" unter- brach er sich lachend. , „Schade ist's ja -rum", gab sie zu. „Wollen wir eS etwa in -ein Zimmer hängen?" „Mit tausend Freuden." Er sprang hinunter, holte Hammer, Nägel und eine« Tritt. Wenige Minuten später prangte -aS Ml- über dem Sofa. „Ein bißchen zu groß für die Wand", bemerkte er, „aber sonst famos." i „Ich schenke es Dir für Dein Heim, wen« Du Dich verheiratest." „Tausend Dank. DaS liegt freilich noch in weitem Felder den Fall hab' ich noch nie ernstlich erwogen. Aber mit der Zeit wird er wohl eintreten. Einsam gedenke ich nicht z» bleiben. Uebrigcns — wie ist's nur möglich, -atz man solch Bild nicht schön findet? DaS hätte ich selbst von Bater «tch» erwartet. Woran lag'S denn? War ihm die Idee »u heidnisch?" Fortfetzuna folgt.