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»Ich müßte aroeften," sagte fie sich wte-er und wieder vor. Arbeite». Geld verdiene» war ja so bitter nötig, die tägliche» Anforderungen traten einander färmlich aus die Hacke», aber Geist »ad Körper waren thr wie gelähmt. Da klopfte es leise. — »Fräulein Werder — find Sie drin?" Die Schnftersrau, bie Klnrnachbarin sah vorsichtig in bte Dir. Sie hatte immer ei» bißchen Angst vor Alwin Werder und seinen Wutansällen. »Hier iS 'ne Dame — die fragt »ach Ihnen." Mia! LoreS Her» begann unruhig ,« klopfen! Sie fand nicht gleich et» Wort. »AS tnt mir leid, Fräulein Werder, -aß ich Sie mit einer Krage bemühe» must." MiaS Stimme klang scharf und fremd. Wie anders war sie sonst hierher gekommen l Nichts mehr von der burschi kose» Hindlichkett, di« ft» charakteristisch für fie war. Wäh rend Lore »le Lamp« an-ün-ei«, schlug fie de» Schleier »«rück »nd sah sich erschrocken um. Alles nicht unbedingt Notwen dige schien verkauft zu sei», schmucklos starrten die Wände. Käst leer »er Raum und so kalt! Trotz ihrer Erregung fühlte Ria da-. Und inmitten dieser krassen Armlichkei, da» blasse, vornehme Märchen mit den wunderschönen^ trau- rige» Auge» in de» vergrämten Gesicht. Der Viudruck wirkte so stark, »aß RiaS Blick das zornige Lebe« verlor. Allerlei häßliche Gedauken, die Enttäuschung «nd gekränkte Eitelkeit aufgepeitscht haben mochten, sanken still rmd be schämt zur Nutze. »Ich fürchte, ich habe mich heute vormittag sehr unhöflich gegen Sie benommen, Fräulein Lanüolt," sagte Lore sanft. „Wollen Sie eS meiner momentane» völligen Erschöpfung zugute halten?" Mia trat thr ganz nahe. „Fräulein Werder, t» welchen Beziehungen stehen Slr zu meinem Verlobten?" Lore zuckte zusammen, aber ihr Blick blieb klar und fest. „In keine« mehr." „Aber es gab Beziehungen. Welcher Art ivaren sie?" „Zu dieser »weiten Frage, meine ich, haben fie kein Recht. Vergangenes ist vergangen." „Das ist es nicht. Ich sah es heute in ihrer beider Kesichter So spricht und blickt man nicht, wenn man inner lich ruhig ist. Ich will wissen, was ich — von der Zukunft z» erwarten habe. Ob ich ältere und gewichtigere Rechte achte« muß." Wieder kam der scharfe Klang in ihre Stimme. „Fräulein Landoltl" „Dann achte ich fie natürlich." Zwe: Augenpaare tauchten ineinander. In dem einen stand ine Angst um das eigene, im anderen die Sorge nm fremdes Glück. „Ich habe Meno zur Rede gestellt," fuhr die Helle er regte SNmme sort. „Er hat mir Sachen gesagt — Sachen, — so etwas gibt es ja gar nicht. Er mutz schon verzeihe», Hatz ich das nicht so einfach gläubig hinnehmen kann." Lore richtete sich hoch auf. ,„yat er Ihnen gesagt, datz er drei Jahre lang nut einem bettelarmen Mädchen verlobt war, die nichts hatte, als ihren guten Namen und ihre große, große Liebe?" M»a nickte. „Daß dies Mädchen ihm dann sein Wort zurück^aS, aus freien Stücken, damit er sich nicht in den Feste!» cmcr aussichtslosen Verlobung zerreiben sollte und dereinst ein neues Glück suchen könnte? Tatz nichts, aber auch nichts ihn mehr an dies Mädchen bindet?'" Mia machte eine heftige Bewegung. „Dem Buchstaben nach vielleicht nicht, aber was hilft das? Er weiß wohl, daß die Erinnerung ihn bindet." „Erinnerungen sterben, wenn uichlS dazu geschieht, sie am Leben zu erhalten. Sagen Sie cs sich.immer wieder vor: „Das alles ist tot, ist hin." Der Glaube schafft Ge fahren und vernichtet sie auch, lind lassen Sic Ihre jHendige Gegenwart neue Werte für die Zukunft schassen." „Aber Ihre Macht, — ich weiß, daß Sie Macht haben," murmelte Mia. Lore schüttelte ernst den Kopf. „Geister, die nicht be schworen werden, schlafen in Frieden. Ich will keine Macht. Ich will nur, daß Meno glücklich werden soll durch Sic- Hören Sie wohl, Mia, durch Sie. Meinen Sie denn, ich hätte aus ihn verzichtet, um mich mm doch auf solche Weise in sein Leben zu drängen ?" Ma hatte sich auf den Rohrstuhl «eben dem kahlen Tisch geletzt und stützte den Kopf in die Hand. Mit schmerz hafter Deutlichkeit kam Lore der Liebreiz des feinen Profils, die Anmut dec ganzen Erscheinung zum Bewußtsein. Wel cher Mann würde dauernd unempfindlich dagegen sein? „Ich habe aber nun einmal die Angst," Nazi- sie. „Mir ist, als sollte ich rn einen» lecken Schiss auf die S« t'iuaus." < „Awd," sagte Lore gepreßt, „weshalb quälen Me MS And uns alle so: Ihr Glück richt in Ihrer eigenen Hand. Wenn Meno Sie liebt —" Unter Schmerzen rang sie sich das Wort ab. <uid„en," fuhr Mia auf. ,/Lr liebt mein Geld, beaux yeux de ura vassette. Mich nahm er mit m da» Kauf, weil — o Gott — tue»! ich mich ihm! anbot!' Sie schrie «S fast heraus in zorniger Verzweiflung^ Lore aber war eS auf einmal, als se» das junge, verwirrt« Geschöpf ihr Kind. Sie trat zu Mia nnd legte den Ar« um ihre Schulter. . „So sich haben Sie ihn?" sagte sie weich. „Ja, k, — das heißt, nein! Das war. — Jetzt nicht mehr, — ich geb' ihn» sein Wort zurück," schluchzte Mick unter Tranen, die sie selber Lügen straften. Lore streichelte sie. „Sie dürfe» ihn nicht verlassen. Wie er jetzt innerlich zu Ihnen stehen mag, Weitz ich nicht, aber der Tag kommt sicher, da er Ihnen ganz ge hören wird. Glauben Sie nnr, er kann gar nicht anders, wenn Sie sich so gebe», wie wir alle Sie kennen, — warmherzig, gut nnd fröhlich." „Ick habe keinen Mut mehr. Alles ist mir verleidet." Das war wieder der Ton deS schmollenden Kindes. „Fraittnsicbe mutz selbstloser sein, als tue Liebe der Manner. S»e wurden zuin Wirken geschaffen, wir zum Be wahren, zum Warten nnd Ertragen, so mutz auch ihr Empfinden robuster sein und weniger kompliziert. Aber wenn wirklich Ihre Glückssaat jetzt noch kümmerlich schiene, Mia, Ihre Ernte wird dennoch kommen. Sie werden gut und sicher gehen an Meno Herrwigs Hand, und wenn Sie ihn einmal ganz gewonnen haben, wird seine Liebe Ihr stolzestes Glück sein." „Und das sagen Sie mir, wo dock mein Gewinn Ihr Verlust wäre ". „Ich gab ihn auf, weil ich sein bestes wollte; bleiben S»e nun bei ihm, aus demselben Grunde. Versprechen Sie mir, datz Sie ihn nicht verlassen wollen," bat Lore in Angst. Sollte ihr ganzes Werk zunichte gemacht werden, nur weil sie einen Augenblick ihre Selbstbeherrschung nicht zul wahren gewußt hätte ? „Wie besorgt sind Sic um ihn. War es vielleicht chr Rai, daß er um mich werben sollte, um seine Firma -ft stützen? Ihr Rat würde ihm auch in Zukunft bleiben, nicht wahr?" „Gott weiß, wie gern ich von hier fortginge, wenn das S»e beruhigen könnte," sagte Lore mit einem Blich von dem die Jüngere errötete, „aber Sie wissen selbst, wie ich gebunden bin. Es wäre ja auck ganz unnötig, denn Sie besitzen alle Gaben, «m Ihren Mann zu fesseln. Wenn trotzdem ein anderes Bild in seinem Herzen lebendig bliebe, so würden Sic selbst es lebendig erhalten haben durch Eifer sucht und Argwohn." Lores Augen brannten, die Worte strömten ihr zu. Sic war wie in Ekstase; alles Persönliche untcrgegangen in dem Wunsch, noch einmal ihre Kraft für Meno einzu setzen, — zum letztenmal. Es war ein Gefühl nicht un ähnlich dein, das Hinterbliebene eines heißgeliebten Toten über all die herzzerreißenden Anforderungen eine? Be gräbnisses stützend hinwegträgt. — Ob ihre Worte Erfolg hatten? Aus Mias gesenkten», unschlüssigen, Gesichtchen war nichts zu lesen. Nebenan war Alwin Werder erwacht, man hörte ver worrene Laute, beschwichtigendes Reden der Mutter. — Ta sprang Mia erschrocken aus, sie hatte unsägliche Scheck vor Geisteskranken. Lore begleitete sie bis zur Treppe. „Versprechen Sie mir," bat sic noch einmal, aber Mia gab keine bestimmte Antwort. „Ick habe keine» Mut mehr," klagte das verwöhnte ikind. Ueber ihren Weg, der so hell und frei vor ihr gelegen hatte, waren fremde Futzipurerr gegangen. Die würde sie nun immer zu sehen meinen und sich fragen, woher sie kämen, und umhin sie führten. „Ich möchte umkehren," dachte sie verzagt. — — Zu Hause sagte sie dem Mädchen, sie fühlte sich nicht wohl und wollte sofort zu Bett gehen Aber da sic vergessen hatte, sich einzuschließen, kam ihre Mutter, und sie mutzte ihr »vohl oder übel standhaften. Frau Landolt ,var ist nicht geringer Erregung. So wenig genehm Mias Ver lobung ihr auch gewesen war, fo heftig pro testierte sie gegen die etwaige Auslosung. Ob inan denn zum Gespött werde» solle? Gegen Meno persönlich sei dock nichts einznwenden. Seine heimliche Verlobung?. Tu fieber Gott, ein junger Mann ohne ein „Verhältnis" sei doch überhaupt undenkbar, und die meisten hätte» in weit schlimmeren Tinge» gestanden. Tiefe nüchterne Weltklnghcit wurde seltsamerweise Lores bester Bundesgenosse Mit solchen öden Erwägungen verklebte man keinen Riß, das forderte Hül)eres. Liebe war Selbstverleugnung, kein Handelsmann, der Gleickies für Gleiches fordert; sie allein konnte, dem Verstand zum Trotz, die Möglichkeit finden, zu verzeihen. Hn der Stille einer schlaflosen Nacht schienen di« ERinde Worte zu Wiederhole», von denen Lore gefürchtet statte, datz fie ganz vergeblich gesprochen wären. Am nächsten Mittag kam Meno. ! ,Was hast Du über uns beschlossen?" fragte er ernst. „Das es auch sei, ich füge mich. Wenn Tu das Ver trauen zu nur verloren hast, werde ick leinen Versuch fuschen. Dich zu bereden. Sie wurde dunklrot und kämpfte einen letzte» Kampf. ,Lck war gestern bei Lore — wir sprachen lange. — Ml Null versuchen zu vertrauen," sagte sie erstickt, wäh rend er sich tief über ihre Hand beugte. Lores Einfluß dachte er bewegt, dann sah er Mia an. Vie stand mit gesenktem Kopf, und ganz deutlick las «r auf ihrem lieblichen KUidergesickt die Kämpfe, durch die Ke ««gangen war, — seinetwegen. Und plötzlich kam's Wn scharf zum Bewußtsein, wie tief er ihr verschuldet sei. »Ich will Dir nicht mit Beteuerungen kommen, die setzt wenig Wert haben würden, nur eins nröchte ich Dir sagen, — daß eS mir sehr schwer gewesen wäre. Dich zu verlieren. Sieh «ick an und sag mir, datz Tu mir es Raubst." ' Da stürzten ihr die Dränen ans den Augen. ^kch. Du — Dn weitzt'S ja leider GotteS dock ein mal, daß ich Dich nickt aufgeben kann." Als die Glocken all der hohen, spitzen Türme das Oster- fest ernlänteten. film der Tod zu Alwin Werder, schneller, M der Arzt oder sonst jemand vermutet hatte, er glättete die verwüsteten Züge, daß sie noch einmal etwas von ihrem ursprünglichen Adel zeigten und löste des Lebens grelle Dissonanzen auf in einen stillen, feierlichen Akkord. Aber die Zurückbleibenden haften wenig Ruhe zu Betrach tungen, lne fast ein ernstes, tränenvolles Gluck gewesen Wären; fie wurden nur aus den alten Sorgen in neue -ineingestoßen. Die Arztrechnnng, die Begräbniskosten, die fällige Miete, — wie sollte das alles beglichen werden? Und selbst wenn es gelang, den Schuldenbcrg abzutragen, was würde aus der Mutter? Krau Werder schwankte be ständig -wischen völliger Apathie und händeringender Ver zweiflung hin und her. Sie machte Lore die leidenschaft lichsten Vorwürfe, daß sie sich von Meno Herrwig ge trennt habe; da hätte inan doch jetzt wenigstens etwas Rat und Anbalt gehabt, aber Lore se» eben genau so un bedacht, wie fie selbst in ihrer Jugend gewesen sei Dafür büßte sie eine einzige vernunftverlassene Stunde mit eine»-, ganzen Leben von Rot und Qual. — Endlich schrieb Lore hinter dem Rücken der Mutter au deren Verwandte in Ostpreußen. Es war ein Opfer, das sie chrem Stolz nach hartem Kampf abrang, aber sic sah ja nur allzu deutlich, wie die Mutter sich in reuevoller Sehnsucht nach per alten Heimat und den Ihren verzehrte. Der alle Herr von Dudingcn hatte seinen Söhnen bereitwillig manches nachgeschen, mit der Dichter, die die geheiligten Schranken des Herkommens überschritt, hatte er ganz und für immer gebrochen. Oder hatte er vielleicht Mir ihre Spur nicht wieder auffinden können? A» diese ferne Möglichkeit klammerte sich Lore, als sie schrieb: „Ich bitte nicht für mich, den» ich kann arbeiten' ick bitte nur für meine Mutter, die von jahrelanger Mühsal, er schöpft zusamincnbricht." Der Vater, dem dieser Appell galt, war freilich seit Jahre» schon hinübergegangcn in das Land, wo nm» nicht mehr grollt und nicht mehr vergibt, aber in das behagliche Leben seines Sohnes siel der Brief hinein Ivie eine Bombe. Er war bedeutend jünger als seine Schwester, und der Skandal, den ihre Entführung verursacht hatte, war ihm schon zu einer fernen Jngenderinnerung verblaßt. „Ver dorben — gestorben"; dabe» hatte er sich beruhigr. Nun kam er unt anerkennenswerter Schnelligkeit, teils er schüttert, teils in Angst vor dem, was scmer warten mochte. Gott sei Dank, daß er wcuigstens kerne Verkom menheit fand, wie er fast gefürchtet hatte, sonder» nur Uebelstäude, denen mit einer Anzahl blauer Scheine beim- Kommen war. Tie arme Thekla und ihre Tochter ivaren in Haltung und Gesinnung Damen geblieben, niemand konnte ihnen das bestreiten, wenn er auch gerade nicht riskieren mochte, sie uack Barkaiten zu seiner sehr ele ganten Krau und seinen eben erwachsenen Töchtern zu bringen. Zum Glück war das ja auch Vicht nötig. Bor mehreren Jahren war seiner Gattin eine Billa an einem der klnnen vberbahcrische.n Seen durck Erbschaft zuge- fallen. Tann nnd wann verlebte inan dort ein paar Sonimerwochen, aber der eingefleischte Flachländer konnte den, eniznckendcn kleinen Anwesen keinen rcch.cn Geschmack abgewinne», seiner Fran war eS auf die Lauer zu ein sam und ein Käufer war schwer zn finden. Was lag nüber, als die Schwester dort als Hausbesorgerin ttnzuseircn? Der Plan war praktisch, standesgemäß, räumte mit allen Schwierigkeiten miss beste aus. sind dort, wo schlechterdings keine Gelegenheit zum Geldansgeben war, konnte Lore Wohl wagen, die Mutter sick selbst zu überlassen, ohne Sorg«, datz fie ihre kleine Rente für zwecklosen Tand vertue. Willenlos und glücklich stimmte Frau Werder allem zu, Ivas über sie verfügt wurde; sie fürchtete sich nur ei» wenig vor den Berglern, deren Dialekt sic nicht verstand, vor der Waldstille, den langen einsamen Abenden. „Wenn ich.we nigstens Lore nntnchmen könnte," seufzte sie. „So tu' es. Meinetwegen steht dem gewiß nichts ent gegen," gab Herr von Duding bcrc'.twiNig zu, aber Lore war nicht zu berede». „Sie meinen cs gut, Onkel, aber ei« Leben ohne Arbeit wäre mir eine Qual. Ter Tag würde achtundvicrzig Stun den bekommen, und ivas finge ich mit denen an ?" - - Am folgenden Abend reiste Herr von Duding wieder al», zufriedenen Sinnes, wie ein »vvhlwollender, etwas indolen ter Mensch, dem ein gutes Werk ohne allzuviel persönliche Unbequemlichkeit gelungeil ist. Zum Schluß noch hatte er seiner Schwester ein schwarzseidencs Kleid geschenkt. Nun saß sie daheim, zu Tränen gerührt nnd strich glück lich wie ein Kind immer von «euem über den glänzende» Stoff. Der gute, gute Max! Das lerse Rascheln klang wie ein Ton aus fernen sorglosen Tagen und wie eine Ge währ für deren Wiederkehr. Lore hatte den Onkel »um Bahnhof begleitet und stand wartend am Eingang, während er die Droschke bezahlte.. Da sauste auf dicken Gummiwülsten ein Auto heran. Rosen- käuße schmückten es Während Gepäckträger eifrig herbei- kürzten, stieg ein schlanker Alaun im Reiseanzug aus und -»elt einer schlanken jungen Dame die .Hand hin. — Meno und M»a Herrwig! Mit weißem, versteinertem Gesicht starrte Lore ilnien nach. Nur crn Zufall Ivars, daß mau sie nicht bemerkt hatte »n dieser Schlußszene eines kleinen Dramas, die offenbar noch einmal alle Mitspiclenden Verein gen sollte. Sic wußte kaum, was sie sprach, um von Herrn von Duding loszu kommen, dann ging sie davon wie in einem wirren Traum von unsagbaren! Elend. Mechanisch wich sie Fuhrwerke» und Trambahnen aus, überschritt Straßen, stand auf einer Brücke, unter der das breite Wasser träge dahinzvg, lehnte sich ans Geländer nnd backte sehnsüchtig: „Lägst du da unken," bis es ihr irgendwie zum Bewußtsein kam, daß Vorübergehende stehen blieben und sie besorgt und miß trauisch musterten. Ta raffte sie sick auf rmd ging weiter, tief in die Anlagen hinein, über denen die erste tzauckzarte Ahnung von FrühlingSgrün hing. Zum ersten Male kam cs ihr nicht in den Sinn, das; die Mutter sich ihretwegen ängsttgen könne; sic dachte überhaupt kaum, sic trieb nur das unklare Verlangen, dem Jammer, der sie rüttelte, zn entlaufen. — Meno, ihr Meno» auf der Hochzeitsreise! — War das nun doch noch Eifersucht, trotz allein ? Sic hatte cö sich nnd ihm doch so ost eingercdet, daß sie nickt eifersüchtig sein wolle. Schritte kamen hinter ihr her, — eine junge Frau, au deren Arm sich zwei frische Knaben gehängt hatten. -„W- geben wir hin?" fragte der eine. „Papa entgegen," ant wortete die Mnttcr mit Jubel in der Stimme. Ta setzte sich Lore auf eine Bank am Wege, drückte »br Gesicht gegen die Lehne und »oeinte. Wie Wogen übcrstürmte sie das Gedenken an all das, das nie ihr eigen werden sollte, wonach im Grunde aller Frauen tiefstes Sehnen geht, das znsamrncngefaßt wird in die Worte: Gattin, Mutter. Und daneben stand riesengroß das Gefühl ihre» Verein samung. Nichts in der Welt als Leere nnd verschlossene Türen, hinter denen andere sich ihres Glückes freuten, so schien cs ihr. Aber nichts desto weniger war da? Leben da und wollte gelebt sein. Wie füllte mau eS ans, ge staltete eS erträglich? „Gib nrir Menschen, mein Gott," flüsterte sie schluch zend, „gib nrir Arbeit, die nicht nnr mir selber oient." Leise sank die Tämmernng herab, am Himmel blinkte hier und da ein Stern, und vom Wasser herauf strich jene besondere Frische, die nur der Atem der See kennt. — Ein paar junge Burschen kamen des Weges, singend nnd harmlos angeheitert. Einer von ihnen tippte Lore auf die Schulter. „Na, Cckätzeten?" Ein anderer hielt ihn zurück. „Ma»», dat is 'ne Dame." „So? Na, nm desto mehr freuk's mir, ihre wert? Bekannischast zu machen." Ta begriff sie, daß sic hier nicht länger bleibe» dürfe. Auf der Brücke, die sie vor einer Stunde passiert hatte, gab eS jetzt einen Auflauf, es Ickten, als dränge man sich nm eine am Rande liegende Sehenswürdigkeit. Die Bemühungen zweier Schutzleute, die mit kräftigen Worten und Gesten den Weg frei zu halten suchten, hatten nur wenig Erfolg in der immer mehr anwackseuden Menge aufgeregter Neugieriger. „Ist ei» Unglück geschehen? ' fragte Lore eine ordent lich und „tüchtig" ausseheiidc Bürgerfrau. „Sic haben ein Franenzimmcr ans dem Wasser ge zogen," sagte die Tüchtige, „aber cs ist man bloß eine ans der Ltivtete." Sie nannte die verrufenste Straße der Stadt. „Das »st ja immer so, wenn die arbeitsscheue Sorte genug hernmgejubelt hat, geht sic »nS Wasser."