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Marge» ob« Zweite-Liebhaber-Rolle«, die sei« Teil waren, und die in ihrem absoluten Nichtbedeuten sich dem Gedächtnis nur mühsam eintzrägten. Run, das half einstweilen'nicht. Es waren Uebergangs- »ustände, die ertragen werden mutzten, bis bessere Zeiten kamen. Wenn er später einmal selbst Direktor war, würde er schon den ganzen MeroiSülschen Starrsinn daran setzen, um dem Publikum seinen eigenen, reineren und besseren Geschmack aufzunötigen. Zu allen Zeiten und auf allen Gebieten hatte eS Bahnbrecher und Reformatoren gegeben, warum sollte er nicht eurer von diesen sein? Uebrigens brachte ihm der schwererkämpftc Beruf auck noch andere Enttäuschungen. Er war eben nicht nur der Enkel des kunstfrohen und schönheitsliebenden Doktors Alberti; auch die bürgerlich nüchternen Utermöhls redeten in seinem Blut ihre Sprache, und so stand er ein wenig steif und schwerfällig inmitten seiner leichtlebigen, leicht blütigen Gesellschaft, die, zum großen Teil Kinder des Theaters, zwischen Kulissen ausgewachsen waren. Er wäre b» herzlich gern ganz der ihre gewesen, aber die Art des Bodens, in dem er gewachsen war, lietz es nicht zu. Er versuchte gleich ihnen Schulden als einen guten Spatz su belachten und Liebeleien als unentbehrliche und ganz- Lch unverbindliche Anregung im Einerlei des Berufs. Es »ar aber mehr Borgeben als Ueberzcugung dabet, und so endeten Abenteuer, über welche die Kollegen ohne viel Befahr hinwegtändelten, für ibn mit Unannehmlichkeiten aller Art. Schließlich geriet er, der im Grunde der solideste der Kollegen war, gar in den Ruf, etn ausgemachter Wind hund zu sein, und die Frau Direktor nahm es auf sich, ihm als Jüngsten der Gesellschaft mütterlich wohlmeinende dorHellunaen Lu macben. Ter Trotzkopf bedankte sich freilich nicht für die Lek- No», verfiel aber auch nicht in beleidigtes Aufbegehren, »ie sie erwartet hatte. Uebcr sein Gesicht flog das Er schrecken eines Menschen, der sich in der Irre plötzlich Vigerufen -Srt. Er ging davon, hielt Einkehr in sich selbst »nd gewann aus dieser Emkehrr die Ueberzcugung, daß «an eher allem anderen untren werden dürfe als der Eigenen tiekinnerstcn Lebensauffassung, und daß man das Naturell nicht wechseln könne wir einen Rock. Was für Nollen man im Rampenlicht auch spielte, im Leben mützte man echt sein, oder man verlor sich selbst. So raffte er sich energisch zusammen und wurde wieder, was er ge- soesen war, der Idealist mit einem Stich ins Pedantische. Hinfort erhielt sein Chef keine Zuschriften mehr von bc- wrgten Pensionsmüttern und erbosten Lieferanten. Die Honoratioren der drei Städtchen aber, denen er seine Gunst widmete, erklärten nach wie vor Herrn Uteruiöhl, ;»der, wie der Theaterzettel ihn nannte, Bernhard Mühl mann, für einen hübschen Kerl, aber auch für einen tem peramentlosen Darsteller. Endlich lief der Beitrag mit dem Treistädtetheatet ab, und nun kamen Wanderjahre, die schlechterdings nichts brachten, als den Alltagsbetrieb — Rollenlernen, Proben zu allen Tageszeiten. Eifersüchteleien, gelegentliche An schnauzer vonseiten des Regisseurs und die leidige Ab hängigkeit der ganzen Persönlichkeit vom Gefallen des Publikums, die das spezielle Kreuz seines Berufes bil det. Eine arge Tretmühle war'S, und Gcistesseste gab cs keine zu feiern. Bisweilen glückte ihm ein Svmmerengage- «ent in einem Badeort, und dann konnte cs geschehen, baß irgendein gerade anwesender „Stern" aus Gefällig- feit für den Direktor sich zu einem Gastspiel herbeilietz. ras war dann Kummer und Genutz zugleich für den kleinen Ehargenspieler, wenn er die Kluft gewahrte, die zwischen dieser scheinbar so schlichten, lebensvollen Kunst und seiner eigenen gespreizten Theaterei klaffte Es war nur gut, daß er immer noch hoffte, die Kluft überbrücke» zu können, wenn sich nur erst die richtigen Rollen für ihn fanden, bei denen er, was in ihm tönte, auch für andere hörbar erklingen lassen konnte. Unglücklich fühlte er sich inzwischen nicht, aber sein Leben war doch nicht das geworden, was er erwartet hatte; das erhabene Heiligtum, in das er ein- »ntreten gehofft, hatte sich noch immer nicht gefunden. Vielleicht war es so, wie er es erträumt, überhaupt nicht vorhanden. In jedem Fall waren die Jllustonsfähigen unter den Zuschauern sehr viel besser daran als die Mimen selbst, welche die Zusammensetzung ihrer „wunderschönen Scheinwelt" allzu genau kannten. Roch immer erregte sein Akzent einigen Anstoß, aber eS war im Laufe der Jahre doch besser damit geworden, «nd endlich sand sich auck eine Anstellung an einem grö ßeren mitteldeutschen Stadttheater, das nicht ohne künst- .erischen Ehrgeiz war. Hier gab es selbst für den zweiten Liebhaber bisweilen eine Rolls, in die es lohnte, fick zu oertiefen, eine Aufgabe, die seinem Ideal näher kam. Froh und zuversichtlich wurde ihm ums Herz. Tie blotze bandwerksmätzigc Fron würde aufhören und der Künst ler in ihm zum Turckbruch gelangen. Ja, wer Weitz, wie bald schon inGn in Klenzow den angeblich ungeratenen Tohn mit offenen Armen als das Prunkstück der Familie aufnehmen würde. Wenn nur erst einmal das „Daheim" k« seinen Aufsätze« über Kunst und Künstler sein Bild brächte! Er wußte, das würde dem Bater Eindruck macken« Wunderlich, wie fest doch die Heimat den Menschen hielt« Bei jedem Schneefall sah er das alte Gutshaus weiß um hüllt, weißbcmützt, von weißen Märchenbäumen umstan den, vom glitzernden Winterhimmel überwölbt. Wie drollig der schwarze Scheunenkater über die weiße, kalte Decke schlich, während die Statthalterkinder hinter ihm herr-cfen: A, B, C, , - De Katt, de löppt in'n Tnce, s De Kater löppt ehr nah Bet an de grote A. Bisweilen schritt er im Traum durch hohes Korn, bas ihm die Wangen kitzelte, hörte die Lerchen singen, sah die huschenden Schatten über die wogenden Aehrcn gleiten und lächelte beim Erwachen über die eigene Sen timentalität. In den ersten Jahren ivar das gar nicht so gewesen, da mochten der Zorn und das Ringen ums Brot die alten Bilder niedergehalten haben; nun Vie wirbelnde« Wasser sich glätteten, tauchte leise eins nach dem andern wieder auf. Neulich, als er, in der Kulisse stehend, auf sein Stichwort wartete, waren ihm Gedanken gekommen an den erlenüberhangeneu Bach, in dem er nach Krebsen ge sucht, an die Waldwiese, auf der ihm der Vater ein einziges- mal erlaubt hatte, einen Rehbock zu schießen. Gerade unter der mächtigen alten Eiche war das Tier zusammengebrochen. Ja, und dann die braune „Prinzeß", die ihm in der Fohlenkoppel immer den Zucker aus der Hand gefressen hatte und ein so schönes Tier zu werden versprach, was mochte aus der geworden sein? Hatte der Bater sie als Wagenpferd eingestellt? Er wollte doch Tilde einmal da nach fragen. Aber Tilde schrieb nur selten. Vielleicht aus Furcht vor dem Bater. Vielleicht auch begann der Bruder schon sachte aus ihrem Leben hinweg zu verblassen. Nm diese Zeit fiel ihm unter den Chorsängerinnen der Operette eine neue auf, ein junges, schmächtiges Ting, die ihrer ganz unwahrscheinlichen Schlankheit halber auch im Schauspiel in Kiiabenrollcn beschäftigt wurde. Sie hieß Martha Wegener und hatte etn Gesicht, wie man'ss nicht alle Tage sah, blaß und feingcschnitten, mit dunkle«' Augen, und um die schmalen, roten Lippen einen bit teren Zug. Dieser Zug war das Auffallendste an ihr/ Wie kam diese Runenschrift der reiferen Jahre in solch weiches, junges Gesicht? „Die möcht' ick kennen lernen," dackte er und fand die Gelegenheit schon ain selben Abend, Es regnete in Strömen, als er nach der Vorstellung das. Theater verließ, und er war noch nicht weit gekommen-' als er Fräulein Wegener bemerkte, die, in einen Torweg geduckt, sich mit eng zusammengerafften Kleidern gegen den Regen zn schützen suchte. Er blicb stehen und zog den Hut. „Tas trifft sich gut. Erlauben Sie, daß ich Sie unter meinem Schirm nach Hause geleite," sagte er förmlicher, als es unter den Kollegen sonst üblich war. „Danke. Es ist nur em Schauer. Das hört bald auf'" „Und inzwischen erkälten Sie sich hier. Tas wäre schöne Vernunft. Sie können's wirklich mit mir wagen. — Mühlmann," sagte er gutmütig lächelnd hinzu. Halb widerwillig kam sie aus ihrer Ecke hervor und schlüpfte unter den Schirm. „Ich kenne Sie, Herr Mühlmann, wenn ich auch noch nicht lange hier bin. Ich hatte nur keine Lust zu reden." „Oh, ick kann schweigen. Sagen Sie mir nur noch' Ihre Wohnung." „Brinkstraße 8." „Ta sind wir ja fast Nachbarn. Ich wohne Brink- und Karlstraßen-Ecke. Aber meinen Arm müssen Sie schon nehmen, sonst kommen Sie nicht genügend unter de« Schirm." Ter Weg war weit; die Gegend gehörte zum Arbeiter viertel. Die triefenden Straßen lagen verödet, nur in de« Schankwirtschaften war noch Licht. Der Regen trommelte aus dem Schirm herum. „Für arme Leute ist's «eckt gut so," entgegnete sie mit haKem Lachen und drückte sich unwillkürlich fester an ihn, um der von allen Seiten cindringenden Nässe za entgehen. „Sv was denke ich nun grundsätzlich nie," sagte er heiter. „Arm ist nur, wer sich für arm hält: und mein Hochmut verlangt, daß ich mich für wohlhabend halte." „Vielleicht find Sie's auch'?" /> „Na, Sie kennen Wohl die hiesigen Gagenverhältnisse. Man schrammt nur gerade durch." Endlich war Nummer 8 erreicht, Martha nahm den Hausschlüssel aus dem nassen Täschchen. „Ich bedanke mich, Herr Mühlmann. Besonders tin Namen meines Hutes. Ohne Sie hätte er dies nicht über« lebt, und was hätte ich dann angefangeu?" Er lachte. »Hoffentlich hat sich Ihre Krau Mutter nicht um Cie geängstigt?" „Ich habe keine Mutter. Auch keinen Vater, <Se< schwister auch nicht. Reines Konto, was'?"' „ Es kam so schroff heraus, daß er nichts ru antworten Stzene kam, sah er den Darsteller des Leonkes, den Köp legen Groning, bei der hübschen Schäferin Süßholz^ raspeln. In Gronings Haar glänzten schon viele Silber fäden, aber er hatte einen interessanten Künstlerkopf, galt als schöner Mann und als skrupelloser Don Inan dazu. Bernhard spürte, daß ihn der Aerger überlief, aber er zügelte seinen Wunsch, dein Kollegen in die Parade zu fahren. Was ging'S ihn an, wer Martha Wegener den Hof machte? Und außerdem, — er kannte doch den Kn- lissenton und wußte, daß er niemals , auf Ernsthaftigkeit .gestimmt war. Indessen beim Nachhausegehen fand er sich auf einmal doch an Fräulein Wegeners Seite. „Sie gestatten dem Nachbar wohl. Sie zu begleiten?" „Gestattet. Bis auf Widerruf," nickte kie- Eine Wette sprachen sie von gleichgültigen Dingen, dann wandte er sich ihr voll zu. „Ich möchte nichts Unkollegialisches sagen, aber kenne» Sie Groning genauer?" „Genauer nicht. Llber immerhin genügend" „Das beruhigt mich," atmete er auf. „Ich sah Sie vorhin in so eifriger Unterhaltung mit ihm." Der Eiker von meiner Sette war nicht groß, aber was soll man anfangen bei dem Herumstehen, dein Warten auf Stickworte, der ganzen öden Langeweile des Betriebs. Ich glaube, die Langeweile ist das Gefährlichste im Leben. Allem andern, das uns zermürben möchte, kann man seinen Stolz entgegensetzen. Gegen sic hat man gar keine Waffe." „Nanu? Dian hat doch seinen Beruf." „Freut der Sie?" Er wurde ernst. ;,Er gibt mir meinen Unterhalt, das ist schon etwas wert. Und dann — ich habe viele meiner Ideale verloren, ick kann wohl sagen die allermeisten, und ich weiß, daß die große Menge immer stumpf ist: aber den Glauben werde ich nie verleugnen, daß die echte, hohe Kunst, mit rechtem Ernst geübt, einigen Herzen immer, Feierstunden vermitteln wird. Ja, und insofern freut mich meine Arbeit." „Die sprechen, als ob Sie ejn Psarrerssohn wären." „Fehlaeschosien. Ich bin ein Landmannssohn." „Komisch. Und gingen zur Bühne?" „Ich kam unversehens damit in Berührung, und sie hielt mich fest. Das Leben spielt oft wunderlich." „Weiß Gott, das tut cs." „Bom Landleben kann ich mir gar keinen Begriff inachen. Ich denke höchstens an eitel Kühe, Schweine, Tung- Höfe — Er lachte. „Denken Sie lieber an Wälder und Wiesen, Luft und Sonne, Freiheit und Weite und an alle mög lichen materiellen guten Tinge obendrein." „Sie bringen gewiß immer Ihre Ferien auf dem Lande zu." „Nein," sagte er schroff mit verändertem Gesichts ausdruck. . Sie sah ihn forschend an mit Plötzlich erwachten! In teresse. „Also ein verlorenes Paradies auch bei Ihnen? Aber still; neugierig fragen wollt' ich nicht." . . . Tas war der Anfang ihrer Bekanntschaft gewesen, und sie vertiefte sich schnell. Vielleicht war's unbewußt die Tatsache, daß sie beide ohne rechte Fühlung inmitten ihrer Umgebung standen, die sie zueinander zog. Bei Bern hard kam noch die ritterliche Sorge hinzu um dies junge, hübsche und schutzlose Geschöpf, das völlig alleinstehend, nur fick selbst verantwortlich war. Er kannte genug vom Leben, um zu wissen, in was für Schlünde jähe Wirbel des Leichtsinns oder der Leiden schaft gerade diese Einsamen, durch keine Familienüanve Gestützten entführen können. Wohl hielt ihr Mädchenstolz sie, aber sie hatte selt same, widerspruchsvolle Launen, in denen ihr ganzes Wese» zu sagen schien: „Ich hab' mein' Sach' auf nichts gestellt." „Man mutz ein bißchen achtgeben auf sas Mädel, damit sie nicht zn Schaden kommt," sagte er zu sick selbst und hatte dabei eine heimliche stille Freude, als sei er zum Hüter eines feinen Blumengärtchens bestellt. Ge legenheit, ihr in beruflichen Dingen Rat zu geben, ihr kleine Schwierigkeiten aus dein Wege zn räuinen, fand sich leicht, und er begrüßte seine Schützerrolke, die jedem eckten Mann im Blut liegt, wie einen langentbehrtcn Genutz. „An Ihrer Stelle blieb ick nickt beim Theater," sagte er ihr einmal. „Ties bißcken Chorsinaen und Stottere» kann doch aus die Dauer keinen Menschen befriedige»." „Sie sind ja selbst am Theater und sind auch keiner von den Großen," entgegnete sie spöttisch. „Ich hielt mich aber wenigstens für eine» Berufene«, das macht den Unterschied. Ick meine. Sie brauchen eine Arbeit, die Ihnen greifbare Erlebnisse liefert; dann würden Sie auch mehr Freude am Leben haben. Kein Mensch kann die Freude entbehren." Sie verzog den feinen Mund. „Ich hab's auch sch« gedacht. Es gibt ja mancherlei Arten von Freuden. AM solche, die weder Mühe noch Arbeit inachen." Fortsetzung folgt. wußte. Tleberhaupk, was man auch berührte, immer schien irgendwo ein wunder Punkt getroffen. „Ich will nur wün schen, daß Ihnen der nasse Weg nicht geschadet hat," sagte er, weil ihm nichts Besseres einsiel. „Ach, bewahre. Andernfalls wär's auch einerlei. Gute Nacht." Betroffen sah er ihr nack. Durch jedes ihrer Worte klang ein Mißton. So sprach nur ein Mensch, der mit sich und der Welt im Zwiespalt ist, und oabei konnte sie höchstens neunzehn Jahre sein. „Sie ist unglücklich," dachte er. „Ob es nur am Allein sein liegt? Schwerlich! Einsamkeit macht traurig, aber nicht verbittert." Er ging nach Hause, meinte noch die zierliche Hand auf seinem Arm zu fühlen und dachte an die dunklen Augm und den feingcformten, verächtlichen Mund. Beim Erwachen am nächsten Morgen war es sein erster Gedanke, ob er heute das Mädchen wiAersehen werde. In seelischen Bedrängnissen stand freilich jeder Mensch allein, aber kollegialische Teilnahme und Hilfsbereitschaft war immerhin schon etwas wert, und die wollte er ihr zeigen. Indessen während der nächsten Tage führte der Spiel plan ihn nicht mit ihr zusammen. Erst bei einer Probe zum „Wintermärchen", in dem er für einen erkrankten älteren Kollegen den Rüpel zu spielen hatte, traf er sie zwischen Kulissenstapeln und verstaubten Requisiten im Ge spräch mit Helga Rubeck, der Naiven. Fräulein Rubeck galt selbst den wenigst Skrupellosen für leichtes Kaliber, aber ihre Gefälligkeit und Gutherzig keit besonders armen Kolleginnen gegenüber waren unbe grenzt. „Bei Wertheim kriegen Sie schon einen famosen Stoff für zwei Emm, Kleine, und wenn ich Ihnen zuschneiden helfen kann —" Bernhard trat heran. „Wie ist's Ihnen bekommen neulich?" „Bei Helemann gewesen, wie?" meinte die Naive. Helemann war das erste Weinrestaurant der Stadt. „Sie haben eine ungezügelte Phantasie, Fräulein Rubeck," lachte Bernhard. „Kein Gedanke an Wein. Eitel Wasser. Regenwasser noch dazu." „So? Na, es kommt halt nicht so sehr auf den Stoff als auf die Stimmung an. Uebrigens kann man's mit Ihnen auf alle Fälle ruhig wagen. Ein frommer Kneckt ist Fridolin." „Tanke für die gütige Meinung." / ' ' s Die Naive tippte Martha lächelnd an. ' ' „Sie sind ihm noch die Antwort schuldig geblieben, Wegener." Die Choristin zog die schmalen, schwarzen Brauen hoch i „Sie lassen mich ja nicht zu Wort kommen." „Sie Armes. Also los." Aber Martha wandte sich zur Seite. „Es lohnt sich wirklich nicht." Die Naive gähnte. „Können Sie Ihre Rolle schon, Mühlmann? Ich hab' von meiner keine Ahnung. Mir liegt überhaupt der Schmarren nickt, lleberließen wir ihn doch den Engländern, denen er zugehört. Uebrigens, geben's acht, gleich kommt Ihr Stichwort." Bald waren sie alle in der Schäferszene beschäftigt. Fräulein Wegener war eine kleine, belanglose Rolle zuge teilt; sie sprach die wenigen Sätze mit weicher, klingen der Stimme, und ihre Bewegungen waren voll Anmut. Aber der Regisseur knurrte. „Sebn's doch nicht so sauer aus, Fräulein Wegener, als ob S-ie Mäuse vergraulen wollten. Bedenken Sie, daß Sie 'ne Schäferin find und die Heiter keit in Pacht haben." Das junge Geschöpf erzwang ein Lächeln, aber. eS lag Vie eine Maske auf ihrem Gesicht. Auch die übrigen Darsteller bekamen ihre Lektion. Der lebhafte Süddeutsche stürzte bin und her über die Bühne, tadelte und erläuterte mit wilden Gesten und sich überstürzenden Worten. „Er ist nicht so gefährlich, wie er sich anstellt, die Grobheit ist das Schlimmste an ihm," raunte Bernhard Martha Wegener zu, als sie wieder in f>er Kulisse standen. Ihm war, als müsse er ,hr Mut machen. „So? Nun, ich fürchte mich auch nicht. Tas hab' ich verlernt." „Sind Sie schon lange am Theater?" i- „Zwei Jahre." .? „Sie sagen das so widerwillig?" " „Ich bin mal hier, also, reden wir nicht mehr darüber," fügte sie achselzuckend. „Auf Wiedersehen, Herr Müblmann." „Sie wollen schon fort?" I „Ich bin ja fertig." i Der Regisseur kam vorbei. „Bleiben Sie hübsch hier und hören Sie za. Das. kann Ihnen nur heilsam sein. Vielleicht wiederhole ich Ihre Szene auch noch. Lieber Mahlmann — darf ich bitten?" Ai» Bernhard nach Aktschluß wieder hinter die