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Et« tze»1scher Htlf»tre«zer entwaffnet. Am Montag wurde mit der Entwaffnung de« deutschen Hilftkreuzer» .Berlin" begonnen, der Sonntag in Dront- heim »ingetroffen war. Eie «itvchfe tu Südafrika. >«» Pretoria wird durch Reuter gemeldet, daß General Demel an Einfluß verliere, sehr entmutigt und Überdte» leicht am Kopse verwundet sei. Weiter heißt e», baß eine Anzahl Ausständischer kein« Waffen besäßen oder Mangel an Munition hätten. Täglich ergeben sich kleine Truppen von Aufständischen. Dies, Mitteilungen wiederholen da» au» dem vurenkrtrg her bekannt« System Reuter». Wich, tiger ist folgende Nachricht: «u» verschiedenen englischen Lagern kommt die Nachricht, daß ein deutscher Flieger tiber di« Stellungen der britischen Streitkräfte flog, die den Ein fall in Deutsch-Sitdwestafrika unternommen haben. Eine Anzahl Schüsse wurde auf diesen Flieger abgegeben, jedoch ohne Erfolg. Wa» Frankreich der Krieg kostet. Da» .Echo de Part»" berechnet die bisherigen Krieg«- aulgaben Frankreichs auf 5*/, Milliarden Franc«. Euergische Schritte wegen der Sinsperrnng von weiblichen Deutsche« t« England. Die „Tägl. Rundschau" schreibt, daß wegen der Ein sperrung von weiblichen Deutschen in England energische Schritte in London unternommen worden sind, von deren Ergebnis es abhängt, ob zu Vergeltungsmaßregeln gegen in Deutschland lebende Engländerinnen gegriffen werben soll. Ae ikWe««in 8miiim<8Mun W«ssn. Von unserem Kriegsberichterstatter. AuS dem Hauptquartier im Osten, 16. November. I. Die Rastenburger Grenadiere und ihre Sefangenen. Wenn man von der Gefangennahme feindlicher Trup pen liest, verbindet man damit unwillkürlich das Bild davonlaufender und verfolgender Menschen, man denkt an ein Umstellen und Greifen, an eine handgreifliche Ueberwältigung; weil seit unserer Kindheit, da wir selbst den „Feind" auf solche Art gcfangennahmen, keine Er lebnisse eine andere Vorstellung in uns erzeugten. Die Ueberlegung kann uns noch so oft sagen, daß cs so nicht sein kann — umsonst, der sinnliche Eindruck triumphiert. So lange, bis er durch einen neuen ausgclöscht oder be richtigt wird. Heut endlich hab ich mit meinen Augen gesehen, wie ein Trupp Russen von unfern Leuten gefangen wurde: Wir standen oben in der Windmühle, die links von der Gum binnen—Goldaper Chaussee etwa anderthalb Kilometer vor Pabbeln steht. In Pabbeln waren die Russen und ver teidigten sich gegen die Angriffe der Rastenburgcr Grena diere, die in breiter Schützenlinie sprungweise vorgingen. Rechts auf der Höhe hatten sie die Russen schon aus den Schützengräben geworfen und suchten selbst über den Berg vorzugehen. Ein paar Mal wurden sie zurückge drängt. Schließlich gingen sie doch vor, einer nach dem andern tauchten sie hinter dem Bergrücken unter. Etwas weiter links stand eine Rcservekompagnie zusammenge- drängt an der Scheunenwand eines lichterloh brennenden Gehöftes. Links von Pabbeln gruben einige Leute Dck- kungen für Maschinengewehre, die auf einem weidenbc- standenen Wege herangctragen wurden. Dort oben mußten die Kugeln fürchterlich fliegen. Die Schanzer liefen ein paar Mal in eine tiefer gelegene Deckung, während die Trä ger hinter den Wcidenstümpfen Schutz suchten. Immer nür auf Sekunden oder Minuten. Gleich griffen sie wie der zu und bald begann das Maschinengewehr zu knacken. An der Mitte ging die Schützenlinie auf freiem Felde vor. Aus den Häusern knatterten die Gewehrschüsse um sie her; die Grenadiere sprangen auf, liefen ein Stück vor, warfen sich hin und feuerten. Immer näher kommen sie heran, immer heftiger wird das Feuer. Zwei, drei Leute fallen, die andern gehen vor und immer wieder vor. Es ist wundervoll, mit welcher unerbittlichen Kaltblütigkeit diese Ostpreußen an den Feind gehen, ruhig, als wenn sie zum Mähen aufs Feld gingen. Sie liefen zuletzt gar nicht mehr, gingen durch den Kugel regen wie durch Hagel oder Schneetreiben. Jetzt sieht man einige Seitengewehre aufblitzen. Sie pflanzen auf, zum Sturm. Da plötzlich, wird es lebendig vor dem Dorfe, ein dich ter Schwarm Russen kommt hervor in vollem Lauf den Berg herab — mit bochgehobencn Armen, als wollten sie unseren Rastenburgern um den Hals fallen. Die haben ausgehört zu feuern, die Gefangenen werden nach Waffen durchsucht, zwei oder drei Begleiter bringen sie kort. Recht- auf der Chaussee kämmt auch ein Trupp an. Die Grena diere rücken durchs Dorf, weiter vor. IR. Die Keltzirttllerte «« »er Arbeit. Während dieser ganzen Zsit — eS dauerte etwa zwei Stunden — hatte auch die Artillerie hüben und drüben ununterbrochen gefeuert. Vielleicht 80 Meter hinter un- lerer Mühle war die Feldartillerie anfgefahren. Wenn ich den Kopf au- der Seitentür hinauSsteckte, wo die Korn säcke bochgezogen werden (denn die vordere Latte konn- ten wir nur abwechselnd benutzend mußte ich den Mund öffnen, so impertinent laut knallten die Schüsse gegen da- Trommelfell. Der Beobachtung-Posten dieser Batterie stand vorn auf einer Anhöhe, lieber unfern Köpfen, im Turm der Windmühle war gleichfalls ein Batteriechef. Er kommandierte die schweren Geschütze, einen Kilometer rück wärts an einem Gehöft. Kurz und scharf klangen die Kommando- herunter: „Dreitausendfünfhundert. Zehn weniger. Schutz!" Der Posten auf der Treppe ruft es dem Telephonisten zu, der unten am Telephon liegt, gegen Sturm und Regen mit Stroh zugedcckt. Der ruft es in- Telephon. Bald darauf sicht man am Gehöft das Ranchwölkchen, dann hört man das Sausen der fliegenden Granate und dann erst den Knall de- Abschiebens. Lange danach den Knall deS Krepierens deS Geschosses. Der Batteriechef über uns sieht eS einschlagen. Und sofort kommt das nächste Kom mando: „Dreitausendsechshundert. Geschoß zwölf. Fünf weniger. Schuß!" Jetzt folgen die Kommandos rascher: „Dreitausendsiebenhnndert. brei'ausendachthundertsünfzig, viertausend." Dazu die Seitendiffercnz durch „mehr" und „weniger" bezeichnet. „Schnellfeuer. Vicrtausendzweihun- dert. Schuß, Schuß, zum Donnerwetter." Man hört eS deutlich, der Feind ist auf der Flucht. „Viertyusenddrei- hundert. Gut richten. Schuß." Plötzlich ein Frcudenruf: „Mitten hinein!" Der Schuß saß. - Inzwischen Platzen die feindlichen SchrappncllS vor uns, hinter uns. Fortwährend sieht man die Wölkchen aufspringen und hört das klingende „Fluh" der herab sausenden Kngeln. Eine Granate schlägt in das linke Geschütz der Feldbatterie hinter uns. Ein Volltreffer, denke ich. Mit euch ist es aus. Bin nicht wenig erstaunt, das Geschütz noch weiter feuern zu sehen: noch mehr, als beim Stellungswechsel die ganze Mannschaft zum Vorschein kommt. Jetzt muß drüben auch die Artillerie anrücken. Die Schrappnells hören auf. Nur noch die verirrten Flinten kugeln und die „Querschläger", d. h. die vom Erdhoden aufprallenden Geschosse singen ihr dünnes Lied, als wir unfern Posten verlassen, um nach Pabbeln weiterzugeben. Auf dem Sturzacker hinter der Wiese liegen ein paar tote Grenadiere. Die Verwundeten sind schon sortgc- bracht. Eine prachtvolle neue Uniformwcste aus Jäger wolle liegt auf dem Felde. Ich nehme sic mit, und gebe sie später einem Infanteristen. Noch vier Gefangene kom men uns entgegen und werden von unserm Generalstäbler verhört. Es sind Leute vom 2. kaukasischen Korps, ganz frisch in Suwalki ausgeladen und über Goldap ins Gefecht mar schiert. Einer von ihnen ist ein großer blonder, schöner Mensch von rein germanischem Thpus. Es sind gar nicht wenig solcher Leute, unter den Kaukasiern: freilich auch sehr viel von mongolischer und syrischer Prägung. Rudolf v. Koschützki, Kriegsberichterstatter. TagcSgcschichtc. Deutsches Reich. Der neueMilliardenkredit. Die ReichSregie- run; wird vom Reichstag am 2. Dez. einen KriegSkredit von 5 Milliarden in Anspruch nehmen. Mit dieser Summe sollen die Kosten de« Krieges bis zum 1. Apiil grdrckt wer- den. Fall« die hierzu bewilligten, vor allem durch die Kriegsanleihe aufgebrachten Geldmittel nicht anSreichen, wird die Reichsregierung die Mittel der RelchSbank zur Deckung de« Fehlbetrags in Anspruch nehmen. Da« Geld- Institut de« Reiches verstigt über Geldvorräte, die ihm die Bereitstellung solcher Mittel unschwer ermöglichen. Aller Voraussicht nach wird eS aber gar nicht nötig sein, die Reichsbank derart zur Deckung der KriegSkosten heranzu- ziehen. Denn die Summen, die u«S für Kriegszwecke zur Verfügung stehen, werden wahrscheinlich vollkommen au«. Dornige Wege. Roman von I. v. Duren. 25 „Biel Zeit wirst Dn nicht haben, wenn Du Dich für s Se>..mar vorbereiten willst," meinte Maria. „Ich kann aber wirklich nicht begreifen, warum Du Dich so hiuauSsehuft. Ich finde es augenblicklich wundervoll hier." Edith lachte ans. „Schwesterchen, Du schwebst auf den rosenroten Wolken Deiner Verliebtheit. Meinst Dir denn, da ß man blind ist? Ich bedauere Dich, daß Du Dir so nutz lose Gedanken machst. Dein Angebeteter hat nur Augen für eine Andere. Für Dich wäre eS auch Zeit, Dein Bündel zu schnüren, sonst wird's doch mal zu spät und Dein lichterloh brennendes Herz zehrt sich nutzlos auf." „Du Lästermaul," rief Maria rot vor Scham und Zorn. „Ich denke ja gar nicht daran." Sie war hastig aufgesprun gen, rannte di« kleine Gartentreppe hinunter und verlor sich ,n den schattigen Anlagen. Kaum war sie davongeeilt, als Mine eintrat und Hohenfels meldete. Er folgte dem Mädchen auf dem Fuße, sah erregt und erhitzt aus. Er schien in scharfem Ritt von Buchenan gekommen zu sein. „Kann ich Fräulein Ernestine nicht sprechen?" fragte er H ^„Asieine Schwester ist noch nicht von ihren Besuchen zurück; wir erwarten sie jeden Augenblick. Ist jemand bei Ihnen krank?" „Graf Buchenau ist mit seiner Frau ganz überraschend angrkommen. Die Gräfin scheint sehr leidend und verlangt den Bestich Ihrer Schwester noch heute." Edith lud ihn ein, Platz zu nehmen. Inzwischen kam auch Ernestine, die sich sofort bereit erklärte, Hohenfels zu folgen. Als Maria aus dein dunklen Garten zurücktehrte, empfing sie Edith mit schadenfrohem Lächeln. „Siehst Du, Kleinchen, Deine Empfindlichkeit hat Dir wieder einmal euren Streich gespielt." Lachend erzählte sie ihr das eben Erlebte. Maria konnte nicht- erwidern; ihre Augen standen voll Tränen. Der böse Zufall hatte sie ivieder um den Anblick dessen gebracht, nach dem sie sich heimlich stet« so sehr sehnte. Schweigend hatte inzwischen Ernestine den Weg nach Klein- Buchenau in Hohenfels'Begleitung -urttckgelegt. Die lange geschonten Wagenpferde griffen tüchtig aus; bald hatte man das Schloß erreicht. Ernestine fand die junge Fran schwer leidend und ausfallend schwach. Vorsichtig stellte sie Fragen, nm sich nnr einigermaßen über den Zustand klar zu werden und die Kranke nicht zu erregen, noch zu ermüden. Der Graf, eine schöne, stattliche Erscheinung Ende der vierziger Jahre, hatte sich auf den Wunsch seiner Gattin zurückgezo gen. Als die Tijr sich hinter ihm geschlossen hatte, richtete sich Frau von Buchenau auf, faßte die Hände Ernestine- und sagte heiser, abgerissen: „Ich mußte fort, plötzlich fort; ein« bange Ahliung trieb mich nach Hause. Ich will zu Hause ster ben." Ernestine tröstete und ermutigte sie. Aber sie wußte zu gut, wie recht die Kranke hatte. Hier galt es nur, die letzte LeidenSzeit so leicht als möglich zu machen. Als st« die Grä fin verließ, wurde sie dringend mir ihr baldiges Wiederkom men gebeten. Sie versprach eS gern. Wiirde ihre Kunst allein doch schon sehr oft hier nötig werden. Zudem ging von der Leidenden «ine so wohltuende Güte, eine Abgeklärtheit aus, die in Ernestine« weheS Herz lindernden Balsam träufelte. Der Verkehr mit der kranken Gräfin in Buchenau gestal tete sich täglich wärmer und inniger. ES schien, al« richte sich die Kranke noch einmal auf. Sie brachte die schöllen Herbst tage noch stundenlang im Freien zn nnd zeigte Interesse für ihre Umgebung. Aber die Besserung war eine trügerische. Nach wenig Wochen wurde Erucstine eines Morgens in aller Frühe schon in» Schloß gerufen. Sie fand die Gräfin tot. Ein Herzschlag hatte ihrem Leben ein jähes Ende ge macht. Man trauerte aufrichtig in der ganzen Umgebung um sie. Sie ivar ihren Untergebenen eine Wohltäterin nnd Helfe rin gewesen. Der Graf schien untröstlich. Nachdem er kurze Zeit einsam auf dem Schlosse gehaust, verließ er «S, um eine Weltreise zn unternehmen. Hohenfels übernahm von neuem die Leitung seiner Angelegenheiten. Buchenau war wieder vereinsamt. Nnd auch Ernestine ivar wieder allein auf sich selbst angewiesen. Niemand gab «S, der nach ihrem Wohl nnd Wehe von Herzen teilnehmend fragte. Ein ein ziger vielleicht hätte eS gerne getan: Hohenfels! Aber in der Aerztin sprach keilte innigere Stimme für ihn. reichen, vor allem der glänzende Erfolg unserer Krieg»- onlethe hat da» Reich finanziell derart gekräftigt, daß schon ganz außergewöhnliche Ereignisse eintreten müßten, »enn di» Relchileitung sich genötigt sähe, über di« vorhandenen Mittel htnaulgehen zu müsse». Aber immerhin «rheilcht auch ein solch an und für sich höchst unwahrscheinlicher Fall Vorfichttmaßregeln bei Zetten, soll nicht unerwartete Geldnot unser« Kri,g»rüstung schädigen. Und darum wer den di« verbündeten Negierungen schon jetzt die volkSver- tretnng angehi-n, ihr Vollmacht zu geben, bi» zum 1. April 1915 fünf Milliarde» Mark für die Erhaltung und Stär kung unserer Krieg«rüstung zu verausgaben. Gegen Gehaltskürzungen und Lohnmln» dertrugen. Der kommandierende General de» I. baye rischen Armeekorp» hat einen Erlaß veröffentlicht, der sich gegen di« Gehaltskürzungen und Lohnminberungen, insbe sondere gegenüber Heimarbeiterinnen, richtet und zur Hintan haltung eine» derartigen gemeingefährlichen Grbahren» strenge Zwang-Maßregeln in A»«sicht stellt. Drr internationale Postgirooerkehr, der nach Ausbruch deS Kriege» eingestellt worden ist, wird zwischen Deutschland und Orsterreich-Ungarn am 20. Novem ber wieder ausgenommen. Die Ersatzwahl für D r. Frank. Bei der heu tigen NeichSlagrersntzwahl für den gefallenen Dr. Ludwig Frank (Soz.) im 11. badischen Wahlkreise wnrde der Sozial demokrat Orkar Geck mit 1157-1 Stimmen ohne Gegen kandidat gewählt. England. Im Unerthause legte der Schahkanzker Lloyd George die Finanzlage ausführlich dar und sagte, daß für den Zeit raum bis -um 8. März ISIS eine Summe von 588 Millionen Lstr. erforderlich sei, davon 888 578000 Lstr. für KrtegSauS- gaben. Er schlug eine Erhöhung der Einkommensteuer vor, die jährlich einer Verdoppelung nahe kommt und zwölfein halb Millionen Lstr. besonders einbringcn soll. Ferner be antragte er eine höhere Belastung deS Bieres und ein« besondere Besteuerung deS TeeS im Umfange von 8 Pence da- Pfund, sowie die Beschränkung der Abzahlung auf die Tilgungsfonds. Der liberale Jones lenkte die Auf merksamkeit des HauscS auf gewisse, vom Arbeiterführer Kcir Hardie gemachte Angriffe auf den König und die der britischen Nation verbündeten Völker. Ketr Hardie hab« in Zeitungsartikeln beispielsweise geschrieben, die Vergewal tigung von Frauen war immer eine Begleiterscheinung deS Krieges. Sogar die Times und andere Blätter, die sich ihrer Verantwortlichkeit bewußt sind, haben beträchtliche Be stürzung darüber gezeigt, was in heimischen Trnppenlagcr« vvrging. In einem anderen Artikel heißt es, cs bestehe kein Zweifel, daß beim Einbrüche der Deutschen in Belgien Greise, Frauen und Kinder getöret und verstümmelt worden sind, kann aber jemand behaupten, daß sich dieselben Sachen nicht auch in den von den Verbündeten miedercroberten Städten und Dörfern ereignet haben? Jones führte weiter aus, daß seit Erscheinen dieser Artikel die Ergebnisse der Rekrutierung in SttdivaleS beträchtlich zurückaegangen seien. Weiter habe Keir Hardie geschrieben, russische Zei tungen spotten über England und sagten, Nutzland werbe bet der Schlutzrechnung einen größeren Anteil bekommen, weil es größere Opfer gebracht habe. Was Belgien betreffe, so habe England über Neutralität gut reden. Wenn es der englischen Negierung aber gepatzt hätte, die belgische Neu tralität zu zertreten, so würde sie es getan haben, geradeso wie sie Rußland dasselbe in Persien tun ließ. Kcir Hardie habe Uber den Patriotismus indischer Fürsten gespottet, die deutliche Winke von England erhalten hätten. Ferner habe er geäußert, die Verbündeten kämen nicht vorwärts. Sie hätten eine Lügenfabrik eröffnet, wo Geschichten über deutsche Greuel auf Bestellung verfertigt würden. Schließ lich habe Keir Hardie von König Georg als unserem könig lichen Ofenhocker, gesprochen, während er hcrvorhob, daß Kaiser Wilhelm wie ein Soldat die Gefahren an der Front teile. s Die lichtlosen Winterwoche» brachten wenig Erfreulich«-. In ihrem Beruf fühlte Ernestine wohlzeitweise Befriedigung; oft auch drückte sie ihr Unvermögen gegenüber dem rätselhaf ten Walten der Natur. Bange Zweifel stiegen in ihr auf. Sie lernte einscsien, wie wenig sie wußte; wie all« menschlich» Kunst Stückwerk blieb.' Die Abende brachte stein ihrer stillen Stndierstnbe bei eifriger Arbeit zn. Durch die geschlossenen Läden fuhr oft der rauhe Dezembcrivind, daß sie aufstöhiiten. An den Fen sterscheiben wuchsen die Eisblumen, und auf der kleinen Ma schine fang der Teekessel trauliche Melodien. Oft hob Ernestine den Blick, und ihr Ohr lauschte den seltsamen Weisen. E» kam wie ein Träumen über sie. — AuS allen Ecken, ans allen Winkeln schwebte e» unsicht bar und leise auf sie zu. Begrabene Wünsche, welke Hoff nungen nahmen wieder Form und Gestalt an. Sie umstrick ten sie mit ihren GeisteSarmen und führten sie in da» Land ihrer Jugend, das sie zn früh hatte verlassen müssen. 5. Kapitel. Da» neue Jahr hatte Amtsrichter Berg einen Erben be« schert. Fran PhysikiiS war ganz in die Villa übergesiedelt und pflegte die junge Mutter mit Hilfe der Wärterin und Erne stines. Magdalene genas langsam. Ihre Nerven blieben reiz bar und ihr frisches Aussehen hatte gelitten. Sah sie sich iin Spiegel, so brach sie in Tränen aus. Sie fand sich alt und häßlich. Vergebens beteuerte ihr Gatte, daß sie ihm jetzt in ihrer neuen Würde viel reizender und schöner erschiene. Sie hörte nicht auf ihn; seine hingehende Liebe vergalt sie fort und fort mit verletzender Gleichgültigkeit, die an Kälte grenzte. — Leo begriff sie nicht. Er blieb sich ihr gegenüber stets gleich; doch unendlich schwer wurde eS ihm, sie immer zu schonen. Ernestine sah ihn leiden und bangte »in ihn. Sein ver ändertes Aussehen, seine schlaffe Haltung beunruhigten sie. Er mied sie nnd die Ihrigen sichtlich nnd hielt sich auch wenig in dein Boudoir seiner Frau auf. Dagegen schlüpfte c> manchmal für Minuten in» Krankenzimmer hinunter und betrachtete seinen kleinen Sohn.Seine ganze Zärtlichkeit ergo sich auf das winzige Menschenkind. 225,20