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Beilage znm „Niesaer Tanevlatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für dir «Litton verantwortlich: Arthur Hilhnel in Niesa. S86. Tin«,den», 10. Oktober 1VI4. abenvs. 67. Aahrg. Antwerpen gefalle«. Großes Hauptquartier, 9. Oktober, !abends. (Amtlich.) Heute vormittag sind mehrere Forts der inneren Befestigungslinie von Antwerpen gefallen. Die Stadt befindet sich seit heute nachmittag in deutschem Besitz. Der Kommandant und die Besatzung haben den Befestigungsbereich verlassen, nur einzelne Forts find «och vom Feinde besetzt. Der Besitz von Antwerpen wird dadurch nicht beeinträchtigt. Großes Hauptquartier, 16. Oktober, 11 Nhr vorm. (Amtlich.) Die ganze Ftstmrg Antwerpen, einschließlich sämtlicher Forts, ist in unserem Besitz. Ar dem Fall von Antwerpen schreibt da» »Berliner Lage-latt": Sin Jubelruf wird durch alle deutschen Lande gehen. Sine« der wichtigsten Bollwerke der Welt ist dem Feinde 1» kaum 12 Lagen entrissen worden. Den Sieger oon Antwerpen, Seneral von veseler, dürfen wir neben von Hindenburg stelle». Auch er ist «in eiserner Charakter «ad ein genialer Kopf. Hinter den belgischen Verteidigern stand England, man kann wohl sagen, mit erhobener Hetz, peitsche. In der »Deutschen Tgllztg.* liest man: Der Fall Ant werpen« ist ein Schlag, der nicht nur Belgien ntederwirft, sondern der auch England auf da« empfindlichste treffen muß. Antwerpen war der Brückenkopf für den englischen Angriff gegen unsere Flanke und unseren Rücken. Die englische Hilfe hat sich für Antwerpen al« htlfrloS erwiesen. Sie vermocht« da« Schicksal Antwerpen« nicht einmal auf- zuhalten, geschweige denn zu wenden. Go ist England auch zu unserer Senugtuung in die Niederlage verwickelt * * -st LiS zum letzten Augenblick vor Beginn des Bom bardements hat man die Einwohner Antwerpens über den Ernst der Lage getäuscht. Nach holländischen Quel len erfuhren sie nichts von dem Fall der Außenforts, und als die Deutschen bereits den Uebergang über die Nethe erzwungen hatten, setzte ein Antwerpener Blatt seinen Lesern noch auseinander, daß ein solches Unter nehmen unmöglich sei. So erklärt es sich, daß, als der Antwerpener Militärgouverneur die Parole ausgab, wer das Leben retten wolle, solle flüchten, viele Leute sich nicht mehr die Zeit nahmen oder nehmen konnten, ihre wichtigsten Habseligkeiten zu bergen oder an sich zu raffen, sondern froh waren, alles im Stich lassend, noch einen Platz in einem der für die Flüchtlinge be stimmten überfüllten Zuge zu erwischen. Wie eine Sind- flut ergossen sich die Flüchtlinge über die Niederlande. Schon am Abend des 8. Oktober waren alle Städte der Brabant von ihnen überfüllt. Und nun soll gerade.die Einwohnerschaft der belagerten Festung, von der alles, waS sich nur eben von Haus und Aerd losreißen kann, panikartig flieht, verlangt haben, daß die Festung bis zum Aeußersten „von Haus zu Haus" verteidigt werde. Derselbe Militärgouverneur und Festungskommundant, der für die Zivilbevölkerung die Parole ausgab: „Rette sich, wer kann", hat zu dieser Ausrede feine Zuflucht genommen, als er sich zu entscheiden hatte, ob er der Stadt durch die Uebergabe ein nutzloses, ihren Fall nur um wenige Tage verzögerndes Bombardement ersparen wolle. ES wird jetzt glaubhaft berichtet, daß König Albert und seine belgischen Ratgeber geneigt gewesen seien, Antwerpen vor Beginn des Bombardements zu über geben, daß aber England sich dem widersetzt habe. Es muß sich schon so verhalten, denn sonst wäre die be stimmte, aus Antwerpen kommende, Meldung unver ständlich, daß die Leitung der Verteidigung nach An kunft neuer englischer Truppen den Engländern über tragen worden sei. John Bull läßt die Maske eines Beschützers der Neutralität eines kleinen Staates fallen; er gibt sich nun ganz als der brutale, rücksichtslose Flibustier, der den Satz fanatischer Juristen, daß das ^.Necht", d. h-, ihr Recht, siegen müsse, und wenn die Welt darüber zu Grunde gehe, auf seinen Anspruch, die ganze Welt zu beherrschen und auszubeuten, über trägt. Wäre auch nur ein Funke Aufrichtigkeit dabei gewesen, als die.englische Regierung die „Verletzung" der belgischen Neutralität zum Kriegsvorwande wählte, jo dürfte sie jetzt nicht belgischer sein wollen, als die Belgier. Man sollte aber meinen, den Belgiern selbst müßte :S nun bald wie Schuppen von den Augen fallen in Hinsicht aus ihre englischen „Freunde". Weder ihnen noch pen Franzosen konnte noch im geringsten ettvas damit gedient sein, daß sich die Belagerung Antwerpens einrge Tage länger hinzog. Es wäre lächerlich, anzu nehmen, daß das irgend etwas an dem Ai Kgaug der Kämpfe in Nordfrankreich hätte ändern können, nach dem jetzt die Franzosen selbst zugeben, daß General Kluck auch ohne die Hilfe, die ihm der nach dem Falle Antwerpens freiwerdende Teil der deutschen öelage- rungsarmee etwa bringen kann, stark genug ist, um ourch die Ausdehnung der Operationen bis zur Mcervs lüste der, Franzosen die Gesetze für ihre Verteidigung zu diktieren- Am allerwenigsten haben sich die Englän der selbst über die völlige Sinnlosigkeit eines weiteren Antwerpener Widerstandes getäuscht. Worauf es ihnen ganz allein ankommt, ist, den Krieg für oas verhaßte Trutschlano so verlustreich wie nur eben möglich zu ge statte». Dieser geradezu krankhaften Begierde opfern sie das Wohl Belgiens und auch da-jenige Frankreichs. Der belgischen Regierung geschieht das, was sie verdient hat. Sie hat von Anfang an nicht als die Leitung eines neutralen Landes gehandelt, sondern al- die eines englischen Vasallenstaates. Sie braucht sich nicht darüber zu beklagen, wenn sie die Londoner Herren den Kelch des Leidens al- Opfer der englischen Herrschsucht bis zur Neige leeren lassen. * , - Von den heute früh über die Kämpfe um Antwerpen vorliegenden Meldungen geben wir noch die folgenden wieder: Gestern morgen sind in Rotterdam wieder zahlreiche Flüchtlinge aus Antwerpen eingetroffen, die Donners- tag mittag Antwerpen verließen und den Weg über Rosendoal nahmen. Sie berichten, daß die Beschießung in unverminderter Stärke andauerte. Im östlichen Teile Antwerpens wüteten zahlreiche Brände. Die halbe Stadt ist in eine dunkelgraue Rauchwolke eingehüllt, aus der die Flammen emporzüngelten. In den Stra ßen herrscht eine unbeschreibliche Verwirrung. Große Verstimmung hat es unter der Bevölkerung erregt, daß solche Flüchtlinge, die über keine Barmittel verfügen, von den englischen Dampfern nicht ausgenommen wer den. Ferner ist die Garnison von Antwerpen nur nm IS 060 Engländer verstärkt worden, die aber ebenfalls über keine ungebrochene Kampfeskraft mehr verfügen, da sie beim letzten Ausfall, den sie mit den Belgiern unternahmen, von den Deutschen empfindlich ge schlagen wurden. Als die zurückgeworfene Garnison im fluchtartigen Rückzüge Deckung innerhalb der inneren Fortlinie suchte, entstand in Antwerpen großer Schrecken, da zahlreiche belgische und englische Soldaten bis in die innere Stadt hinein flüchteten, wo sie von oen Offi zieren mit vieler Mühe zum Stehen gebracht werden konnten. Wenige Stunden darauf hieß es, daß das Kö nigspaar im Kraftwagen die Stadt in der Richtung auf Ostende zu verlassen habe. Der Köpig soll den letz ten Ausfall selbst kommandiert haben- Uebereinstimmend wird berichtet, daß die Deutschen bei der Beschießung alle Gebäude der Stadt, die besonderen künstlerischen oder geschichtlichen Wert haben, möglichst schonen- Alle Flüchtlinge schimpfen auf die Engländer und Franzosen, von denen sie verraten und verkauft worden seien. Unter den aus Antwerpen Geflohenen befindet sich auch Kar- oinal Mercier, ferner der Kabinettschef des Justizmini steriums und viele hohe Beamte, die zum Teil von Berg op Zoom im Auto nach Vlissingen geeilt sind. Putte an der holländischen Grenze passierten mindestens 10600 Flüchtlinge, manche in trostlosem Zustande. Die Bewohner des Dorfes Deurne bei Antwerpen waren derart von der Beschießung überrascht, daß viele von ihnen im Nachtgewand nach Antwerpen flohen, wo sie jedoch nicht mehr eingelassen wurden. Darauf ging die trostlose Flucht nach Holland weiter, reich und arm in bunter Mischung, dann wieder eine Schar Nonnen aus Wyneghem. Manche elegante Damen mit kühn ge schlitztem Rock treffen ein und die Holländer machen bei aller Hilfsbereitschaft und allem Mitgefühl ihre Bemerkungen über diese extravaganten Toiletten. Die Bauernbevölkerung führt meistens ihr Bettzeug mit sich. So langen diese langen Marschkolonnen des Elends in Hollano an, wo sich alle Hände fleißig regen, um sie unterzubringen. In Rosendaal gibt es wohl kein Hans mehr, oas nicht Flüchtlinge beherbergt- In Rotterdam allein mögen über 30 000, in Rosendaal über 6000 sein, dazu kommen noch die Scharen in anderen Städten wie Tilburg, Breda, Schiedam. Fast niemand hat Geld oder Kleidervorrat mitnehmen können. Die schlim me Ueberraichnng kam für diese Aermsten infolge des unglaublichen Schwindels ocr Antwerpener Zeitungen. Halte ooch noch vor einigen Tagen, als bereits drei Forts vernichtet waren, ein Berichterstatter geschrieben: „Alle Forts halten stand. Gerade so gut könnte ich meinen Hut auf unsere Forts werfen, es hätte die gleiche Wirkung wie die deutschen Granaten." Die An kunft der Engländer und die systematisch ausgestreuten Lügenberichte hatten die Bevölkerung weiter in Sicher heit gewiegt. Die wilde Flucht aus Antwerpen und.aus den umliegenden Gemeinden bietet ein furchtbares, ties- trauriges Schauspiel. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch Jnstizininister Carton de Wiart und Fürstin Ligne. — Flüchtlinge behaupten, daß in der Schreckens nacht nicht nur Flugzeuge Bomben warfen, sondern daß rin Zeppelin auch eine nach Naphtha riechende Flüssigkeit auf oie Stadt niederrieseln ließ. H ute mittag ging nnS folgende Meldung zu: Die belgische« Korrespondenten der „Times" und des „Daily Telegraph" melden, das; die Teutfchrv mu Donnerstag die Reihe überschritte» hatten. Start« Kräfte hätten bei Schoeuarde, schwächere Abteilungen bet Termonde und Weiteren den Uebergang bemerk» stelligt. Die Belgier mutzten sich zurückziehen, da sie numerisch zu schwach wäre». Später griffen die Belgier wieder heftig an, mutzten aber wiederum zurück. Endlich gelang es auch den Deutschen, Artillerie über den Flutz zu bringen, sodatz die belgischen Stellungen östlich Verlatre beschossen werden konnte«. Bom westlichen Kriegsschauplatz. Da« amtliche französische Kommnniquee, da« gestern 3 Uhr nachmittags erschien, meldet: Die allgemeine Lage ist nicht verändert. Ans nnserem linke» Flügel operieren beide Kavallerien noch immer nördlich von Lille und Labassve. Die Schlacht zieht sich hin auf etuer Linie von Lens, Arras, Bray inr Somme, ChanlveS, Roye und Latzgny. Bom Zentrnm bet der Oise und Maas werden nur einzelne Operationen gemeldet. Auf dem rechten Flügel bet Woevre fand ein Artilleriekampf ans der ganze» Linie statt. Die Lage in Lothringen, den Bogese» «nd im Elsatz ist «»verändert. Nach- einer Meldung , der „Franks. Zig." auS Mailand erklärt in einem dortigen Blatte ein Hauptmann beim italienischen Generalslab, daß, nachdem eS den Verbündeten mit beinahe doppelter Uebrrmacht nicht gelungen ist, die deutsche Linie zu durchbrechen, in Zukunft ein solcher Ver such noch aussichtsloser sein wird, da deutscherseits durch den Fall Antwerpens neue Kräfte frei würden, Frankreich aber schon die letzten Reserven in der Front habe. Bo« den Kriegsschauplätzen im Osten. Amtlich wird auS Wien gemeldet: Uussr Borrücke» zwang die Russen, in ihren ver gebliche« Anstrengungen gegen Przemysl, die in der Rächt auf den 8. Oktober Ihren Höhepunkt erreichten und de« Stürmenden ungeheure Opfer kosteten, uach- zulaffe». Gestern vormittag wurde das Artilleriefener gegen die Festung schwächer. Der Angreifer begann Teile seiner Kräfte zurückzunehmen. Bet Laucnt stellte sich unseren vordriugenden Kolonne» ein starker Feind znm Kampf, der noch audauert. Ans Roszwadow sind die Russen bereits vertriebe«. Auch in den Karpathen steht es gut. Der Rückzug der Russen aus dem Mars maroffer Komitat artete in Flucht aus. ' Dem „Azest- wird aus Bukarest gemeldet: In hiesigen militärischen Kreisen will man authentisch erfahren haben, daß die Russe», die am Dienstag einen Stürm gegen die äußeren Festungswerke von PrzemySl unternahmen und hierbei zum Teil bis zu den Drahtverhauen und Gräben gelangten, unter riesigen Berlnsten zurttckgeworfen werden konnten. DaS Feuer der JestnngSgeschütze hatte eine mör derische Wirkung. Durch die Explosion der unterminierten Teile der Schanzgräben sind Tausende von Russen getötet worden. Die Verluste der Russen werden auf 40000 Mann geschätzt. Ein militärischer Mitarbeiter des „Neuen Wiener Tagblattes« schreibt über die jüngsten Ereignisse u. a.r Immer neue Teilerfolge zeitigt daS geschlossene Vorgehen der verbündeten deutschen und österreichischen-ungarischen Armeen an beiden Ufern der Weichsel in der 250 km langen nordsüdlichen Operationslinie. Jetzt zeigt sich, daß die Konzentrierung unserer Armeen nach Westen eine über legte strategische Maßnahme bildete, um den lückenlosen Anschluß an die deutsche Armee nördlich von Krakau zu sichern und mit vereinten Kräften dem Felnde entgegenzu- treten, wie eS bei der Erstürmung des russischen Brücken kopfes Sandomicrz und bei der Znrückwerfung und Ge- langennahme einer feindlichen Jnfanterie-Dtviston der Fall war. Trotz wiederholter mit furchtbaren Verlusten ver bundener Versuche gelang eS den Russen nicht, die Festung PrzemySI z l nehmen. Wahrscheinlich werden sie infolge des HeranrückenS unserer siegreichen Truppen im Westen der Festung di« Belagerung gänzlich aufgeben. Ebenso wie auf dem polnisch-golizischen Kriegsschauplätze veränderte sich auch im Süden die Gesamtlage -n nuferen Gunsten durch die entscheidende Niederlage, die wir vier serbisch-montene grinischen Brigaden beibrachten. Der „Nordd. Allg. Zig." zufolge gibt der Vertreter des „NIeuwe Notterdamsche Conrrant", der auf Einladung des Großen GeneralstabS an e ner Besichtigung der osts preutzische» Schlachtfelder teituahm, seinem Blatte fol genden Bericht: Nach sünflägiger Autofahrt durch da« unter