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Beilage zum „Niesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer »viuterltch in Riesa. — Kür die Redaktion verantwoMch: Arthur HSHnel in Riesa. SSI. Montag, s. Oktober ir»14. aveiidS. «7. JäWI vielversprechende Erfolge. Großes Hauptquartier, 3. Oktober, abends. (Amtlich.) Auf dem stanzdflschen Kriegsschauplätze find keine wesentlichen Aenderungen eingetreten. Im Angriff auf Antwerpen fielen auch die Korts Lierre, Waelhem, Könighookt und zwischenliegende Redouten. In den Zwischenstellungen wurden 30 Geschütze erobert. Die in den äußeren Fortgürtel gebrochene Lücke gestattet, den Angriff gegen die mnere Fortlime und die innere Stadt voxzutragen. Im Osten find das 3. sibirische und Teile des 22. Armeekorps, welche sich auf dem linken Flügel der über den Njemen vordringenden russischen Armee befinden, nach zweitägigem erbitterten Kampfe bei Augustow geschlagen worden. Neber 2000 unverwundete Gefangene, eine Anzahl Geschütze und Maschinengewehre wurden erbeutet. Großes Hauptquartier, 4. Oktober, abends. (Amtlich.) Auf dem westlichen Kriegsschauplätze geyr der Kampf am rechten Heeresflügel und in den Argonnen vorwärts. Erfolgreiche Operationen vor Antwerpen und auf dem östlichen Kriegsschauplätze vollzogen sich planmäßig und ohne Kampf. Bon einem unserer militärische» Mitarbeiter wird uns geschrieben: Rasch erfüllt sich Antwerpens Schicksal. Drei weitere Forts — im Tanzen also jetzt vier — sind erobert, und in den Festungsgürtel ist eine Bresche gelegt, die den Zugang zur Stadt Antwerpen und ihrer inneren Befestigung«, linie fretmacht. Durch einen 13 km langen, von Güdwest nach Nordost laufenden Bogen ist dcr Weg für uns frei, von Waehlem über das schon früher zerstörte St. Catherine und KoenigShookt hinauf nach Lierre. Die drei Werke liegen dicht nebeneinander. Am nächsten der eigentlichen Stadt liegt Lierre; 16 km nur sind eS von hier ins Stadt innere und 18 km bis zum Hafen. Stadt und Hafen wer den also von unseren schweren Geschützen bestrichen, und er fragt sich, ob die Besatzung der Festung eL unter diesen Umständen nicht vorzieyen wird, jeden weiteren, ja doch von vornherein aussichtslosen Widerstand aufzugeben, als die Stadt der nutzlosen Zerstörung zu überliefern. Jeden falls kann der Fall dieser, von den Engländern noch bis in die allerjüngste Zeit als uneinnehmbar gepriesenen Feste nicht mehr nach Wochen und Monaten, wie in früheren Zetten, sondern nur nach Tagen zählen. Nicht minder erfreulich ist die gründliche Absage, die unser im Gouvernement Suwalkt stehendes Ostheer den über den Njemen vordringenden Russen bei Augustow erteilt hat. Ls handelt sich hier augenscheinlich um den russischen Einbruch, der nach einer vor einigen Tagen er gangenen Meldung de» großen Hauptquartiers schon seit einiger Zeit vermutet worden war. Daß die Niederlage der Russen gründlich war, darauf deutet die große Anzahl der unverwundeten Gefangenen hin. Zweifellos werden die Russen sich auch durch diese ihnen zuteil gewordene Zurück weisung vor wetteren Versuchen, uns da» in deutsche Ver waltung genommene Gouvernement Suwalki wieder zu ent reißen, nicht zurttckschrecken lassen, aber unsere Grenztruppen sind auf solche Vorstöße zweifellos vorbereitet und werden ihnen zu begegnen wissen. Daß auf dem französischen Kriegsschau plätze keine wesentlichen Aenderungen eingetreten sind, darf dahin verstanden werden, daß die von unseren Truppen dort errungen.» Erfolge festgehalten worden sind. Wir haben also aus Ost und West gute Kunde, und dürfen mit guten Gründen von der soeben begonnenen zehnten KriegSwoche erhoffen, daß sie unS entscheidende Erkoloe bringe» wird. Das stellvertretende Generalkommando in Königs berg hat vom Generalstab die Ermächtigung erhalten, über die Kämpfe bei Augustow folgende ergänzende Meldungen in die Presse zu bringen: Die Russen sind in zweitägigen Kämpfen bet Suwalki am 1. und 2. Oktober völlig geschlagen und haben an 300« Gefangene, 18 Geschütze, darunter eine schwere Batterie mit Maschinen gewehren, Fahrzeuge und Pferde verloren. Die amtliche französische Mitteilung von Sonnabend lautet: Es ist keine Einzelheit zu melden. Der Eindruck ist im allgemeinen günstig. — Im.„Petit Journal" bespricht Pichon Die militärische Lage. Er erklärt, man darf sich keineswegs übermäßigem Optimismus hingebcn. Wir werden noch lange gegen schwere Hindernisse anstürmcn. Berlin wird noch nicht morgen von den Russen besetzt. Wir werden noch nicht morgen den Festungskrieg gegen den Gegner beendigen, der in Gräben versteckt ist und weittragende Artillerie und gewaltige Kampfmittel besitzt, um unseren An sturm aufzuhalten. — Der „Manchester Guardian" be merkt beiläufig, daß das Heer der Verbündeten in Nord- fraukreich englische Schiffskanone,: mit sich führt. In Ergänzung der Meldung über den Stano der Belagerung von Antwerpen erfährt die „Köln. Volkszeitung", daß die Deutschen vor Antwerpen in den letzten Tagen im freien Felde 330 Geschütze er- beutet haben. — Nach der „Daily Mail" haben die Bel gier die herrliche Kirche Notre-Dame in Termonde beschossen. Ein aus Belgien heimgekehrter Norweger berichtet ,n der „Annonce Tidende" in Bergen über der, Ein druck, den die deutschen 42-Z'entimeter- Märs er machen. Er hat in einer Stadt nahe Ant- tterpe» gewohnt, die von den Deutschen besetzt war. Unter der deutschen Artillerie, die gegen Antwerpen ausgestellt sei, befanden sich auf den Höhen mehrere 42-Zcntimeter-Mörser. Es war verboten, näher als bis auf einen Kilometer Entfernung heranzutreten. Die ganze Stadt bebte, wenn die Mörser ihre mächtigen Ge schosse in Abständen von einer halben Stunde abseuer- ten. Es war wie der Ausbruch eines VulkanA. Das Rcutcrbüro und die belgische Presse dürfen noch nichts von dem Fall der Antwerpener Forts melden. Für ihre Leserkreise werden die deutschen An greifer angeblich noch immer mit schweren Verlusten zurückgewiesen. Zugegeben werden nur die Verwüstungen in Lierre durch die deutsche Artillerie. Nm Freitag wurde bei der Verfolgung einer Taube, die über Ant werpen erschienen war, in der Stadt viel Unglück ange- richtet. Tic auf die Taube gerichteten Granaten fielen teilweise in die Straßen und verletzten und töteten mehrere Menschen. Die Taube warf von Bssselcr ge zeichnet« Aufrufe in französischer und flämischer Sprache herab, in denen den Soldaten mitgeteilt wurde, daß sie durch die Franzosen und Engländer betröge^ würden; die russischen Siege seien Erfindung der belgischen Presse. Die Stadt Lierre hat durch die Beschießung des gleich namigen Forts sehr gelitten, besonders ein Gasthaus, in dem 150 Verwundete lagen. Zehn Soldaten und /neh- rcre Frauen wurden getötet- Viele verwundete Soldaten mußten in die Keller flüchten; es regnete geradezu Bomben. Tie Verwundeten mußten in Autos nach Ant werpen gebracht werden. Aus Brüssel wird nach dem ,>B. L.--A." gemeldet, daß die Deutschen dort neue Luftschiffhallen errich ten und die bestehende Halle auf dem Etterbeekplatze verlängern. Aus Mkelenbosch an der holländisch-bel gischen Grenze wird berichtet, daß dort der Kanonen donner, der wahrscheinlich von der Beschießung Ant werpens herrührt, hörbar sei; an der Grenze kann man die Glut der brennenden Dörfer am Himmel jehen. Zar Nikolai hat sich zur Armee begeben, so meloet lakonisch die halbamtliche Petersburger — oder Petrograder — Telegraphenagentur. Was den Selbst herrscher aller Reußen gerade jetzt zur Armee treibt, das ist uns nicht recht verständlich. Ob er mit den russischen Truppen, die über den Niemen gegangen sind, seinen Einzug in Berlin halten will? Dcr erste Akt dieses neuen russischen Vorstoßes ist bei Augustowo nickt gerade sehr verheißungsvoll ousgegangen, und Zar Ni kolaus könnte sehr leicht in die Lage kommen, sich mit seiner Wilna-Armee retrograd nach Petrograd zurückzu bewegen. Und mit dem geträumten Einzug in Wien ;ieht es nicht viel besser aus als mit dem nach Berlin. Die Russen dürften aller Voraussicht nach recht bald den gastlichen Fluren Galiziens den Rücken kehren. So bleibt also keine andere Erklärung für des Zaren Reise zur Armee als der Wunjch, unter seinen Truppen zu weilen, wenn der „heilige Boden Rußlands" , angegrif fen wird. Der beginnt nach russischer Anschauung erst hinter Njemen und Weichsel. So gesehen wäre also des wessen Zaren Abreise ins Feld nicht die Ankündigung einer neuen Vorwärtsbewegung, sondern einer Rück- wärtsbewegnng. Tie -enlschen Feldbefestigungen. Der „Malin" vom 1. Oktober bringt einen Leitartikel zum Verständnis dcr Schlacht an der Marne mit dem Querschnittblld eines densschen Schützengrabens und schreibt: Betrachtet genau dieses Bild und ihr werdet verstehen, warum die Schlacht an dcr Marne so lange dauerte und die Schlacht a» der Aisne noch dauert. So sehen die deutschen Gräben au». Die Infanterie richtet sich in richtigen kleinen Festungen ein, geschützt vor dem Gesehenwerdeu und vor den Kugeln. Das Regeuwasser fließt in einen Hinteren Abflußgraben ab. Die Leute können sitzen und schlafen. Weder unsere Artillerie noch unsere Infanterie kann die so eingegrabenen Deutschen sehen. Die Granate» sind nur wirksam, wenn sie genau in den Grabe» fallen. Hier wird der Angriff zur Jagd. Die Gefahr wächst überall au» dem Boden heraus. Bevor man den Feind besiegt, mich En !thn auSgraben. 'Btdetttt ferner, daß die deutsche Artillerie ebensolche befestigte Stellungen hat, daß sie von Drahtverhauen umgeben ist und daß zwischen den Geschützen Maschinengewehre auf unsere Stürmer lauern, daß hinter den Feldgeschützen schwere Artillerie steht, deren große Tragweite jeden Rück zug mit einer Feuermauer deckt. Denkt an alle» und ihr werdet ermrssrn können, wa» eS für Anstrengungen kostet, eine Armee, die so Fuß gefaßt hat, aus ihren Stellungen zu vertreiben. Die indischen Truppen. Die «Times- melden aus Marseille: An dcrBesörde- berung der indischen Truppen haben 20 Dampfer teil genommen. Die Ausschiffung der indischen Truppen sand in Marseille statt. Unter ihnen befanden sich Ghurka- Truppen aus dem Pendschab und aus Beludjestan. Die Hagenbecklruppen nennt ein Berliner Blatt die indischen Truppen, die in Marseille landeten, um un» an der AiSne den Rest zu geben. Daß diese juwelengeschmückten indischen Fürsten und diese seltsam kostümierten Ghurka» und Belutschen schon auf die Südfranzosen einigen Eindruck machten, das können wir begreifen. UnS scheint der Ein marsch der Inder in Marseille mehr einem ZirkuSumzug als einem Truppenaufzug zu gleichen. Daß diese Hindu irgend etwas gegen die Unseren im Felde auSrichten könnten, daran hegen wohl die Veranstalter dieser .Europa reise- lebhafte Zweifel. Wenn die Briten überhaupt diese bunten HilsSoölter aufboten, so veranlaßten sie sicher weit mehr politische als militärische Gründe. Die indischen Radschahs, die da im Schmucke ihrer juwelenbesetzten Tur bans einherparadierten, werden selber vielleicht das dunkle Gefühl haben, daß die englischen Herren sie nicht herbei holten, um ihnen KrlegSruhm zu verleihen, sie werden vielleicht — oder doch wenigstens die klügeren unter ihnen — in ihrer Person nur die Geiseln sehen, die Britannien sich für die Ruhe Indien» mitnimmt. Daß die Briten die furchtbare .indische Gefahr- immer vor Auge» sehen, daS wissen wir. Sie hoffen, sie zu beschwören, indem sie Indiens Fürsten nach den Schlachtfeldern Frankreichs rufen. Aber wenn einmal der Tag kommt, an dem diese braunen Söhne des alten Märchenlandes erkennen, daß «S dort keinen KriegSruhm zu holen gibt, wenn der Zweifel an der Herren Allmacht erwacht, dann wird mancher brave Englishman den Log verfluchen, an dem die Hagenbeck- truppen mit orientalischem Gepränge ihren Einzug ans Europas Boden hielten. MitzNSnge im Dreiverband. Aus dem 18. Jahrhundert stammt das bekannte Wort, daß die Sprache für den Diplomaten dazu erfunden sei, die Gedanken zu verbergen. Es paßte gut in die Zeit hinein, wo die Staaten sich feindselig von einander absouderten, wo die von merkantilistischen Wirtschafts wissenschaftlern beratenen Regierungen den Vorteil des eigenen Landes nur 'in dem Nachteil des benachbarten luchten. Tas waren ja gerade solche "Zustande, wie sie der Dreiverband unter Englands Führung mit seinem Handelskrieg gegen Deutschland und Oesterreich wieder hcrcussbc schwören wollte und darin findet es seine n'a- türssche Erklärung, daß die Diplomatie unserer Gegner wieder in der Lüge ihr Hauptwerkzeug erblickt. Das Schlimme dabei für die Mächte des Dreiverbandes selbst sst, daß sich ihre Leuker unwillkürlich daran gewöhnen- auch unter sich im politischen Stile des 18. Jahrhunderts zu verfahren; man kann eben nicht gut mit einem Fuße im 18. und mit dem anderen im 20. Jahrhun dert leben. Dcr ganze Krieg gilt auf Seiten umerer Feinde gerade dem Deutschland, das mit assen Er rungenschaften moderner Wissenschaft und Technik im Bunde steht, daß in dcr ganzen Welt Offenheit und freien Wettbewerb nicht zu scheuen braucht noch scheut; eS müßte ein Wunder sein, wenn etwas anderes die Gegner einer solchen Macht mehr -usammenhielte als der gemeinsame Haß gegen diese. Weil dem so ist, muß die Einigkeit im Treivcr- bände in dem Maße in die Brüche gehen, wie der ge- ineinjame Haß sich als ohnmächtig erweist. In Wirk-