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Weder selbst nach der Herrschaft »U krachte«. Ehe der Bartl cs merkte, hatte sie ihm einen Zügel nach dem andern entwunden. Ihre alte Natur trat wieder zu Lage, nur in veränderter Weise, denn wie früher die Burschen des Dorfes, behandelte sie jetzt das eigene Eennöe launisch und von oben herab. Vergeblich wmtcten die Dienstboten auf ein energisches Eingreifen des Bauern, und bald den wahren Sachverhalt er kennend, brachten sie ihm den Spottnamen r,Das Nemandl" auf. „Sie" war ja in Wahrheit die Herrin, »Nü er hatte nichts als den Namen ihres Mannes. Lange schien Bartl gar nicht zu bemerken, was dorging, nicht, daß Afra in seine Rechte eingciff, sich überall an seine Stelle drängte, > und als ihm endlich die Augen aufgingen, war ihr Eigenwille bereits so mächtig hervorgetreten, daß err erdrückt von dem Bewußtsein, ihr alles, was er war, zu verdanken, denselben nicht mehr zu brechen wagte. Auch der .Spottname, den man ihm gegeben, kam zu seinen Ohren, aber er schwieg. Schwieg ein ganzes Jahr lang, ko wie die Lüfte schweigen, während sich finster ein vernichtendes Wetter zusammenbraut. Wie einst der Bubenbann auf seinem Weibe, so kostete jetzt 8er Bann ihrer eigenen Willkürherrschaft auf ihm. Aber dem schönen, jungen Weibe, das er noch immer mit derselben Innigkeit liebte, wie den kleinen flachsblonden, rotbackigen Basil, Vorwürfe zu machen, die doch nur tauben Ohren begegneten, widerstrebte ihm. An ihre Stelle mußte, wenn die geeignete Stunde da war, die Tat treten. Heute schien sie gekommen. Bei Afra lag cs, ob der längst vollzogene innere Bruch unheilbar bleibe» sollte. Die Gelegenheit, jetzt noch alles zum Guten -u locnden, war da. Abgesehen von dem bisherigen Wohlstand war Afra nach dem Tode eines Oheims auch noch eine ansehnliche Besitzung in Enterrottach zngefallen, zu der die schönsten und reichsten Alm- grünoe unter der Bodenschneid gehörten. Den Hof dort übernehmen, die Almwirtschaft nach neuester Methode betreiben und das Anwesen von Oberoch verpachten, das War Bartls wiederholt geäußerter Wunsch, aus dessen Erfüllung er seine letzte Hoffnung setzte. Rur fort aus dem Dorfe, das täglich seiner Schande spottete! An dem neuen Wohnsitz sollte ihn niemand mehr das „Siemandl" heißen. Alles mußte dort anders werden. Mit neuen Leuten wollten sie Wirtschafte» und ein neues Leben beginnen. Freilich, die Afra dachte einstweilen anders. Von einer Verpachtung des Angerhofes, auf dem sie ausge wachsen wollte sie nichts wissen. War es möglich, daS sküorrsttacher Anwesen vorteilhaft loszuschlagen, so -0g sie es vor, den Besitz desselben gar nicht anzu treten' Sie kannte zwar den sehnlichen Wunsch ihres Mannes. Aber er war ja nur ein Siemandl. Achsel zuckend hatte sie zu seinem Rate geschwiegen und, ohne ihn zu fragen, für heute den Unterhändler Moses Kreuzer bestellt. Schmunzelnd und vergnügt sich die Hände reibend, hatte der alte, graubärtige Maller vor einer Stunde den Angcrbof verlassen. Aber im Innern des Hauses hatte er nicht die gleich zufriedene Stimmung zurückgelassen. Das Essen, das Afra aufgetragen, war unberührt geblieben; der Bartl, der mit großen Schritten die «ledere Stube durchmaß, tat? als sähe er es nicht, und die junge Bäuerin trieb der ihr angeborene Trotz, sich nicht ohne ihren Mann zu Tische zu setzen. Sie Wollte ihn schon noch zwingen, ihr recht zu geben, daß sic den Enterrottacher Hof um jeden Preis losge- niederhingen, mahnten ihn an sein eigenes Schicksal, Auch ihm waren lachende Früci^e gereicht, aber er hatte danach gegriffen, ehe sie zeitig waren, und nun schmeckten sie essig-sauer und bitter. Fortsetzung folgt.; Daß nicht vergessen werde —- Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezLchtigt, auf daß wir nicht samt der Welt verdammet werden (l. Cor. 11, S2). Lia lautes, tausendfach wiederholtes Warum geht durch unsre Zeit, von allen Seiten, au» allen Herzen, aus gestörte« Arbeitsstätten, aus entwickelten Feldern, au» brennende« Dörfern, au» weinenden Augen klingt r» unS entgegen i« schmerzlicher Frage. Jo, warum solche» Leid über unser Vaterland, da» doch keinem anderen Bolle ein Haar, krümmte, da» vielmehr die Fremden jederzeit gastlich auf, nahm und ihnen alle Künste lehrte? Warum der Krieg», lärm und die Krieg»greuel jetzt draußen in West und Nord und Ost. L» gibt nur eine Antwort ans solche Frage; ein» fromme, längst vollendet« Liederdichterin hat sie un» ge, geben. Vie lautet schlicht und allen verständlich: daß nicht vergessen werde, wa» mau so ger« ver, gißt, daß diese arme Lrde nicht unsre Het, mat ist. Ja, wie oft haben auch wir e» vergessen, daß e» mehr gibt al» Esten und Trinken, Weinen und Lachen, Geld unh Gut, daß die MenschenseÄe so weit und groß geschaffen ist, daß sie unmöglich mit solchen vergänglichen Dingen au», gefüllt und gesättigt werde« kann. Wir zogen so manche», mal unsre Straße, ohne auch nur dann und wann eiamal den Blick hivschwelfen zu lasten auf die große Ewigkeit über un». Immer nur abwärt» de« Blick gerichtet aus die glitzern, den Steine — so zogen wir dahin. Und wie ost stände« wir an unsrer Arbeit und rührten wohl die fleißigen Hände; aber unsere Seele leuchtete nicht dabei ans im Gedanke« an den Segen de» Gotte», ohne de« wir nicht» tun können. Fürwahr, ein düsterer Zug, trostlo», ziello», freudlos. — Und «un da» laute Rufen Gotte» mitte« hinein i« diese» vergessene Volk — hoch lodert die Fackel de» Krieg» über alle deutschen Lande, daß ihr roter Schein auch im entferntesten Dörfchen sich widerspiegelt — wer könnte sei« Ohr solcher gewaltiger Sprache verschließen? Nun ist di» Züchtigung herein gerochen, aber nicht zur Beruich« tung, sondern zur Rettung. Unser Volk soll den falschen Weg verlaffeu und die richtig« Bah« einschlägig damit et geläutert und nicht jämmerlich verdammt werd« samt der gottfeindlichen Welt. Rettung und nicht Vernichtung! da» ist der Ruf, der von den gewaltigen Ereignissen unsrer Lag« un» entgegen klingt. O daß wir ihn all« recht »erstehen möchten! daß wir die Augen und die Herze« wieder suchend aafwärt» wenden wollten zu de«, der allein weise ist, daß wir seine un» kundgetane« Sorte und Weisungen höre« und be herzigen wollten, damit unser Leben von Gnu» an» er neuert, und ihm geweiht werde! viele haben schon dies« Ruf gehört und suchen nun Gott mit demütigem Stu». Biele haben erst halb begriffen, wa» die Sprache d« Welt geschichte unsrer Tage verkündet, noch zögern sie und wag« nicht die ersten Schritte — o daß sie bald hören möchte«! Und dann, wenn unser Bolk e» wieder ganz fest erfaßt hat, daß diese Erde nicht unsre Heimat ist, deren Ruhe wir genießen sollen, sondern eine Strecke de» Lernen» und Zn- rüsten», dann können wir getrost aller Zukunst entgegen sehen, ob fle auch noch so sehr erfüllt ist von Kanonen donner und Puloerrauch — wir wissen, wohin unser Weg geht und gehen muß, trotz aller Hindernisse: in die wahre Heimal, in da» Land ewigen Frieden» und seligen Glücke». Magen. Immer noch wartete sie. Aber statt an den Tisch tzn kommen, blieb der Bartl am Fenster stehen und Karrte in das grüne Gezweig der den Rasen beschatten- he« Apfelbäume. Die Frühäpfel, die von demselben Druck und Verlag von Langer Sc Winterlich. Riesa. — Für di« Redaktion verantwortlich: Arthur HäHnrl/ Rlkla.^ me- ilrd« . LrMler an der Me. Bellet». Gratisbeilage za« „Riesaer Tageblatt". Rr. 37. Meso, de» 13. September IS14 37. Jntzr». Ei« Opfer. Roman v. M. Gräfin v. Bünau. — Nachdruck verbot», 1. Kapitel. „Ja, mein lieber Junge, mit Deiner Heirat hast Lu gerade nicht das große Los gezogen! Aber Tu wolltest damals durchaus nicht hören. Ich habe Dir genug abgeraten." „Weiß ich, teure Schwester. . . . Gute Ratschläge sind billig, ebenso wie nachher die Redensart: -hättest Du auf mich gehört!" Daß diese Worte aber besonders wohltuend oder für gereizte Nerven beruhigend wären das kann ich nicht behaupten." Frau von Langen lachte. Gleichmütig strich sie Mit ihrer etwas großen, aber wohlgeformten Hand über den rauhen Jagdjoppenärmel ihres Bruders. „Hast recht, Kurt, geschehen« Dinge sind nicht mehr Au ändern; man muß ihnen die beste Seite abzuge winnen suchen." „Leicht gesagt/ „Nun, ein Vergnügen ist es für mich" auch nich^. «ine Schwägerin Au besitzen, mit der ich in nichts Übereinstimme/' Ein mißmutiger Ausdruck entstellte für einen Augenblick das hübsche blühende Gesicht der jungen Frau. „Worüber kann ich wohl mit Irma reden? Daß man ihr mit Leuteärger und Wirtschafts sorgen nicht kommen darf, versteht sich natürlich von selbst, aber auch von meinen Kindern mag sie kaum vtwas hören." „Kann man einer kinderlosen Frau im Grunde Nicht verdenken, wenn sie nichts von Krankheiten und Unarten wissen will." „Es ist eben ein unnatürlicher Zustand für eine Frau, keine Kinder zu haben," behauptete Frau von Lange,: mit überlegener Mene und in der bewußten KAlrde, die glückliche Besitzerin dreier handfester kleiner Rangen zu sein. Kurt v. Geldern kniff die Augen zusammen. Seine Schnurrbartspitzen zuckten verräterisch, wie wenn er Line spöttische Bemerkung mühsam unterdrückte. Er bog den hübschen Kopf mit den kurz verschnittenen dunklen Haaren un die hohe Lehne des Sammetjess-ls zurück. Ein paar tadellose Rauchringe aus aem kr-is- kuud geöffneten/Mund stoßend, sah er deren lang- jsamem Zergehen in der stillen Luft des Zimm.'rs ge dankenvoll zu. „Sprecht doch über Bücher," warf er dann hi.". «Irma liest doch den halben Tag; und bei Dir guckt doch auch oft solch ein Leihbibliothekband aus dem UrbeitSkorb hervor." „Darin ist unser Geschmack erst recht verschieden Du weist Wohl nicht, was Deine Frau liest?" i „Kaum; Wohl solchen gelehrten Krimskrams aus Ihres verstorbenen Paters Bibliothek? Kann ich mir Ickhaft vorstellen! Mich läßt sie gottlob damit in Ruhe; Mo warum soll ich ihr das Vergnügen nicht gönnen? Ich bin mit den Jahren ein sehr duldsamer Ehemann Mwcrden." ! -. ,;Oder ein sehr gleichgültiger." < Kurt zuckte die Achseln. „Nach sechsjähriger Ehe kvnjugieren wohl die wenigsten noch das Zeitwort „ich VWbe"/< i „Nein, dann ist man schon zu dem „ich habe geliebt'! Wkrgegangen. Du siehst, ich habe meine Grammatik HArK «och im Kopfe." - „Unsinn." Kurt bog sich zu dem braunen Jagdhund herab, der neben ihm auf dem Teppich lag, und zog ihn a« den langen Behängen. Ter Hund winselte. „Laß das arme Tier zufrieden, Kurt. Die Kinder quälen ihn gerade genug. Er flüchtet sich dan« immer zu mir, obgleich ich eigentlich Hunde in meine« Zimmer nicht sehr liebe. Wir sind aber von unser« Hauptpi nkl abaeschweist. Du weißt also nicht, wa» Deine Fra« liest? ES interessiert Dich wohl auch gar nicht?" „Mäßig." „Ich würde Dir doch raten, etwa- darauf z« achten." „Na, laß sie doch in Gottes Name« lese», wa» sie will." „Laß Dir einmal Von ihr auSeiaanderietzeu, wie die Welt entstanden ist — daS weiß sie ganz genau. Sie bekam neulich ordentlich rote Backe« n«d glän zende Augen dabei, während sie mir einen Vortrag darüber hielt und mir gang wirblig im Kopf wurde. Ich hatte daS Gefühl, wenn ich da» noch öfter mit cnhören sollte, würde ich ebenso verschroben werden, wie sie selbst schon ist." , „Das hat sie noch von ihrem Later anfgrfchnappt Dcr war solch ein Bücherwurm." „Warum mußtest Du nur die Tochter eine» solch;« Mannes wählen? Wie wenig paßt die in unsere Familie." „Warum? Weil ich mich in sie verliebte seh» einfach." „Das konntest Du ja ruhig tun, aber sie heiraten —, dadurch hast Du Dir die ganze Laufbahn verdorben." „Ich weiß. DaS war ein dummer Streich, daß ich den Abschied nahm? well man im Kameraden kreise die Nase rümpfte über die Aussicht, die Tochter eines einfachen Naturforscher- ins Regiment zu be kommen! Albernheit! Da» hätte sich alles gemacht?" „Vielleicht. Du warst ja aber damals ,o verliebt, doß die leiseste Mißbilligung Deiner Wahl Dir att töd liche Beleidigung erschien Wir rieteu Dir genug ab. Dir hier in unserer Nähe das kleine heruntergewirtschafiete Gpt zu kaufen, nur weil die romantische Lage de» Han- ;es, die dunklen Tannen, die verwinkelten Zimmer und sonstigen Schnurrpfeifereien Deiner Frau so gut ge fielen." Kurt warf die halbgerauchte Zigarre fort. „Nr ja — noch ein paar solche miserable Ernte« wie die letzte, und wir können aus unser« „verwinkelten Zimmern", wie Du sagst, wirklich in irgend eine« entlegenen Winkel kriechen und zufehen, wie wir durchkommen. Vielleicht nimmt man mich irgendwo als Bereiter, und Irma gibt Unterricht über Nrzellen und kultivierte Paviane." „Tein Humor ist nicht sehr fröhlich, Bruderherz" „Ist auch Galgenhumor in des Wortes vollster Be deutung. Der Strick liegt mir schon um den Hals in Gestalt einer gekündigten Hypothek. Darum bin ich zu Ench gekommen in aller Hergottsfrühe, um mit Deinem Mann zu reden, ob er mir nicht aus der Pat'che helfe« kann" Frau von Langens Gesicht wurde ernst. „Kürt, wir haben drei Kinder, und wenn mein Manu auch wohlhabend ist —" „Die Linder Lehen vor verstehe! »in Dir dank bar, daß Du mich nicht erst eine Fehlbitte tu« lasse»