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bewog ihn, sich rasch wieder herunrzudrehen. Erika Schrader machte eine Bewegung, als wolle sie ihm nacheilen; ihre Arme waren halb erhoben, aus ihren Augen, in denen große Tropfen perlten, traf ihn ein flehender Blick, als wenn sie sagen wollte: Bleib! Geh' nicht von mir! Bon ihrem Antlitz strahlte ihm deutlich eine Empfindung entgegen, die alles eher als Furcht ooer gar Entsetzen ansdrnüte. „Erika!" jubelte er aus und war im Nu an ihrer Seite und zog sie in stürmischem Entzücken an seine Brust. „Du liebst mich, Erika! Wie glücklich bin ich. wie unaussprechlich glücklich!" Er bengte sich zu ihr hinab; sie hing widerstandslos, hingebungsvoll an seinen: Halse und wehrte ihm nicht, als er jetzt seine Lippen den ihren näherte. Aber schon im nächsten Moment riß ein markerschütternder Schrei die Liebenden au? dem Taumel ihres Glückes. Wie gescheuchtes Wild flohen sie voneinander. Auf der Schwelle stand Frau Schrader; wie das Meduse;,Haupt starrte ihr Antlitz, unendliche Pein, erschreckende Qualen in ihren Mienen. „Erika!" rief sie. „Unglückliches Kind! Was hast Lu getan?" Lir Klaus Wollmar saß der Mutter Erikas gegenüber; Erika war weinend hinausgegangen. In Frau Schraders Miene war wieder der kalte, zurückweisende Ausdruck vorherrschend, den der Offizier für Hochmut hielt, unv der einst so verletzend auf ihn gewirkt hatte. „Ich bedanrc," erwiderte sie aus seine warmen, dringlichen Worte kühl, „ich bedauere, Ihren Antrag ablehnend bescheiden zn müssen. Von einer Verbindung zwischen Erika und Ihnen kann nimmermehr die Rede sein." In fassungslosem Befremden blickte der jung: Offi zier zu der Sprechenden hinüber. In seiner Brust vibrierte noch alles in seligster Schwingung. Nun war ihm, als würde er plötzlich von rauher Hand von blu miger, lickter Höh in den finsteren Abgrund gestürzt. Schmerz und Empörung rangen in ihm. „Darf ich Sie nicht um eine Erklärung bitten, gnädige Frau," sagte er. „Ihr Bescheid überrascht mich, offen gestanden, und ist mir unerklärlich. Ich glaubte, bei dem Wohlwollen, welches Sie mir bewiesen haben, kosten zu dürfen, daß Sie meinen Antrag wenigstens in Erwägung ziehen würden." Frau Schrader verneinte mit einer entschiedenen Geberde. „Mein Entschluß ist wohl erwogen," antwortete sie, und mit einem Blick, der ihr düsteres Antlitz auf einen Moment erhellte, fügte sie hinzu: „Meine Ab lehnung richtet sich nicht gegen Ihre Persönlichkeit, Herr Lentnant- Durchaus nicht- Ich habe Sie vielmehr schätzen und achten gelernt. Sie sind mir durchaus sympathisch, Herr Leutnant. Um so mehr schmerzt cs mich. Ihnen eine freundlichere Antwort nicht erteilen zu können." Klaus Wollnrars "rstaunen wuchs und zugleich seine Seelenangst, das teure, junge Mädchen, mit dem er sich eben erst in Liebe gesunden, nun wieder verlieren zu müssen. „Aber, gnädige Frau!" rief er glühend/ „bedenken sie doch gütigst: Erika und ich lieben uns!" Sie werden «och Ihr Kind nicht unglücklich machen wollen?" Es zuckte und arbeitete in den Gesichtszügen der alte» Dame. Ein weicher, bittender Ausdruck kam zum Vorschein, während sie, ihre ineinandergeschlungenen Hände erhebend, flehenden Tones sagte: „Ich bitte Sie, dringen Sie nicht in mich, Herr Leutnant! Glauben Sie mir, daß ich selbst darunter leide, Ihnen nichts anderes erwidern zu können, als ein kurzes, festes Nein. Lassen Sie uns ein Gespräch beenden, das doch nur für beide Teile eine nutzlose Qual wäre!^ Fortsetzung folgt.' Kein« Pansenr So seid nun wacker allezeit (Luc. 21, 36)! Schon manchesmal haben wir dem unermüdlichen Murmeln eines Baches gelauscht, wenn uns unser Weg an seinem Ufer entlang oder über ihn hinwegführle. Nun will er uns aber einmal etwas ganz besondrer erzählen, das nicht nur mit sanltem Getön in unser Ohr dringen soll, sondern das einen Widerhall finden muß in der Tief« unsre» Herzens. Wir hören heute, wie solcher Bach uns fragt: »Weißt d» auch, du Menschenkind, wa» für mich das Allernotwendigste ist, ohne das ich nicht eine Minute so fröhlich und so geschäftig sein kann? Ich brauche lebendiges Gefälle, die vorwärtsdrängende Kraft. Ohne Pausen muß ich dahineilen in fröhlichem Lauf, nur so summt das Getriebe der Mühlen, deren Räder ich drehe, nur so ist mein Wasser frisch und hell. Wollte ich auch nur einmal einen Tag lang eine Pause in meiner Wanderung eintreten lassen, so würden die Mühlen still stehen und mein frische» klares Wasser würde bald sich in einen häßlichen Sumpf verwandeln, dem jeder gern au» dem Wege geht." Daß wir doch diese Worte deS Bächlein» recht be herzigen wollten; denn sie reden von unserer eigenen LebenLkraft. Auch unser Leben wird nur dann frisch und klar fein, nur dann allerlei Kräfte entfalten können, wenn in ihm beständig der rechte, lebendige Strom fließt, der Strom de» inneren, de» religiösen Leben». Auch hier ist der größte Fehler der, daß e» bei un» so oft Pausen gibt, Zeiten, wo da« Bächlein gleichsam keine neu« Waflerzusuhr bekommt und darum auStrocknet, oder wo sein Lauf ver ringert wird, daß er schließlich nur noch ganz träge dahin schleicht. Unser religiöses Leben muß dämm immer neue, stark« Zufuhr erhalten, au» dem reichen Innenleben großer, starker Persönlichkeiten, von denen un» die heilige Schrift oder der Geschichte oder unsre eigne Lebenserfahrung be richtet, au» den Erlebnissen ganzer Völker müssen wir immer nur da» eigene Innenleben speisen. Immer wieder muß auch die Gemeinschaft mit anderen, die demselben Ziele zustreben, un» neue Triebkraft verleihen. Ja, wacker sein allezeit, da» ist die Aufgabe, die jeder neue Morgen un» vor die Augen stellt. ES gibt ja so viele», da» da» frische Qnellwasser religiösen Leben» nicht in unsre Seele gelangen lassen will. Das sind hier die Schicksale, die rauhen, schweren, die da» Menschenherz verhärten, aber oft sind's auch die allzu sonnigen Strecken, die e» träge machen. Bald ist e» eine nur schwer auizurottende, tief im Menschenwesen ein gewurzelte Liebe zu irgend welcher Sünde, die immer wieder ihre giftigen Keime hervorsprießen läßt. Bald ist e» auch die Umgebung, in die der Mensch gestellt ist, die mit ihrer dumpfen, schweren Luft ihn betäubt. Und überall ist die Folge, daß in dem rechten Innenleben de» Menschen Pausen eintrelen, gefährliche Pausen, die der Seele ebenso schädlich sind wie dem Leibe die Pansen in der Arbeit de» Herzen». Jeder ernstgesinnk Mensch, der nicht nur ein Schein leben, sondern ein wirkliche« Leben führen will, muß des halb darauf bedacht sein, daß er in seinem religiösen Leben solche Pausen vermeidet. Da» kann er aber am besten dann, wenn er die Lebensgemeinschaft mit Jesu» recht ernst nimmt. Wenn er keinen Tag, kein Werk beginnt, ohne zuvor einen kurzen, fragenden Blick auf seine Gestalt ge worfen zu haben. Wenn er von ihm sich leuchten läßt durch die Zeiten der Not und Trübsal, wenn er von ihm sich warnen läßt in den Tagen de» Glück». Wenn er von ihm sich die oft trübgewordenen Augen wieder auftun läßt, damit er wahre Worte von falschen unterscheiden kann. Au» solcher fester Verbindung mit Jesu» wird ihm stet» neues, klare» Quellwasser in die Seele strömen, da» ihn erquickt und erfrischt und zugleich mächtige Triebkraft ist zu gottgefälligem Leben. L.A Druck und Verlag von Langer L Winterlich. Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur HSHnel, Mesa. ErDhIrr an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". m. S4. «-I«. »<» SS. IiU4 n. Ut> ewig migedeelt. Vaterländische Erzählung von A. v. Liliencron. Fortsetzung. Wellers Rappe machte Miene zu steigen- Viel leicht hatte er eben wieder einmal zu fest in die Zügel gefaßt. Jedenfalls beschäftigte er sich jetzt so angelegent lich mit dem Pferde, daß sein Gesicht sich rötete und er die Antwort schuldig blieb. „Nun Glück zu für gute Heimkehr, Sie tapferer Blondkopf!" Wrangel winkte dabei voll Herzlichkeit dem jungen Mädchen zu. „Auf Wiedersehen in friedlicheren Zeiten! Kommen Sie, Weller, wir müssen nach der Furt reiten!" Die Herren grüßten und trabten davon. lieber Aga war ein Gefühl der Schüchternheit ge kommen, sie wußte nicht, warum und weshalb. Sie atmete tief die frische Seeluft ein, als könne sie sich dadurch von dem beklemmenden Gefühl befreien, das sie beschlichen hatte. Unwillkürlich wurde es ihr schwer, die Unterhaltung in der lebendigen Weise fortzufnhren, wie es vordem geschehen war. Eine Stunde darauf kam der Schloßmüller verabredetermaßen, um das junge Mäd chen in seinem offenen Bauernwagen nach Jgeskov ab- ßuholen. Die Geschwister nahmen Abschied mit dem Gruß: ,„Aul Wiedersehen morgen früh!" Ruhig vergingen die ersten Stunden oer Nacht. Gleich nach 1 Uhr marschierte die 3. und 1. Kom pagnie aus dem kleinen Hüttenlager ab, um die beiden anderen Kompagnien von dem Vorposten dienst abzulösen, als plötzlich , der Feind in dichten Tirailleurschwärmen gegen die Skellung der Truppen anstürmte rind sofort den ungedeckten rechten Flügel umfaßte. Die Dänen hatten die vorgeschobenen Posten dadurch getäuscht, daß sie sich für die zurückkehrende lArbeitskompagnie ausgaben. Das erschien sehr glaub- baft, da in dieser Nacht gerade an den dort befindlichen Batterien gearbeitet wurde und der Feind dieselben Röcke trug wie die Arbeiterkompagnie. So geschah es, daß die Posten den Feind un gehindert dicht herankommen ließen und nun sofort von ihm erstochen wurden. Auf diese Art gelangten die Dänen, ohne einen Schuß Zu tun, bis hart vor die Verteidigungsstellung- Einen Augenblick zwar wichen sie Zurück, als ihnen aus den Laufgräben ein wohl gezieltes Feuer entgegenblitzte, aber gleich darauf dran gen sie verstärkt vor und sprangen in die besetzten Laufgräben- Ein erbitterter Kampf mit Kolben und Ba jonett entwickelte sich in dem engen Raum, und ein grauenhaftes Durcheinander entstand. Leutnant von Drigalskh kam mit seinen Leuten der schwer bedrängten Kompagnie Zn Hilfe und sprang rasch entschlossen mit den.Seinen mitten zwischen die Kämpfenden. Es gelang ihm wirklich, den Feind noch mals zurückzuwerfen. Auf dem rechten Flügel war unterdessen die erste Kompagnie den andringcnden Dänen entgegengcganzen Und kämpfte, mit der Rücklehnung an ein Knick, helden mütig gegen den überlegenen Feind. Wrangel sowohl wie Weller wären bei den ersten Schüssen schon vom Lager aufgesprungen und rasch.hinausgeeilt, ohne erst Sine Meldung abzuwarten. Links von den beiden Offi zieren hatte diese Nacht eine Abteilung an den Schan zen gearbeitet- Eine starke dänische Kolonne »var durch die Schlucht gedrungen, erstieg eben das Plateau und griff die Leute im Rücken an. Das entsetzte sie der maßen, daß sie kopflos davonstürzten. Wrangel, die Gefahr bemerkend, eilte mit seine« Adjutanten sofort dahin. Mit kräftiger Stimme donnerte er dazwischen und schmetterte ihnen ein lautes .Halt" zu. Weller reckte mit gezogenem Säbel die Klinge weit aus und warf sich ihnen so entgegen. Das brachte sie zur Besinnung, sie stutzten und standen. Vor ihnen lief von Besten nach Oste« ein Knick. Cs gelang Wrangel, mit Hilfe seines Adjutanten, den Knick zu besetzen Die Leute, die den Schreck überwunden hatten, fochten heldenmütig. Doch immer neue feindliche Scharen tauchten auf, und die erdrückende llebermacht nötigte Wrangel, seine Stellung zu verlassen und eine neue aufzusuchen. Weller biß die Zähne zusammen. Sam es jrtzt, dies entsetzliche Rückwärts, und sollte er Schritt für Schritt durchmachen, was ihm doch so namenlos schwer wurde? Aber kein Denken jetzt, dazu war keine Zeit, kämpfen bis zuletzt, und mit Ehren den Rückzug an treten! Durch die Seeufer gedeckt, gingen «immer neue feindliche Abteilungen längs des Strandes vor und erstiegen auch durch die nördlich gelegenen Schluchten das Plateau. Wrangels nächste Stellung zeigte sich jetzt auch unhaltbar, denn er wurde in der Flanke und iw Rücken gefaßt. Es galt für Offiziere und Soldaten das Aeußerste zu leisten, um in todesmutiger Pflichterfüllung standzuhalten. Dabei war es noch so dunkel, daß man Freund und Feind kaum unter scheiden konnte und es dadurch schwer hielt, eine entstandene Unordnung zu beseitigen. Dem unab änderlichen Zwange folgend, mußte Wrangel mit seinen Leuten von einem Knick zum anderen weichen. Noch waren beide Offiziere unverwundet, aber beide litten schwer unter diesem Kriegsunglück und unter dem Ge danken, was aus diesem hoffnungslosen Kampfe mit einer erdrückenden llebermacht werden sollte. Für Weller, kam noch die quälende Angst um die liebe lütte Dirn dazu, die er in Gefahr wußte, und zu der er doch nicht hineilen konnte. Endlich war das vorgeschobene Hüttenlager er reicht, und Wrangel hoffte sich hier halten Z» können, bis seine nach allen Richtungen ausgcsandten Meldungen ihm Unterstützung bringen würden. Weller kämpfte mit dem Mute der Verzweiflung, immer war er da, wo die gefährdetste Stelle sich zeigte, feuerte dis Leute an und riß sie durch Wort und Beispiel zu den äußersten Kraftanstrengungen fort. Es gelang auch wirklich, die anstürmenden.Dänen aufzuhalten und ihnen empfindliche Verluste beizubringen. Doch bald um- Zingclte der Feind das kleine Häuslein immer enger und beschoß es von allen Seiten. Wrangel sah ein, daß er sich dieser Einschließung notgedrungen entziehen mußte. Weller sammelte die Leute um seinen Hauptmann, er selbst nahm die Außen front, und nun ging es mit gestilltem Bajonett, im Laufschritt sich dicht an den großen Knick haltend, in der Richtung auf Christianenberg vor. Das zischte, pfiff und prasselte in der Lust, die Schüsse hagelten von allen Seiten auf sie nieder, aber es gelang dennoch^ das dahinter liegende Hüttenlager zu erreichen, den an-