Volltext Seite (XML)
178. Dienstag, 4. August litt 4, abends. Beilage znm „Mesaer Tageblatt". Rotationsdruck und «erlag von Langer L Winterlich in Riesa. - Für die Reaktion verantwortlich: ArthurHähnel in Riesa. «7. Jahrg. Aö schied W Nun macht den Abschied nicht so schwer! Es scheiden heut' der Treuen mehr. Und wenn auch manches Auge bricht, Du, Herrgott, läßt Alldeutschland nicht. Der Kaiser rief. Die Stunde schlägt. In meinem deutschen Busen regt Sich einzig nur und unverwandt Mein Herz für dich, lieb Vaterland. Gebt in die Faust Gewehr und Schwert! Mein Vaterland, du bist es wert, Daß ich verlasse Weib und Kind Und alle, die so lieb mir sind. Ich geh' mit Glauben, frohem Mut. Mit dir, Herr, wird ja alles gut. Schenk' unfern Waffen Nuhm und Glück! Und sicggekrönt kehr'» wir zurück. Fritzsching. Unsere Frauen. Nun hat auch das stillere Heldentum der Fran seine große Zeit- Sie, die berufenen Hüterinnen der Liebe, die Mütter und die Gattinnen, sie werden ja in der Seele so viel schwerer noch getroffen von der Orgie des Hasses und des blutigen Ringens. Hingeben, was man liebt; es kämpfen sehen, und nicht mitkämpfen können: das schauerliche Schicksal über ihm zu sehen, und nichts, gar nichts an diesem Schicksal ändern können: das fordert auch Mut, fordert Kraft, fordert Heldentum. Achten wirs in seiner Größe, nm ihm die Schwere solcher Größe dadurch von uns aus »ach Kräften zu erleichtern. Nicht an unserem Mute, nur auch an unserer Dankbar keit möge sich die Seele unserer Frauen aufrichtcn zu dem Ausharren, zu den Merken der Liebe, zu den Opf.'rn der Treue, die in der nächsten schweren Zeit von ihnen gefordert werden. Menn von dem Mut und den stolzen Pflichten un serer jungen Krieger jetzt überall die Rede ist, wenn sich Millionen gespannter Blicke auf die Ereignisse len ken, die auf den Schlachtfeldern draußen über den Gang der Weltgeschichte entscheiden, vergessen wir dann nicht auch der Kraft von Liebe und Treue zu gedenken, die da heim aufgespeichert das Schicksal jedes einzelnen, dec in der Front vor den pfeifenden Kugeln steht, sorgend um sängt. Wenn wir ihrer denken, fühlen wir so recht die hohen Güter, für die wir uns eigentlich schlagen; fühlen wir die Seele des Volkes der ungeheuren Entscheidung entgegen bangen- Macht euch stark, ihr Frauen, wie wir es sind! Macht euch innerlich stark, so helft ihr uns am besten, das Große und Furchtbare tragen, das die Geschichte nun gerade unserer Zeit auf die Schultern gelegt hat. Die Vorsehung traut dieser Zeit etwas zu. Wir wollen ihr Vertrauen nicht täuschen. Aber es ist alle Kraft dazu nötig, die des ganzen Volkes. Und die Frauen gehören zu diesem Lolksganzen nicht minder als die Männer. Wir müssen nun einig sein in Kraft und Stärke, damit kein Riß gehe durch die Stimmung unseres Lan des, kein Zwiespalt durch die schöne, feste Entschlossen heit, mit der wir die große Aufgabe lösen wollen und allein lösen können. Wir haben sie uns nicht selbst gestellt, diese Ausgabe. Wer könnte sich zu so etwas selbst berufen wähnen? Nun uns aber ein Höherer beruft, laßt uns unsere Pflicht zusammen tun, wie wir sie bisher zusammen taten und für das Frohe, das wir zusammen genojscw. endlich zahlen mit dem Ernst, den wir nun zusammen tragen. Denn zusammen tragen wir, mögen wir auch räum lich auseinander müssen. Die Herzen bleiben einander nahe. Und so wollen wir einander stark wissen, damit eins am andern seinen inneren Halt finde. Wir wollen einander groß wissen. Denn der große Augenblick kann keine kleinen Menschen brauchen. Nnn wollen wir alles, was uns an Liebe verbindet, gleich auf Hie Ewigkeit anichreiben, damit wir uns gar nicht erst mit Monaten uns Jahren verrechnen. Wir sind Deutschland, ihr Frauen und wir Männer von heute. In diesem Namen unseres Volkes müssen unsere Herzen alle schlagen. Tann wissen wir, daß wir eins sind, mag nun dies oder das unser Schicksal sein. AaL wir leisten, was -wir erleben, leisten und erleben wir kür Deutschlands Zukunft, für das Leben des Lan des, das uns alle umfängt, für seine Sprache, für sein Denken und Glauben, für seine Seele. Der Krieg ist eine harte Sache, zumal dieser Krieg! Tie Frauen werden seiner Anforderung nur gewachsen sein, wenn auch sie sich aufrichten zur stolzen Höhe des Pflichtbewußtseins, wie cs der Weltwendcpunkt die ser Tage fordert. Nun mögen die zurücktreten, dis bisher mit buntem Putz und leichtem Flitter sich im Vorder gründe zu zeigen liebten; oder sie mögen in ihrer Seele znrückdrängen, was zu diesen Tändeleien neigte. Die Stunde ruft nach der Fran, die es wirklich ist, reif und rein bis in die innersten Tiefen des Gemütes. Nun wird es Wunden zu verbinden und Tränen ,:n trocknen geben. Jetzt sind Kranke zu pflegen und Sterbende zu trösten. Wie Wunderbares hat Frauenge müt und Seelenstärke da schon so oft geleistet!. .Und die oeutsche Frau zumal! Wer wüßte es besser, wenn die eigene Seele blutet, immer noch anderen etwäs zu fein! Andere nichts merken zu lassen als die Liebe, den Trost, die Hilfe. Gebt diese Hilfe und Liebe, ihr deutschen Frauen, eurem ganzen Volke! Rechnet nun nicht mehr im ein zelnen und besonderen, sondern bloß noch im ganzen: was ihr für Deutschland tut, als große hingebende Ge samtleistung, das tut iHv ja auch denen, die ihr da drau ßen unter den Kämpfenden und unter den Verwundeten besonders liebt. Was ihr dem Fremden, tut eine Fremde dem Euren. Es gibt nur noch ein großes einmütiges Liebeswert zu tun. Helft alle, daß es so groß, so um faßend werde wie möglich und ihr könnt sicher fein, daß es dann auch diejenigen erreichen wird, denen ihr cs so vor allem gönnen möchtet- Ihr Mütter und Gattinnen, ihr Schwestern und Töch ter. eure Liebe ist auch eine Heeresmacht, wenn sie «stark ist, wenn sie nicht nur Tränen und Sorgen kenrst, sondern noch mehr Arbeit und Hilfe. Nicht nur die Zahl der Armeekorps ists, die uns stark macht, sondern mehr roch das, was an.moralischer Macht dahinter steht. Und dazu gehört eure starke Liebe, ihr Frauen. Niemand ge wiß wird euch eure Tränen verargen und euerkbittcres Bangen verübeln. Aber denkt, damit allein könntet ihr eure Männer draußen nur schwach machen. Und müßt ihr selbst sie nicht stark wünschen? Tenn was wird das Los des Schwachen sein in einem solchen Krieg! Helft euren Männern stark zu sein, indem ihr selbst stark seid! Und euch selbst macht stark, indem ihr wirkt und handelt. Tumpfes Brüten in Gedanken, tatloses Klagen: ihr werdet selbst spüren, wie das lähmt und schwächt, wie das quält und martert. Wer sich rührt, > dem wächst die Kraft, der gewinnt sich Mut, der wird anderen Halt nnd Hilfe. Nicht auf die Männer nur sieht die Vorsehung in diesen Schicksalswochen! Ihr deutschen Frauen, ihr seid auch deutsches Volk! Ihr habt dieses entscheidende Stück deutscher Geschichte mit zu ent-' scheiden« Nun zeigt, daß ihr nicht umsonst stolz gewesen seid auf das, was eure Mütter und eure Urgroßmütter vor üv und vor 100 Jahren getan haben! Das Weißbuch über ben Kriege Dem Reichstage sind von der Regierung eine Denk schrift und die Aktenstücke zum Ausbruche deZ Krieges zugegangen Einleitend wird anschließend an den Sera- jewoer Anschlag die serbische Politik auf Revolutionierung nnd Losreißung österreichischer Landesteile dargelegt: Zum dritten Male in sechs Jahren führt Serbien Europa an den Rand eines Weltkrieges, weil es sich bei seinen Bestrebungen von Rußland gestützt glaubte. Der Balkanbund brach über die Frage der Bentevertei- lnng zusammen. Ein neuer Balkanbund unter russischem Patronat sollte seine Spitze gegen den Bestand. Oe st erreich-Ungarns richten. Dem konnte Oester reich nicht noch länger tatenlos zusehen. Aus vollem Herzen konnten wir die bezüglichen Mitteilungen unseres. Bundesgenossen mit Einverständnis seiner Einschätzung der Sachlage beantworten und die Billigung einer Ak tion, die er für notwendig hielt, um der serbischen Be wegung ein Ende zu machen, aussprechen. Wir konnten weder zur Nachgiebigkeit raten, noch unfern Beistand versagen, da auch unsere Interessen durch die andauernde serbische Wühlarbeit auf das 'empfindlichste bedroht waren. Ein moralisch geschwächtes, durch das Bor-. dringen des Panslawismus zusammenbrechendes Oester reich wäre für uns kein beachtenswerter Bundesgenosse gewesen- Wir ließen daher Oesterreich Aöt'lig freie Hand in der «Aktion gegen Serbien, Die Denkschrift bespricht sodann die Entwicklung der österreichischen Schritte gegen Serbien nnd sagt: Von Anfang des Konfliktes an hatten wir den Standpunkt, daß es sich um eine Angelegenheit Oester reichs handelte und diese allein mit Serbien nuszutragen habe. Wir bestrebten uns daher, den Krieg zu lokalisieren und die anderen Mächte von der berechtigten Notwehr Oesterreich-Ungarns zu überzeugen- Oesterreich-Ungarn teilte Rußland mit, es beabsichtige lediglich defensive Maßregeln gegenüber der serbischen Wühlerei, verlange aber Garantien für ein weiteres freundliches Verhalten Serbiens. Es liege Oesterreich gänzlich fern, eine Verschiebung der. «Hoffnung und Hkück. . Roman von E. v. Buchholtz. 17 Und zuletzt, als alles Abraten nicht fruchtete, kam schließ lich Meta zu der Erkenntnis, daß es das Nichtigste sei, die Sache ihren Gang gehen zu lassen. Weil» auch nichts anderes daraus entstand — die Jugend ihrer Schwester hatte we- uigstenS ihren Teil Poesie und Romantik, der der Jugend gs- bührt, und den sie, das so früh nm das tägliche Brot rin gende, für die kindliche Schwester sorgende Mädchen, hatte entbehren müssen.— Erft gegen Mittag kehrte Pastor Halemeyer von der Aus übung seiner Berufspflichten zurück. Er ivar von der Land- tonr angegriffen nnd bat gleich um das Mittagessen. Mieze deckte den Tisch. Das junge Dienstmädchen, im Kreise der Familie unter Ausschluß der Oeffentlichkeit „die kleine Pute" genannt, war für feinere Kunstgriffe des Haus haltes trotz heißen Bemühens seitens Fran Halemeyers nicht zu gebrauchet!. Der alte Herr stand am Ofen, um sich anfzuwärmen, er stellte sich auf die Mahlzeit und auf das darauffolgende Ausruhen im bequemen Lehnsessel. Er lächelte wehmütig. Das kam von dem Nahen des Alters. Seine geistigen Kräfte und die Fähigkeit des geistigen GenießenS stumpften ab, das Materielle und Prosaische im Leben gewannen die Oberhand. „Heute nachmittag haben sich Lalldecks augemeldet," er zählte Mieze, „Viola war mit ihrer Cousine hier. Weißt Du, Onkel, daS ist die Stumme. Mir war etivas unbehaglich in chrer Gegenwart." „Kommen alle?" fragte Pastor Halemeyer. „Ja, bis ans die Mutter. Die erwartet Besuch." „Hermann wird sich schwerlich von seiner Exanienarbeit loLreißen," meinte der Pastor. Mieze hob lebhaft den blonden Kopf. „Aber Onkel!" sagte sie fast vorwurfsvoll, „der wird doch nicht zn Hanse bleiben." Sie lachte siegessicher. „Der kommt!" Halemeyer betrachtete die Nichte nachdenklich. Bis jetzt hatte er das sehr reine, romantische Verhältnis eigentlich als Kinderei betrachtet. Ihm schien die naive Nichte überhaupt Loch nöllig Kind. Aber das Mädchen, das da eben so selbst verständlich und triumphierend sagte: „Der kommt!" das war kein Kind mehr, das war ein Weib, das ganz genau lvußte, was es dein Manne galt. Der Pastor nickte sinnend vor sich hin. Ja, seine kleine Nichte war erwachsen, und er ? Die Jugend braust heran wie ans Sturinesflügeln und stößt mit kecker Hand die erschrockene Kindheit vom Throne. Allmählich nur schleicht das grausame Alter heran, die widerstrebende Jngend langsam, schmerzvoll erwürgend. Pastor Halemeyer trat ans Fenster nnd sah in den Flocken regen. Wie das weiß herniederrieselre I Alles, was wüst und schwarz und häßlich war, was lebte, kämpfte und litt, mit dem lockeren Schneetnche sauber verhüllend — ein Sinnbild starrer Resignation. Er dachte an seine Jugend. Da wat ihm die Zukunft ein schönes, lockendes Weib gewesen, das mit ver heißungsvollem Lächeln an der Pforte des Paradieses stand, bereit, sie zu öffnen, da ivar sie ihm noch nicht als die wi drige Hexe erschienen, die nur das Entweder — Oder der bei den, fast gleich traurigen Wege zur Vernichtung und zur Ent sagung wies. Die Tur öffnete sich, di« „kleine Pute" trat mit der Sup penterrine ins Zimmer und «lachte seinen Reflexionen ein Ende. Die Fran Assessor war noch erregt, als sie voll dein Be such der jungen Damen berichtete. Sie ivar sehr leicht erregt. Besuch von Fremden galt ihr stets als ein peinlicher Vor gang; sie bedauerte die Abwesenheit des Hausherrn noch nach träglich. In ihren Angen war überhaupt die Gegenwart eines Mannes in allen Lebenslagen etwas sehr Wertvolles. Es bedeutete für sie seinerzeit eine ungeheure Beruhigung, als Pastor Halemeyer vor Jahren den Wunsch ausgesprochen hatte, die Cousine möchte mit den Töchtern in sein verein samtes Haus ziehen, und die Witwe batte mit Frenden den Vorschlag angenommen, trotzdem sür Melas Wirksamkeit ein auderer Wohnort vorteilhafter gewesen wäre. „Unter dein Schutze eines Mannes" galt ihr als beste Garantie für ein glückliches Leben. Sie ivar die Fran Assessor in allen Alters stufen geblieben. Die kleine Frau war eben nie avanciert, auch geistig nicht, aber sie trug die Bürde des Lebens mit einer ge wissen liebenswürdigen Bereitwilligkeit. Die Zeit drängte:- jetzt vor Weihnachten gab es viele Aufträge. Sie war froh dar über, verdiente sie doch reichlich dabei und konnte den Ihre» Freude bereiten. An sich selber dachte sie nicht. ES war ja immer so gewesen. Schon seit langen Jahren hatte sie sich an strengen müssen, nm etwas zn erreichen, d. h. „etwas" nannte sie nur, was Geld eintrug, einen andern Maßstab gab es nicht für sie. Eine Zeitlang hatte sie wohl gedacht, wie schön eS wäre, die Freuden des Schassens in der Kunst zu empfinden, Borbqi! / Schnell nnd geschickt fuhr der Pinsel über das Papier. Jetzt war sie fertig. Gerade zur Zeit, um in die Küche zu ge he«; die Kasfeebereitnng gehörtest ihre» stehenden Oblie genheiten. Die „kleine Pute" war nicht recht mit dein Feueranzün« den zustande gekommen. Meta schickte sie fort und machte selber ans Werk. Die Hände, die so gewandt den Pinsel zu führen lvitßteu, verstanden ebenso die grobe ArbLit zu ver richten. Da trat Mieze in die Küche. „Du,Meta? Nimm ja nicht zn wenig Bohnen! Sie reichen doch noch? Weißt Dn, der Al fred ist gräßlich mokant! Als ich neulich drüben war, fragte er mit seinem süffisantesten Lächeln, ob ihn» Tee vder Kaffe« serviert worden wäre." Meta lachte. „Laß ihn sich doch mokieren. Wentt er will, kann er sich über vieles bei uns lustig machen." „Metachen!" Fran Halemeyers feines Stimmchen klang schon außerhalb der Tür. „Du mußt den Kaffee etwas stcitker machen; Alfred liebt ihn uicht dünn. Wird er auch noch rei chen?" „Er ivird schon, Mama!" Meta lächelte, während sie die Bolmen malte. „Vor Alfred habt Ihr ja einen heillosen Re spekt! Um den wird niemes Erachtens nach überhaupt viel zn viel Wesens gemacht." Mieze seufzte; man wußte nicht recht, galt es dein dün nen Kaffee, Alfreds Bevorzugung oder Hermanus Vernach lässigung durch die Mutter. < Da betrat auch Pastor Halemeyer die Küche. Er steckte sich. — eine drin Landpastorendasein gemachte Konzession — seine Pfeife an den glühenden Kohlen im Herde an. ; 823,20