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2. Beilage zam „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer ck Winterlich in Rjefa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur HLHnel in Riesa. 1l7f Montag, S August lt»14. abend». «7. Jahr,. Aufruf Belogen, betrogen ist unser Vertrauen. Ein Pfui! über Rußlands schmähliche List, Nun soll eS an deutschem Eisen kauen, Bi» jeder Zahn ihm gebrochen ist. Laßt klirren die Schwerter, laßt klingen die Speere, Die Rosse stampfen, daß die Erde erdröhnt, Schickt gegen den Feind Millivnenheeret Man hat un» nicht untsonst verhöhnt. Fanfaren laßt blasen und Banner flattern, Kanonen dreinfahren, daß es blitzt und kracht, Maschinengewehre rasseln und knattern! Tod und Verderben der Niedertracht! Alldeutschland, jetzt schlägt deine schwerste Stunde; Jetzt all deine Güter zusammengerafft! ? Den Glauben, den Mut und das Recht im Bunde: So siegt die deutsche Heldenkrast! 2. W. Der Kriegsausbruch. Der Würfel sei geworfen! Nach zwei Tagen des Hangens und Bangens in schwebendster Pein ist Ker Krieg sine Tatsache geworden und der Mobil machungsbefehl ergangen. Spreng endlich deine Höhle, lang verhaltener Groll! Zum Himmel fliehe, keioende Geduld! Tas deutsche Volk hat jahrelang ertragen, was ein Volk ertragen kann. Es bat der schweren Versuchung getrotzt, die unvergleichlichen Er folge seines französischen Krieges zum Sprungbrette einer Eroberungspolitik zu machen; einer Versuchung, der die Besiegten von Sedan vor einem Jahrhunderte erlegen waren, als das Glück der Schlachten ihnen die Lorbeeren von Jemappes Lodi und Märengo in oen Schoß geworfen hatte. In den Tagen des Frankfurter FristwnS hörte man Stimmen, daß wir auch in Rußland noch ein uncrlöstes Stück deutscher Erde hätten, dem wiederge- wonnensn Reichslande entsprechend: die Provinzen, über die einst der Orden derSchwertbrüder und die Hansa geherrscht hatten- Sogar aus dem Munde Bebels und Liebknechts des Aelteren kamen damals solch« Töne. Tas amtliche Deutschland hat niemals etwas von diesen Anregungen wissen wollen. Wir haben mit keiner Tat handlung, keinem Worte, vielleicht kaum mit einem Gedanken nach des Nachbarn Hause getrachtet- Wir haben . gerade gegen Rußland allezeit eine freundliche Gesin nung bekundet, betätigt, die manchmal haarscharf an die Grenzen unseres berechtigten Jnteressenschuhes zu streifen schien. Wir übten wohlwollende Neutralität in Rußlands schwerem Türkenkriege und ließen russische Trauer deutsche Trauer sein, als Japan seine Flotte zerschmetterte. Und nun dieser Dank. Jetzt heißt es einmütig zusammenzustehen in den schweren Tagen, die fremde Sch«lsucht über uns herauf beschworen hat. Vor dem Ernste der Stunde hat aller kleinlich« Parteihader zu schweigen. Wie 1870 mit dem Zauberschlage der napoleonischen Herausforderung die Gegensätze von Nord und Süd vergessen waren, die Wun den des Bruderkampfes von 1866 zu brennen aufhörten, so sollen auch heute alle, in deren Adern ein Tropfen deutschen Blutes glüht, sich wie ein Mann uw den Kaiser zusammenscharen, der sie zur gemeinsamen Wehr beruft, den teuren Boden der Heimat gegen einen der frevelhaftesten Angriffe ans den Völkerfrieden zu schirmen. Wir hörten in diesen Tagen Stimmen rechnender Aengstlichkeit, die deutsches Blut für einen angeblich allein österreichischem Zweck zu opfern Bedenken trug. H.-ute müssen §ie verstummen unter der Wucht der Tatsache, daß wir unmittelbar von Rußland herausgefordert wurden, daß ein gegen Treue und Glauben verstoßendes Verhalten der zarischen Regierung uns selbst die Waffe in die Hand gedrückt hat, noch ehe die Zeit erfüllt wurde, wo wir sie für unseren Verbündeten zu ziehen brauchten. Und dieser Verbündete war, das soll nicht vergessen werden, bis vor 38 Jahren ein Stück von unserem Fleische, war Deutschlands alte Kaisermacht, die noch ein so glühender preußischer Patriot wie der Sänger der Freiheitskriege Max v. Schenkendorff in ihren ange stammten Rechten wiederhergestellt wissen wollte. Heute darf die einzige Losung sein: Treue um Treue gegen unseren Verbündeten! Und wir haben ja auch begründete Hoffnung, daß unser dritter Alliierter uns nicht ver lassen. sondern Arm in Arm mit uns den gemeinsamen großen Entscheidungskampf für Mitteleuropas Ehre und Macht gegen die Drängen von Ost und West bis zum Ende ausfechten wird Am 2. August, dem erste» Mobilmachungstage, kreuz ten wir vor 44 Jahren zum ersten Male unsere Waffe» mit dem Gegner von damals. Hoffen wir, daß der Herr der Schlachten auch dieseSmal unsere Fahnen s-'gne wie in dem großen Jahre, daß bald wieder die hohen Lüfte ein Donnerton durchzittere wie von Forbach aus den Klüften von Weißenburg und Wörth! Daß der gewaltige Recke, der am 2. August seit 16 Jahren im grünen Sachsenwalde ruht, aus lichten.Höhen auf ein zum zeiteu Male siegreiches, weil wie damals e i n i g e s Reich herab blicke! Die Russe« im Laude! Rußland scheint es darauf angelegt zu haben, die Formen und Normen der Kriegseröffnung mit Füßen zu treten, die durch internationale Abmachungen fest gelegt sind. Und Rußland tat sich so viel auf seine Anregungen zu den Völkerrechts- und Friedenskongressen zugute: Rußlands Zar tat so entrüstet, als die „Japs" seine Schiffe überfielen, nachdem sie ihm eine Kriegs ankündigung zugeschickt hatten, in der aber für das Wort „Kriegserklärung" eine Umschreibung gebraucht war! Nun haben tatsächlich die russischen Grenztruppen schon angegriffen, ehe die Ablehnung des Ultimatums in Berlin bekannt wurde; und in der Nacht zum 2. Au gust sind ganze Kosaken-Schwadronen in preu ßisches Gebiet eingefallen, ohne daß die von der letzten Haager Konferenz vorgeschriebene förmliche Fehdean,age von der einen oder der anderen Seite ergangen wäre. Rußland wollte angreifen, wollte uns überfallen, und diesen Entschluß hat es nicht von gestern auf heute ge faßt: schon seit Januar dieses Jahres hatte man diesseits Nachrichten von heimlichen Vorkehrungen in ganz West-Rußland! Tas Vordringen kleiner russischer Abteilungen auf deutsches Gebiet war von jeher als eine unvermeidliche Begleiterscheinung russischer Kriege in Rechnung ge zogen: ist unsere Ostgrenze doch so langgestreckt, daß jeden einzelnen ihrer Punkte zu schützen eine Unmög lichkeit gewesen wäre, ja nach den Regeln des Krieges ein schwerer Fehler gewesen sein würde. Solange nicht der Kriegsaufmarsch unserer Armee gestört wird, bedeuten die Spazierritte der Kosaken auf deutschem Boden nicht daS geringste. Und im schlimmsten Falle würde die Anfmarschlinie ein paar Meilen zurückvcrlcgt werden müssen, waS auch ohne Bedeutung wäre. Alldeutschland eilt wie ein Mann zur Verteidigung der Grenzen gegen Barbarenhorden herbei: diese Tatsache ist eine so freudige Gewißheit, daß keine Besorgnisse vor einer verhängnisvollen Wendung aufkommen kön nen. Auch läßt das! Zögern Oesterreichs mit kräftigen Vorstößen nach Serbien hinein, das wir diese Woche beobachteten, darauf schließen, daß unser Verbündeter gleichfalls den weit überwiegenden Teil seiner Streitkräfte gegen den russischen Gegner ins Ierd stellen, nicht den Fehler einer Kräftezersplitterung durch übergroße Berücksichtigung eines untergeordneten Fein des begehen wird. Um den Kosäken-Streifpatronillcn baldmöglichst ihre Ausflüge in das - Innere unserer Grenzprovinzen gründlich zu verleiden, zu dem Zwuke ist bereits jetzt der Landsturm in den Grenzpro- vinzen aufgeboten, dem die örtliche Landesverteidigung und die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen den sich sammelnden HeereSkörpern der Linie obliegen wird. Wie ernst die Sachlage aber von unserer Oberkriezslei- tung aufgefaßt wird, wie man keine Vorsichtsmaßregel rechtzeitig zu treffen unterläßt, geht daraus hervor, daß nur ganz wenige Armeekorps-Bezirke (3., 4., 7 , 11., 12., 13., 19.) von dieser.Aushebung der gesamten männlichen Jugend zwischen 17 und 45 Jahren einstweilen ausge schlossen geblieben sind. Kuu-stebuvgen a«S Anlatz der Mobilmachung. In Berlin war am Sonnabend gegen 8 Uhr abends der Lustgarten mit Tausenden von Menschen angefüllt, die bis dicht an das Schloß heranstanden. Die Menge sang patriotische Lieder, auch „Ein feste Burg ist unser Gott" und rief immer wieder: Wir wollen unfern Kaiser sehen- Alsdann erschien an dem großen Fenster der ersten Mage über Portal 4 der Kaiser in der Uniform der Königsjäger zu Pferde, die Kaiserin und Herren <und Damen des Gefolges. Seine Majestät hielt eine Ansprache und sagte ungefähr folgendes: Er danke für die Liebe und Treue, die ihm erwiesen werde. Menn es zum Kampfe komme, höre jede Partei auf. Wir seien nur noch deutsche Brüder. In Friedens zeiten habe ihn ja wohl die eine oder andere Partei angegriffen, das verzeihe er von ganzem Herzen. Wenn unser Nachbar uns den Frieden nicht gönne, oann hoffe und wünsch« er, daß unser gutes deutsches Schwert siegreich aus dem Kampfe hervorgehe. Unbeschreiblicher Jubel brach los. Nach immer wie derholten Hurrarufen entfernte sich der größte Teil des Publikums unter depr Gesänge der „Wacht am Rhein". - Vor dem Reichskanzlerpalais machte g.'gen 9 Uhr ein imposanter Zug halt, der in ernster vatrio- tischcr Stimmung „Heil Dir im Siegerkranz" und „Lobe den Herren" sang. Der Reichskanzler erschien an einem Fenster des ersten Stocks und richtete an die Menge folgende Worte: „ ' In Ihrem Liede haben Sie unscrm Kaiser zugc- jubelt — ja, für unfern Kaiser stehen wir alle ein, wer und welcher Gesinnung und welchen Glauben» wir auch sein mögen. Für ihn lassen wir Gut und Blut. Der Kaiser ist genötigt gewesen, die Söhne des Volkes zu den Waffen zu rufen. Wenn uns jetzt der Krieg bcschieden sein sollte, so weiß ich, daß alle »junge» deutschen Männer bereit sind, ihr Blut zu verspritzen für den Ruhm und die Größe Deutschlands, aber wir können nur siegen in dem festen Vertrauen auf den Gott, der die Heerscharen lenkt, und der uns bisher noch immer den Sieg gegeben hat. Und sollte Gott in letzter Stunde uns diesen Krieg ersparen, so wollen wir ihm dafür danken. Wenn es aber anders wird, dünn mit Gott für König und Vaterland! Der Kaiser hat dein Oberbürgermeister von Berlin wissen lassen, daß die Huldigungen und Kundgebungen der Berliner Bevölkerung seinem Herzen wohlgetan Huben. Er bitte aber für die nächsten Tage von Ansammlungen und Kundgebungen in der Nähe des Schlosses abzu sehen mit Rücksicht auf die ihm obliegenden schwer wiegende» Entschließungen. Seine Tätigkeit für des Bol tes Wohl möge daher nicht gestört werden. Die Kunde von der Mobilmachung wnrde in Ham burg mit verhaltenem Ernst ausgenommen, der bald Begeisterung auSlöstc. Ueberall bildeten sich Gruppen, die die Ereignisse besprachen. Auf dem Jungsernstiege sammelten sich große Menschenmengen an, die die Ver lesung der Depeschen mit lautem Hurra ausnahmcn. König Ludwig von Bähe r n sandle an Kaiser Wühelm ein Ergebenhcitstclegramm, .in dem es u. a. he'ßt: Nie hat das Deutsche Reich vor einer ernsteren Entscheidung gestanden, als in dieser Stunde, in der seine Fürsten und Völker wie ein Mann aufstehen, um feine Ehre, seine Stellung, seine Zukunft gegen mäch tige Feinde zu verteidigen; nie aber wird die uner schütterliche Treue der Deutschen sich überwältigender offenbaren, als in dem uns aufgezwungenen Kampfe. DaS Vertrauen auf Gott und seine Gerechtigkeit wird unsere Heere stärken. In dem Bewußtsein ihrer <)>«- schlossenheit, ihrer eisernen Manneszucht, ihres ernsten Mutes werden sie den Kampf für das teure gemeinsame Vaterland mit Ehren bestehen. An das bayrische Heer hat König Ludwig nachstehendes Manifest gerichtet: An Mein Heer! Alle Versuche, den Frieden in Europa zu wahren, haben un sere Nachbar» zu schänden gemacht. Die Ehre des Ruches, das Schicksal des Vaterlandes stehen auf dem Spiele und zwingen uns das Schwert in die Hand. Unter dem Oberbefehl unseres erhabenen geliebten Lundesfeldhcrrn, des Deutschen Kaisers, wird auch die schon in manchen schweren Tagen erprobte bayrische Armee ihren Mann stellen, ihrer in ernster Friedcnsarbeit gestählter Kraft bewußt, ein würdiges Glied unseres großen deutschen Heeres, würdig der Opfer ihrer Väter. Mit diesen Wün schen begleite ich meine brave Armee ins Feld. Ver- trauend auf den allmächtigen Gott, der unsere gerechte Sache schirmen wird, erflehe ich seinen Segen für Bayerns und des deutschen Heeres Fahnen. Gegeben Ludwig, München, den 1. August 1914. Dresdner Stimmungsbilder. 88 Wie überall in deutschen Landen ist auch in Sachsen und dessen Landeshauptstadt die Kunde der An ordnung der Mobilmachung mit großer Begeisterung aus genommen worden. Gegen V,7 Uhr erhielt König Friedrich August aus Berlin die Nachricht von der beschlossenen Mobilmachung und gleich darauf begab er sich in Be gleitung des Prinzen Ernst Heinrich von der Eommeroilla Wachwitz nach dem Dresdner Restdenzschlosse, nachdem er zuvor an den Kaiser folgende Depesche gerichtet hatte: „ES drängt mich, Dir zu sagen, daß ich mich in dieser ernsten Stunde eins weiß mit Dir im Vertrauen auf Gott nnd unser gutes Heer, und daß meine Sachsen Dir kriegsbereit zujubeln." Die Fahrt zum Schloff- bot unbeschreibliche" Momente. Segen hunderttausend vor Vaterlandsliebe und Begeisterung glühende Menschen aller Berufsstände jubelten dem Monarchen zu und als der König sich auf dem Balkon d»S alters grauen Wettin-Schlosses zeigte, stieg die Volksstimmung in« Gigantische. Dann sprach Friedrich August folgende inhalt- schweren Worte: „Sie haben durch Ihre Kundgebung Ihre patriotische Gesinnung bewiesen. Bewahren Sie diese auch in den ernsten Zeiten, denen wir jetzt entgegengehen. Halten Sie diese Gesinnung hoch und bitten Sie Gott für den Sieg unserer Waffen". Diesen Worten folgte ein ungeheurer Jubel und lange mußte sich der König mit dem Kronprinzen und den Prinzen Friedrich Christian und Ernst Heinrich am Balkon zeigen. — In allen Kreisen ist die Teilnahme für die in» Feld ziehenden Krieger groß. Viele WohltättgkritSorrrine nehmen sich der zurückgebliebenen Familien an; für dal Notwendigste wird gesorgt. Biele alleinstehende Frauen von einberufenen Reservisten haben Unterkommen auf den benach barten Gütern gefunden und sind willkommene Hilf»- truppen in der kommenden Erntezeit. Spenden der ver schiedensten Art, zum Teil erhebliche Geldsummen, laufen bei den Behörden ein. — Ein« rege Tätigkeit entfaltet die stets opferbereit« Prinz,sfln Johann Georg von Sachsen, eine bourbontsche Fürstentochter. Unter ihrem Präsidium steht der von der verstorbenen Königin Karola gegründete Albert-Lerein, der mit seinen Zweigorreinen in ganz Sachsen die Aufgabe hat, In Krieglzritrn den staatlichen Krieg«.Sanitätsdienst durch freiwillige HilfStätigkrit zu