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Schlachtfeld und kann sich leicht orientieren. Lor uns liegt, von Wald umgeben, das Schloß üogoumont, wo die Schlacht begann. Hinter uns, direkt am Fuße des Hügels, der Hohl weg Odmn-klawni, von wo aus Marschall Vorwärts den Franzosen in den Rücken fiel und den Entscheidnngsschlag ausführte. Weiter links in der Richtung „Aovt 8t. üvan" steht auf kleiner Anhöhe, mit schweren eisernen Ketten um zäunt, ein französischer Adler, der zum Andenken an die totesmutige „Alte Garde", den Kern und Stolz von Napoleons Armee, errichtet wurde. Er steht auf derselben Stelle, wo der Kommandant der „Alten Garde" gefangen genommen wurde und gerufen haben soll: „I» varcks monrt, slls ns so rsuä pas!" (d. h. Die Garde stirbt, sie ergibt sich nicht.) Einige Schritte davon steht das Denkmal für den Her zog von Braunschweig, der hier für König und Vaterland starb. Nach einstündigem Verweilen in des „Löwen" Nähe, hatten wir das Vergnügen, die 235 Stufen wieder herabzu steigen. Wir schlugen dann den Weg „lllont 8t. ^oan" ein und kamen an den Kreuzweg „8t. !» Lazw"—Oliarisroi, von wo aus Herzog Wellington seine Truppen leitete. Hier sprach er die bekannten Worte: „I visd lt rvoulä bs äru-k ->r tdv krnssions vvulä cows!" (Ich wünschte cs wäre Abend oder die Preußen kämen!) Unbeweglich soll er hier im größten Kugelregen gestanden haben, Befehle gebend. An dieser Stelle stand eine Ulme, die von den englischen Besuchern des Schlachtfeldes, bei ihrer bekannten Vorliebe für Andenken, stark mitgenommen wurde. Ein findiger Lands mann nützte diese nationale Eigenart ans, indem er den Baum kaufte und allerlei Andenken, wie Stöcke, Serviettenringe usw. ans seinem Holze arbeitete, die er feil bot. Vermutlich hat der eine Baum der Kauflust nicht genügt und andere Ulmen sind dem Original gefolgt. Unweit davon steht heute noch die mit roten Ziegeln gedeckte Farm „8t. Ua^s", wo das fürchterlichste Gemetzel stattfand und in IV» Stunden 3000 Mann fielen. Die Straße zieht sich durch Wald links von hier nach dem Dorfe Mont 8t. ^san", des Korsen Hauptquartier, das auf einer Anhöhe liegt, von der aus man wiederum eine Uebersicht über das gesamte Schlachtfeld hat. Napoleon hatte also einen ausgezeichneten Platz, aber trotzdem war sein Schicksal besiegelt. Stoch vor der Schlacht hatte er zu seiner Umgebung gesagt: „Die bevorstehende Schlacht wird Frankreich retten und in der Geschichte berühmt sein!" Ja, die Schlacht wurde berühmt, aber in ganz anderen: Sinne, als Napoleon es hoffte! „Wir haben 90 Chancen für uns und nur 10 gegen uns, deshalb handelt eS sich nur um ein Frühstück!" soll er hier in 8t. <Iean gesagt haben. Aber cs war ein schwer verdauliches Frühstück; denn als von Ulsvosnoit das deutsche Hurra stürmisch herüberdrang, erkannte der Cäsar, das alles verloren war, und diesem deutschen Hurra antwortete cr, indem er sagte: „L'est kini! sauvons nous!" (Es ist zu Ende! Retten wir uns!) Tas hier erbaute Schlachten-Museum enthält viele interessante Sehenswürdigkeiten und Andenken an den für Napoleon so verhängnisvollen, aber für uns so ruhmreichen Tag! Unter anderen ein Handschreiben Wellingtons an Blücher, in welchen ersterer dringend nm Hilfe bittet. Bewegten Herzens verließen wir diesen denkwürdigen Ort, den Weg hinunter nach Waterloo einschlagcnd, wo ge wiß ein jedes Hans, eine jede Mauer, ein jeder alter Baum von den großen Tagen zu erzählen weiß. In der berühmten Eisernen Kirche trafen wir einen 60 Manu starken englischen Militär-Verein. Wir besichtigten auch das gegenüber der Kirche gelegene Hans mit dem Zimmer, in welchen in der Nacht von: 17.—18. Juni der preußische General v. Müffling, der Vertreter Gneisenaus, mit Wellington den Schlachtenplan ausarbcitete. Erst bei eintrctcnder Dunkelheit bestiegen wir unser Auto und erreichten Brüssel in später Abendstunde. Wohl ein jeder hatte patriotische Stimmung von der denkwürdigen Stätte mit heimgenommcn. ' Druck und Verlag non Langer L Winterlich, Riesa. — Eigenart. Es sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist (1. Cor. 12,4). Wie mannigfaltig sind doch die Bilder, die uns ent- gegentreten, wenn wir einmal in unserm Pholographiealbum blättern l So viele Gesichter stehen da friedlich nebeneinander, und doch sind sie alle verschieden; alle haben ihre Besonder, heit, ihre Eigenart. Da ist daS Bild eines Kinder, dem das Leben noch offensteht, dort das eines Mannes, der mitten in den Kämpfen de« Lebens arbeitet, die leisen Falte» auf der Stirn geben deutliche Kunde davon. Da steckt dar Bild einer Greisin, die noch an der altmodischen Tracht fest, hält. Für jeden ist Raum vorhanden auf den starke» Blättern deS BuchcS. Einem solchen Album muß unsre Seele gleichen. Sie muß auch Raum Haben für die mannigfaltigsten Bilder, und sie muß ihnen allen die gleiche Gerechtigkeit entgegen, bringen, indem sie die Eigenart der Menschen ringsum zu verstehen sucht und achtet. Wie vieler Menschen Bilder umfaßt doch schon unsere Seele! Da haben wir solche mit offenem Sinn kennen gelernt, die ihre Gedanken stets unverhohlen aussprachen, daneben verschlossene Charaktere, deren Seele einem fensterlosen Hanse glich, aus dem nur selten einmal ein Laut hervorklang. Da waren Menschen mit praktischem Blick, die sofort den rechten Weg, das rechte Mittel fanden und auch glücklich das Ziel erreichten, dort wieder theoretische Naturen, die immer nur in der Welt der Ideen lebten und bei den einfachsten praktischen Fragen keinen Rat wußten. Da waren stürmische Naturen im ungeschwächten Gefühl« eigener Kraft, die die Stärke der lebensfeindlichen Mächte noch nicht auS eigener Erfahrung kannten, da wieder ab- geklärte Seelen, in denen Begeisterung und kühles Neber- legen die rechte Stellung zu einander gefunden hatten, wohl auch leise verbitterte Menschen, denen daS Schicksal recht viel schwere und scharfkantige Steine in den Weg geworfen hatte. Da fanden wir Menschen, deren Charakter noch im Reifen begriffen war, leicht zu erkennen an der Unbeständig, keit, da wieder gereifte, edle Seelen, die uns höchste Be wunderung abnötigte». Welche Fülle von Bildern, di« in unsrer Seele aufbewahrt liegen, welche vielgestaltige Eigenart! Wir Menschen verbittern uns oft daS Leben, indem wir unsre Umgebung ganz allein nach unsrer Eigenart umgeformt haben möchten. Wir vergessen dann die Be rechtigung der Vielgestaltung der Seelen. Darum müssen wir Achtung lernen vor andersgerichtetem Streben, vor anderen Lebens- und Geistesformen. Je mehr wir uns darin Mühe geben, um so mehr erkennen wir, daß der tiefste Grund bei allen redlichen Menschen doch überall gleichgestaltet ist: eS find mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist. In all diesen verschiedenen Gestalten wirkt sich doch nur das Streben auS, den Weg zu finden, der zur Höh« führt. Diese Erkenntnis ist wichtig für alle, die mit anderen irgendwie zusammenstehen. So müssen die Eltern in ihren Kindern, die Lehrer und Erzieher in ihren Schülern, die älteren Freunde in den jüngeren und umgekehrt die Eigen- art achten und verstehen lernen. Dann wird erst ein rechte- Zusammenleben und Zusammenarbeiten möglich sein. Solche Freiheit, die wir der Eigenart des einzelnen Menschen einräumen, schließt aber keineswegs Nachsicht in sich gegenüber schlimmen Neigungen. Diese müssen selbst verständlich rücksichtslos bekämpft und ausgerodet werden, denn sie haben nichts gemeinsam mit jenem Geiste, der in allem Streben zum Ausdruck kommen muß, mit dem Göttlichen im Menschen. Aber eins wird auch hierbei zur Achtung vor der Eigenart helfen: wir lernen die Ursachen leichter verstehen, die das Schlimme erzeugt oder begünstigt haben, und wir entgehen leichter der Gefahr, daß wir, wie eS so oft geschieht, dem Menschen zürnen statt seinen Fehlern. Dann wird die rechte, helfende Liebe auch im Kampf gegen die Torheiten der Menschen vorwalten, ent sprechend dem Geiste dessen, der uns die ewige und all erbarmende Liebe offenbart hat. 8. Für die Redaktion verantwortlich: Arthur Höhnet, Riesa. ' CrMler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt": Nr. 28. Mes«, den LI »». . > NP ewig Mlgedeelt. Vaterländische Erzählung von A. o. Liliencron. Fortsetzung. „Mir nach!" hallte Detlevs lautes Kommando. Lr lief; sich auf der entgegengesetzten Seite niet-er- gleiten, mit ihm Johanseir und Unteroffizier St. Julien. Eine Kugel durchlöcherte seinen Tschako, eine andere verwundete Johanseu, aber keiner von ihnen achtete auf das Pfeifen der Geschosse oder auf das Stimmengewirr des überraschten Feindes. Sie sagten sich, daß sie sich mit diesem tollkühnen Sprunge von der Mauer herab völlig in die Hand des Feindes ge geben hatten. Das Staunen, sich überrunrpelt zu sehe», hielt die Dänen wohl noch einen Augenblick zurück, aber jede Minute mußten sie gewärtig sein, niedergchauen zu werden. Diese kurze.Spanne Zeit aber wollten sie aus nutzen. Tas Tor mußte geöffnet werden, mochten sie selbst auch dabei zu Grunde gehen. Das Wagstück gelang, der Schlüssel drehte sich in: Schloß, die Riegel knarrten, das Tor sprang auf. Unaufhaltsam, wie ein lange zurückgedrängter Strom, ergoß sich nun die Masse der Truppen durch das Tor in die Stadt, den Feind vor sich forttreibend, der sich aber im Norden beim Ausgang der Stadt auf den steil ansteigenden .Höhen noch einmal festsetzte. Nach kurzem Feuergefecht aber räumte er auch diese und xog sich auf Branderup zurück. Tie Truppen wurden teils in Kolding einquar tiert, teils biwakierten sie auf den Straßen nach Veile und Friedericia. Oberstleutnant von Zastrow mit seinem Stabe blieb in Kolding. Als Wrangel zurück nach dem Palisadentor ritt, begegnet« er der vierten .Kompagnie des zweiten Jäger korps. Eilier von den Leuten trug eine Binde um den .Kopf und schien sich nur mühsam aufrecht zu halten. Wrangel ritt an ihn heran: „Ta vorn gehen Kranken wärter mit einer Trage, laß Dich fortschaffen, mein Sohn, Du kannst Dich ja kaum mehr ans den Beinen halten." „Solange es nicht sein muß, wird man nicht schlapp," murmelte der Jäger. Wrangel nickte. „Brav, mein Junge, aber nun wird's Zeit." Er kam nicht weiter, denn der Jäger taumelte uud wäre zusammengebrochen, wenn der junge Rathgen nicht zugegrisfeu hätte. „Wie ist sein Name?" fragte Wrangel. ,„Iohanscn, er war der erste, der die Mauer erstie gen hatte," meldete Detlev. „Sie waren auch dabei?" erkundigte sich Wrangel, und auf sein „Zu Befehl, Herr Hauptmann," mußte her junge Offizier-Aspirant genauen Bericht erstatten. Eine tiefe Bewegung zuckte über Wrangels Gesicht, als er von dem Tode des Leutnants Hamel hörte. „Solch junges Blut, ging so freudig und frisch voran," murmelte er. „Führen Sie mich in das .HauS, wo Sie die Leiche geborgen haben," wandte er sich an Rathgen. Nur eiuigc hundert Schritt vom Tor entfernt lag das Hans mit den kaum vor einer Stunde ein geschlagenen Schießscharten. Detlev öffnete die Hans- tür, und das Sonnenlicht, das dabei hineinflutete, nmwielte das bleiche Antlitz, des jungen Offiziers, J«li INL4 S7. J-Drst. dessen Leiche lang ausgestreckt auf der Diele des Flur lag. Kein Todeskampf sprach aus den Zügen, nur Friede und etwas wie freudige Verklärung. „Er ist gestorben in dem Bewußtsein, Lurch einen kühne» Handstreich den Seine» Bahn zu brechen, öie Freude daran strahlt noch von seinem Gesicht zurück," sagte Wrangel, „man muß ihn» den Heldentod gönnen." Auch Detlev hatte bewegt auf den friedlich Ruhenden geblickt. „Er ist gefallen mit dem jauch zenden Hurra auf den Lippen," fügte er leise hinzu, „ich meine, es noch immer zu hören, es klang wie Heller Jubel." Die beiden Herren hatten ihre Kopfbedeckung abgenommen, sie verrichteten ein stilles Gebet an der Leiche. Tann reichte Wrangel dem jungen Offizier- Aspiranten die Hand. „Es war eine gewagte Sache, der Weg zum Tor und über die Mauer. Sie »oareu nur wenige Mann, uick> es ging direkt in die Höhk des Feindes hinein. Die Namen der Wackeren sollen gemeldet werden. Ich freue mich, einem dieser Braven jetzt die Hand drücken zu können. Unser Herrgott hat Sie gnädig beschützt, es war kaum anzunehmen, baß einer von denen, die da hiniibersprangcn, mit heiler haut davonkommen würde. Sie haben di«? Leickie in Sicherheit gebracht, sorgen Sie jetzt auch weiter, daß sie von hier sortgeschafst wird. Das Nötige für die Bestat tung wird von Oberstleutnant von Zastrow angeordnet werden." In dem Gasthause an der Brücke, die über dis Kolding-Aa führt, hatte der Stab sich einquartiert. Schon um 11 Uhr mittags konnte» die .Herren sich dort versam meln, und eine Stunde später traf General von Bonin ein, hocherfreut über das glückliche Gefecht, dessen Aus gang vcn Rückgang der Dänen zur Folge gehabt hatte. Major Hacke wurde zum .Kommandanten von Kol« ding ernannt und ihm anbefohlen, die Stadt in Vertei digungszustand zu setzen. Tie nächsten Tage herrschte in und dicht um .Kolding geschäftiges Treiben. Patrouil len wurden ausgesandt und stellten fest, daß im Norden der Feind mit starken Abteilungen Branderup und Bjcrt besetzt hielt. Er befand sich also in nächster Nähe, und man mußte sich auf einen Angriff gefaßt machen- Tie in der Stadt von den Tänen im Süden errichteten Barri kaden wurden niedergelegt, das Palisadentor cingerisscn uud die Schloßbrücke zum Teil abgedeckt. Dafür aber wurden aus den Balken der abgerissenen Barrikaden im Norden der Stadt neue errichtet und dort alles zur Ver teidigung vorbereitet. Erdwälle wurden aufgeworfen, um den Vorposten Anhaltspunkte zu geben, und gleiche Erd arbeiten fanden auf den Straßen nach Fridericia und Veile statt, damit dort die Truppen gesicherte Aufstellung bei einer Verteidigung gewinnen konnten. Auch das 9. und 10. Infanterie-Bataillon rückte im Laufe der nächsten Tage in Kolding ein, und seine Pioniere stellten, um leichtere Verbindung zu erhalten, noch eine Lauf brücke her. Es war am späten Nachmittage des 22. April. Wrangel hatte in Begleitung von Weller eben die Verteidig» ngsarbeiten «besichtigt, und beide Herren kehrten in ihr Quartier zurück, dem entschieden besten Gasthause der Stadt. Daß dem so Ivar, mutzte man auf Treu und Glauben hinnehmen, merken konnte man so gut wie nicht- davon, denn das ganze hau? wär verödet und fast ohne Möbel. Saum da- Allert