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3. Beilage znm „Meiner Tageblatt". «oraNaabdmck mid vrrlag von Langer » »»nterli« «n Blleia. — stNr dir «edaMon verantwortlich i Art-nrHIlhnrl tnRlefa. 158 «oaaavend, 11. Jnli 1914. abeubS. «7. Jahr«. Las Jnaealevea des Measche«. ES Ist für uns immer interessant, auch den inneren Mechanismus einer kunstvollen Maschine, die wir vor uns in Tätigkeit sehen, kennen zu lernen, zu ergründen, warum und wozu dieses und jenes ist, wie der Erfinder alles so genial eingerichtet hat. Tie interessanteste Maschine ist nun der Mensch selber, der Mensch sowohl nach dem Mechanismus seines Leibes wie seiner Seele, und jeder vernünftige Mensch mag wohl gern erfahren, wie eS drinnen bet ihm auSsieht; jedem muß daran liegen, sich selber kennen zu lernen. Tie größte Unklarheit besteht zweifellos bei den meisten Menschen noch über ihren seelischen Organismus, über ihr Innenleben, und gerade das ist interessant, zu wis- sen, wie sich daS geistige Leben abspielt, aus vem die Stimmungen, die Worte, die Entschlüsse und das Handeln, die Fehler und Lügenden hervorgehen, wo die letzten Wurzeln des Denkens und Handelns, der Eigenart eines jeden zu suchen sind. Unser seelischer Organismus gleicht einem politischen Gemeinwesen, in dem verschiedene Parteien, über denen das Ich als Vorsitzender steht, zu Wort zu kommen suchen Da machen sich vor allem die natürlicher! Triebe breit; die wir als Naturwesen mit den Tieren gemein haben, und die zur natürlichen Selbsterhaltung und Fort pflanzung des Individuums (Erhaltung der Art) höchst notwendig sind. Ihre Helfershelfer sind die fünf Sinne, welche das Innenleben mit der Außenwelt erst in Ver bindung bringen. Sie sind die Fenster, durch welche die Seele hinausschaut in die Welt. Durch sie erfahren wir, wie etwas aussieht, wie wir selber aussehen, ob etwas schön oder häßlich ist, angenehm oder unangenehm sich anfäßt, anhört, riecht oder schmeckt. Tas Zusammen wirken der inneren Triebe und der Sinne bringt die niedere Stufe des seelischen Lebens hervor, das Trieb leben: Begierden, Neigungen, Stimmungen, Leidenschaf ten, Launen — gute und böse Wallungen, die, je nach dem die äußeren Eindrücke sich ändern, bald so, bald anders sind und nach dem sittlichen Jnnenwesen des be treffenden Menschen entweder zum Guten oder zum Bösen hinausgehen. Das ist im Grunde das Leben der Kinder und Frauen und aller von den Sinneneindrückcn lebenden und dem Sinnenleben ergebenen Männer (wei bischer Naturen, Lebemänner, Genußmenschen). Mehr oder weniger ist das Grundwescn der meisten Menschen — ohne Rücksicht auf sogenannte Bildung und „gute Er ziehung" — da eS ihnen an Selbstzucht mangelt, Trieb leben, Sinnenleben, auch wenn man noch so viel schein bare Vernunft- und Moralgründe vortäuscht. Tie Selbsterziehung, Selbstzucht erst hebt uns auf eine höhere Geistesstufe, macht uns erst zu Menschen. Und diese Selbstzucht kommt zustande durch die Ver nunft, die aus dem Zusammenwirken von Herz und Kopf, d. h. von Gemüt und klarem Nachdenken, hervorgeht. Von einem harten, gefühllosen Menschen sagen wir: er hat kein Herz; und wenn einer sinnlos handelt, heißt es: er hat den Kopf verloren. Mit Herz bezeichnen wir das Gefühl und den Sinn für alles Sittlich-Edle, Rechte, Wahre, den Trieb zum Guten, das Gewissen, den Sitz für alle Tugend, für Glauben und Religion. Tas Herz, und was an Empfindung, Worten und Handeln aus dem Herzen kommt, gibt uns Menschen den moralischen, den Ewigkeitswert. Ter Kopf stellt das klare, vernünftige Denken dar, das Erforschen und Erkennen der irdischen Zustände, Ver hältnisse, Wahrheiten — die praktische Tüchtigkeit für Beruf und Leben. Tas Herz braucht den Kopf, um den gegebenen Verhältnissen Rechnung zu tragen, stets handelnd die rechten Wege zu finden und Klarheit und Uebersicht zu behalten. Und der Kopf hat erst recht das Herz nötig, um nicht in Irrtum und Lüge zu geraten, um menschlich normal, vernünftig zu bleiben. Kopf und Herz müssen Zusammenhalten und Zusammenarbeiten, wie Mann und Frau in der Ehe. Kopf und Herz müssen das Triebleben im Menschen regeln, zügeln, lenken, veredeln; sie müssen unsere Worte und Werke mit dem rechten, soliden und klaren Inhalt füllen, unseren Charakter klären, aus bauen, festigen. Tann kommt ein wahres Menschentum heraus. So hüte dich, o Menschenkind, vor drei Fehlern: Einmal laß dich nicht ausschließlich von deinen Trieben und Sinneseindrücken, den AugenbkickSstimmungen ins Gängelband nehmen! Sie machen einen zerfahrenen, un zuverlässigen, glücklosen Menschen aus dir. Sodann laß dein Herz und Gemüt durch äußere oder innere Ober flächlichkeit nicht zur billigen Rührseligkeit und Empfind samkeit werden. Diese Mischungen sind ja modern und bequem, aber nur wertloses Talmi. Und endlich : Mach« deinen Verstand nicht zum allzeit bereiten Handlanger für jede Modewahrheit und Zeitmeinung! Tu wirst sonst ein Narr, ehe du dir eS versiehst. — Alles in allem: Halte darauf, däß dein Innenleben stets in guter Ord nung istl Ans a«er Welt. Helsingör: Ter Schnellzug, der gestern vormit tag 10 Uhr von Kopenhagen nach Helsingör abgeht, über fuhr in der Nähe von Helsingör ein Automobil, in dem sich vier Personen befanden. Ter Kraftwagen wurde zer trümmert. Zwei Personen, nämlich Bankdtrektor BchrenS au- Helsingör und ein Kind, wurden getötet, die beide» anderen Personen schwer verletzt. — Hochemm erich: Im Verlauf der letzten beiden Wochen sind allein in der Nähe von Hochemmerich neun Personen beim Baden im offenen Schein ertrunken. — Prag: In Bobrek bei Teschen schoß gestern nachmittag der Schüler der vierten Klasse der Lehrerbildungsanstalt Anton Kleis aus der Straße seinem Müsiklehrer Andreas Hlawicka eine Revol- vcrkugel in den Kopf, die ihn tödlich verletzte. Er ver übt« dann einen Selbstmordversuch, verwundete sich aber nur leicht. Er verweigert jede Auskunft über den Grund seiner Tat. — Altona: Die Polizeibehörde in Altona verhaftete gestern früh einen Schlächtermeister und seine Frau aus dem Kreuzweg wegen Verkaufs schäd lichen Fleisches, nach dessen Genuß vorgestern eine sehr große Anzahl von Personen erkrankt ist. Eine Frau ist in der letzten Nacht bereits an der Fleischvergiftung ge storben. Mehrere Personen befinden sich lebensgefähr lich leidend im städtischen Krankenhaus. — London: Große Sensation erregte vorgestern bei der öffentlichen Versteigerung einer Bibliothek die Versteigerung eines im Jahre 1605 gedruckten Buches, das die wahre Chronik des Königs Lear und seiner drei Töchter enthält. Dieses Buch ist eine erste Ausgabe des Sheakespeareichen Dra mas, es erzielte den Riesenpreis von 50000 Mack. Im Jahre 1865 wurde es von einem Kunstliebhaber für nur 4020 Mark erworben. — Paris: Da die fünftägige Frist verstrichen ist, während welcher die Berufung der Frau Caillaux gegen ihre Vorladung vor die Geschwore nen zulässig war, ohne daß eine solche Berufung er folgte, so wird nunmehr der Prozeß endgültig am 20. d. M. seinen Anfang nehmen. — London: Aus Man chester wird hierher telegraphiert, daß eine Feuersbrunst gestern die Papierfabrik von Howarth im Stadtteils Black- ley zerstörte. Es war eine der größten Feuersbrünste, die Manchester je gesehen. Zwei Feuerwehrleute wurden getötet. Ter Schaden wird auf IVs Millionen Mark ge schätzt- — Christiania: Während eines außerordent lich heftigen Gewitters, das gestern nacht über Christia nia und Umgegend niederging, schlug der Blitz in das bekannte große Touristenhotel aus dem Hölmenkollen ein. Tas Hotel war binnen kurzer Zeit ein gewaltiges Flam menmeer. Die zahlreichen Hotelgäste und das Personal konnten mit Mühe das nackte Leben retten. Es kam aber niemand zu Schaden und es gelang auch der Feuer wehr, den Brand auf das Hotel zu beschränken, das völlig uicderbrannte. Mehrere Stunden hindurch »var der das Hotel umgebende Nadellvald aufs höchste gefährdet. Sport. Luflschiffahrt. Ter berühmte Flug des Ingenieurs Berliner mit dem Freiballon „Bitterfeld" nach BÜs- sertsk (Gouvernement Perm) in Rußland vom 8.—10. Februar 1914 ist vom Deutschen Luftsahrerverbaud mit 3052,7 Kilometer als deutscher Tistanzrckord anerkannt worden. Tie Anerkannung dieser Flugleistung als Welt rekord ist bei der Federation Aeronautique Internationale beantragt worden. Hel mut h Hirth als Pilot einer sranzö- fischen Fabrik. Der deutsche Flieger Helmut Hirth hat vorgestern zum ersten Male aus dem Flugplätze von Villacoublay einen Morane-Saulnier-Eindecker mit 80- pfecdigem Noone-Motor gesteuert und gleich beim ersten Aufstieg zur Bewunderung feiner französischen Kameraden eine hervorragende Beherrschung der ihm bisher gänzlich unbekannten Maschine gezeigt. Hirth ist gestern mit Gar ros nach London gefahren, wo er an dem Luftrennen London—Paris—London an Stelle des Morane-Sanlniec- Piloten Pfnet, der sich zurzeit in Rußland befindet, teil nehmen wird. Allgemeines. CK. Tie Frau aus den olympischen Spie ren. Bei den olympischen Spielen, zu deren Feier in Berlin sich bereits jetzt ganz Deutschland rüstet, darf man auch der Beteiligung der Frauen nicht vergessen. Sie sind längst schon Mitstreiterinnen geworden, dis sich Schritt für Schritt einen immer stärkeren Anteil au den Kämpfen erringen. Zwar steht auf der Tagesordnung des Pariser Sportkongresses ein Punkt, der sich mit der prinzipiellen Zulassung von Frauen zu den olympischen Spielen beschäftigt; tatsächlich aber ist diese Zulassung, wie Tr. Martin Berner in einem Aufsatz der „Dame" aussührt, in der Praxis bereits erfolgt. Schon 1906 hat Griechenland kühn den Anfang gemacht, indem es als erstes Land unter die Wettbewerbe auch Laion Tennis für Damen, die alte Domäne des Tamensports, einreihte. England folgte 1908 und fügte dem Tennis noch ein Bogenschießen für Dame» hinzu. Schweden ist dann 1912 auf der begonnenen Bahn weiter geschritten. Wie ja überhaupt in den skandinavischen Ländern die Frau mehr an sportliche Uebungen gewöhnt ist als bei unS, so wurden auch in dem Programm der Stockholmer Spiele wieder neue Wettbewerbe den Damen eingeräumt, nämlich zum ersten Male auch Schwimmen und Wasser springen. Beim Wasserspringen machten den tapferen Schwedinnen nur einige Engländerinnen den Sieg streitig: am Tamenschwimmen aber nahmen auch vier der besten deutschen Schwimmerinnen teil, und während die sich im offenen 100-Meter-Rennen der überlegenen Kraft der Australierinnen beugen mußten, eroberten sich dis deutschen Damen in der 400-Meter-Stafette einen sehr ehrenvollen zweiten Platz hinter der englischen Mannschaft. Die olympischen Spiele in Berlin 1816 sehen nun auch ein Eisläufen für Damen vor, und die tur nerischen Vorführungen von Frauen, die schon in Stock holm so viel Beifall erregten, bleiben bestehe,» . - Vermischtes. TK. Di« gemarterten Goldfische, viele Leut« halten sich Goldfisch»; aber e» besteht in wetten Kreisen noch Unkenntnis, wie dies» Tiere behandelt werden müssen. Man sorge vor allem für ein großes, viereckige» Gesäß. Dl« kugelförmigen Goldfischgläser sind durchaus un geeignet, da durch die gering« Wassermenge und durch den völlig unzureichenden Lufzutritt der Insasse zu einem lang samen Sterben verurteilt ist. In dem weilbauchigen, oben nur wenig geöffneten, kugelartigen Glase find manchmal sogar mehrere Goldfische eingepfercht. Keine Pflanze sorgt für di« Erneuerung de« verbrauch»«» Tauerstoffe», kein Sand dient zur Aufnahme der da« Wasser verpestenden Ausleerungen de« Fische«. Schon in kurzer Zett ist der Sauerstoff im Bassin aufgezehrt; die schmal« Oeffuung de« Glase« aber läßt neue Lust wenig zu. Sieht man, wie der Goldfisch an der Oberfläche angestrengt die atmosphärische Luft atmet, so ist da« rin Zeichen, daß er zu ersticken droht. Auch bei Erneuerung de« Wasser« gibt e« Gefahren. Ge wöhnlich wird ohne Rücksicht, ob die Temperatur de« alten Wasser« durch die Ztmmerwärme oder durch die Sonn« stark gesteigert ist, anstatt gleichwarmen oder mindesten» abgestandenen Wasser«, einfach kalte« Wasser, wir e« au« der Leitung kommt, hineingeschlittet. Auch die Ernährung de» Goldfische» ist oft unvernünftig. Während jeder ander« Zierfisch in der Gefangenschaft sein natürliches und ab- wechslunglreiche« Futter bekommt, muß der Goldfisch dar ben; denn man gibt ihm Brotkrumen, Oblaten, unverdau liche Ameisenpuppen, Mehlspeisen usw. Wer sich Goldfische halten will, kaufe zunächst ein kleines Lehrbuch, wie ein Aquarium zu versorgen ist, wenn er nicht Belehrung durch einen Sachkundigen findet. CK. Zarinnenleben in alter Zeit.' DaS Leben, das die ersten Zaren aus dem Geschlechte der Romanows ihren zu Zarinnen erkorenen Gemahlinien boten, war für heutige Begriffe nichts weniger als be neidenswert; die Frau des Zaren führte eine wahre Haremsexistenz, streng wurde sie von der Welt abge schlossen, und es gab kaum eine Unterhaltung oder «i»« Vergnügen, das ihr sreistand. Ter Zar wählte seine Gemahlin unter Hunderten von schönen Mädchen aus, dir aus allen Teilen des russischen Reiches von ihren Eltern nach Moskau geführt wurden. Das Mädchen, das dann vor dem Auge des Herrschers aller Reußen Gnade fand, empfing vom Zaren ein Taschentuch und einen Ring; dann überführte man sie in das Schloß, und hier wurde das junge Mädchen der Obhut der Kammerfrauen und der Hofdamen übergeben, um sich so schnell als möglich den Anforderungen ihrer künftigen Stellung anzupassen. Dann erfolgte die Ausrufung zur Zarin, in den kirch lichen Gebeten mußte ihrer fortan gedacht werden, und selbst der Vater der Erkorenen, der von seiner Tochter nicht mehr anders als von der „Zarin" sprechen durfte, hatts die strenge Pflicht, für sie zu beten. Die Eltern erhielten Titel und Würden, die immer Neid und Eifersucht bei den Hofleuten erregten, und so fehlte es denn auch nie an tausendfachen Jntriguen gegen die junge Zarin. Die Ge schichte verzeichnet manche Fälle, in denen es dem Neide gelang, die Herrscherin schon vor ihrer Hochzeit oder wenige Tage später in Ungnade zu bringen. Als bei spielsweise die Braut des Zaren Alexius Michaelcwitsch, des Vaters Peter des Großen, eines Tages Sinen leichten Ohnmachtsanfall erlitt, verleumdete man sie als Epilep tikerin, sie wurde verstoßen und mit ihrer Familie nach Sibirien verbannt. Wehe aber der Zarin, die ihrs» hohen Gemahl nicht mit einem reichen Kindersegen «»> freute. Die Kaiserin, so führt Louis Leger im Journal des Savants aus, die nicht das Glück hatte, Mutter zu werden, mußte Tag und Nacht aus den Knien liegen und weinend den Himmel um Mutterfreuden anslehen; sie mußte Wallfahrten unternehmen, Klöster besuchen, Zau berer, Gaukler und Aerzte befragen. Und blieben alle diese Bemühungen erfolglos, dann verstieß sie der Zar; und ihr Los war fortan das Leben einer Büßerin im Klöster. Doch auch am Hofe war das Daseiu der Zarengattin rechst freudlos. Mit Ausnahme ihres Gemahls und der iht zugeteilten Hofdamen und Dinerinnen durste sie nie mand sehen, mit niemandem sprechen. Von dem Leben der Welt erfuhr sie nichts. Selbst der Leibarzt hatte nicht das Recht, die Zarin sehen zu dürfe«; war sie krank und bedurfte sie des Arztes, so mußten vorher die Fensterläden verschlossen und die Zimmer verdunkelt werden, und der Puls der Zarin mußte mit einer Binde umwickelt werden, ehe der Arzt ihn berühren durften Die Kutschen, in denen die hohe Frau zur Kirche fuhr, war an den Fenstern mit dichten Schleiern verhängest, und wenn die Zarin die Kirche betrat, umhüllten die Die ner sie mit undurchsichtigen roten Gewändern. Bei offi ziellen Anlässen, beispielsweise beim Empfang eisteS fremden Gesandten, mußte die Zarin bisweilen zugegen sein: hinter einem engen maschigen Gitter verborgen. Nur am Ostertage hatte sie das Recht, den Patriarchen unk einige hohe Würdenträger zu empfangen. Tie Hof sitte schrieb ihr ihre „Lieblingsbeschäftigung" vor: weib lich« Handarbeiten. Im übrigen durfte sie sich Mi( wohltätigen Werken und mit der Ueberwachung des weib lichen Dienstpersonals beschäftigen. Nur Eudossi«, der