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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und «erlag von Langer L Winterlich in.Miesa. — FNr die RedaMon verantwortlich- Arthur v»-«ek in Riesa. - I- 1S1 Mittwoch. 1». Juni 1914, abends. - «7. Jahr«: Sir Percy Scott und der Seekrieg. TFB. In dem stillen, doch hartnäckigen Kampf zwischen Geschütz und Torpedo, der im allgemeinen nur von Fachleuten mit Aufmerksamkeit verfolgt und richtig beurteilt wird, hat nunmehr die breite Öffentlichkeit Gelegenheit mitzusprechen erhalten. Wahrscheinlich ist so gar, da^ das Wort, das kein Geringerer als Sir Percy Scott durch seinen „Times"-Aufsatz über den Wert der Kriegsschiffe wie einen Stein ins Wasser in die breite Menge geworfen hat, immer weitere Kreise ziehen und der Wasserspiegel der öffentlichen Meinung erst spät zur Ruhe zurückkehren wird. Sir Percy hält die Entwickelung des Unterseeboots- und Lustwesens schon für soweit vor geschritten, daß kein großes Kriegsschiff nach dem Aus bruch der Feindseligkeiten wagen könne, auf die hohe See zu gehen. Taß der Altmeister der englischen Schiffs artillerie, der bis zu seinem erst vor kurzem erfolgten Ausscheiden aus dem Königlichen Dienst durch! seine mäch tige Förderung der Entwickelung und Verwendung der Großartillerie vielleicht am meisten zur Schaffung mo derner Großkampfschiffe beigetragen hat, zu diesem ver nichtenden Urteil kommt, muß billig überraschen, denn er ist nicht als Percy .Heißsporn, sondern als kluger, be dächtig erwägender Seemann auch außerhalb Englands bekannt geworden. Man wird daher sich nicht darauf be schränken dürfen, zu entgegnen, das; schon vor IM Jah re», als Fulton sein erstes Unterseeboot gebaut hatte, man von einer völligen Umwälzung des Seekrieges gesprochen habe, die aber bis heute noch nicht cingetreteu sei: denn das heutige U-Boot gleicht dem damaligen so wenig wie der Hecht einer Qualle. Wohl aber kann nicht unerwähnt bleiben, daß Percy Scott ;owohl das Unterseeboot wie das Flugfahrzcug oder Luftschiff, von denen er ein Zu sammenwirken nach der Fabel vom Blinden und Lahmen sich denkt, doch erheblich überschätzt- Beide sind aü den Tag und an verhältnismäßig ruhiges Wetter gebunden; bei Nacht sind Leide blind, und schwerer Seegang, der stets mit schwerem Wind verbunden, macht beiden das Handwerk so schwer, daß mit sicheren Erfolgen nicht gerechnet werden kann. Geht schon hieraus hervor, daß den großen, wetter tüchtigen Kriegsschiffen ein weites Feld der Tätigkeit übrig bleibt, so muß auch die übermäßig hohe Ein schätzung der Torpedowaffe, der Hauptwaffe des Unter seebootes, durch Sir Percy Bedenken erregen. Gewiß ist ihre Treffähigkeit und vor allem auch ihre Tragweite in den letzten Jahren gewaltig gesteigert worden, .aber jeder Fachmann weiß, wie sehr viel die Treffähigkeit des Tor pedos gegenüber der der Artillerie zurllckbleibt, besonders vom U-Boot aus, und aus naheliegenden Gründen immer bleiben wird, und daß das Schutznetz wie auch die Zelleneinteilung moderner Schiffe einen, wenn auch nicht allen Forderungen entsprechenden Schutz gegen Tor pedos gewähren. Niemand wird ferner zweifeln, daß schneidig ge führte U - Boote unter günstigen Umständen und bei Auf opferung vieler Einheiten auch einen Hafen forcieren und oie darin liegenden Schiffe angreifen können. In den allermeisten Fällen aber, z. B. in den gefährlichen Fahr wassern unserer Nordseemündungen, dürfte ein solches Unterfangen mit einem vollen Mißerfolge endigen, ganz abgesehen oavon, daß U-Boote ebenso wie die großen Schiffe gegen Minensperren nicht gefeit sind. Und noch manches anoere könnte hinzugcfügt werden. So könnte aus Percy Scotts Ausführungen nur daS Eine mit Bestimmtheit abgeleitet werden, daß die neuen Unterwasser- und Luftwaffen feindliche Flotten zwingen werden, sich bei Tage reichlich weit von der Küste ssrn- zuhaltcn und daß auch Schiffe im Hafen Andauernd auf ihre Sicherheit bedacht sein müssen. Tie* Durchführung des Seekrieges zu seinem Endzweck wird aber ohne große Kriegsschiffe wahrscheinlich niemals möglich fein. Es ist ganz selbstverständlich, daß alle Flotten sich die wert vollen Eigenschaften der erstgenannten Waffen nach Mög lichkeit dienstbar machen werden; daß aber irgendeine, oder gar die englische, die Erhaltung und Entwickelung ihrer Flotte deshalb aufgeben werde, ist kaum zu erwarten. Tie genannten Gegeugründe sind selbstverständlich auch dem verdienten englischen Admiral nicht fremd. Wenn er trotzdem die für die U-Boote und Luftwaffen sprechenden allzu optimistisch einschätzt, so mögen ihn dabei vielleicht noch andere, auf dem Gebiet, der Politik liegenoe Gründe oder der Wunsch geleitet haben, der auf der ganzen Erde wahrnehmbaren Zunahme kriegs maritimer Kräfte Einhalt zu gebieten, die allesamt, und gehörten sie selbst den gegenwärtig Großbritannien poli tisch nahestehenden Mächten an, letzten Endes eine Schwä chung der englischen Suprematie bedeuten. Man wird da her gut tun, abzuwarten, wie sich der Dreiverband zu dieser immerhin interessanten Frage stellen wird. Ans aller Wett. Görlitz: Ter Magistrat hat der Stadtverordneten versammlung einen Antrag zugehen lassen, wonach die Stadt sich au einem großen Hotelunternehmen betei ligen will. Tas Hotel würoe seinen Platz in der in letzter Zeit bedenklich zurückgegangenen Altstadt und zwar auf dem Obermarkt, erhalten. Für die Durchführung dieses Projektes wären 160000 Mark von Seiten der Stadt erforderlich. Ter Antrag wird jedenfalls ein gehend geprüft werden. Tie Stadt Görlitz hat also einen bedeutungsvollen Schritt zu dein bekannten Göteborger- System, nachdem die Gasthäuser in städtischer Regie be trieben werden, getan. — Stettin: Aus dem Ziegel werk Kültzow geriet der Arbeiter Albert Gadow, der mir der Reinigung der Maschinen beschäftigt war, in das Walzwerk. Infolge eines mißverstandenen ZurnfeS hatte der den Kollergang bedienende Arbeiter die Ma schine eingestellt. Ter Verunglückte wurde vollständig zerquetscht. Er hinterläßt eine Frau und zwei Kinder. — Bremen: Auf der Werft des Bremer Vulkan in Vegesack fand gestern in Gegenwart des Grafen Zeppelin und von Vertretern des Senats und der Bürgerschaft, der Handelskammer, zahlreicher geladener Gäste, da runter die Rektoren der Technischen Hochschule und der Universität Tübingen, sowie der Mitglieder des Auf- sichlsrates und des Vorstandes des Norddeutschen Lloyd und der Vulkanwerft der Stapellauf eines für den nord amerikanischen Tienst des Norddeutschen Lloyd bestimm ten, etwa 16 MO Bruttoregistertonueu großen Passagier- und Frachtdampfers statt, den Graf Zeppelin auf den Namen „Zeppelin" taufte. Als der Graf die Taufkanze! betrat, kam ein schweres Gewitter mit wolkenbruch artigem Regen zum Ausbruch, das während der ganzen Rede anyielt. Unter Donner und Blitz lief dann das Schiff unter brausendem Jubel der nach Tausenden zäh lenden Menge von Stapel. Der Dampfer ist 173,5 Mtr. lang und 20,5 Meter breit- Er ist für 500 Kajütreisende, 500 Passagiere 3. Klasse und 1500 Zwischendeckcr einge richtet. Tie Schotteneinteilung und auch die übrigen SichcrheitSeinrichtungcn des Schiffes entsprechen den von der internationalen Konferenz zum Schutze des mensch lichen Lebens auf See in London ausgestellte» Forde rungen.— Odessa: Der Dampfer „Katharina oie Große" stieß im Asowschen Meere mit dem Dampfer „Taurus" zusammen, und sank innerhalb weniger Mi nuten. Tie Mannschaft konnte gerettet iverden. — Buda pest: In ganz Ungarn herrscht seit den letzten Tagen starkes Unwetter. Tie Stadt Mako wurde von einem verheerenden Sturm, begleitet von einem sündslut- artigen Regen, heimgesucht. Der Orkan entwurzelte die stärksten Bäume und deckte die Häuser ab. In den Vor orten wurden mehrere kleine Häuser zum Einsturz ge bracht. Nieorigere Stadtteile stehen völlig unter Wasser. Auch aus mehreren Ortschaften Kroatiens kommen kln- wettermeloungen- An verschiedenen Stellen ist starker Schneefall cingetreten. Sachsens Artillerie sonst mW jetzt. Rückblicke in die Geschichte der sächsichen Artillerie von Mar Dittrich Nachdruck verboten. Ik. Tie sächsische Artillerie der Neuzeit. Wenn mit unseren Geschützen Windschnell über's Feld wir flitzen Und wir haben scharf geladen. Ob Kartätschen, ob Granaten, Dauert es dann gar nicht lang. Und dem Feind wird angst und bang. Tenn eine gar eigene Melodie Brummt weithin die Sachsen-Feld-Artillerie. Bei den politischen Bewegungen und den damit im Zusammenhangs stehenden kriegerischen Ereignissen, welche im 19. Jahrhundert, und in der Lebenszeit des Königs Albert veranlaßt wurden durch die Bestrebungen nach einem einigen Deutschen Reich, erschien auch die sächsische Artillerie mehrfach auf dem Kriegstheater und im Felde und wußte sich allerwärts ihre Waffenehre stahlblank zu erhalten; so 1819 im Kampfe mit den Dänen, draußen in Schleswig, wie mit den von Berufs revolutionären verleiteten Rebellen in Dresden, 1866 in den Schlachten in Böhmen und endlich 1870/71 im Franzosenland. In Schleswig fochten 1849 unter den Augen des Prinzen Albert im Gefecht bei Düppel eine 6psündige Batterie, bestehend aus 6 glatten 6-Psündern uno 2 Haubitzen unter Hauptmann Schneider, und eine 12 pfundige Batterie, bestehend aus 6 langen glatten 12-Pfündern und 2 Haubitzen unter Hauptmann Boudet. Bei der Niederwerfung des Aufstandes in Dresden im Mai 1849 waren sechs Batterien beteiligt. Tie Artillerie zeichnete sich durch ihr entscheidendes Eingreifen aus, verlor aber leider ihren kommandierenden General Homilius, welcher durch einen aus ^dem Georgentov des Rcsioenzschlosses gerichteten von der Barrikade in der Schloßstratze abgefeuerte» Eisenstangenschutz getötet wurde. Zwei Batterien, die eine vom Fußartillerie-Rc- gimcnt, oie andere von der reitenden Abteilung, be reiteten durch ihr präzises Feuer die Erstürmung der Hauptbollwerke der Rebellen vor und waren zu diesem Zwecks auf dem Zwingerwall, sowie auf der Brühlscheu Terrasse .aufgefahren. Bei der nach den Dresdener Maikämpfcn stattge fundenen Reorganisation der sächsischen Armee wuroe das Artilleriekorps in neun Batterien mit eigener Be spannung, darunter zwei reitende, formiert. Auch er folgte die Einführung der eisernen Lafetten des säch sischen Oberleutnants Schaarschmidt; diese Neuerung war für Europa bahnbrechend. Ferner wurden im Jahrs 1861, also in der Regierungszeit des Königs Johann, bei der sächsischen Artillerie die preußischen Hinterlader cingr- führt. Zum Feldzuge in Böhmen rückte die sächsische Artillerie mit Zwei gezogenen üpfündigeu Fußbatterien, vier glatten 12psündigen Granakkanoneu-Fußbatterieu und zwei reitende Batterien mit zwölf glatten 12 pfun digen Granatkanonen aus und ließ bei Gitschiu,. wie bei Königgrütz gar wacker ihre Baßstimmen hören. Bei Königgrütz leistete zuerst die 1. 12pfündigd Granat- tänoneii-Batterie von der Pforte besonders gute Tienste. Früh in der 9. Stunde hatten der Ort Nechanitz ge räumt und die Bistritz-Brücken abgebrochen werden müssen. Tie Mannsck)asten deS 9. Jnfantcrie-BataillouS suchten den Ort Lubno zu verteidigen. Zu ihrer wir- kungsvollen Unterstützung fuhr die Batterie in einer Stellung rechts des Torfes auf und hielt durch Granat- kartätschenfeuer die Annäherung der preußischen An- grissSkolonneu jenseits der Bistritz längere Zeit zurück. Ferner zwang die glatte reitende Batterie Zenker durch ihr vernichtendes Schrapnellfeuer 36 gezogene preußische Geschütze zum Abfahreu. Bei dem Abzüge der Sachsen vom Schlachtfeldc endlich waren in hervorragender Weise tätig die Batterie Leuguick, sowie die gezogene Opfnu-. oige Batterie Heydeureich, ebenso die Batterie .Hoch und Hering-Göppingen. Tie zuerst genannte Batterie über schüttete in Gemeinschaft mit den letzterwähnten beiden vom Nvrdrande des Waldes von Brschisa aus die er scheinenden Spitzen des Feindes mit Granaten uno Granattärtätschen und bestrich mit ihrem Feuer einige Waloblößeu, auf denen sich preußische Kolonnen zeig ten, sodaß sich der Feind wohl hütete, das Gehölz zu verlassen. Dadurch wurde den abziehendeu Sachsen uno Oesterreicheru ein Vorsprung von einer ganzen halben Stunde verschafft. Tic Batterie Heydeureich endlich be schoß aus der Stellung bei Stresotitz das brennende Torf Poglus und preußische Reservereiterei, welche in mehreren Kolonnen von Propowitz nördlich von Stre sotitz vorbei ging: von dem exakten Feuer der Batterie traf Schuß auf Schuß. Tie besonders guten Dienste, welche die Batterie leistete, die oer Hauptmann von .Hering-Göppingen kom mandierte, war die Ursache, daß die preußischen Sol daten nach dem Feldzüge auf die Frage nach, dein Ver bleib deS einen oder anderen Gefallenen antworteten: ,^Die hat ja oer sächsische Hering bei Kföniggrätz ge fressen" Für die große Ruhe und Kaltblütigkeit der säch sischen Artillerie aber gibt folgender verbürgte Vorfall auS der Schlacht bei Königgrütz einen deutlichen Be weis. Einem Kanonier war beim Geschützbcdieneu das tzosenkreuz geplatzt. In einer Gcfechtspause packt ec unbekümmert um die ringsum einschlagendcn Granaten, sein zweites Paar Hosen aus dem Tornister und beginnt sie anzuziehen. „Zum Tonncrwetter, was machen Sie denn da?" ruft der Kvrporal. Die Antwort lautet: „Na, ich kann mich doch nicht sehen lassen! Tie Preu ßen sollten schöne lachen, daß mir's Hemd zu den Hosen heraushängt!" > Bei der Neuformierung der sächsischen Truvpen nach dem böhmischen Feldzuge wurde die Feldartillerie voll- stänoig mit gezogenen .Hinterladern versehen und auf 14 Fuß- uno 2 reitende Batterien gebracht. Als daun im Juli 1870 der Kriegsruf des Frau- zoscnkaisers Louis Napoleon über den Rhein herüber schallte, da rollten auch in langer Reihe die säch sischen Kanonen mit hinaus inS Feld, um sich neue, unvergängliche Lorbeeren zu holen. Tic Wirksamkeit dec sächsischen Feldartillcrie wie der gesamten dentschcn Ar tillerie war im Verlauf des ganzen Krieges pon her vorragender Bedeutung. Ihr waren zum großen Teile die günstigen Resultate der Hauptschlachten mit zu dan ken. Vom 12. (K!gl. Sächs.) Armeekorps stauoen bei St. Privat 14, bei Sedan 15 Feldbattcrieu im Feuer. In ersterer Schlacht am 18. August bereitete das Feuer der sächsischen Geschütze vormittags zuerst den Angriff aus Sainte Marie aux Chsucs vor; sächsischer Kanonen donner brachte am Spätnachmittag der todesmutig auf freien! Felde mit ihren dezimierten Bataillonen aus harrenden preußischen Garde die Mnde von der nahen den Hilfe und Unterstützung, sächsische Granaten halfen ant Abend das Dorf St. Privat la Montagne in Brand schießen uild die französische Besatzung vertreiben. Ter Munitionsverbrauch der sächsischen Batterien gibt den besten Maßstab für ihre Leistungen dort. Es verschossen vor St. Privat u. a.: die Batterie PortiuS 173 Gra naten, oie Batterie Bucher II 177 Granaten, die Bat terie Groh 157 Granaten und 9 Schrapnells, die Bat terie Leuguick 53 Granaten und 63 Schrapnells und die Batterie Leonhardt 102 Granaten und 3 Schrapnells. Eine ganz hervorragende Nolle spielte die säch sische Artillerie auch bei Sedan am 1. September, wo sie durch ihr mörderisches Feuer die Feinde in die Festung zurückjagte. Zusammen mit einigen bayerischen Batterien entwickelte die sächsische Artillerie eine wahr haft glänzende Tätigkeit. T-aS Feuer begann auS weit über IM Geschützen und nach den Berichten von Augen zeugen war es, als ob die Krater feuerspeiender Berge sich öffneten, um alles zu betäuben und zu vernichten. Was auch der Feind versuchte, um durchzubrechen, um sonst. umsonst, — die glühenden Schlünde donnerten ihm ein furchtbares,,Zurück!" entgegen. Tie Artillerie wiederum war es bei Sedan, welcher die scheinende Sonne über den blutroten Gürtel des Geschützfeuers hin weg, mit dem meilcnlang der dampfende Horizont um- gkäuztz war, den Sicgesgrust cntgegenleuchtete, und der Lorbeer des Tages konnte sich um die ehernen Müll-