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2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt": «olatianbdmck «nd »«lag »an Sauger » Winterlich >» «»esa. — Für dl« Redaktion verantwortltch: Arthur Hilhnrk in Riesa. IS 128 Loanabeud, S. Juni 1914, abends. «7. Jahrg. Das Recht im menschliche« Leven. Nicht selten begegnet man der Auffassung, daß NechtSangclegenheiten nur diejenigen interessieren, dis im öffentlichen Leben stehen oder Geschäfte treiben, daß sie aber einen Privatmann, der seine Tage fried lich dahinlebt und Streit und Hader möglichst meidet, wenig oder gar nichts angehen. Diese Vorstellung ist aber durchaus irrig. Man kann Streitigkeiten und Differenzen noch so sehr aus deut Wege gehen, ohne es zu wollen, kann man in irgend eine Angelegenheit verwickelt werden, die sich schließ lich bis zu einem gerichtlichen Verfahren zuspitzt. Ja, das Recbt begleitet den Menschen auf seinem Wege das ganze Leben hindurch und zwar jeden Menschen ohne Ausnahme: ob hoch oder niedrig, alt oder jnng, Mann oder Weib, ob Privat- oder Geschäftsmann, alle sind, wir von den mannigfachsten Seiten in dieses feine, kunstvolle Netz rechtlicher Normen eingesponuen und können fast keinen Schritt machen, dem nicht auch in rechtlicher Hinsicht irgend eine Bedeutung, eine Wirkung beigemcssen werden könnte. . Freilich recht oft, ohne daß wir uns dessen bewußt werden. Wer denkt daran, wenn er einen Brief in den Postkasten steckt oder Geld bei der Post einzahlt, oder wenn er Speisen und Getränke im Restaurant be stellt oder eine Fahrkarte auf der Eisen- oder Straßen bahn , eine Eintrittskarte ins Theater oder Konzert lost, daß dies alles Handlungen mit bestimmten ge setzlichen Wirkungen und Folgen sind. Und doch ist dem so. Man mache sich einmal die wechsel seitigen Rechtsbeziehungen klar, die sich im Verkehr mit der Post oder Eisenbahn zwischen Absender und Empfänger oder zwischen diesen und der Verwaltung bei Verlust und Schäden der Sendung, irrtümlicher oder verspäteter Bestellung usw. ergeben können. Wie viel kann hiervon bei Kündigungen, Rechnungen eines Schuldners, beim bevorstehenden Mlauf einer Verjäh rungsfrist abhängcn. Man vergegenwärtige sich ferner das weite Ge biet des Strafrechts. Gerade auf diesem ist die Ansicht besonders vorherrschend, daß ein ordentlicher und rechtschaffener Mensch mit dem Strafgesetz niemals in Konflikt zu kommen brauche. Nun mag diese Ansicht für die hauptsächlichsten Bestimmungen deS Strafgesetzbuchs zweifellos ihre berechtigte Geltung haben, aber es gibt daneben noch viele kleinere Gesetze und so viel unbekanntere und scrncrliegcnde Vorschrift-», daß ein Verstoß gegen ein Strafgcbot schneller möglich Sanatorium von zimkkmiiiiWe WW Chemnitz 47 Vollkommenste und modernste Kureinrichiungen für phyfi- kalisch diätetisch« Behandlung. Großer aller Park, freie Höhenlage. Behagliche Wohnräume, Zanderinstitut, Bade säle, Luftbäder, Emser Inhalatorium re. Individuelle Diät. Seelische Beeinflussung. Behandlung von Nerven-, BerdauungS-, Herz-, Ha »Helden, Adernverkalkung, Gicht, Rheumatismus, Frauenlei den rc. Illustriert« Prospekte srei. 3 Aerzte. Chefarzt I)r. Loebell. werden kann, als wir es ahnen; und Unkenntnis einer Strafbestimmung schützt bekanntlich nicht vor Bestrafung. Aber auch andere Fragen greifen mehr oder weni ger in das Leben jedes Einzelnen ein. Ta sind vor allem die Vorschriften, die die Beziehung des Bürgers zum Staate regeln, daS Staats- nnd Ber- fassungsrccht, das aktive und passive Wahlrecht, Er werb und Verlust der Staatsangehörigkeit, das große Gebiet der Versicherungsgesetzgebung, das Gewerbe recht, die Freizügigkeit usw. Nächst diesen Beziehungen des Einzelnen zum Staate greifen natürlich in das Leben jedes Bürgers seine von zahlreichen Rechts vorschriften geregelten Beziehungen zu seinen Bluts verwandten ein, dies sind die Vorschriften des Eltern rechts, deS Eherechts, te> Vormundschaftsrechts, des Erbrechts. Es wird wohl kaum einen Menschen geben, der damit nicht einmal in seinem Leben in Berührung gekommen wäre. Geburten, Heiraten, Todesfälle füh ren den Bürger auf das Standesamt, wo diese rechtlich wichtigen Ereignisse beurkundet werden und damit von ikenem zur Grundlage und zur Quelle künftiger Rechts- bezichnngen werden. Sv sehen wir, wie uns in unserem Leben auf Schritt und Tritt Rechtsfragen begleiten; ja sogar das bloße Verstreichen der Zeit bewirkt ohne jedes Zutun unserer seits oft mannigfache, recht fühlbare Veränderungen in unseren Rechtsverhältnissen. Unsere Ansprüche können uns durch Zeitablauf (Verjährung genannt) unwiderbringlich verloren gehen; umgekehrt können nnS neue Ansprüche und Rechte .durch Verstreichen längerer Zeiträume zufallen. Ganz allgemein kann man sagen, daß der Mensch in einem geordneten Rechtsstaatc wie dem unseren fast nichts tun oder unterlassen kann, waS nicht Rechtswirkungen nach sich zöge oder wenigstens ziehen könnte. Ein Mindestmaß von Rechtskenntnisscn kann daher jedermann nur von Vorteil sein. bl. Aus aller Welt. Schwerin: Die Angelegenheit des verhafteten Di rektors der städtischen Elektrizitätswerke Schröder zieht immer weitere Kreise. In der Voruntersuchung hat sich herausgestellt, daß Schröder bereits früher wegen ähn licher Schwindeleien mit Gefängnis vorbestraft war. Trotz einer sehr bewegten Vergangenheit konnte er hier den angesehenen Posten drei Jahre bekleiden. Tie Zahl der Kreditschwindeleien nimmt täglich zu. — Hamm: (Wests.): Vorgestern nachmittag brach auf dem Gut Mundloh in Flierich ein großer Brand aus. Tas Vieh- hauS brannte vollständig nieder, während die übrigen Gebände nur mit Mühe vor den Flammen geschützt werden. Der Schaden ist sehr bedeutend, da umfang reiche Vorräte verbrannt sind. Als Brandstifterin wurde das Dienstmädchen Marie Menke verhaftet. Sie hat die Tat bereits eingestanden nnd scheint aus Rache gegen den GutSpächter gehandelt zu haben. — Hoerde (Wests.): Ein Großseuer zerstörte in Menden die Metallwarenfabrik von Brunsricker. Ter aggerichtete Schaden ist sehr be deutend. — Prag: In Wölkau bei Krumhau (Böhmen) ist ein Schnellzug auf einen bereits entgleisten Personenzug aufgesahrcn. Von 28 Verletzten sind 8 schwer verwundet. Ter Materialschaden wird als sehr groß bezeichnet. — Wien: Der 28 jährige Bauernbursche in Oedenburg Theodor Tomig geriet, weil seine Geliebte mit ihm nicht tanzen wollte, derart in Wut, daß er. die Eltern des Mädchens erschoß und dieses selbst verwundete. Tann stieg er auf einen Kirchturm, schoß von dort in die Menge herab und verwundete mehrere Personen. Er.bcsaud sich gestern noch aus dem Kirchturm und schoß ununterbrochen in die Menge. Tie Gendarmerie hatte deu Turm um zingelt und schoß nach dem Turm hinauf, um den Täter zum Herabsteigeu zu bewegen. Auch Militär wnrde requi riert. — London: Tie uralte, ans der Zeit der nor mannische» Eroberung stammende Kirche zu Breadsall in Derbhshire wurde von Suffragetten ciugeäschert. Eine unersetzliche alte Bibel, die an einer Kette befestigt war, verbrannte dabei; die Täterinnen entkamen. — Odessa: AuS Jaffa wird hierher gemeldet, daß 2000 heimrciscnde christliche Pilger infolge der Pestgefahr in der Quarantäne festgehälten werden. Die meisten Pilger sind nicht in der Lage, sich Nahrung zu verschaffen und stehen in folgedessen dem Hunger gegenüber. Tie Verzweifelten appellieren an die öffentliche Mildtätigkeit, um ihr Leben zu retten. — Petersburg: Tic amtlich sestgesiellte Pest in der Umgebung von Baku findet jetzt eine selt same Erklärung, der man allerdings skeptisch gegenüber stehen muß. Tie Einwohner der Apschcron-Halbinsel und dcr Siedelung Turkjan, wo die Pest auftrat, erklären nämlich, eine Anzahl Bauern hat ein von einer Schlange gebissenes erkranktes Schaf geschlachtet und verzehrt. Alle, die das Schasfleisch genossen hatten, erkrankten und star ben. Später seien keine Erkrankungsfälle mehr borge- kommen. Tic Bauern bestreiten auf das Entschiedenste das Vorhandensein dcr Seuche. Vom DreieSflug. Am gestrigen letzten Tage des Dreieckfluges starteten 28 Flieger für die Etappe Johannisthal—Leipzig—Dres den—Johannisthal. Das Wetter war gestern nicht be sonders günstig. Tie Luft war außerordentlich unruhig und machte den Fliegern viel zu schaffen. Um 4 Uhr 3 Min. stieg der erste Flieger auf. Hanusche und Stiefvatter hatten Motordefckt und kehrten nach Johannisthal zurück. Als Erster traf in Leipzig Schüler ein, der die Strecke in 1 Stunde 5 Min. zurücklegte. Ms Zweiter landete Janisch in 1 Stunde 11 Mi». Tic durchzufliegcnde Strecke beträgt 370 Kilometer. Sämtliche in Johannisthal ge starteten 26 Flieger sind in Leipzig cingetroffen und nach Dresden weitergcflogen. Tie in Leipzig gestarteten 26 Flieger sind in Dresden eingctrosfcn. 2t von ihnen sind alsbald nach Johannisthal weitergcflogen, während zwei Flieger heute ihren Flug dorthin fortsetzen wollten. Tie in Dresden aufgesticgenen Flieger sind sämtlich in Johannisthal gelandet. Bekanntlich fand auf dcr Etappenstrecke Tressen— Berlin am 1. Juni ein Vorgaberennen statt- Bon der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt Adlershof war zu diesem Zwecke auf Grund einer Formel sie Gcschwin- Kirr goldenes Wutterherz. Roman von Erich Ebenstein. 58 „Ganz leicht ist es ja nicht immer, so vieles muß man erst in sich selbst besiegen, so manches überwinden," sie strich sich mit unsicherer Hand über die Stirn, „nnd wenn dann am Ende doch alles versagt?" Sie stand auf nnd küßte die Schwie gertochter, „Deine Liebe, mein Kind, nehme ich mit mir als Licht, aber hier bleiben kann ich nicht. Assunta, die in freudloser Einsamkeit dahinlebt, braucht mich." „So will sie auch in Zukunft nichts mehr wissen von Lan zendorf?" „Sie duldet nicht einmal, daß sein Name genannt wird. Ich hätte nie gedacht, daß eines meiner Kinder so hart sein könnte." Die alte Frau seufzte tief auf. Eva wiegte den Kopf sinnend hin nnd her. „Ich weiß nicht, früher, wenn Rndi mir da» angetan hätte, ich glaube, ich hätt's auch nie verzeihen können. Aber jetzt — Dil hast mit Deinem lieben, guten Wesen wirklich alles in mir verwandelt, Mama! Heute könnteichgarnichtinehrhas- fen." Draußen erklang Rudi» rascher Schritt, «nd im nächsten Augenblick stand er mit leuchtendem Blick vor den Frane», an» linken Arm Klein-Harald, in der rechte» Hand einen Strauß Rosen, den er Eva in den Schoß legte. „Von Fran Hassack. Sie läßt schön grüßen nnd kommt nach her eitlen Sprung herüber." „Wie nett von ihr! Jeden Tag Blumen! Und ich freu« mich immer so, wenn sie kommt, sie plaudert so reizend, e» wird einem ganz leicht «nd fröhlich dabei nmS Herz!" Der Ton ihrer Stimme ivarso voll ehrlicher Herzlichkeit, daß Frau Lore sie entzückt ausah. Ja, diese Seele war lange «nter dem Schutt landläufiger Engherzigkeit vergraben gele gen, aber sie war doch echtes Gold, und die Erschütterung tiefer Leidenschaft hatte sie frei gemacht. Rudi stellte La» Kind zn Boden nnd drückte Eva» Kopf an seine Brust. „Was krieg ich, «rein Alle», wenn ich noch eine Extra- krendenbvtschast bereit habe?" „Eine Freudenbotschaft?" „Ja" — er zog einen Brief aus der Tasche und sah ab wechselnd Fran nnd Mutter schelmisch au, „sieht greulich amt lich aus, nicht wahr? Ist aber himmlisch!" Und plötzlich küßt« er Eva iir ausgelassener Freude. „Wir kommen nach G.! Schatz, was sagst Du dazu ? Als GerichtSrat— achte Rauaklasse mit tansend Krouen mehr Gehalt! Na, ist das eine Freudenbotschaft?" Eva sah verklärt auf ihn. „Nach G.! Zu Mama! O Rudi, und fort aus diesem Nest! Welch ein Lebe» liegt vor «us!" „Nicht wahr? Radschlageu möcht ich, wie ich'S al» Knabe tat." Eva «marmte ihn stürmisch. „Du — ein ganz neues Leben soll das werden, hörst Du? Bin ich nur erst wieder ordentlich auf den Beinen, dann sollst Dn sehen! Keine Arbeit soll mir zu viel sei». Du sollst es ganz haben, wie D» eS einst hattest dahetnn Und abends lesen nnr zusammen oder laden liebe Frennde ein, und Mama wird in allem meine Lehrmeisterin sein. Unser gnter Engel, gelt, Mama?" Mama konnte nicht antworten, denn die Augen standen ihr voll Tränen. ES überwältigte sie beinahe. So schön sollte ihr daS Leben nnn doch «och ausklingen? „Womit habe ich so viel Glück verdient?" dachte sie voll demütiger Dankbar keit. „Aber wie ist denn das gekommen?" fragte Eva inzwi schen weiter. Und Rudi berichtete. Er war schon früher um seine Versetzung eingekommen, nnd in der letzten Zeit noch einmal. In Schlohstädt war seine» Bleiben» nicht «»ehr, seit alle Welt seine häuslichen Verhältnisse in der abscheu lichsten, lieblosen Weise der Kleinstädter besprach, und da er immer für eine» tüchtigen Beamten gegolten hatte, den man nur provisorisch i« da» kleine Nest setzte, so gab mau ihm nun gern ein« eben frei gewordene Stelle in der Hauptstadt. In vier Wochen sollte er seinen neuen Posten schon antre- ten. Mama erbot sich, bei der Ueberstedelnng zu helfen, aber Eva nahm da» nicht an. „Ich fühle mich schott ganz kräftig und gesund, in acht Tagen sänge ich an zu packen. Du aber. Mama, schone Dich, denn wir brauchen Dich noch viele Jahrzehnte gesund und kräftig." So reiste Fran Lore acht Tage später von Schlohstädt ab. Auf der Rückreise wollte sie einen Tag in G. bleiben, um Lanzendorf zn besnchen. Die mutlosen Briefe desselben ließen ihr keine Ruhe. „Er wird mir doch nicht schwach werden ans einmal, jetzt, wo er bewiesen har, daß er Tüchtiges leisten kann?" fragte sie sich öfter in der letzten Zeit bekümmert. „Vielleicht braucht er nur ein kräftiges Wort des Trostes, das ihn anfrüttelt, und daS will ich ihn» geben." „Freilich," sie seufzte bitter auf, „das beste kamt ich ihm bringen. Weib und Kind." — Kitty Henderson stand in Lanzendorfs Bureau und sah mit funkelnden Augen auf ihn nieder, der schlaff im Stuhl lag und gedankenlos nut einem Papiermessec spielte. Sie war gestern nach ihrer letzten Amerikareise im Triumph von Schwaloling nm Bahnhof empfangen worden, hatte den Abend mit ihm verbracht und schließlich über sehr bedeutsame Dinge mit ihm verhandelt. Und sie war keine Sekunde während der ganzen Zeit den heimlichen Zorn und die Erbitterung über Lanzendorf losgeworden. Er war nicht gekommen, um sie zn begrüßen. Er allein hatte ihr nicht einmal geschrieben, während dieser ganzen langen Zeit. Fast ein Jahr! Zweimal hatte sie ihn heute schon ausgesucht, immer war er in der Fabrik draußen gewesen, für die er sich halb zn Tode arbeitete, wie Schwalb« ling ihr lachend erzählt hatte. Endlich gelang es ihr, ihn zn Bureauschluß zu treffen. Aber auch jetzt hatte er sie nnr kalt gefragt: „WaS willst Dn eigentlich noch bei mir?" Da war ihr Blick funkelnd geworden. „Antwort auf die Frage, was zwischen uns eigentlich wer den soll?« „Die gab ich Dir bereits im Frühjahr, «he Du nach Lon» don reistest. Ich bi» Dir daukbar für Deine Hilfe in geschäft» licher Beziehung « „Dankbarkeit? O — damit möchtest Du mich abspeisen?" DaS Leuchte» in ihren« Blick wurde stärker, aber es «oar ein böses Leuchte,«. 221.20