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dabei. „Sie schickte» einen Boten aus vcm Lazarett, wir möchten kommen " Jammern und ein heftiger Schmerzausbruch der Tante unterbrach ihre Worte, sie konnte nicht trösten, nicht helfen, anderes sah sie jetzt als ihre Pflicht an. Darum trat sie an das Bett der Tante, auf dessen Rand diese weinend saß. „Ich gehe voran," erklärte sie. „Axel soft wissen, daß Ihr mir gleich nachkommt! Beeilt Euch, damit ihr nicht zu spät da seid!" Sie war schon wieder ans der Stube, als die Schwestern erst den vollen Sinn ihrer Worte faßten und in überstürzender Hast sich anzuklciden begannen. Ter verzweifelte Schrei der Tante gellte dem Mädchen noch nach, als sie die Treppe hinabeilte. Eine Viertelstunde später stand sie an dem Lager des Sterbenden. Ihr Arm stützte ihn, während ihre andere Hand sanft seine abgemagert« Rechte streichelte. Sprechen konnte sie noch nicht, sie war atemlos vom raschen Sang, anch bewegte es sie tief, den Stem pel des Tode- auf diesen bleichen Zügen zu sehen Hin und wieder war auch sie bei Axel im Lazarett gewesen, und gerade vor ein paar Tagen hatte sie ja in ihm den Senesenden begrüßt, wie auch der Arzt es geglaubt Seine matten Augen hatten aufgeleuchtet, als sie zu ihm getreten war. Ein Gefühl des Wohlseins prägte sich in seinen eingefallenen Zügen aus, wie er den Kovf an ihre Schulter lehnte „Bist schnell gekommen," murmelte er, „warst ja immer so flink, Tank, Tank?" Er machte eine kurze Pause, schloß die Augen und fuhr dann flüsternd fort: „Ich war im Traume mit Dir in Klampenborg — unter den Buchen saßen wir, und dar Meer ranschte — ranschte — lkind, es war so wunderschön!" Er lag ganz stift, und das Mädchen raunte ihm leise zu: „Axel, schöner, viel tausendmal schöner als «ns dieser armen Erde ist'S droben bei unserem lieben himmlischen Vater!" La öffnete er die Augen, groß und strahlend blickte er sie an. „Ja, da ist kein Krieg — kein Tänc und Preuße —" „Nur Gottes Kinder — und Friede, ewiger Friede " sagte sie mit ihrer lieben weichen Stimme, die von Tränen umschleirrt war. Nur wie ein hauch kamen die Worte über seine Lippe«: „ES geht zu Ende — ich weiß — nun bete mit mir?" Ihre Hände umschlossen die seinen, sic drängte willensstark die Dränen zurück und sprach leise, aber klär und deutlich: „Sem» ich einmal soll scheiden. So scheide nicht von mir. Wenn ich den Tod soll leiden» So tritt du dann herfür Wenn mir am allerbängsten Wird um daS Herze seiiä» Tann reiß mich aus den Aengstcck Kraft deiner Angst und Pein!" „Aulen!'' murmelte er; ein todesmatter Blick oaakte ihr. L« öffnete sich die Tür, seine Mutter trat ein und warf sich schluchzend an dem Lager des Sohnes aus die Knie. Er legte mit letzter Kraft seine Hino auf ihr Haupt, spreche» konnte er nicht mehr Aga hatte sich erhoben, um ihrer Mutter, die der Schwester auf dem Fuße gefolgt war, ihren Platz einzuräumen. Nun stand sie am Fußende des Bettes still mit gefalteten Händen Sie betete für de» Sterbenden, und wenn sein müder Blick sich auf si» richtet«, wußte sie, daß er sie verstand, nnd daß er ihr die» betende Gedenken dankte. Immer starrer wurde der Blick, immer röchelnder der Atem — eine halbe Stunde später war alles vorbei. Fortsetzung folgt» Herz und Ehre. Bon Arthur Zapp- - Fortsetzung. „Tas — ist nicht möglich!" stieß er mit heiserer Stimme, außer sich, hervor. „Tas ist undenkbar! Sie irren. Sie müssen sich irren!" Assessor Worbeser verneinte mit einer entschiedenen Gebärde. „Ein Irrtum ist völlig ausgcschlosseu," erwiderte er. ' „Ich selbst war als Zeuge bei der Verhandlung gegen Lehnhard zugegen. Hier ist überdies ein genauer Bericht über den Prozeß. Ich habe mir das Zeitungsblatt sorgsam ausbewahrt und es mir von Berlin nachssnden lassen, um cs Ihnen vorzulegen." Er griff in seine Rocktasche und brachte Sin zu- sammeugefaltetes Zeitungsblatt zum Vorschein, das er dem Offizier überreichte. Klaus Wollmar griff mechanisch zu. Er war wie betäubt. Tas alles kam so plötzlich, so gänzlich uner wartet, daß er cs immer nicht recht fassen und be greifen konnte. Er war so verwirrt und bestürzt, daß seine Finger zitterten, und daß es ihm Mühe verursachte, das Blatt zu entfalten. Uno als er endlich damit zu stande gekommen war, tanzten die Buchstaben vor seinen flirrenden Augen, sodaß es ihm im ersten Augenblick nicht möglich war, eine Zeile im Zusammenhang zu lesen. Er mußte erst mit gewaltsamer Willensanstrengung die fieberhafte Erregung in sich zurückdrängen nnd sich zur Ruhe und Fassung zwingen. Tann begann er zu lesen, während es ihn heiß und kalt durchschauerte. In kurzen, klaren Sätzen erzählte der Bericht die Geschichte des begabten, aber wenig bemittelten jungen Mannes, der, durch das Beispiel leichtlebiger, vermögender Freunde ver lockt, sich dem Wohlleben und allerlei noblen Passionen ergeben nnd schließlich, nm nicht hinter den anderen zurückstehen zu müssen, die Hand nach fremdem Gelbe au-gestreckt hatte. Schmerz und Empörung loderten in dem Lesenden auf. Ter Gedanke an seine Schwester fuhr ihm durch den Kopf. Arme Else! Wie wird sie es ertragen? Aber diese Regung wurde durch die flammende Ent rüstung rasch verdrängt, die ihn in allen Fibern er füllte. Wie war es nur möglich, daß ein Mensch mit solch einer Vergangenheit es wagen Amnte, sich in eine ehrenhafte Familie zu drängen? ,Lch danke Ihnen," sagte er, sich straff aufrichtend. „Sie haben mir und meiner Familie einen großen Dienst geleistet. — Würden Sie mir daS Zcitungsblatt für einige Zeit zur Verfügung stellen?" „Bitte sehr!" Assessor Worbeser verneigte sich mit Würde. „Ich habe nur meine Pflicht als Regimentskamerad erfüllt" Als der Assessor gegangen war, saß der Zurück bleibende eine ganze Weile regungslos da irnd starrte wie geistesabwesend vor sich hin. Mit einer unwillkür lichen Bewegung griff er sich an die Stirn. War es denn wirklich wahr, das Unglaubliche, Undenkbare? Oder hatte ihn nur ein schlimmer Traum genarrt? Aber nein! Vor ihm auf dem Tisch lag die Zeitung, in der dieser Mensch, der die Vermessenheit und Schamlosigkeit soweit getrieben hatte, sich mit der Schwester eines Offiziers zu verloben, öffentlich als Tieb gebrandmarkt worden war! Unerhört! Zwar war der Name des Angeklagten nicht voll gedruckt, aber daß die Buchstaben B. L. keinen andern, als Elses Bräutigam, seinen Schwager, bezeichneten, daran Ivar nach den bestimmten Erklärungen Worbesers kein Zweifel mehr möglich. Ein geschäftiger Eifer kam, nachdem das erste läh- meude Entsetzen sich gelegt hatte, über den junge» Offizier. Nun hieß es handeln, den Schaden gut machen, soweit es noch anging. „Sott sei Tank, daß es noch nicht zu spät war," murmelte Klaus Wollmar. Tie Stirn des Zornigen legte sich in finstere Falten, und seine »echte ballte Mnfieusuflase» kür RstattoaSdraL Teetheftraß« Nr. öS hält sich zur Anfertigung nach- stehendn Drucksachen belsaubaer Ausführung und billigst«Preis stellung bestens empfohlen. rww ASreß» ««S Geschäfts» karten vrietkLpke, vrteflrtften Vestel,ettel vrsschürr«, VUletS Deklarationen Danksasuu,»» «uv Etaladuagsbrirse Etulaßkarlea Etikette» alle» Art Fakturen, Flugblätter Formulare tu dtp. 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Wenigstens wollte der Leutnant aber keinen Augenblick zaudern, jede Gemeinschaft mit dem ehemaligen Strafgefangenen zu lösen. Mit eiligen Händen machte sich Klaus Wollmar zum Ausgehen fertig. Sein erster Gang führte ihn in das Haus seines Vaters. Ter Herr Professor blickte erschrocken in das blasse, verstörte Gesicht des Sohnes. „Was hast Tu denn, Klaus?" fragte Professor Woll mar ahnungslos feinen Sohn. „Ich habe soeben die Entdeckung gemacht," stieß Klaus aufgeregt hervor, „daß wir leichtsinnig die Ehre unserer Familie aufs Spiel gesetzt haben." „Tic Ehre unserer Familie? Wer denn?" „Tu und ich, Papa." Ter alte Herr rückte seine Brille zurecht und be trachtete den ihm mit zuckende» Mienen Gegenüber stehenden erstaunt. „Ich verstehe Dich nicht, Klaus! Willst Tu mir nicht näher erklären —" „Wir haben einen Menschen in unsere Familie ausgenommen," erwiderte der Offizier fliegenden Atems, „ohne uns vorher genau über sei» Borlebcn zu unterrichten." „Sprichst Tu von Viktor?" ,Ha." „Ja, aber Tu hast Dich doch über ihn erkundigt.' Ter Leutnant biß sich die Lippen wund. „Nicht mit der Sorgfalt, mit der ich es hätte tun sollen. Auf seiner Vergangenheit ruht ein schwerer Makel. Und wenn nicht der Zufall den Kameraden Worbeser zur rechten Zeit hierhergeführt hätte, so hätten wir Else mit — mit einem abgcstrastcn Verbrecher ver heiratet" Ter Professor richtete sich entsetzt in die Höhe. „Was sagst Tu," stammelte er, „mit einem Ver brecher?" Klaus Wollmar nickte und berichtete dann aus führlich von seiner Unterredung mit Worbeser; auch das Zeitungsblatt, das dieser ihm übergeben, legte er dem Vater vor. Ter alte Herr hörte seinen Sohu schweigens au, nur hier und da durch Gebärden seine Erschütterung verratend. Ten Zeitungsartikel las er mit gewissen hafter Aufmerksamkeit. „Rein," gab er seinem Eindruck und seinen Em pfindungen in seiner umständlichen Weise Ausdruck, „die Sache liegt doch wesentlich anders, als ich nach der erste» erschreckenden Aeußerung glaubte. .Hier scheint mir weniger ein Fehler deS Charakters, als lediglich ein unbesonnener Jugendstreich vorzuliegen, der sich aus dem Milieu und den Verhältnissen, in denen der junge Mann damals lebte, erklärt- Seitdem sind sieben Jahre vergangen. Viktor Leh-nhard hat bewiesen, daß ein guter Kern in ihm steckt. Und wir dürfe» wohl annehmen, daß er auch in Zukunft der tüchtige und ehrenhafte Mensch bleiben wird, als der er sich doch, seit er hier in der Stadt lebt, erwiesen hat." Ter Leutnant blickte erstaunt und unwillig. „Ich glaube gar, Papa, Tu beschönigst das Ver gehen dieses Menschen." „Beschönigen?' Nein! Ich suche nur nach Erklä- ruugs- und Entschuldigungsgründen. Ich bemühe mich, seine Tat zu verstehen und sie nach ihrer wahren Bedeutung abzuschätzen. Mein Gefühl als Mensch sträubt sich, einen Mann, den ich bisher geschätzt und geachtet habe, nun plötzlich zu verdammen, weil er einmal in früher Jugend einer Versuchung, die an ihn herantrat, nicht zu widerstehen vermochte?' Ter Leutnant legte Zeichen von Ungeduld an vcn Tag. „Ich bin der Slnjichl, Papa," stieß er mit verächt-l lich zuckenden Lippen hervor, „Verbrechen bleibt Verbrechen, und für einen Tieb hab« ich kein anderes Gefühl als das der Verachtung. Warum er das tat, und wie er dazu kam, darnach zu forschen, ist nicht meine Sache. Mir genügt es, -u wissen, daß er seine Hände besudelt hat. Für mich ist solch ein Mensch einfach nicht mehr vorhanden." Ter alte Herr mit dem weißen Haar, und dem vom Alter unv schwerer Geistesarbeit gefurchten Gesicht bewegte mißbilligend sein Haupt. „Tu bist rasch in Teinem Urteil, Naus," sagte er. „Wenn alle Menschen so denken und so handeln würden, so würden viele nützliche Glieder der menschlichen Gesellschaft dem Leben für immer verloren gehen. Tatsache ist, daß, solange Lehnhard in dieser Stadt lebt, niemand ihm etwas vorwerfen kann, und daß Else höchstwahrscheinlich sehr glücklich geworden wäre, wenn dieser Herr Worbeser nicht ausgeplaudert hätte, was er lieber für sich hätte behalten sollen." „Worbeser?" fuhr der Leutnant auf. „Tu tadelst ihn, Papa? Er tat seine Pflicht, und ich bin ihm dafür dankbar." V Aber der alte Herr verneinte durch eine ausdrucks volle Gebärde. „Ob er Tank verdient, und ob er aus Pflichtge fühl handelte und nicht aus anderen Motiven, darüber will ich mir kein Urteil «„maßen," erwiderte er. „Tas weiß ich jedenfalls, und ich leide darunter, und wir alle werden darunter leiden, daß nun ElseS Glück in Frage gestellt ist." Er blickte mit einem forschenden, säst ängstlichen Blick zu seinem Sohn hinüber, der auf gestanden war und aufgeregt im Zimmer auf und ab schritt. „Was denkst Du, was nun geschehen soll, Klaus?" Ter Leutnant hielt nun in seiner Wanderung inne. „Nun, Papa, darüber ist doch kein Zweifel. Tie Verlobung muß aufgehoben werden, nnd wir müssen sofort jede Verbindung mit — mit dem Menschen abbrechen." Ter alte Herr stöhnte. „Ter Skandal!" sagte er. „Tas Aufsehen!" Tcnr jungen Offizier schlug unwillkürlich sie Glut der Scham ins Gesicht. „Wir werde» selbstverständlich keine öffentliche Be kanntmachung erfolgen lassen," erwiderte er hastig, „son dern nur dem engsten Verwandten- und Bekanntenkreise von der Aufhebung Kenntnis geben " Professor Wollmar hob sein Gesicht, das die Sorge verdüsterte, zu seinem Sohne empor. „Hast Tu auch an Else gedacht, Naus?" „Ich glaube, Papa, daß sie sich unter diesen Um ständen von selbst bedanken wird, sich länger als die Braut Lehnhards zu betrachten." Ter alte Herr schüttelte sein Haupt. „Ich glaube, sie wird sehr geneigt sein, zu ver zeihen und zu vergessen, denn sie liebt." „Wer, Papa," fuhr der Leutnant empört auf, „das ist doch undenkbar, das wäre doch —! So viel Ehrgefühl wird sie doch besitzen. Ihre Liebe muß sich doch in Grauen ?rnd Abscheu verwandeln, wen» sie erfährt, daß Lehnhard" — er preßte, von seiner Bewegung übermannt, seine Rechte gegen die Augen und. vollendete mit leiser, dumpfer Stimme — „im Gefängnis gesessen hat." Um des Professors Lippen Duckte ein wehmütiges Lächeln. „Tu liebst nicht, Klaus, sonst würdest Tu vielleicht anders denken." Ein harter, unerbittlicher Ausdruck kam in den Mienen des Offiziers zum Vorschein. „Wenn Else wirklich zu schwach sein sollte," er widerte Naus Wollmar seinem Vater, „wenn sie nicht selbst begreifen sollte, daß wir mit dem ehemaligen