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Sonnabend, 3V. Mai 1V14, abends. S7. Jahr,. 2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt Molatlontdruck nnd Verlag vo» Langer t wtnterllch in Riesa. — tzilr di« MedaMon veraniwortlich! Arthur HSHnel in Riesa. Kriegsschiffe gefiillig? „Abgelegte Kriegsschiffe zu verkaufen! Wie neu!" Anfragen erbeten an die Admiralität... So ähnlich wird man in naher Zukunft wohl im Anzeigenteil der führenden Blätter der verschiedenen Länder lesen können, wenn die Chefs der Marineverwaltungen der großen Seestaaten dem Beispiele ihres amerikanischen Kollegen Daniels, der, wie gestern gemeldet, zwei amerikanische Kriegsschiffe an Griechenland verkauft hat, folgen und sich an dem Berkaus des auszurangierenden Schiffsmate- rialS an kleinere Staaten machen. Früher verkauften die Marinebehörden alte Kriegsschiffe nur auf Abbruch. Herr Daniels, der Märin.esekretär der Vereinigten Staa ten, hat als smarter Yankee herauSgefunden, daß es einen lohnenocren Weg gibt, die alten Schiffe loszu schlagen. Er erhält sogar den Selbstkostenpreis nach einer zehnjährigen Dienstzeit, d. h. zu einem Zeitpunkte, wo normaler Weise 50—60 Prozent des Wertes bereits ab geschrieben sein müßte. Es ist eben Hochkonjunktur, und die nutzt er aus. Die kleineren Seemächte, die ihre Rü stung zu Wasser vervollständigen wollen, sind nicht immer in der Lage, die enormen Summen aufzuwcnden, die ganz moderne Kriegsschiffe erfordern, andererseits sino die Liefertermine'für diejenigen Mächte, die nicht über eigene Staatswerften verfügen, derartig langfristig, daß vor Jahren gar nicht daran zu denken ist, das Land im effektiven Verteidigungszustand zur See zu setze». Bei der allgemeinen Spannung, die auf dem ge samten Welttheater herrscht, ist es daher nicht verwun- derlich, wenn selbst kleine Raubstaaten daran gehen, ihre Kriegsrüstung zu vervollständigen. War früher bei den Marinebehörden bei dem Verkauf alter Kriegsschiffe stän dig die Bedingung vorgesehen, das; die Schiffe nur zum Abbruch dienen durften, um nicht einem eventuellen Gin goldenes WutLeryerz. Roman von Erich Ebenstem. 48 Aber dann hatte sie die Idee wieder ausgegeben. Es wäre zu schwer gewesen, dort vorüberzugehen, ohne eintreten zu dürfen. Sie hatte Assunta nicht einmal den Tag ihrer Ab reise aus Schlohstädt geschrieben, um sie nicht in Konflikt mit ihrer Pflicht zu bringen. Assunta wäre dann wenigstens auf den Bahnhof gekommen, aber — Nein, sie wollte ihr Los klaglos tragen nm der Kinder willen. Nicht der kleinste Streit sollte ihretwegen mehr statt find en. Aber jetzt stand alles natürlich anders. Jetzt mußte sie hin. Nicht nm Assuntas willen, sondern wegen Ferry, der Trost brauchte — vielleicht Hilfe. Zum ersten Mal vergaß sie ihr dem Gatten gegebenes Ver sprechen. Ferry befand sich vielleicht in momentanen pekuniä ren Schwierigkeiten — hatte Frau Hassak nicht etwas Derarti ges angedeutet? Und er war schließlich doch auch ihr Kind. Sie hatte ihn als Sohn in die Arme geschlossen, als Sohn geliebt, wer sollte ihm denn helfen, wenn nicht sie? Alles, was sie allmählich auSeinaudergesührt hatte, sank nun in nichts zusammen, war vergessen und ausgelöscht. Beinahe hätte sie das Unglück gesegnet, das ihr die Mög lichkeit gab, Ferry zu beweisen, daß sie ihr» nichts nachtrug und ihn liebte wie ein leibliches Kind. So kam sie gegen Mittag in G. an, und der erste Mensch, den sie am Bahnhof erblickte, war Lanzendorf. Er blickte suchend umher und näherte sich eben einem älte ren, elegant gekleideten Herrn, der mit demselben Zug wie Frau Lore gekommen war. In diesem Moment sprach sie ihn an. Unangenebm er staunt blickte er auf und Frau Lore war so erschrocken über den kühlen, ärgerlichen Ausdruck seines Gesichtes, daß sie alles vergaß, was sie ihm ans der Tiefe ihres mitfühlenden Herzens heraus hatte sagen wollen. So wurden es nur ein paar ungeschickt gestammelte Bei- leidSvhrasen, > die er mit eben solchen Phrasen erwiderte. «Ja, es ist «in ärgerliches Mißgeschick gewesen, das unS rsivffmZbat. Schwalb.sjna_tgt den .Kopf total verloren — Gegner noch brauchbares Kriegsmaterial in die Hand zu spielen, so braucht jetzt diese Vorsichtsmaßregel nicht mehr im gleichen Umfange angewandt zu werden. Ab gesehen von dem größeren .Handelswert, kommen noch technische Gesichtspunkte in Frage. Ter kolossale rasche Fortschritt in der Umwälzung der Typen moderner Kriegsschiffe bringt cS schön mit sich, daß ein Kriegs schiff heute nach zehnjähriger Dienstzeit nicht mehr ent fernt denselben G.efechtswert besitzt, wie ein Schiff Vor dreißig Jahren noch nach 25 jähriger Dienstzeit hatte. Es ist daher keine Gefahr mehr beim Verkauf dieser Ge fechtseinheiten zu befürchte». Ein ebenbürtiger Gegner wird nie daran gehen, sich derartige Antiquitäten von Kriegsmaschinen zuzulegen, und im Besitz der schwäche ren Seemächte können die alten Kähne nicht mehr viel Schaden einem mit modernen Gefechtseinheiten ausge rüsteten Gegner zufügcn. Aber nicht nur Kriegsschiffe sind ein begehrter Ar tikel auf dem Weltmarkt; auch anderes Waffenmaterial aller Art steht hoch im Kurse. Ter internationale Waffen handel ist ein mächtiger Faktor in der Weltpolitik ge worden, inde^kl die fähigsten Köpfe aller Länder tätig sind. Mit List und Verschlagenheit, die an die Piraten stückchen der Korsaren von Anno dazumal heranreicht, werden Bestellungen auf Waffenmateriäl unter de» ^schwie rigste» Verhältnissen zur Ausführung gebracht. Tie Ame rikaner haben das zu ihrem Schaden erst in den letzten Tagen erfahren müssen, als die „Ypiranga" und die „Bavaria" unter den Kanonen der amerikanischen Kriegs schiffe mit aller Seelenruhe den Waffenstillstand be nutzend, ihre kostbare Ladung an Patronen, Mausergc- wehren, Max,imgeschützen nnd Schncllfeuerka»o»en in Mexiko landete». Ter deutsche Waffenhandel scheint überhaupt bei der .Hochkonjunktur auf dem internatio- tzaleu Waffcnmarkt nicht schlecht nbznschneiden, da die großen deutschen Fabriken, wie in Fachkreisen verlautet, derartig mit Aufträgen besetzt sind, daß sie bereits eine Reihe von Wafkenfabriken im AuSlaudc mit teil weiser .Ausführung ihrer Aufträge betrauen mußten. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Eine interessante Zusammenkunft. Am 12. Juni wird Kaiser Wilhelm als Gast des österreichi schen Thronfolgers Franz Ferdinand auf dessen böhmi schem Schloß in Konopischt eintreffen. Der Besuch wurde bereits vor längerer Zeit angekündigt; der Erzherzog hatte den Deutschen Kaiser gebeten, die herrlichen Garten anlagen des Schlosses sich einmal in einer Zeit höchster Blütenpracht anzuschcn. Es handelt sich also um einen rein privaten Besuch ohne jegliche politische Bedeutung. Aber er entbehrt doch auch nicht eines gewissen politischen Interesses durch die Teilnahme unseres Staatssekretärs des Reichsmarincamtcs, Großadmirals v. Tirpitz. Alle Welt weiß, wie sehr Erzherzog Franz Ferdinand für die Entwicklung der österreichisch-ungarischen Wehr zur See gearbeitet hat. Daß er jetzt den Mann bei sich sehen wird, der, wie kaum ein anderer sein ganzes Lebens werk der Schöpfung einer starken deutschen Wehr zur See gewidmet hat, gibt ihm sicherlich reichliche Gelegen heit, mit dem Organisator der deutschen Flotte mancherlei zu besprechen, was auch der ja noch ziemlich in den An fängen der Entwicklung stehenden österreichisch-ungari schen Kriegsmarine von Nutzen sein kann. Und insofern wird auch die Begegnung von Konopischt, so unpolitisch sie auch sonst sein mag, hoffentlich Früchte tragen zu einer Kräftigung der österreichischen Flotte uizd damit auch des deutsch-österreichischen Bündnisses. Ten»; je stär ker beide Verbündeten zu Wasser wie zu Lande gerüstet sind, eine um so stärkere Macht wird ihr Bündnis, in der Welt darstellen. Die deutschen Fliegeroffizicrc freige- lassen! Die beiden Fliegeroffiziere, die nach Rußland verschlagen und dort nach der Landung festgehaltcn wur den, sind inzwischen freigelasscn worden. Nachdem ein mal außer Zweifel war, daß die Flieger nur unter dem Drucke einer höheren Gewalt sich zur Landung genötigt sahen, war ja auch diese rasche Freilassung zu erwarten. Wenn mau überhaupt ciuigen Zweifel hegte, ob Haupt- manu Schmögcr und Oberleutnant Paul sich bald wieder der Freiheit erfreuen könnte», so geschah das im Hinblick auf die Erfahrungen, die fern in Perm am Ural die Herren Berliner und Genosse» sammel» »rußten. Neber deren Verurteilung wolle» wir hier nicht mehr rechte»; was aber auch heute »och u.nangciiehme Nachwirkungen hervorrust, das ist die lauge Haft, in der die deutschen Ballonfahrer gehalten wurde». Gewiß arbeitet der rus sische Tschinowuit schwerfälliger als der deutsche Beamte; daß er sich aber auch spute» kann, das zeigt die Frei lassung der beide» deutsche» Offiziere. Und wir »volle» mur hoffe», daß diese Eile nicht vereinzelt geblieben ist, daß in Znkunft alle deirtsche» Lnstsahrcr, die in das Zarenreich verschlagen werde», ebenso rasch erfahren, woran sic sind, Ivie die Graudcnzer Offiziere. Tann wer den die Beschwerden nnd Zweifel an russischer Gast freundlichkeit, wie sie auch jetzt in Deutschland ge äußert wurde», von selbst verschwinden. Hauptversammlung des „Vereins für das Deutschtum im Ausland" in Leipzig. Vom 2. bis 5. Juni tagt in Leipzig der „Verein für das Deutschtum im Ausland". Ter eigentlichen Tagung wird eine Besprechung der Vertreterinnen der in letzter Zeit besonders erfolgreich fortgeschrittene» Fraucngrnpven des Vereins vorausgehc». Tie Tagung wird am Abend des 2. Juni durch einen zwanglosen Begrüßungsabend im Palmeugartcn eröffnet. Am Vormittag und Nachmittag des 3. Juni treten die Vertreter des Hanptvorstandes, der Landesverbände nnd Ortsgruppen zu geschlossener üsli üsmillsr g. 8se. ZMnrtes SinneriLirsnäksä. Konstant angenehme Wassertemperatur, weiter, seichter, gänzlich stein- und schlammsreier Sandgrund, prächtiger Familienstrand, rege» Badeleben, Wassersport, mitten in meisenweiten Waldungen, schöne ebene und mäßig an- steigende Waldwege, in herrlicher Gegend, gänzlich rauch- und staubfreie geschützte Lage. Heilkräftigstes Moorbad aus eigenen riesigen Moorlagern, die allermeisten bekannten Heilmoore in den heilwirksamsten Bestandteilen übertreffend Vorzügliches Hotel, Knrhans mit Wohnungen. Auskünfte durch die Reichsgriiflich Hartigsche «üterdirettio» Niemes 1. B. aber Du entschuldigst, Mama, ich bin eigentlich gekom men, um Herrn Ahrens zu erwarten, den Vertreter der Wie ner Versicherungs-Gesellschaft. Es handelt sich nm die Scha- densseststellung, er wartet dort auf mich." Beschämt trat sie zurück. „Verzeihe — ich wußte nicht —" Er drückte ihr die Hand. „Dir geht es hoffentlich gut? Auf Wiedersehen, Mama!" Schon im Begriff, zu gehen, wandte er sich noch einmal um: „Du hast doch nicht die Absicht, Assunta anfzusucheu? Die Sache hat sie sehr alteriert, ich möchte nicht, daß sie wieder Gelegenheit fände, die Details durchzusprechen. Ein andermal vielleicht, wenn Gras über die Geschichte gewachsen ist." „Du kannst ganz ruhig sein. Ich fahre direkt weiter zu Peter Lott." Sie sagte eS mit eisiger Ruhe, während ihr Blick an ihm vorüberging. Dennoch lag in ihrer Miene etwas ihm Unbe quemes, das er vergebens abzuschütteln suchte. „Na, also, schön. Grüß mir den alten Sonderling bestens." Sie sah ihm nicht nach, als er fortging. Ei» eisiger Wind fegte über de» Perron und sie schritt fröstelnd in das Restau rant, wo sie die Abfahrt ihres Zuges erwarten wollte. Die Fenster des Speisesaales gingen auf den BahnhofSplatz hinaus, wo Wagen an Wagen stand. Gedankenlos blickte Frau Lore auf diese Wagen, zwischen welche» Passagiere und Ge päckträger sich bewegten. Der Kellner stand mit der Speisekarte neben ihr, aber sie merkte «S nicht. Ihr Blick folgte zwei Herren, welche langsam, als die letzten, die Ankunftshalle verließen nnd auf einen ab seits haltenden offenen Wagen znschritten. Lanzendorf und Herr Ahrens ans Wien. Aber was war denn das? In dein Wagen saß eine auf fallend elegant gekleidete, junge Dame mit hellblondem, ge bauschtem Haar unter einem genial anfgebogene», schwarzen Nembrandthnt, dessen lange Straußenfedern bei jeder Bewe gung nickten. lind sie bewegte sich viel. Sie lachte den beiden Herren von weitem zu und streckte jedem mit bezauberndem Angenauf- schlag eine ihrer kleinen Hände entgegen. Tann stiegen die Herren zu ihr «in und der Wagen rollte fort - Fra» Lore blickte verstört auf. Der Kellner stand noch immer da und legte nun lächelnd die Speisekarte vor sie hin. „Rostbeef ist sehr zu empfehlen, Gnädigste, auch Brathuhn, eben fertig geworden." „Kennen Sie die Dame, welche dort eben wegfnhr?" fragt» Frau Lore mechanisch. Der Kellner lächelte geschmeichelt. „Fräulein Kitty Henderson ? Selbstverständlich, Gnädigste. Sie ist der Star vom G.'erVarietee seit drei Wochen. Famose Künstlerin, Weltruf, war schon in Amerika, wo sie fabelhafte Erfolge errang. Die ganze Stadt ist von ihr bezaubert." „ES ist gut. Danke." „Was darf ich bringen, Gnädigste?" „Was — was sie wollen." Abwesend starrte die alte Fran vor sich hin. „Kitty Henderson, Kitty Henderson!" Immer wieder sprach sie im Geist diesen ihr unbekannten Namen aus, der sich mit magischer Gewalt ihrem Hirn einprägte, ohne daß sie recht be griff, warum. I» G. sprach man von nichts anderem als vondem Un glück, das die neue Cellnlosefabrik betroffen hatte. Alle Welt war voll davon, und die Zeitungen brachten jeden Tag neue Berichte darüber. Man begriff plötzlich nicht, wie die Gemeinde eine» so gefährliche» Betrieb sozusagen in mitten des Stadtgebietes hatte dulden können. Wie leicht hät ten die angrenzenden Straßenzüge eingeäschert werden kön nen, nahe genug war die Gefahr ja gewesen! Und wozu brauchte man schließlich überhaupt eine solche Fabrik? Hatte man das Material früher aus Deutschland bezogen, warum nicht weiter? Schwalbling, das wußte jedermann, verstand keinen Deut von der Sache. Der hatte sich einfach hineinrei ten lassen von diesem Lanzendokf, der, als Reichsdeutscher, von Rechts wegen gar keine Konzession hätte bekommen sollen. Damit war ein gefährliches Stichwort gefallen. Die Pro vinz hatte ihr Herz für Oesterreich entdeckt, nnd dieselben Leute, die vor drei Jahren feierlich eine Bismarckeiche in» Stadtpark pflanzten und abends im Wirtshaus laut auf die „verlotterte" Wirtschaft Oesterreichs im Vergleich z» dem „.ieich draußen" schimpsten, wurden über Nacht loyal. 221,Al