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Beilage znm „Mesaer Tageblatt". SlotatlonSdnick und Verlag von L a n g e r L WI „ ter l t ch tn St t e >«. — Mr die Redaktion verantwortlich: Arthur Htihnel in StieIa. ISS Freitag, 2S. Mai nbeuds. <—»»L»»ch»M»—M—-WSSSSSii-»—^<»»>»Si»W «7. Iahrg. — Mittelstanvshilfc. BD. Der neue preußische Minister de» J»»nern, Herr o. Loebell, hat sich dieser Lag« im Herrenhaus mit einer Programmred« vorgestellt, die eine bedeutsame Stelle über Mittelstandspolitik enthielt. E« sei hohe Zeit, so sagte er, eine Sozialpolitik für den Mittelstand zu treiben, der viel- fach unter viel schwereren Bedingungen seine Existenz finde wie der Arbeiterstand. Er werde al» Minister alle sozial politischen Fragen danach beurteilen, wie sie auf den Mittelstand wirken, und er werde sich bemühen, die Lasten de» Stande» zu mildern und seine Rechte in vollem Um fange zu erhalten. Diese Ausführungen wurden im preu ßischen Herrenhau« sehr beifällig ausgenommen und werden auch im Lande allgemeiner Zustimmung begegnen. Dem Mittelstände, das ist jetzt endlich Erkenntnis aller sozialpolitischen und parteipolitischen Kreise de» Bürgertums geworden, muß geholfen werden. Mit achsel zuckendem Bedauern über die mittelstandsgefährdende Ent wickelung unsere» neuzeitlichen Wirtschaftslebens oder mit guten Ratschlägen zur Selbsthilfe ist cS nicht mehr getan. Handwerker und kleine Kaufleute haben Anspruch auf gesetz lichen Schutz und gesetzliche Unterstützung, so gut wie eS die Arbeiter, die seither in reichem Maße sozialpolitische Fürsorge durch die Gesetzgebung gefunden haben. Auch darüber ist man einig, daß sich die gesetzliche Mittelstands hilfe nicht in einigen Einzelgesetzen erschöpfen darf, sondern einen ganzen Komplex von Maßnahmen und Eingriffen erfordert, die in ihrer Zusammenwirkung erst die ernsten Gefahren beseitigen können, die der Großbetrieb unserer modernen Wirtschaftsweise heraufbeschwört. Leider fehlt eS aber bei den Regierungen wie bei den Parteien noch immer an einem großzügigen Plan deS Vor gehens. Man kuriert an einzelnen Mißständen herum, stellt Erhebungen an, produziert umfangreiche Denkschriften (wie jetzt in Preußen die Denkschrift über die Verluste der Bauhandwerker und Baulieferanten bei Neubauten in Groß- Berlin), arbeitet kleine Gesetzentwürfe aus, hält amtliche Konferenzen unter Hinzuziehung sachverständiger Miltel- standSsührer ab: aber in der Wirklichkeit geschieht nichts, wenigstens nichts Durchgreifendes. WaS hat beispielsweise der deutsche Reichstag in den letzten Jahren an positiven Gesetzen zur Unterstützung des selbständigen Mittelstandes geleistet? Nicht«! Man hat zwar bei der Reform der Berftcherungsgesetze im Jahre 1911 einige Bestimmungen über Selbstoerstchecung kleiner Arbeitgeber getroffen, aber gleichzeitig die Lasten der Sozialgesetzgebung so gesteigert, daß die sreundlich bedachten Mittelstandsexistenzen kaum Gebrauch von jener Vergünstigung machen können. Man hat das nene Konknrrenzklauselgesetz geschaffen und damit gerade den kleinen Kaufleuten die Möglichkeit genommen, sich durch WettbewerbSoerbote zu schützen. Man hat eine reichSgesctzliche Regelung des Submissionswesens angestrebt, ist aber über einen Kommissionsbericht mit wunderschönen Richtlinien sür einen späteren Gesetzentwurf nicht hinaus» gekommen. Andere gesetzgeberische Versuche, wie da» söge- nannte Schaufenstergesetz, die verstärkte Konzessionspflicht im Gastwirtsgewerbe und ähnliches, sind — man darf sagen glücklicher Weise — überhaupt nicht in Angriff ge nommen worden. In Preußen und den anderen Einzel staaten macht man ähnliche Beobachtungen. Dieser bedauerlichen Erscheinung gegenüber bedeutet auch die wohlklingende Programmrede des preußischen Ministers deS Innern, der bekanntlich auch im BundeSrat einen sehr gewichtigen Einfluß für den Mittelstand geltend zu machen in der Lage ist, noch keinen neuen Hoffnung«, strahl. Denn in dieser Programmrede fehlt jede Andeutung eine» praktischen Vorschlag«. Alle wirklich wirksame Mittelstand-Hilfe läuft immer wieder darauf hinaus, bei der Organisation deS Mittel stände» in großen, eindruck»"ollen Verbänden Helferdienste zu leisten. ES fehlt ja heute nicht an Organisationen, aber sie sind noch lange nicht so stark und vor allem nicht ein- heitlich genug. Sie verzehren oft ihre Kräfte in heftigen Kämpfen untereinander und in aufreibenden Grenzstreiligkeiten mit der Industrie. Gerade die Erfolge der Arbeiterschaft bei der sozialen Gesetzgebung lehren aber, daß nur die Massen- organisationen mit einheitlichem Willen und einheitlichen Zielen etwas durchsetzen können. Auf dem Organisation», gebiete muß eS zu allererst besser werden. Dann aber sollen die großen Mittelstandsverbände mit den Parteien — mit allen bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme — zusammen zu wirken versuche«, so wie eS der „nene Mittel- stand", die Privatbeamtenbewegung tut, um die wichtigsten Forderungen an die Gesetzgebung durchzudrücken. Wenn dann noch an den maßgebenden Stellen warmherzige und einsichtige Mittelstandsfreunde wie der preußische Minister des Inner», Herr von Loebell, Mitwirken, sö wird die Zeit kommen, wo auch der Mittelstand aushört zu sein, wa» er gegenwärtig ist, da» Stiefkind der sozialen Gesetzgebung und staatlichen Hilfe. Tmiesneschichte. Deutsches Reich. Der Papst und der V ö l k e r f r i c d c. Bei dem Konsistorium am Dienstag, in dem Papst Pius X. eine Reihe neuer Kardinale ernannte — auch die deutschen Erzbischöfe Tr. v. Hartmann (Köln) und Tr. v. Bettinger (München) erhielten bei dieser Gelegenheit den Kardinals hut — gedachte das Oberhaupt der katholischen Kirche auch der Bestrebungen von Mäniicnl, die dem Frieden zwischen den Völkern und zwischen den Ständen'dienen. Ter Papst gedachte mit warmer Anerkennung jener Man ner, er meinte aber, ihre Ratschläge seien nicht fruchtbar genug, wenn man sich nicht zn gleicher Zeit Mühe gebe, zu erreichen, daß die Vorschriften der Gerechtigkeit und der christlichen Nächstenliebe in den menschlichen Herzen tief Wurzel schlagen. .Heute liege cs nicht so sehr bei den Machthabern, als bei der Menge, ob die Bürgerschaft oder der Staat ruhig oder in Aufruhr sind. Zum Schluß seiner Ansprache gedachte Pius X. seines Vorgängers Pius VII., der gerade vor hundert Iahten, nachdem er von der Schmach einer langen Gefangenschaft befreit, die ihm Napoleon I. auferlcgte, nach Rom zurückkehrtc. Deutschland und die russischen Reser vist en ein b er u fen e n. Tie Ankündigung, daß nach dec Ernte die drei jüngsten Jahrgänge der russischen Reserven zn einer sechswöchigen Uebung einbernfen Nor den, mußte selbstverständlich in diesen Zeiten immer währender politischer Spannung großes und nicht ge rade angenehmes Aussehen erregen. Nun ist ja aller dings nicht anzunehmcn, daß das Zarenreich mit diesen Einberufenen irgendwelche kriegerische.Absichten verbin det. Kriegsrüstungen verkündet man nicht aller Welt schon Monate vorher; sie würden den möglichen Gegner erst recht aufmerksam machen. Aber die immer sich wie derholenden russischen Mobilisierungen an der deutsch österreichischen Grenze bleiben darum nicht minder un erfreulich. Sie zwingen den Nachbar zu erhöhter Auf ¬ merksamkeit und zu gewissen Gegenmaßregeln, nm sür alle Fälle gerüstet zn sein. In einer österreichischen mi litärischen Zeitschrift wird ganz offenkundig der Ansicht Ausdruck verliehen, die Russen wollten mit i,bren fort gesetzten Trnppenanhänsungen an der Grenze die Donau monarchie, welche entsprechende Gegenmaßregeln anord- nen müsse, erschöpfen. Mag diese Annahme auch über trieben sein, so zeigt sie doch jedenfalls, wie gereizt die Stimmung in Oesterreich Ungarn über die sortgeseh ten Beunruhigungen von jenseits der Grenze ist. Und diese Gereiztheit muß in unserer obnehin von allen er denklichen Explosivstoffen ersüllien politischen Almosvbäre die Gewitterneigung nur fördern. Minister Sasonow mag in der Duma noch so beruhigend reden, solange die Welt durch die sich stets wiederholenden Meldungen russischer militärischer Vorkehrungen an der Wrügeeuze beunruhig! wird, bleibt immer die Sorge bestehen, daß in Rußland Kräfte am Werke sind, die mit dem Aufgebot aller Mittel des gewaltigen Reiches den Nachbarn ihren Willen zu diktieren suchen, ohne Rücksicht, ob dabei der europäische Frieden zu Schaden kommt. K eine v v ligatori s eh e bl n l e g n u g v o u V e r- s i eh e r n n gSgeldern in St a a t s p a p i e r e n. Tie Meldung einer Berliner Korrespondenz, daß zurzeit Boe beratnngen unter den Bnud.sregiernugen statrfinden über ein Gesetz, durch welches den Lebensveesichernngsgesell- scbasteu die Anlegung eines Teiles ihrer Bestände in Reichs- und Staatspapieren vvrgeschrieben werden sotl, stellt sich als unrichtig heraus. Wie der „Franks. Ztg." k : vis Preise : sind mässigi aus äievten uuä iietr- arti§6n OcRvebsn sinä äsr billigste, dslieb- test-e, pr'Äkt.isczusi.s Lr- LLt2 kür Oderliemäen. - r Ium Leisxiel: U. 2.80, 3.-, 3.40. WtzOiM 6ebr. kitzlle! Loks Ooetke- u. Zedütrerlstrssse. Ausgestellt im keuster äer 8oliüt2snstr. so hab' ich Sie doch so lieb gewonnen! Man muß Ihnen ja gut sein!" Ein dankbarer Blick aus Rudis Augen fliegt zn der Spre cherin und Evas Hand krampfte sich zornig um den Griff von Mainas Reisetasche. Frau Hassack sieht weder das eine noch das andere. Ihr Auge ruht herzlich, mit einem ganz leisen Ausdruck von Mitleid auf der alten Frau. Dann sagt sie: „Sie kommen iu einer schweren Zeit heim, aber Ihre Frau Tochter wird sich doppelt freuen. Sie in diesen Tagen um sich zu haben." Alle drei blickten betroffen auf. Mamas Angen öffnen sich in angstvoller Weite. „Meine Tochter? Schwere Zeit — um Gottes willen, was—?" Frau Hassack erschrickt. „Mein Gott, sollten Sie nichts wissen? Hat man Ihnen denn nicht telegraphiert gestern?" „WaS?" Das Wort kommt wie eiu Schrei über Frau Lores Lippen. Eine entsetzliche Vision taucht vor ihrer geängstigten Seele auf: ihrer Tochter oder der kleinen Mara ist ein Un glück widerfahren! Der Herzschlag stockt ihr. Dann atmet sie wieder ans, langsam und gepreßt, und das Herz beginnt wieder zu schlagen, wenn anch in dumpfen, schweren Schlägen. Frau Hassack, innerlich trostlos, daß sie gerade die erste Nachricht bringen mußte, aber wer konnte auch ahnen, daß Lanzendorf nicht einmal die nächsten Verwandten von dem Unglück verständigt hat, berichtet weiter. In der Cellulosefabrik war gestern durch einen noch nicht aufgeklärten Zufall Feuer ausgebrochen. Die Lagerräume standen im Nu in Flammen. Explosion folgte auf Explosion, Stichflammen züngelten «lach den Arbeitsräumen, sechs Tote trug man aus den» brennenden Gebäude, und die Zahl der Schwerverwnndeten stand noch nicht einmal fest. „Mein Mann ist heute mit dem Nachtzug hin," schloß Frau Hassack hastig ihren Bericht, denn der Zug fuhr eben ein. „Sie werden ja wissen, liebe Fran Doktor, daß wir stark an dem Unternehmen Ihres Schwiegersohnes beteiligt sind? Egbert meint, wenn auch die Versicherungssumme den tat sächlichen Schoden decken dürfte, so seien die Folgen doch unab sehbar, da der Betrieb auf lange hinaus sistiert werden muß." Kin goldenes MuLLerherz Roman von Erich Ebenstein. 47 In ihrem Zimmer wusch sie sich die verweinten Augen. Rudi darf nicht wissen, wie schwer dies Fortgehen ihr ist. Das wenigstens ist ihr geglückt: ihn glauben zu machen, daß sie nur gehen müsse, weil Peter Lott leidend sei und ihrer bedürfe. Eva ist sehr liebenswürdig jetzt. Als sie alle drei den Bahnhof betreten, strahlt sie ordentlich vor Fröhlichkeit, so daß Rudi ihr eine»» böseir Blick zuwirft und die Lippen zusam menpreßt. Ihm ist gar nicht gut zu Mute. Eil» dunkler Verdacht steigt immer'ivieder in ihm auf bezüglich Peter Lotts angeb licher Krankheit. Dabei hat er das völlig klare Gefühl: Mit Mama geht alles Liebe und Gute aus Deinem Lebe»» fort. Der letzte Son nenschein. Aber er darf sie ja nicht halten. Selbst wenn er sicher wüßte, daß das mit Onkel Peters Krankheit »»ur ein Vor wand ist. Er hat Eva freiwillig, ans Liebe geheiratet, er »nutz nun mit ihr anskommen, so oder so, schon um des Kindes willen. Und darum muß er schweigend dulden, daß seine Mutter geht. Das Leben ist nun einmal so: es geht »nit eherne» Füße»» über alle Tränen hinweg und packt mit eisernen Güs sen nach zuckenden Menschenherzen. Als sie wartend und wortkarg am Perron auf und nieder gehen, steht plötzlich eine hohe, dunkle Gestalt vor ihnen, die Frai» Lore einen Rosenstrauß entgegenhält. „Frau von Hassack, neiu, das ist zu lieb von Ihnen!" dankt Mama tief gerührt, während sich über EvaS Blick ei» kal ter Glanz legt. Natürlich, die muß wieder mit ihren» Blaufuchs und ihrer Freundschaft renommiere»! DaS war noch notwendig! Keine Frage, Rudi findet diese Zudringlichkeit sicher noch „rei zend". „Ich nuißte Sie doch noch mal sehen, liebe Mama Fa- „Elnsteigen!" rief eine rauhe Stimme neben der kleine» Gruppe, und Frau Lore fühlte wie im Lranme, daß ihr Sohn sie in ein Coupee hob nnd einen Kuß ans ihren Mnnd drückte. „Niinm's nicht so schwer, liebe Mama," flüsterte er ihr ins Ohr, „es gibt schwerere Verluste als Geld." Anch Eva küßte sie mit kühlen Lippen. Und Fran Hassack winkte noch vom Bahnsteig. Die Rosen, welche >ie gemacht, lagen achtlos auf der Conpeeüank, irgend ein junges, geputztes Geschöpf, das stark nach Eau de Cologue duftete, schob sie eben ärgerlich beiseite, um Platz für ihre Reisetasche zu machen. Draußen schob und drängte alles durcheinander. Kellner schrien Bier und Schinkenstullen aus, Gepäckträger bahnten sich fluchend ihren Weg, Zeitungsjunge»» riesen die neueste» Nachrichten dazwischen. Laute, fröhliche Abschiedsgrüße, hie und da ein verweintes Gesicht, halblaut gestammelte Worts vom Abschiedsschmerz erpreßt. Frau Lore sah nnd hörte alles nur verschwommen, wie durch einen Nebel. Da»»»» ein Signal, ein Ruck, Schlingern und Stampfen, das in ratterndes Rollen überging, wehende Tücher, frische Lust und die blanke, kühle Helle des Herbsttages über dem freien Land. ' Jetzt erst kam die alte Frau zu sich und fuhr mit einen» Ruck in die Höhe. Sie hatte ja noch gar nicht Abschied ge nommen von ihrem Jungen, hatte ihm noch so viel zu sagen, und Fran Hassack mußte sie doch noch fragen. Unter den kühl erstaunt auf sie gerichteten Blicken der Mitreisenden sank sie verlege»» in sich zusammen. Was ivollts sie denn noch? Der Zug jagte doch schon mit rasender Ge- fchwindigkeit durch unbekannte Gegenden. Nicht einmal dis Türine von Schlohstädt sah man mehr. Nach und nach gelang es ihr, Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Peter Lott und Barbe erwarteten sie gegen Abend in Ringbach, wohin sie »nit dem Wagen ans St. Barthclmä kom men wollten. Sie selbst hatte sich iu G. nur solange auf halte»» wollen, als nötig »oar, um die Abfahrt des LokalzngeS abzuwarten. Wohl war ihr einen Augenblick der Gedanke gekommen, erst den nächsten Zug zu benützen nnd Fräulein Reinling eine»» Besuch zu machen, nur, um von fern dis Villa Netiro zn sehen. Es wäre ja möglich, daß die kleine Mara im Garten spielte.