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Beilage znm „Riesaer Tageblatt". RolattonSdmck und Verlag von L « g « r L WIntrrlich inNirsa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur Höhne! in Riesa. 11« Freitag, 22. Mai IV14, abends " «7. Jahrg. Deutscher Reichstag. SV. Sitzung, Mittwoch, den 20. Mat 1914, 10 llhr. Die dritte Lesnng de- «tat-. Der Antrag Dr. Spahn (Z-, aus Streichung der in der zweiten Lesung bewilligten sechsten Neichsanwaltsstelle wird in der wiederholten Abstimmung angenommen. Der Etat wird in der Gesamtabstimmung gegen die So zialdemokraten angenommen. Abaelehnt wird die Entschließung Behrens (W. Bag.) auf Einsetzung einer besonderen Kommission sür Arbeiter angelegenheiten. Angenommen wird eine Entschließung Zim mermann (nl.) zum Militäretat auf Besserung der Lohn verhältnisse der Kupferstecher sür die Landesausnahme, eine Entschließung der Kommission zugunsten der aus dem Arbeiter und Handwerkerverhältnis hervorgehenden Postunterbeamten, so wie eine Entschließung v. Meding (Welfe) auf Erhöhung der zur Bienensiitterung zugelassenen Zuckermengen von fünf auf zehn Kilogramm für den Stock. .Eine Reihe von Bittschriften wird erledigt. Di» Novell« -«m Militärfttafgesehbuch. ES liegt ein Ausgleichsantrag Dr. Müller-Meiningen (Bp.) — Fehrenbach (Z.) vor, wonach in minder schweren Fällen der Fahnenflucht im Komplott die Straferhöhung min destens sechs Monate beträgt. Auf die wcitergehenden Anträge der Kommission wird damit verzichtet und im wesentlichen die Regierungsvorlage wiederhergestcllt. Abg. Dr. Müller-Meiningen (Vp.): Wir sind wieder durch die mangelhafte Disposition der Negierungen in eine gewisse Notlage gebracht worden. (Sehr richtig! links.) Wenn wir jetzt im wesentlichen die Regierungsvorlage wiederherstellen, io tun wir es. nm das Scheitern des Ganzen zu verhüten. Ti* Verantwortung für die Ablehnung unserer gerechten Wünsche trifft die Regierungen. Wir halten fest daran, daß die jetzige Ausdehnung der Militärgerichtsbarkeit aus den ganzen Tag auch nach dem bestehenden Recht unhaltbar ist. Wir werden die authentische Auslegung des Gesetzes im Herbst zu erreichen suchen. Wir bitten, unseren Antrag betreffend die Fahnenflucht, als das allein Erreichbare, anzunchmen. (Beifall.) Abg. Stadthagen (Soz.): Umfall und immer wieder Umfall! Die Vorlage und selbst der Ausgleichsantrag ist eine Verschlechterung der Lex Erfurt. Tas machen wir nicht mit. Wir suchen der Kultur zu dienen. Sie beruht auf den schaffen den, nicht auf de» raffenden Ständen. Abg. Fehrenbach (Z.): Der jetzige Zustand ist unerträg lich, und wir sind darum bereit, im Herbst eine Mion mit ¬ zumachen. Tie Strasminima des Miljtärstrafrcchts sind immer noch zu hoch. Aber die Vorlage enthält Erleichterungen, die keine Bagatelle sind. Ein verständiger Mann wird annehmen, was einen gewissen Vorteil bietet. Die Gelegenheit ist nicht geeignet, eS auf eine Kraftprobe zwischen Parlament und Heeres ¬ verwaltung ankommen zu lassen. Kriegsminister v. Falkenh ahn: Ter Ausgleichsantrag Dr. Müller—Fehrenbach erscheint mir nicht unannehmbar. Daß hier unter Umständen auf mildernde Umstände erkannt werden kann, vielleicht sogar muß, gebe ich 'zu und werde mich be mühen, die Zustimmung der Negierungen zu gewinnen. Man wirst mir ohne Grund bezüglich meines Verhaltens gegen die Kommissionsbeschlüsse Starrsinn vor. Unser Staat beruht auf der Arbeit aller Stände, wie ich gegenüber dem Abg. Stadthagen seststellen möchte, und cs ist ein Verbrechen, wenn man zwischen diesen Ständen eine Scheidewand auszurichten versucht und ihre gemeinsame Arbeit hindert. Die Vorlage ist aus dem eigenen Entschluß der Negie rungen hervorgegangen, ohne jeden Zwang. Sie bietet greif bare Vorteile und zeigt, wie ernst es den Regierungen ist, mit dem Reichstage, und durch seine Vermittlung mit dem Volke, zufammcnzuarbeiten. Präsident Dr. Kaemps: Der Minister sagte gegenüber dem Abg. Stadthagen, es sei ein Verbrechen, eine Scheidewand zwischen den verschiedenen Ständen auszurichten. Wenn ein Mit glied dieses Hauses einem anderen Mitgliede daS gesagt hatte, jo hätte ich eS zur Ordnung gerufen. (Bewegung. Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Stadthagen (Soz.): Wenn der Minister die Tätig keit der raffenden Stände auch für Kultur hält, dann bedauere ich, daß ihm diese Kultur nicht gestohlen werden kann. (Heiterkeit.) Unter Ablehnung der noch vorliegenden sozialdemokratischen Anträge wird die Novelle im lvescntlichen nach der Regierungs vorlage mit dem Ausgleichsantrage Dr. Müller—Fehrenbach angenommen. Damit bleibt der strenge Arrest und die Gültig keit der Militärgerichtsbarkeit sür den ganzen Tag der Kon trollversammlungen aufrechterhalten. Abg. Haase (Soz): Meine Partei wird wegen der ge ringen Verbesserungen, die die Vorlage immerhin bietet, in der Gesamtabstimmung dafür stimmen. (Heiterkeit und Bewegung.) Tie dritte Lesung wird ohne Aussprache erledigt. In der Gesamtabstimmnng wird der Entwurf einstimmig angenommen. Tie Denkschrift über die Rücklagen bei den Berufsgenossen- schasten wird ohne Aussprache erledigt. ES folgt die Beratung der Entschließung Weile nböck (k ), das Gesetz über die zellwidrige Verwendung von «erste so durchzuführcu, daß seine Umgehung verhindert und die Schä digung der Gerstebauer und der Reichskasse ausgeschlossen wird. Abg. Weilend öck (k.): Tie zu billigen Zollsätzen ein geführte Futtergerstc wird in großen Mengen zu Brauzwecken verwandt. TaS ist eine Umgehung des Gesetzes. Sie schädigt die Landwirtschaft und bringt der RcichSkassc einen Ausfall von zehn Millionen. Der Zollschutz muß also sicherer durchgcsührt werden. Abg. Frhr. v. Arentin (Z.): Wir stimmen der Ent schließung zu, wir haben selbst schon einmal eine ähnliche ein gebracht. Präsident Tr. Kaemps: Nachdem der Kricgsminister mir mitgetcilt hat, daß er seine vorhin erwähnte Aeußerung nicht auf ein Mitglied des Hauses bezogen, sondern allgemein gemeint hat, so entfällt der Anlaß zu der von mir darangeknüpstcn Be merkung. Tie Sache ist damit erledigt. Ein Regieruugsvertreter rechtfertigt die AuSsüh- rung des Gerstenzollgesehes- Abg. Stolle (Soz.): DaS Gesetz wird nicht umgangen, der Landwirtschaft dürfen die Futtermittel nicht verteuert werden. Abg. Koch (Vp.): Tie Verwendung von Futtcrgerste für Malzzwecke ist unmöglich. Abg. Weilend öck (k.): Die Beamten, die mit der Qua lifizierung der Gerste zu tun haben, trifft kein Vorwnrf, aber es ist Tatsache, daß ausländische Gerste, mit einheimischer ver mischt, zu Brauzwecken verwandt wird. In der nächsten Tagung werden wir uns über diese Frage gemütlicher unterhalten. (Heiterkeit.) » Abg. Fegter (Vp.): Die ganze Aktion,ist nur gegen die Einfuhr der Gerste gerichtet. ' j Tie Abstimmung bleibt zweifelhaft. Die Auszählung ergibt i00 Ja und 92 Nein. DaS Haus ist also beschlußunfähig.' Präsident Dr. Kaempf: Ich beraume sofort ' eine neue Sitzung an. Wir sind am Ende unserer Arbeiten angclangt. Wir blicken zurück' auf das große Werk der Heeresvorlage, die im vorigen Jahre zu einem guten Ende geführt wurde, und durch die die Macht des Reiches im Interesse des Weltfriedens würdig vcr- stärkt worden ist. (Beifall.) Der jetzige SessiouZabschnitt i kann sich mit der Größe dieser Aufgabe nicht messen; wir waren aber mit einer Fülle gesetzgeberischer Arbeit beschäftigt, wie kaum je zuvor. Tie dringendsten Gesetze sind vom Hanse er ledigt worden. Von den 90 Plenarsitzungen entfielen 59 auf den Etat. Die Budgetkommission hat 50 Sitzungen abgehalten. Wenn ich mich bemüht habe, die Arbeiten nach besten Kräften zu fördern, so konnte es nicht geschehen, ohne an die Arbeits kraft und an die Arbeitsfreudigkcit des HauseS und seiner treuen Beamten starke, sa ungewöhnlich starke Ansprüche zu stellen. Möge die anstrengende Arbeit auch dieses Tagungsabschnittes zum Heile des Vaterlandes gereichen. (Lebhcister Beifall.) Staatssekretär Dr. Delbrück: Ich habe dem Hause eine Allerhöchste Botschaft niitzuteilen. (Die Mitglieder erheben sich mit Ausnahme der Sozialdemokraten.) Die Botschaft lautet: k „Wir Wilhelm von Gotte-Z Gnaden, Deutscher Kaiser und König von Preußen, tun kund und fügen, hiermit zu wissen, daß wir unseren CtaatSminister Staatssekretär Tr. Delbrück ermächtigt haben, gemäß Artikel 12 der Verfassung die gegen wärtigen Sitzungen des Reichstages in unserem und der ver bündeten Negierungen Namen am 20. Mai 1914 zu schließe». Urkundlich und unter unserer höchsteigenen Unterschrift und beigedrucktein kaiserlichen Jnsiegel gegeben Neues Palais, 19. Mai 1914. (gez.) Wilhelm, (gegcngcz.) von Bcthman» Hollweg." Ich habe die Ehre, die Urschrift der Allerhöchsten Bot schaft dem Präsidenten zü übergeben. Auf Grund der mir von Seiner Majestät erteilten Ermächtigung erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag sür ge schlossen. Präsident Dr. Kaemps: Wir trennen un-Z mit dem alten Rufe: Seine Majestät der Deutsche Kaiser lebe hoch! (Das Hans stimmt in den Ruf ein, während die Sozialdemokraten sitzen bleiben.) Ich gebe dem Bedauern Ausdruck, daß ein Teil dec Mitglieder dieses Hauses .... (die übrigen Worte gehen in dem tobenden Widerspruch der Sozialdemokraten und dem dröhnenden Beifall auf der Rechten und der Mitte des Hauses verloren). Wir bringen durch Erheben von den Sitzen die Achtung zum Ausdruck, die jeder Deutsche dem Kaiser schuldig ist. (Großer Beifall rechts und in der Mitte.) " Schluß 2 llhr. TiMsneschichie. Lettisches Reich. Blumenthals Rücktritt vom politischen Leben. Bürgermeister Blumenthal, der bei c>cu Wahlen bom Sonntag ciue arge Niederlage erlitten hat, gebeult sich vollständig vom politischen Lcbcu znrnckznziehen. Er ist die .Hauptstütze dcS Nationalismus elsässischer Färbung gewesen und sein Verschwinden von der politischen Bild fläche dürfte dazu beitragen, den Kampf des Ältelsäsier- tumS mit den neudcutschcu in gemässigte Bahnen zu lenken. Tie „ licbcu " T u a l a s. Staalsselresär Tr. Sols hatte gelegentlich der Kolouialdebattcu im Reichstage mehrfach darauf hingewiesen, das; die von den Sozial demokraten als „reine Toren" hiugcstellten Tuala-Negcr durch ihre äußerliche Zivilisicrnng ein ganz gefährlicher Volksstamm seien. Man dürfe sich bei den Tualas nicht durch die äußere „Politur" bestechen lassen. Tic Sozial demokraten haben damals lärmend widersprochen, ja, Genosse Schöpflin suchte sogar die Unterschlagungen dcS Tuala Ngosc Tiu als Kollettivverbrcchcn, begangen mit einem Weißen zusammen, hinzustellen, bei dem der „arme, unglückselige Neger" den Prügelknaben hätte abgeben müs sen. Tr. Svlfs Ausführungen sind jetzt durch einen neuen Vorfall glänzend bestätigt worden. Tie Berliner Polizei hat sich veranlaßt gesehen, die beiden Tuala- ueger, den Kanzlisten und Posthilfsboten Muaniv und den Musiker Ndabo in Berlin, zu verhaften, nicht, weil sie den Staat gefährden tonnten, sondern, weil sie, der Eigenart ihres Volkes getreu, allerhand LogiSschwinde- leien und Diebstähle begangen haben. Besonders der - - —>„ —- Gin goldenes Wutterherz Roman von Erich Ebenstem. Roman von Erich Ebenstem. 34 Fraulein Reinling wußte auch wirklich nichts, sondern sprach nur von ihren Blumen, dem Kamelienbamn im be sonderen, der seine wachsartigeu roten Blüten über Nacht in blendender Farbenpracht erschlossen hatte. Frau Fabrizins stand lcmae davor und hörte scheinbar auf merksam auf die Auseinandersetzungen der erfahrenen Blumen züchter«!, die erklärte, was so ein Baum alles brauche, ehe er sich entschließe, zu blühen. In Wahrheit dachte sie an ganz andere Dinge. Hinter dem Kamelienbamn an der Wand hing ei» altes'Muttergottes bild, das Fräulein Reinling einmal von einer Tante geerbt hatte. Das mußte Frau Lore immer ansehen. Es war mittelmäßige Arbeit und sehr naiv in der Auffas sung. Irgend eine gläubige Seele hatte eS offenbar in frommer Meinung gemalt. Sieben Schwerter staken in der Brust und darüber erhob sich ein blasses Fraueuantlitz voll Schmerz und Entsagung. Ein alter, schadhafter Goldrahmen umgab das stark nachgedunkelte Bild, aus dem sich nur die speerartigen Schwer ¬ ter, steif, kalt und blitzend hervorhoben. Bon diesen Schwertern kam Frau Lore nicht loS. Mit magischer Gewalt wurden ihre Blicke immer wieder davon au- gezogen. „Und zu denken," sagte das alte Fränlein neben ihr mit stillem Lächeln, „daß mir der Baum hier schon zweimal so gut wie eingegangen war. Kein Blatt war mehr daran. Alles dürr und sparrig, wie tot. Nicht wahr, das können Sie jetzt kaum glauben, Mamachen?" „Nein, es ist kaum zu glauben," sagte Fran Lore mecha nisch nnd blickte zwischen den glänzend grünen Blättern und pomphaft roten Blüten fasziniert auf die sieben Schwerter. „Ja, ja, und das bißchen Wasser und Dünger tut's auch noch lange nicht. Liebe gehört dazu. Die spüren die Blumen viel mehr noch als die Menschen. Dankbar sind sie dafür! Gerührt, beschämt — und auf einmal kommt dann zum Lohn da und dort ein winziges grünes Blattspitzcheu hervor. Hun dertmal hab' ich'S erlebt; so 'ne rechte warme Liebe, die wirkt Ivie Sonnenschein und bezwingt schließlich alles. Auch das, was schon scheinbar tot war. Aber so reich sind mir Liebe und Geduld wohl noch nie belohnt worden, wie bei der Amanda da —" „Amanda?" Frau Lores Blick, der bei den letzten Worten wie erwa chend von den sieben Schwertern nach dem alten Fräulein übergeglitten war, würde fragend. Fräulein Reinliugs blasses Gesicht rötete sich wie bei einem jungen Mädchen. „Ach, nun hab' ich Ihnen mein allertiefstcs Geheimnis ver raten, Mamachen! Nun werden Sie mich sicher anslachen — aber sehen Sie, ich hab' sie alle so lieb, meine Blumen. Sie bilden meine Welt, sie sind meine Menschen — schließlich hab' ich ja nichts anderes als sie. Und so hat jede heimlich ihren Namen. Das da ist die Amanda. Die Rose dort, die blasse meine ich, heißt Agnes. Die Myrte — im Juli wird sie blühen — neune ich Lucia, und die Lilie am Fenster, die auch schon Knospen ansetzt, ist Cäcilie. Wenn ich dann so unter ihnen sitze, komme ich mir gar nicht mehr allein vor. „Ich spreche mit ihnen, denke mir neue Namen aus für den Nachwuchs und bilde mir ein, sie verstünden mich ganz gut. Und glauben Sie mir, sie sind voll süßer Geheimnisse, wenn man sie beobachtet! Sie schenken einem so viel und sie enttäuschen nie — eine Welt, die der liebe Herrgott extra geschaffen hat für die Einsamen, ans dem Leben Ausrangierten. Oder kommt Ihnen das lächerlich vor?" Fran Lore schüttelte den Kopf. Nein, es rührte sie. Und etwas wie Neid stieg zugleich in ihr auf. Dann dachte sie an ein Buch, daS Peter Lott ihr vor kur zen» gebracht. „Ich rvill Ihnen nächstens etwas znm Lesen bringen, das Sie interessieren wird, liebe Agathe. „Das Sinnesleben der Pflanzen von France." Sie werden vieles finden, das mit Ihrem Empfinden übereinstimmt." Heimlich schielte sie noch einmal nach den sieben Schwer tern. Die dort hinter der stolz blühenden „Amanda" nnd sie selbst, was hatten denn sie noch für eine Welt, nachdem — Sie wandte sich hastig ab. Lene kam mit der Nachricht, daß Herr Doktor Lott unten auf seine Schwägerin warte. Barbe hatte schon vorgearbener. Mit lächelnder Miene und auSgestreckten Händen kam der Alte seiner Schwägerin entgegen. „Also, Großmama! Gratuliere! Weiß schon alles— ein Mädel — unsere Kleine noch recht angegriffen." Fran Lore warf einen raschen Blick nach der Tür. Ja, sie war geschlossen. Dann sagte sie bitter: „Gar nichts weißt Du, Peter. So wenig wie ich. Man hat mich nicht zu «reinem Kinde gelassen. Vor acht Tagen darf Assunta keine Besuche empfangen — ja — Peter, Besuche hat er gesagt — und die Kleine — es ist zu kühl im Empfangszimmer. Man durfte sie mir nicht bringen, daß ich sie küsse und ein Kreuz auf ihre kleine Stirn mache — eine Pflegerin haben sie ausgenommen, die hat die Oberaufsicht über alles, — auch in der Küche — nirgends brauchen sie mich mehr." Sie hatte langsam gesprochen, zuletzt ganz leise, wie er stickend! Jetzt brach sie in Tränen ans. Peter Lott ging stumm mit auf den Rücken gelegten Händen auf und ab und ließ sie ausweinen. Er kannte seine Schwägerin. Das saß ganz tief wie eine böse, böse alte Wunde, die sie lange verborgen hatte vor ihm nnd die nun plötzlich aufbrach. Sonst hätte sie nie so herz brechend geweint — gerade vor ihm. Einmal blieb er am Fenster stehen und blickte verloren hinaus in den Garten, über welchem Frühlingszauber lag. So still lag der glänzend grüne Rasen, über und über besät mit Maßliebchen. Wie schimmerndes Atlasgerinnsel quoll das junge Laub in den Büschen ans und die Birken breiteten lichte Schleier gegen die blanke Bläue über sich. Das duftete nach Erde, Harz nnd Blumen, das sang versteckt in allen Ecken, das war allüberall voll treibender Kräfte nnd junger Lust. Wie vvrm.Jahre. — Aber heute neidete er dein Frühling seine Jugend nicht mehr. Heute empfand er keine ohnmächtige Bitterkeit mehr dabei. Heute war er selbst ein gutes Stück weiter gekommen, aufwärts «ns dem Wege, der über die Dinge hinausführt in die stille Ruhe des Aethers, wo lichte Wölkchen hintrieb-n im Sonnenschein, und Sterne leise anfflammten oder erloschen, wenn es dunkel wurde ringsum. 221.20