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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". «oiattonbdruck und Verlag von Langer L «luterll» in Ri/sa. — Für dl« RedakNon verantwortlich: Arthur Hllhnel l« Ries«. / . S4. Donnerstag, IS. MSrz abends. ' " «7. Aahrg. Ein Erbprinz in vrannfchweig. Di« Geburt eine» braunschweigischen Erbprinzen hat über di« blaugelben Grenzpfäh le hinau» freudig« Anteil- nahm« geweckt. Dl« Ehe de» „Sonnenschein»'' unsere» Eaiserpaare» mit dem Welfenprinzen galt ja dem deutschen Volke von Anfang an al» da» beste Unterpfand einer Ver söhnung der Häuser Hohenzollern und Welf, deren Zwist noch al» letzte Erinnerung an di« unheilvollen Zeilen deut scher Zerrissenheit fortgelebt hatte. Daß der Liebe»bund zweier junger Färstenkinder zugleich den Frieden und die Versöhnung zwischen zwei alten deutschen Fürstengeschlechtern wiederherstellte, da« berührt gerade da» Eemüt de« Deut schen besonder« sympathisch. Denn die Anschauung wurzelt tief im deutschen Volke, daß über alle» Eegensützen der Politik rein menschliche Empfindungen nicht verkümmern dürfen. Daß jetzt die Ehe de« jungen HerzogSpaare« durch die Eeburt «ine» Thronerben gesegnet wurde, scheint die Gewähr dasür, daß nun die braunschweigische „Frage" hofsentlich sür alle Zeilen gelöst ist, gelöst in einer Weise, wie sie glücklicher und menschlich anmutender kaum gedacht werden kann. Der kaiserliche Großvater hat der Freude über die Geburt eine« Enkel« — de« sechsten Enkels — in einer Weise Ausdruck gegeben, wie sie sonst nur bei der Geburt von Söhnen von Prinzen deS königlichen Hause« üblich ist. Die StaatSgebüude trugen Flaggenschmuck, da« Militär legt« den Helm an, die Langsuhrer zweiten Leibhusaren hatten dienstfrei, ja sogar die Berliner Schuljugend bekam wenigsten« von 10 Uhr ab frei. E« hatte diesmal nicht erst eine« Telegramms eine« fremden Potentaten bedurft, «m den Kaiser von der Geburt seine« Enkel« zu unter richten, wie eS vor acht Jahren der Fall war, da ihm der erste Enkelsohn, der Prinz WIlbelm, geboren wurde. Da mals erhielt bekanntlich der Monarch auf der Nordland reis« ein Telegramm de« Sultan« Abdul Hamid, der ihn zu der Geburt eines Enkels beglückwünschte. E« war für den deutschen Gesandten in Christiania, Dr. Stübel, kein sehr angenehmer Augenblick, als ihm der Kaiser diese Eul- tanSdepesche mitteilte und ihn fragte, warum er diese frohe Nachricht nicht auf direktem Wege erhalten habe. Diesmal hat die Kaiserin, die schon seit vierzehn Tagen in Braun schweig w-ilte, um ihrem Kinde in schweren Stunden nahe zu sein, selbst den Salten benachrichtigt, und die hohe Frau hat noch am frühen Morgen dem Monarchen ausführlich am Telefon erzählen müssen, wie eS mit der jungen Mutter stehe und wie das Knäblein aursehe, das aus Hohenzollern- und Weifenblut erzeugt ward. Hohenzollern- und Welfenblut entsprossen zwei Fürsten, die im Gedächtnis des Volkes fortleben werden, solange «S «in deutsche« Volk gibt. Friedrich Wilhelm I., der Grün- der de« preußischen Beamten- und Militärstaate« und sein großer Sohn, der der Schöpfung des Vater« auf den Schlacht feldern dreier Kriege unvergängliches Leben gab, sind wel- fischen Müttern entsprossen. Möge eS auch dem jüngsten Sproß von Hohenzollern und Welfen, wenn er dereinst den HerzogSthron besteigt, gegeben sein, in fürstlicher Pflicht erfüllung, in Treue gegen da« ihm anvertraute Volk dem Beispiel dieser erhabenen Fürsten nachzueiferu, als ein würdiger Sproß zweier edler deutscher Häuser. * Herzog Ernst August von Cumberland erschien gestern vormittag« 10 Uhr bei Kaiser Franz Josef in Schönbrunn, um ihm die Geburt seine« Enkels in Braunschweig mit- -uteilen. Auf dem Palai« dcS Herzog« von Cumberland in Penzing wurde au» Anlaß de« freudigen Ereignisse« die Flagge gehißt. Churchill bekehrt? Im englischen Unterhause hat bei der Etatsberatung der Lord der Admiralität Churchill eine Rede über die Flottenstärke gehalten, die naturgemäß bei uns in Deutschland lebhaftes Interesse auslösen muß. Man weiß, daß der britische Marineminister ein ziemlicher Draufgänger ist, dessen Leitensprünge der Regierung schon manche Verlegenheiten bereitet haben: verschiedene seiner Reden waren geeignet, in Deutschland die Mei nung zu verstärken, daß England beabsichtige, sobalo die Gelegenheit sich bieten würde, loszuschlagen, um 'unserer Flotte den Garaus zu machen. Diesmal waren die Darlegungen des Ministers in einer wesentlich an deren Tonart gehalten und es steht wohl außer Frage, daß hierauf die Besserung der Beziehungen zwischen England und Deutschland nicht ohne Einfluß gewesen ist; auch mag man wohl im Miniflerrate Churchill be stimmt haben, seine bisherige Art und Weise aufzugeben, um keine Ungelegenheiten heraufzubeschwören. So er klärt er sich denn mit dem bekannten Latze vons 8 zu 6 mit einem Male einverstanden und äußert noch aus drücklich seine Genugtuung darüber, oaß Admiral von Tirpitz diesen Grundsatz als akzeptabel bezeichnet hat. Leinen Rückzug sucht Churchill damit zu begründen, daß die Entwicklung der deutschen Flottenorganisation nicht so schnell vor sich gegangen sei, wie er vor zwei Jahren angenommen habe. Man kann sich eines gelinden Lächelns nicht erwehren, denn Churchill muß damals unbedingt das deutsche Flottenbauprogramm gekannt haben, da hierüber kein Geheimnis obwaltete, sondern der Flottenbauetat gesetzlich festgelegt war. Wie dem auch sein möge, die Bekehrung Churchills ist zu begrüßen, da hiermit ein beunruhigendes Moment in der Weltpolitik wegsällt. Der englische Marinemtnister fügt sogar noch hinzu, daß jeder zufällige oder absichtliche Aufschub, den die nächststarke Seemacht ^gemeint ist natürltch Deutschland) eintreten lassen würde, von England nach geahmt werden würde, das seine Organisation nur in dem Maße, wie eS nötig sei, vollenden wolle. Diese Worte werden natürlich uns nicht bestimmen können, von unserem Programm abzusehen, zumal man ja, wenn auch jetzt die Stimmung in England eine bessere ist, niemals sagen kann, ob sie nicht gelegentlich wieder, umschlägt. Sonst noch bemerkenswert war in den Dar legungen Churchills die Betonung, daß man hinsichtlich der Bemannung keine Sorge haben brauche, man könne genug Mannschaften bekommen. Ob da der Minister oeu Mund nicht etwas zu voll nimmt, sei dahingestellt, im allgemeinen wird gerade in der englischen Marine, ive- nigstens für einen große,r Teil derselben lebhaft über Mannschaftsmangel geklagt. Bon Bedeutung ist deS wei teren die Erklärung, daß England stets der selbständige Wächter seiner Interessen im Mittelmeer bleiben und keine besonderen Verpflichtungen cingehen werde. Man weiß, daß auf die französische Flotte kein sonderlicher Verlaß ist und daß man damit etwas voreilig gehan delt hat, als das englische Marineamt beschlossen hatte, seine Hauptstreitkräfte in der Nordsee konzentrieren zu wollen. StaatsSiirgerliche Erziehung. Ans Berlin wird uns geschrieben: Tie Vereinigung für staatsbürgerliche Erziehung und Bildung veranstaltete kürzlich unter Leitung des Staats ministers z. D. Dr. von Hentig im Reichstag einen staats bürgerlichen Erörterungsabend, bei oem Regierungsprä sident Graf Hue de Gräis über „Gegenstand und Methode des staatsbürgerlichen Unterrichts auf der Grundlage des Ltaatsgedankens" sprach. Der Andrang war so erheb lich, daß zahlreiche Besucher keinen Platz finden konn ten. Das Handelsministerium, die Aufsichtsbehörde des Fortbildungsschulwesens und oas Kriegsministerium hat ten Vertreter entsandt. In klaren Ausführungen bezeichnete Graf Hue de Grais die Haupterfordernisse eines wirksamen bürger- kundlichcn Unterrichts. Er vertrat die Auffassung, oaß es nicht genügen würde, Staatsbürgerkunde in Verbin dung mit dem Unterricht in der Geschichte zu treiben. Zum mindesten bedürfe es am Schluß des Gesichts unterrichts einer Zusammenfassung des dargebotenen staatsbürgerlichen Lehrstoffes und der Ausfüllung et waiger Lücken. Bei der Gliederung des Stoffes sei vom Wesen des Staates auszugehen, dann zu seinen Einrich tungen und endlich zu praktischen Aufgaben fortzu schreiten. Graf Hue de Grais legte einen Uebersichtsplan des Stoffes vor, den er näher begründete. Geh. Ob.-Reg.-Rat Dr. von Seefeld hob die Not wendigkeit der Stoffbeschränkung für die Volks- uno Fortbildungsschulen hervor. Wichtiger als systematische Vollständigkeit des Stoffes sei, daß in oen Schülern Wille und Fähigkeit zu selbständiger Weiterbildung ge weckt werde. Des Verständnisses für wirtschaftliche Fra gen insbesondere für die weltivirtschaftliche Zukunft un seres deutschen Vaterlandes sei ein oringendes Erforder nis. Frau Regine Deutsch bemerkte, daß die sicherste Gewähr für eine gute Methodik der bürgerkundlichen Unterweisung in der Auswahl geeigneter Lehrerpersön lichkeiten beruhe. Schließlich betonte die Rednerin den Wunsch, auch in den Frauen müsse die Empfindung ge weckt werden, daß das Wohl und Wehe des Staates ihre eigene Angelegenheit lei. Exzellenz v. Hentig machte darauf aufmerksam, daß die Bereinigung von Beginn ihrer Tätigkeit es als eine selbstverständliche Aufgabe betrachtet habe, nicht nur den Männern, sondern auch den Frauen das erforderliche Mast von staatsbürger licher Bildung vermitteln zu helfen. Es sprachen dann Dipl. Handelslehrer Sander, Prof. Dr. Erler und Frau Lichnewsky. Letztere machte den Vorschlag, daß der Staat unentgeltliche staatsbürgerliche Ausbildungskurse einrich? ten solle. Direktor Gersbach erläuterte an Beispielen die Mängel der z. Z. üppig ins Kraut schießenden bürger kundlichen Literatur. — Exzellenz v. Mülmann bezeich nete die planmäßige Ausgestaltung der staatsbürger lichen Unterweisungen im Heere unter strenger Ausschal tung politischer Erörterungen, als erwünscht. Nachdem sich noch mehrere Redner und Rednerinnen wie Herr Becker von den christlichen Gewerkschaften, Freifrau von Funck, Herr Dr. Zartmann u. a. geäußert hatten, faßte der Vorsitzende die Ergebnisse oer Erörterung zusammen. Der „Zerfall Oesterreichs". Der Pariser „Tempi" gab gestern «in von der „Nowoje Wremja" gestern morgen veröffentlichte« Interview mit einer hochstehenden russischen Persönlichkeit wieder, da« er al» mindesten« ebenso wichtig bezeichnet wt, da« kürzlich von der Peter«burger „vörsrnzeitung" veröffentlichte, da» übrigen« von einem ganz anderen Gedankengang auSging. Nachdem die betreffende Persönlichkeit von den europäischen Rüstungen gesprochen hat, deren Ende noch nicht abzusehen sei, fügt sie hinzu, daß augenblicklich keiner der europäischen Staaten, weder Deutschland noch Frankreich und Rußland an einen Krieg denke nnd nur rüste, um den Frieden zu sichern, und erklärt dann weiter, daß hochstehende russisch« Persönlichkeiten geäußert hätten, ein vündnt« zwischen Ruß land, Frankreich, Deutschland und England sei die beste Frieden»garantie. Die elsaß-lothringische Frage, dies«» schwierige Hlnderni», könnte zur Verwirklichung dleser Hoff nungen in Berlin leicht im beiderseitigen Interesse der be teiligten Parteien gelöst «erden. E» hejßj dang in dem Interview wörtlich weiter: ,E» ist für niemand ein Ee- heimui», daß Oesterreich nach dem Tode de« greises Kaiser» in Trümmer gehen wird. In diesem, sür den Dreibund fatalen Augenblick könnte Deutschland die deutschen Gebiete Oesterreich» annektieren und auf die andere» Provinzen zu Gunsten feine« westlichen Nachbarn verzichten- In diesem Falle wüi de Rußland Galizien erhalten, Ungarn und Böh men würden unabhängige Staaten. Italien auf dem dq» vündni« mit Oesterreich mehr denn je lastet, könnte n»ue und vorteilhafte Kompensationen erhalten. Die neue rumä nische Politik zeig», daß man sich mehr und mehr von dem verfall der Monarchie de» Hause» Habsburg Rechenschast ablegt. Diese» neue Programm würde den Rüstungen mit einmal ein Ende bereiten. Eine solche Lösung könnte ge?« wagt erscheinen, sie kommt sicher den Axiomen der diplo matischen Kanzleien entgegen, aber ich wiederhole r«, eine solche neue Gruppierung der Mächte mit dem Sturz« Oesterreich« ist bereit« Gegenstand der Erwägungen sehr einflußreicher Personen an den User» der Spree und Seine gewesen. Auch in Petersburg hat man höchsten Orte» davon gesprochen". Tagtsgeschichte. Deutsches Reich. Reichst« gsersatzw ah len. Ter Ausgang der beiden Ersatzwahlen zum Reichstag, die am Dienstag stattsandcn, entsprach im wesentlichen unseren Voraus sagungen. In Lamtcr-Birnbaum-Oboruick siegte der Pole und in Borna-Pegau ist eine Stichwahl nötig ge- tvorden. Bedauerlicherweise haben in beiden Wahlkrei sen die erbittertsten Widersacher unseres Staatslebens einen Stimmenzuwachs zu verzeichnen gehabt. Der Ge winn, den die Polen davontrugen, scheint leider darauf hinzuweisen, daß die Polen richtig spekulierten, als sic einen katholischen Geistlichen ausstcllten, um die Stim mung der deutschen Kätholiken zu gewinnen. Ter deutsch klingenoe Name des Kandidaten Klos scheint dann noch von den Polen zu dem nicht gerade sehr einwands freien Wahlmanöver benutzt worden zu sein, ihren Mann den Deutschen ganz besonders zu empfehlen. Tie Stim men, welche die Sozialdemokraten in Borna-Pegau gc- Wonnen haben, dürften zum guten Teil aus der Zu nahme der industriellen Wählerschaft in diesem sächsi schen Kreise zu erklären sein; vielleicht ist auch ein Teil der Wähler, der im Jahre 1912 den nationalliberalcn Kandidaten Nitzschke wählte, abgewandert. Es wird gro ßer Anstrengungen und großer Einigkeit der bürgerlichen Parteien bedürfen, um den Wahlkreis gegen den An sturm der Genossen zu halten. Wenn auch die Diffe renz zwischen Ryssel und Liebert, die vor zwei Jahren 4200 Stimmen betrug, jetzt dank der Zunahme der kon servativen Stimmen, der Frucht einer sehr energischen Wahlarbeit sich um ein paar hundert Stimmen ver ringert hat, so ist doch bei der Neigung gewisser links liberaler Elemente, dem Genossen zum Siege zu ver- Oossrs Arerrsnstoffe kieke» x»tv» latsiiodlloks, mvckrigo krsiss kests HV»re. Usdsrnsdms äor änksrtiguug billigst! Lssuoksv Lis uns! krükon Lio! 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