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3. Beilage ;nm „Riesaer TageiNatt". vow«t»»dm« n>» v«w» m« L«»I«r ä »tnterltck >«»»,!«. — Mr di« RckaMm ommtmattttch! Arth«, Hlhnel M Nies«. 43. Gaaaatea» LI. Aetrnar 1V14, abea»S. «7. Jahr,. varsthhli,^ Die Tvnne, di« so lange hinter -rauen Muter- »ollen versteckt gewesen war und nur an wenigen ragen einen Schein der Fröhlichkeit über die Ltg- und Schneefelder geworfen hatte und VchltttschuPäuser und Rodler lauter jubeln ließ, leuchtet höher und wärmer «n klaren Himmel. Frühling beginnt, An» der Stadt ströme« Scharen 3»« Menschen hinan», um nach den langen Wochen tn der dumpfen Stube die Brust steter »u dehne», zugleich «it der erwachenden Natur. Noch sind di« Nordselten Miner Hügel mit Schnee bedeckt, die Erde ist hier noch festgestore«. Wer auf den Abhängen nach Süden, die von warmen belebenden Sonnenstrahlen umschmeichelt werden, regt sich zaghast erste» Leben. Die oberste Schicht der Ackererde ist weich und feucht, wie warm gewordene Schokolade, und die ersten grünen Hälm chen, deren Wurzeln noch nicht in die tiefere gefrorene Schicht reichen, heben kühn ihre zarten Etzritzen von der schützenden Erde ab, dem Licht entgegen. Die Aetdenknospen schimmern, den warmen, entscheidenden, weckenden Strahl erwartend, feucht und verheißungsvoll. Die Haselstauden hängen ihre grünlich-gelben Kätzchen au», und die Keinen versteckten weiblichen Blüte», die auf de« Knospen dicht am Aste sitzen, breiten gierig ihre roten Fädchen au» wie Miniaturpleurensen. Uu» dem Walde treten die Tiere -erau» auf die «attgrünen Saatfelder und wiesen, um vom ersten Grün zu äsen. Alle freuen sich de» Frühling» und fühle« sich sicher; sie wissen genau, daß Schonzeit ist und kein mörderische» Blei ihnen die Freude der ersten Frühlingszeit verderben wird. Hasen springen über» geld. Sin Rch äugt scheu au» der Schonung; Fasanen stolzieren in ihrer bunten Pracht gravitätisch auf die Aecker hinan»; der Specht hämmert wie toll au» den Tannen- und Kiefernstämmen den letzten Winterwurm heran». Der Wald steht noch düster, al» wär' immer noch tiefer Winter. Und doch! Auch hier regt e» sich Eiche« und Buche«. Werse« ihr Laub, da» verdorrt den Winter über an den Testen blieb, ab von einer in de« Knospen sich regenden geheimnisvollen Kraft abgestvßen. Da» Moos pirbt sich mit lichterem Grün. » Nur der Fluß ist noch trüb und regenschwer» Braune», zerknicktes Schilf bedeckt die Ufer, ämd die niedrigen Gebüsche strecken ihr feiner Geäst, al» wäre e- aus Bronze, gegen den klaren Horizont. Wie eine Warnung rauscht es im Fluß: Traut dem Frühling nicht! Ein scharfer Frost — und alles ist vorbei! wie die Eintagsfliegen, die am Morgen dem Ei entkrochen, in der Sonne lustig spielen den ganzen Tag, als wäre es für alle Zeiten, und doch am Abend alle tot sind, kann auch diese ganze Pracht über Nacht wtckwr ver nichtet werden. Ein Frost, ein Schneefall, und die Hälm* chen, die so kühn waren, müssen sterben; die aufbrechen- de« Knospen schrumpfen zusammen, die Tiere verkriechen sich wieder in ihr warmes Winterlager. E» ist, al» ob die Natur gegen sich selbst sündigen volle. Sie weckt Leben, das doch wieder zerstört werden muß. Selbstmörderisch streut sie Freude um sich, al» wolle sie sich selber ein Leid antun, sich Schmerz bereiten. Sie vergißt der kalten Tage de» März und April, die ihren ersten Anlauf zum neuen Leben zu schanden machen werden. Und ooch, wie sollte sie sich der verführerischen Wärme der Sonne entziehen? Wa rum sollte sie e» nicht schon jetzt versuchen, junges Leben zu Wecken? Sie hat e» ja im Uebermaß. Sie schlüat des Dichter» Warnung in den Wtnd r „Wer im März ' Hüte da» Herz E» muß erst April gewesen sein. Bevor e» Mai kann werden." Sie freut sich, wachsen und werden zu dürfen, auch wenn es nicht» weiter ist, al» eine Generalprobe. Bei den Ges««v»etern. Erst vor kurzer Zeit wurde man in weiteren Kreisen auf die Sekte der Gesundbeter aufmerksam, al» die be- kannte Berliner Schauspielerin Frau Nuscha Butze dieser „ärztlichen" B«handlung»wetse zum Opfer gefallen ist. vorher hat diese christliche Gemeinschaft ganz im Ver borgenen geblüht, obwohl sie, auch in Deutschland, stet» an Anhängern zunahm und bereit» in verschiede nen Städten ihre eigenen Versammlungslokal« — sie gebrauchen den Ausdruck „Kirche" selbst nicht — be sitzt- Kaum hat sich die Oeffentlichkeit über den Fall der Frau Butze wieder etwas beruhigt, äl» ein zweiter, nicht minder beunruhigender gefolgt ist. Fräulein von Arnauld, ebenfalls vom Königlichen Schauspielhaus« in Berlin, ist soeben an der sonderbaren BehandlungSweise der Gesundbeter gestorben. Diese unliebsame Wieder holung legt eS nahe, sich einmal eingehender mit der Sekte, ihren Satzungen und Zielen zu beschäftigen. Sie stammt, wie so manche andere religiöse Ab sonderung, aus Amerika, und zwar wurde sie von einer Frau Mary Eddy begründet, die erst vor kurzem ge storben ist. Sie entstammte einer frommen calvlnischen Familie und genoß eine vorzügliche wissenschaftliche Ausbildung. Bereits al» junges Mädchen studierte sie Naturwissenschaften, Philosophie und Sprachen. Später widmete sie sich hauptsächlich dem Studium der Medi zin. Sie vermählte sich früh mit einem Obersten, ver lor aber den Gatten bald. Eine zweite Ehe, die schließ lich getrennt Werden mußte, brachte sie in schwere innere und äußere Kämpfe, an denen ihre Gesundheit schließlich zusammenbrach. Drei Jahre lang war sie an» Bett gefesselt. In dieser Zeit, die sie, von jedem Verkehr abgeschlossen, ganz dem Studium der Bibel weihte, erwuchs in ihr die Idee der neuen Sekte, die sie selbst „Christian Science", d. h. „Christliche Wissen- schäft" nannte. Die glaubte an sich selbst, durch größte Selbstzucht und seelische Konzentration ihre Krankheit besiegt und so den Weg zu einem neuen Heile der Menschheit gefunden zu haben. !87O veröffentlichte sie die' Frucht ihrer Erkenntnis, das Buch „Gesundheit und Wissenschaft, mit einem Schlüssel für die Helligen Schrif ten", das zum grundlegenden Werk, zur Bibel der Sekte geworden ist. Das Buch hat bereits über drei hundert Auflagen in englischer und zahllose andere in Uebersetzungen erlebt. Aber erst, nachdem sich Frau Baker, wie sie mit ihrem Mädchennamen hieß, mit dem Bostoner Arzt Dr. Eddy verheiratete, den sie von ihrer Lehre überzeugte, kam «S zur Bildung einer eige nen Gemeinschaft. Ihr Gatt« wandte sich ganz dem Ausbau und dem Beweise der neuen Richtung zu und verhalf ihr durch Schriften und Borträge zu einem unglaublichen SiegeSzug durch ganz Amerika. Heute gehören ihr weit über eine Million Anhänger an, die in gegen 600 staatlich genehmigten Kirchengemeinschaften zusammenhalten. Die erste szientistische Kirche erstand 1879 in Boston. Bereits zehn Jahre später wurde die erste Kirche in Deutschland, in Hannover, eröffnet. Die Sekte besitzt eine gute Organisation, di« von Amerika au» geleitet wird. Sine eigene Zeitschrift, di« auch in deutscher Sprache erscheint, da» „Deutsche MV- nat»heft der christlich-wissenschastlichen Heilmethode", hält die Gläubigen zusammen Im übrigen stützt sich di ganze Lehre auf dem bereit» erwähnten Buche der Frau Eddy. Der Grundgedanke ist in kurzen Worten folgen der. Gott ist da» absolut Gute, alle» in allem. Da» Böse hat keine Daseinsberechtigung und kann durch Auf- gehen in Gott, seiner Allmacht und Güte überwunden werden. Das Gleiche gilt auch für Sünde und Kranke heit. Sie sind entweder die Folge eigener Schuld oder der Schuld der Allgemeinheit, können aber durch da- Gebet der christlichen Wissenschaft, das Gesundbeten, be seitigt werden. Es gilt, zunächst die Tatsache zu er kennen, daß Gott allgütig und allmächtig ist und daß im völligen Aufgehen ii^ diesem Glauben auch die Überwindung aller Krankheiten möglich ist. Dazu ist Entsagung, Konzentration und gemeinsame Fürbitte und vollständige Ehrlichkeit gegen sich und andere nötig. Dogmen, Kirchenformen und Priesterherrschaft sind bei ihnen verpönt. Religion kann sich nach ihnen nur in geistiger Freiheit entwickeln. Der Gottesdienst der Szientisten, dem der Schreiber dieser Zeilen letzthin in der Philharmonie in Berlin beiwohnte, gestaltet sich infolgedessen sehr einfach. Auf einem Podium sind zwei Stehpulte aufgestellt, an denen zwei Damen Platz nehmen. Zum Eingang wird ein kurzes Tibelwort gemeinsam gesprochen und eine Stelle au» dem Buche der Frau Eddy. Dem folgen Gesänge mit Harmoniumbegleitung, nachher noch ein einzelner GesangSvortrag eines Mitgliedes der Sekte. Die eigent liche Andacht besteht im Verlesen ausgewählter Bibel stellen mit den daran geknüpften Erklärungen der Frau von vsmüss- unck 8si-ton - SSmoi»«Ion empfiehlt tn nur echte«, sortenreinen, Ai-N»t INonIt- 3»»«tu»ck«>T 2. Ree». k«k»»Dwck»e M.