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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". NotationSdmck und Verlag von Lang, rtWInterllchlnRlesa. — Für dl« »Kdaktion vrnmNvartllch. Arth«rtz>h»«l in R i«f«. 84. Mittwoch, 11. Aevraar I»14, abends. «7. gohrg. Ae ikiksk SsimMin ii 8mW. LT. Ganz Frankreich ist in Heller Aufregung über eine neue Spionageaffäre an der deutsch-französischen Grenze, und in deren Mittelpunkt steht angeblich ein deutscher Lehrer aus dem Elsaß. Man hat natürlich nicht verfehlt, der Angelegen heit jenseits der Vogesen eine ungeheure Bedeutung beizulegen, glaubte.man doch, in dem Verhaftete», Theodore Burgärd, einen der gefährlichsten deut schen Spione gefaßt zu haben. Tie großen Pariser Blätter haben sogleich Spezialkorrespondenten nach Heillecourt, dem Wohnsitz Burgards, entsandt, und namentlich der Berichterstatter des „Journal" telegra- phiert seinem Blatte eine phantastische Schilderung der Eindrücke, die er von dem „gefährlichen Menschen" ge wonnen hat. Es ist natürlich noch nicht pröglich, seine Angaben auf ihre Richtigkeit hin nachzuprüfen, auch widersprechen sich bis zur Stunde namentlich die amt lichen Meldungen über das Ergebnis der Untersuchun gen; immerhin aber entbehrt die Art und Weise, wie man sich in Frankreich mit dieser Angelegenheit befaßt, nicht eines gewissen Interesses. Theodore Burgard ist, wie cs heißt, in dem Städt chen Selz im Elsaß geboren. Er wohnt mit seiner Familie schon seit fünfzehn Jahren in dem klei nen französischen Orte Heillecourt, der Hauptstadt des Departements Meurthe-et-Moselle. Man hatte Burgard — aus verschiedenen Gründen — schon von Anfang an nicht recht getraut, weshalb, wußte so recht wohl eigent lich niemand. In der letzten Zeit hatte man ihn be sonders scharf beobachten lassen und hielt jetzt endlich den Zeitpunkt für gekommen, um ihn ganz unver mutet zu verhaften. Tie Untersuchung förderte ein reiches Material zu Tage. Danach hatte Burgard seit IVs Jahrzehnten Vor bereitungen für seine Spionage getroffen. Natürlich mußte es Aufsehen erregen, als er in dem kleinen Städtchen von nur 400 Einwohnern zum ersten Male auf tauchte, obgleich er sich den Anschein eines ganz ge wöhnlichen Landarbeiters gab. Aber eben weil man sich in dem „Nest", wie sonst auch, gegenseitig genau kannte und beobachtete, so befaßte sich die Bevölkerung mit dem Fremdling mehr, als diesem selbst wohl lieb war, zumal er ein wenig sympathisches Wesen zur Schau trug. Er sprach wenig und lebte angeblich von seinen Ersparnissen, die er noch vor seiner Dienstzeit in der Fremdenlegion gemacht hatte. Nur paßt sein ganzes Wesen wenig zu einem Frem denlegionär. Wohl ging Burgard barfuß, wie die an deren Ortsbewohner auch, aber den „feiner, Herrn" konnte er doch wohl nicht so recht ablegen, wennschon er sich die größte Mühe gab. Monatelang suchte Burgard vergebens ein Unter kommen, nichts wollte ihm so recht gelingen, bis er sich entschloß, ein Mädchen aus Heillecourt zu heiraten und mit ihr eine kleine Kneipe aufmachte. Mer auch damit wollte es nicht so recht glücken. Die Gäste blieben aus, und die paar, die hin und wieder ihr Gläschen Wein dort tranken, fühlten sich auch allmählich abge- stoßcn von dem unfreundlichen und abgeschlossenen Wesen des Wirtes. Mit der Wirtschaft wars also auch nichts. Doppelt gelegen kam Burgärd in dieser Zeit gerade eine angebliche Erbschaft von mehreren tausend Francs. Damit kaufte er sich ein Gütchen, um es mit seiner Frau und seinen vier Kindern, 3 Mädchen und einem Knaben, zu bewirtschaften. Ein schöner Bauer! sagten die Bewohner Heille- courts. Burgard nannte auch nicht ein einziges Pferd, einen Wagen, überhaupt irgend ein Stück Vieh sein eigen, kümmerte sich herzlich wenig um die Bestellung des Landes, aber — er bewirtschaftete das Gut doch weiter, sodaß seine Frau und Kinder ihr gutes Aus kommen hatten und durchaus keine Not litten. Mer nur nach außen hin. In Wahrheit glich das unscheinbare, einstöckige Bauernhaus einer Hölle, in der Frau und Kinder unter den Brutalitäten Burgards zu leiden hatten, namentlich als es in dem kleinen Orte nur allzu bekannt wurde, daß er in Nancy eine Ge liebte hatte, mit der er recht häufig zusammentras. Wohl bemitleidete man die arme Frau, di« ganz ge nau, aus Burgards eigenem Munde wußte, wie es um ihn stand, aber wie sollte man ihr helfen, wie diesem Treiben ein Ende machen? Er selbst beachtete die Vor würfe seiner Frau durchaus nicht. Im Gegenteil, er war froh, auf diese Weise sich ein Alibi geschafft zu haben, um seiner Spionagetätigkeit so nur umso eifri ger obliegen zu können. Wochenlang lebte er in Nancy, angeblich bei seiner Geliebten, wie es heißt aber zum größten Teil bei Geheimagenten, die zwischen Deutschland und dem Spion vermittelten. So verkehrte Burgard etwa 12 Jahre mit einer Witwe, einer Schneiderin, die in einer großen Fabrik arbeitete. Ihretwegen wurde er im Laufe der Zeit sogar auch einmal vor den Kadi zittert. Aus Eifer sucht hatte ihr der „Bauer aus Heillecourt" eines Tages eine große Szene gemacht, wobei er auch handgreiflich geworden war. Tie Frau aber war hiervon wenig er baut, bezichtigte ihren stürmischen Liebhaber der Körper verletzung, und hatte auch die Genugtuung, ihn des- wiegen zu einer Geldstrafe von 25 Francs verurteilt zu sehen. Seit dem Tage war natürlich diese Liebe immer kühler geworden, aber Burgard fand in Nancy leicht Ersatz, bis er in diesen Tagen mitten in einem solchen Schäferstündchen festgenommen wurde. Bor dem Untersuchungsrichter zeigte er sich bei seiner ersten Vernehmung auffallend gefaßt. Man verschwieg ihm allerdings das Ergebnis der in seinem Hause zu Heillecourts vorgenommenen Haussuchung, die angeblich belastendes Material zu Tage förderte. Vor läufig schweigt sich die Polizei noch gründlich aus, da sie vermutet, daß Burgard Helfershelfer gehabt haben muß, die ihr jetzt noch unbekannt sind. Man fand in seiner Wohnung vor allen Dingen einige kompromit tierende Schriftstücke, mehrere scharfe photographische Apparate, etwa 60 Generalstabskarten aus dem Festungs gebiet Nancy, Toul, Luneville und andere mehr. Auf alle Fälle wird mau gut tun, das Resultat dieser Untersuchung mit Ruhe abzuwarten. Es wird sich ja bald Herausstellen, ob die leicht erregbaren Fran zosen tatsächlich Grund hatten, ein so großes Geschrei über diese neueste Spionageaffäre zu erheben, oder ob Burgard doch wohl harmloser ist, als sie selbst nur un gern glauben möchten. Ae r«Mit )es tkMen LMWMcks. Ter Auftakt zur diesjährigen Tagung des Deutschen Landwirtschaftsrats bildete eine Erörterung der land wirtschaftlichen Arbeiterfrage, an der auch als Vertreter des Kaisers der Kronprinz teilnahm. Als Referenten traten auf Professor Tr. Gerlach (Königs berg) und der bayerische Reichsrat Freiherr v. Tübingen. Einig war man sich darüber, daß angesichts der Ab wanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte und angesichts des großen Mangels an Arbeitskräften in der Landwirtschaft alles getan werden müsse, um die vorhandenen Arbeitskräfte auf dem Lande zu hal ten. Ter Kronprinz nahm an den Referaten und an der Tiskussion, in der auch Herr v. Oldenburg-Januschau das Wort ergriff, lebhaften Anteil. Doch wird man dir temperamentvolle Art, mit der er seinem Beifall Aus druck verlieh, nicht als ein ostentatives Auftreten an sprechen können. Bemerkenswert ist ein Vorschlag von Oldenburg-Januschau, daß mau von jedem in die Stadt neu Hinzuziehenden den Nachweis verlangen solle, daß er dort schon eine Wohnung bereit habe. Auf diese Weise würde es möglich, viele landwirtschaftliche Ar beiter, die, ohne jedes Obdach zu finden, nach der Stadt kommen und dort den Behörden zur Last fallen, von vornherein wieder in ihren Beruf zurückzüdrängen. Auf Antrag des Grasen von Schwerin-Löwitz faßte der Deutsche Landwirtschaftsrat bezüglich der land wirtschaftlichen Vorbereitung der Han delsverträge einen längeren Beschluß, in dem cs heißt: „Der Deutsche Landwirtfchaftsrat erkennt an, daß die gegenwärtige Handelspolitik und die seit 1900 gel tenden Handelsverträge im allgemeinen für das gesamte Erwerbsleben in hohem Maße sich bewährt haben und daß daher kein Anlaß zu einer grundsätzlichen Aendc- rung dieser Politik vorliegt. Dennoch enthält sowohl der Geueraltarif als auch der Vertragstarif verschie dene für die Landwirtschaft, den Weinbau und die Gärt nerei sehr nachteilige Mängel, deren Abstellung dringend erwünscht ist. Ob deshalb eine neue Aufstellung des Ge- neraltarifs und eine Kündigung einzelner oder aller Handelsverträge notwendig sein wird, läßt sich mit Sicherheit noch nicht sagen. Immerhin wird mit der Möglichkeit sowie mit der. Wahrscheinlichkeit gegnerischer Kündigungen schon heute gerechnet werden müssen. Es gelangte ferner ein längerer Antrag zur Annahme, in der die Notwendigkeit öffentlicher, jedoch nicht paritätischer Arbeitsnachweise gefordert wird. Weiter wurde einem Antrag zugestimmt, in dem die Un terstützung der neuzubegrünoenden Gesellschaft zur För derung des Baues und der wirtschaftlichen und zweck mäßigen Verwendung der Kartoffel empfohlen wird. Da raus wurde die Verhandlung auf heute vertagt. Tagesgeschichte. Deutsches «eich. Zum Verkehr mit deutschen Urkunden in Bulgarien wird geschrieben: Nach einem dem deut schen Minister der auswärtigen Angelegenheiten erstat teten Bericht des Kaiserlichen Gesandten in Sofia müs sen Urkunden, die in Bulgarien gebraucht tverden sollen, jetzt an letzter Stelle entweder durch die Bulgarische Ge sandtschaft in Berlin oder durch das Bulgarische Mini sterium in Sofia beglaubigt werden. Beide Stellen neh men die Beglaubigung vor, wenn die Urkunden den Be glaubigungsvermerk des Ausivärtigen Amtes tragen. Ls steht daher den Beteiligten frei, die zum Gebrauch in Bulgarien bestimmten Urkunden nach Erlangung der Be glaubigung durch das Auswärtige Amt entweder durch die Bulgarische Gesandtschaft in Berlin oder durch das Bulgarische Ministerium des Aeußern in Sofia beglau bigen zu lassen. Tas letztere kann in eiligen Fällen, wenn wegen eines Feiertags die Beglaubigung durch die Bulgarische Gesandtschaft nicht sofort zu erlangen ist, empfehlenswert sein. Tie Kosten sind in beiden Fällen gleich. TaS neue Waffengesetz. Bei Gelegenheit der Beratung einer Anfrage betreffend eine gesetzliche Re gelung der Befugnis des Waffentragens und des Han dels mit Waffen und Munition erklärte gestern der Mi nister des Innern von Fleischhauer im württembergischen Landtage, baß eine reichsgesetzliche Regelung der Frage in Aussicht genommen sei. Sollte dagegen wider Erwarten ein Reichsgesetz nicht zur Verabschiedung kom men, so werde die wttrttembergische Regierung mit der Vorlegung eines Entwurfes nicht mehr länger zögern. Im Laufe der Tebatte stellte der Jüstizminister eine Ver öffentlichung der psychiatrischen Gutachten über Wagner und dos Beschlusses seiner Außerverfolgungsetzung in Aussicht. Beilegung der Zaber n er Zivilklagen. Blättermeldungen zufolge weilten vorgestern mehrere höhere Offiziere in Zabern, die sich mit der Angelegen heit der im Pandurenkeller Inhaftierten befaßten, deren Schadenersatzklagen demnächst vor dem Zivilgericht zur Verhandlung kommen sollen. Den Inhaftierten wurde ein Vergleichsvorschlag gemacht, in dem ihnen je 50 Mark angeboten wurden, unk außerdem die bisherigen Kosten durch die Militärbehörde gedeckt werde« sollen. Eine Spende König Ludwigs für dix Ar beitslosen. König Ludwig von Bayern spendete aus Stiftungsmitteln 100000 Mark für die von der Mün chener Stadtverwaltung cingeleitetc Sammlung zugunsten der Arbeitslosen. ! Die Funkentelegraphie im deutschen Heere. Mit begeistertem Eifer und mit einer erfreulichen Umsicht ist in den letzte» Jahren am Ausbau der Funken telegraphie gearbeitet worden. Anlagen verschiedener Art find geschaffen worden und haben sich im Lause der kurzen ErfahrungSzeit erstaunlich rasch auf das Zweckmäßigste ent wickelt. Heute unterscheidet mau feste, fahrbare und Luft schiff-Stationen. Doch ist gegenwärtig in ihrer Organisation ein gewißer Abschluß erreicht worden, so daß ein rück- schauender Ueberblick durchaus gerechtfertigt ist. Die festen Stationen befinden sich in Festungen. Sie heißen „Festung«» großstationen". Ihre Reichweite beträgt 1000 Kilometer. E« sind alle Festungen, auch die an der äußersten Grenz« gelegenen, imstande, sich mit Nauen bet Berlin in Ver bindung zu setzen und auch von entfernt befindlichen Luft schiffen Nachrichten zu erhalten. Die fahrbaren oder Feld stationen (schwere und leichte) sind den Kommandobehörden zugeteilt. Die Fahrzeuge sind wie bei der Feldarttllerie mit sechs Pferden bespannt und nach dem Protzsysten» ge baut. Sie enthalten im Vorderwagen die Empfang«-, im Hinterwagen die Senderapparate, den zur Erzeugung der elektrischen Kraft erforderlichen Benzinmotor und die Dynamomaschine. Die Apparate sind mit an Masten hochgeführten Drähten verbunden. Die aufgefangenen Wellen werden in besonderen Apparaten in Eummertöne umgesetzt und in einem Fernhörer hörbar. Die Reichweite beträgt bet den schweren Stationen 200 Kilometer, bet den leichten 60 bi« 70 Kilometer. Schwere Stationen befinden sich beim Großen Hauptquartier, den Armee-Oberkommando« und den Kavallerie-Divisionen. Leichte Stationen sind den Kavallerie-Divisionen zugetetlt und werden den Aufklärung«- e«kadron« mitgegeben, bei denen die Meldesammelstellen errichtet werden. Auf diese Weise ist e« möglich, alle Nach richten der Offizterpatrouillen, die bet den Eskadron« zu sammenströmen, schnell und sicher zu den Armee-Ober- kommandoS zu bringen. Die Luftschiffe sind mit Luftschiff stationen ausgerüstet. Die Reichweite beträgt etwa 300 Kilometer. Die Luftschiffe können auf diese Weise mit den Festungen und den Kavalleriedivisionen in Verbindung treten. Der Rückgang der deutschen Schafzucht. Di« letzte, deutsche Viehzählung brachte die erfreuliche Fest- stellung, daß die Rinder- und Schweinezucht in Deutsch- land ganz beträchtlich zugenommen hat, während dagegen die Zahl der Schafe stark abgenommen hat. Da an der Richtigkeit der angegebenen Daten nicht zu zweifeln ist, muß tatsächlich ein in der heutigen Richtung der deutschen Landwirtschaft bedingter Grund gesucht werden. Eine genaue Nachprüfung aller in Betracht kommenden Faktoren ergibt in der Lat, daß die Ursachen de» Rückgänge« in der Art der heutigen Schafzucht liegen. Während früher in den eigentlichen Schafzuchtgebieten, besonders in Mecklen burg und Pommern, da« Schwergewicht auf die Zucht von reinen Wollschafen gelegt worden ist, ruht heute da« Haupt- interrsse auf der Produktion von Fletschlämmrrn. Woll schafe werden nur noch zur Ergänzung der Muttertiere gezüchtet. Ferner wurden die Hammel früher bi« zu einem Alter von 3 Jahren aufgezogen, während sie heute bereit« mit den Fieischlämmern abgegeben werden. Die Statistik kann ferner au« der Art de» Verkauf« beeinflußt worden sein. Dieser spielt sich im wesentlichen in der Zeit von August bi« Anfang Dezember ab, somit dürste also die große Zahl der Marktware von der Statistik nicht erfaßt worden sein. Neue Milderungen de« Mtlitärstrafrecht« schlägt «in« Novelle vor, di« soeben vom vundeirat an Das Genutzmittel der Zukunft, das für den gesundheitsschädlichen Kaffee vollkommen Ersatz für Gesunde und Kranke bietet, ist Kaffee Hag, der koffeinfreie Bohnenkaffee, („Der «ru »l« Erzieher" 1008, Heft U