Volltext Seite (XML)
Beilage zum „Riesaer Tageblatt«. RolatlonSdmck und «erlag von Lang«, L Winterlich i» Riesa. — flilr di« Redaktion verantwortlich: Arthur Hllhnel in Riesa, n Tieustag, 37. Januar NN4, alten»». " «7. Jahrg. venizelaS in Berlin. SD. E« ist «In hochpolitischer Besuch, den der hellenische Ministerpräsident BenizeloS der deutschen Reich«» Hauptstadt soeben abstattet. Beni,»los kommt von Part« und geht nach Petersburg. I» Pari« gebärdete er sich als entschiedener Franzosenfreund und seine Liebenswürdig, ketten, die er den Franzosen sagte, wurden dort als Der» leugnung der Lobrede angesehen, die König Konstantin der deutschen Armee während seine» Berliner Besuche« spendet». Und in Petersburg wird er sich mit Vertretern aller Valkanstaatrn treffen, und wenn auch eine Zusammenkunft von balkanischen Staatsmännern an und sür sich selbst- Verständlich noch nicht» Bedenkliche» für Deutschland zn haben braucht, sobald sie in Petersburg stattfindet, mutz man sie immer mit einem gewissen Mißtrauen betrachten. Denn von Petersburg gingen ja alle Fäden au», welche den ersten valkanbnnd zusammenflochten, über dessen den deutsche» Interessen abgünstigen Charakter selbst unsere gewiß ebenso vorsichtige wie optimistische Diplomatie ge wisse Beklemmungen empfand. Und ein zweiter Balkan bund oder doch ein Ausgleich der Gegensätze unter den Balkanstaaten würde, wenn unter russischem Protektorat geschloffen, vermutlich auch eine den politischen Zielen de» Dreibunde» und damit auch Deutschland» entgegengesetzte Stellung einnehmen. Wir hoffen daher, daß der geschäftSgewandte Herr BenizeloS in Berlin nicht allzu bereitwilliges Gehör finden wird, und sicherlich werden auch die verwandtschaftlichen Beziehungen der Berliner und Athener Hofes, die gerade in diesen Tagen im Besuch der Königin und des Kron prinzen von Griechenland am Kaiserhof ihren Ausdruck finden, die rein politische» Erwägungen nicht tu den Hintergrund dränge». Wie dis politische Lage am Balkan sich heute darstellt, ist ein türkisch-griechischer Zusammenstoß in greifbare Nähe gerückt. Zwar dementiert die Pforte alle MobilisierungSgerüchte, und die Tatsache, daß direkte türkisch-griechische Verhandlungen über die Jnselfrage ein» geleitet sind, läßt einen unmittelbaren kriegerischen Zu sammenstoß als ausgeschlossen ansehen. Aber man darf nicht verkennen, daß die augenblickliche FriedenSbereitschast der Osmanen und der Hellenen nicht von Friedensliebe diktiert ist, daß vielmehr bei den ersteren die mangelhafte Kriegsbereitschaft vor allem zur See, bei den letzteren die leeren Kassen einen sehr gewichtigen Einfluß auf die Ent» scheidung, ob Frieden oder Krieg, ausüben. BenizeloS würde in Paris nicht so honigsüß geredet haben, wenn Griechenland nicht Geld, viel Geld brauchte und darum hat er eS auch in Berlin darauf abgesehen, Geld zu be kommen. Die Franzosen haben ja nun dein griechischen Geldhnnger den Brotkorb etwas höher gehängt, indem die 500 Millionen-Anleihe, die sie den Hellenen zubilligte», erst an vierter Stelle nach einer serbischen, russischen und innersranzösischen daran kommen soll. AlS Gegengabe erhält eine französische Gesellschaft zunächst den Bau einer Bahn von Larissa und Saloniki Übertragen, welche die Verbindung zwischen dem balkanischen und dem griechischen Bahnnetz darstellt. ES fragt sich nun doch, ob es im deutschen Interesse liegt, an einer Anleihe teilzunehmen, die in erster Linie französisch ist, wirtschaftlich darum vor allem französischen, politisch aber griechischen, gegen die Türkei gerichteten Zwecken dienen würde. Wichtiger freilich noch al» die Anleihe, die ja zunächst keine unmittelbar praktische Bedeutung zu gewinnen scheint, ist sür den gegenwärtigen Augenblick die Jnselfrage und die mit ihr eng verbundene Abgrenzung Südalbanien«. Es wurden ja in den letzten Tagen »nancherlei Projekte erörtert, um eine Lösung der Jnselfrage herbeizusühren, durch di« sowohl Türken wie Griechen gleichmäßig zufrieden gestellt würde». Aber bikher hat sich noch keiner dieser Vorschläge al» eine solche Lösung bewährt. Und die Hellenen haben zwar verspräche», das südliche Albanien zu räumen und die regulären griechischen Truppen werden ja auch sicherlich bald den Rückmarsch antreten. Aber solange das Treiben der Banden, die unter dem Namen »Heilige Schar- recht unheilige Dinge begehen, andanert, ist ein Aufhören der Beunruhigung TüdalbanienS leider nicht z» erwarten. Und eS ergäbe sich für die deutsche Diplomatie sine recht dankbare Aufgabe, Herrn Venizelos nachdrücklich vorzustellen, daß man so lauge die Räumung Albaniens nicht al» vollzogen ansehen könne, wie die „Heilige Schar unter stillschweigender Förderung der griechischen Regierung ihr sriedestörende» Handwerk fortsehte. Wir glauben, daß von den tapferen Epiroten nicht mehr viel übrig bliebe, wenn die Regierung des Herrn BenizeloS einmal Ernst machte, den Banden die Bewaffnung zu unterbinde» und die Grenzen militärisch bewachen zu lassen. Macht außer dem die deutsche Diplomatie noch ihre». Einfluß geltend für eine Teilung der ägäischen Inseln, die nicht die LebenSinteressen der Pforte bedroht, so wird der Besuch de» griechischen Ministerpräsidenten ein Ergebnis zeitigen, mit dem Deutschland wohl zufrieden sein kann. Denn dann hat er betgetragrn zur Stärkung der europäischen Friedens hoffnungen. Der griechische Ministerpräsident Venizelo» stattete gestern mittag dem Staatssekretär de» Auswärtigen Amte», v. Jagow, einen längeren Besuch ab und nahm sodann das Frühstück in der rumänischen Gesandtschaft ein. An diesem Frühstücke nahmen u. n. noch teil der Kronprinz und Prinz Carol von Rumänien, der Fürst von Hohen» zollern, der griechische Geschäftsträger in Berlin, TheotokiS, der Minister des Kgl. Hauses, Graf Eulenburg, Staats sekretär v. Jagow und Unterstaat-sekretär o. Zimmermann. Nach dem Frühstück besuchte der Ministerpräsident BenizeloS den Reichskanzler v. Bethmann Hollweg und wurde hierauf von der Königin der Hellenen empfangen. Gr stattete darauf mehreren Botschaftern Besuche ab und war am Abend zum Galadiner beim Kaiser geladen MmW». d. M> Vn die Ajichmz zm UMtW. CK. lieber die Frage, wie die Volkskraft und mit ihr die Wehrtüchtigkcit durch systematische Jugendpflege gehoben werden kann, äußert sich F-eldmarschall v. d. Goltz in einem Aufsatz der Cotta'schen Monatsschrift „Ter Greif". Die Erziehung der Jugend zur Kriegstüchtigkeit ist ein besonders dringendes Gebot der Gegenwart, weil der moderne Krieg die höchsten Anforderungen an den einzelnen Soldaten stellt und weil andererseits in Deutschland ein allmähliches Sinken der Wehrfähigkeit konstatiert wird, dem man mit allen Kräften entgegen treten muß. Nun wirken die allgemeinen Lebensein flüsse heute vielfach der kriegerischen Tüchtigkeit gerade zu entgegen, und nur llebung von früh an kann diese Schäden wieder gut machen. So wird z. B. die Marsch fähigkeit durch die modernen Verkehrsverhältnisse zweifellos beeinträchtigt, da man heilte längere Wege selten noch zu Fuß macht. Nach einem. Ausspruch Napo leons aber „schlägt man den Feind mit den Stiefeln, nicht mit der Waffe"; es muß daher schon in der Jugend das Verständnis sür die richtige Art des Gehens und Laufens erweckt werden. „Richtiges Atmen, -Körperhal tung, Kräftcschonung, Berücksichtigung von Wegen und Wetter, das Achten auf die Windseite, rechtzeitiges Lüf ten von Kopfbedeckung und Anzug, Regelung des Tem pos, je nach den Umständen, müssen wohl überlegt sein." Auch das Zurechtfinden muß geübt werden. Vom japanischen Heere wird berichtet, daß während des mandschurischen Krieges jeder gemeine Soldat imstande gewesen sei, eine Karte mit Sicherheit zu lesen. Dies ist nur durch fortgesetzten Gebrauch der Karte im Gelände zu erreichen. Auf deu Wanderuugen wird die Jugend auch gleichsam spielend das Entfernungsschätzen lernen, das heute die Grundlage für den wirksamen Gebrauch unserer Präzisionswafscu bildet. Der förmliche Unter richt, der in der Armee dafür erteilt wird, kann durch rechtzeitige Vorbereitung außerordentlich gefördert wer den. „Wichtig ist cs, die Jugend zum Schrittmessen, zum fortdauernden Abschätzen mit dem Auge an Häuser fronten, Mauer«, Gartcnzäuncn »sw. anznhalten." Eben so will das Bestimmen der Himmelsgegend ohne Kompaß nach der Uhr, nach dem Sonnen- oder Mondstand, nach dem Polarstern und anderen Merkzeichen gelernt sein. Die Knaben müssen angchalten werden, die Umgebung, durch die sic wauderu, regelrecht zu beobachten und die Beobachtungen richtig wieder zu gebe». Außerordentlich erhöht werden kann die Sehkraft. Werden doch all jährlich etwa 3000 junge Leute — meist Schüler der höhe ren Lehranstalten — nur wegen Kurzsichtigkeit vom Heeresdienst zurückgestellt, und so geht gerade der ge bildete Teil des Ersatzes der Armee vielfach verloren. Für das Sehen bedeutet aber Uebung und Aufmerksam keit unendlich viel. Ter Feldmarschall erinnert dabet an eine Erfahrung, die er vor 3V Jahren machte, als er an die Spitze des türkischen Militärnnterrichtswesens berufen wurde. Ihm fiel das äußerst scharfe Sehen der jungen Türken bei jeder Gelegenheit auf. Als aber dann ein deutscher Augenarzt die Sehschärfe der Leute genau Wer Odol konsequent täglich an wendet, übt nach unseren heutigen Kenntnissen die denkbar beste Zahn- und Mundpflege auS. Preis: '/r Flasche (Monate ausreichend) M. 1.50, V, Flasche M. —.85. Das Heheimnis von Hhaköerg. Roman von F. Knntschner. 16 Hedwig, heute auffallend bleich und ernst aussehend, ver folgte mit großer Aufmerksamkeit den Verlauf der heiligen Handlung und lauschte den feierlichen Worten des ehrwürdi gen Priesters. Im Geist durchlebte sie neuerdings jene Stunde, wo auch sie als glückselige Braut an der Seile des geliebten Mannes an den Stufen des AltarS stand, um in Gegenwart Gottes den Treueschwur abzulegen. Diesen Schwur hatte sie niemals — nicht einmal in Ge danken — gebrochen; wohl aber — wie sie sich mit Erröten eingestehen mußte — dem Mann in jüngster Zeitdurch ihr mür risches, unfreundliches und unliebenswürdiges Wesen viel schlimme Stunden bereitet und ihm sein Heim verleidet. Bitter bereute sie ihre unschöne Handlungsweise und nahm sich vor, in Zukunft so sanft und geduldig zu sein, wie sie es ehedem gewesen. Einer impulsiven, warmen Regung gehorchend, schmiegte sie sich an Josefs Seiteund blickte, seinen Namen zärtlich flüsternd, liebevoll zu ihm auf, der, vielleicht ihre Gedanken erratend oder diese auS ihren innigen Blicken herauslesend, ihr zunickte und verstohlen die aus seinem Arm ruhende Hand an die Lip pen führte. „Nicht wahr, Frau Heddy, wir werden in Zukunft treue und feste Freundschaft halten?" fragte die Neuvermählte herz lichen Tones, als jene nach Schluß der feierlichen Zeremonie glttckwiinschend an sie herantrat. Hedwig antwortete mit einem Kuß und Händedruck. Um acht Uhr abends nahmen die Neuvermählten von ihren Freunden herzlichen Abschied, um die Hochzeitsreise an- zutreteu. Frau von Hoyer umarmte und küßte —nun von schwerer Sorge erlöst — unter Tränen der Rührung ihr scheidendes einziges Kind. „Dem Himmel sei Dank, nun bist Dn geborgen sür Zeit Deine« Lebens t Wohl werde ich Dich schmerzlich vermissen, doch Dein Glück kommt in erster Linie —Gott schütze Dich und Deinen Gatten l" Rach der Abreise des Neuvermählten Paares war e» im Hause Laurenz wieder ziemlich still und einsam geworden. Laurenz vermißte die Gesellschaft Gregors viel stärker, als er es sich selbst gedacht haben mochte. Hatte er doch die letzten Monate nahezu täglich aufs intimste mit ihm verkehrt und Gesellschaften und Vergnügen mit ihm besucht. Dadurch hatte er auch nie Zeit und Gelegenheit gefunden, sich den anderen Beamten des Etablissements anzufreunden, und jetzt das Versäumte nachzuholen, wäre wohl auch nicht gut gegangen. So mußte er denn seine Abende, diese ewig langen Abende, da heim zubringen. So lieb er auch Hedwig hatte und so sehr sie sich auch bemühte, ihm die Stunden daheim zu verkürzen, so konnte doch dies dein jetzt an so reiche Abwechslung gewöhnten Mann »licht über eine gewisse innere Oede hinweghelfen und nach und nach fing er wieder an, die Abende außer Haus zuznbringen. Hedwigs bemächtigte sich deshalb auch wieder die alte Verzagtheit; auch sehnte sie sich, besonders in ihrem jetzigen Zustande, nach Aussprache und Anteilnahme und wünschte sich ost Ilona, die sie liebgewonnen hatte, lebhaft herbei. Die Neu vermählten schienen in ihrem jungen Glück der alten Freunde etwas vergessen zu haben, denn nur äußerst selten kam auS dem hohen Norden eine Nachricht in die Heimat. Oft kamen Stunden, wo Hedwig Ilona beneiden wollte, doch dann schämte sie sich dieser unedlen Regung: würde ihr denn nicht in wenig Monaten selbst ein reiches und unend lich süßes Glück zuteil werden? Eines Tages brachte Laurenz die Nachricht von Fra» von Hoyers bevorstehender Uebersiedlung nach Banjaluka nach Hause. „Wie, sie bleibt nicht tn Czernowitz? Kann sie sich denn von Ilona trennen?" fragte Hedivig erstaunt. „Sie zieht zu ihrem seit einem Monat verwitweten Bruder, der dort reich begütert ist. Sie wird iu seinem Hause Herrin sein, indessen sie bei Randolin doch immer eine gewisse abhän gige Stellung einnähme. DaS lockt sie nun, die-lange Jahre in Armut gelebt hat. Warum sich ihr Bruder niemals um sie und Ilona angenommen hatte, fragst Dir? Seine Frau brachte den Reichtum ins Haus und schwang auch deshalb das Zep ter, Du begreifst also —" So hörten denn Josef und Hedivig jetzt noch weniger von den RandolinS als bisher, wo dies« doch der Mutter immer ausführliche Berichte sandten, die die Dame dann stellen weise den beiden vorlas. Sie mußten nach diesen Briefen sehr glücklich und zufrieden sein und schienen noch lange an keine Rückkehr aus Schiveden zir denken. Einmal aber schrieb Gregor an den Freimd, daß er einen gewissen Baron von Megan, Len auch Laurenz kenne, ersucht habe, an seiner Statt bei dem zn erwartenden Stammhalter Patenstelle zn übernehmen. So wenig willkommen dieses Arrangement auch dein Ehepaar war,so blieb doch keine andere Wähl, da man weder Randolin herbeizaubern, noch seine Heimkehr abwarten konnte. Als der Herbst ins Land zog, fing Hedwig zu kränkeln an; stundenlang mußte sie auf dem Diwan liegen, unfähig jeder anstrengenden Arbeit, nervös gereizt über jede Kleinigkeit und voll Angst vor der schweren Stunde, die sie — wie sie sich steif und fest einbildete — diesmal nicht überstehen würde. Auch Josefs tröstender und beruhigender Zuspruch blieb erfolglos, ja meistens brach sie 'ogar in nervöses Weinen aus, mit dem sie den Gatten dann gewöhnlich für einige Stnnden von ihrer Seite verscheuchte. Da infolge dieses Zustandes der junge» Frau naturgemäß auch das HauSwesen vernachlässigt wurde, war es schließlich Josef nicht zu verargen, wenn er die Geduld verlor und immer mehr auswärts suchte, was ihm im eigenen Heim versagt blieb. Während er dann irgendwo in heiterer Gesellschaft hinter einem GlaS Wein saß, um seine Grillen loS- zuwerden, lag Hedwig, eine Beute selbstquälerischer Gedanken und den Gatten der Herzlosigkeit zeihend, in der Einsamkeit ihres Gemaches auf dem Diwan und starrte trockenen Auges vor sich hin ins Leere. „Er liebt mich nicht mehr," war dann wohl ihr Gedanken gang; „ich bin ihm gleichgültig geworden und er wird auch das arme Kind nicht lieben. Er spricht kaum mehr von ihn» —" Und die jetzt so müden Händeringend, brach sie in heiße Tränen aus. Ach, wenn sie nur eine Mutter, eine Schwester oder ein« Freundin hätte, an deren Herz sie all ihre Klagen, Leiden und Befürchtungen ausschütten könntet Doch sie hatte niemanden. Ilona? Wie hätte sie diesem, nun im vollen Sonnenschein des Glücke» wandelnden Geschöpfe damit kommen können ? Auch wußte man nicht einmal genau, wo die Randolin« sich momentan aushielten ' S17.2Y