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1. Beilage z«m „Riesaer Tageblatt Rotationsdruck und Verlag von Langer t Winterllck» «n Allein. — Für di« Redaktton vemn»>vortlick>: Arthur Hähne! in Riela. «4. Jahr, ISS Dienstag, 3V. Mai IS11, abeuds Anreizen für die Sonnabe«d-Nr. (Festtags-Nr.) erbitte« wir uns baldmöglichst, spätestens bis Sonnabend stüh v.9 Uhr, da bei späterem Eingang die Aufnahme nicht zitgesagt werden kann. MU" 8« Ankündiguagea aller Art, spez. zu Geschäfts empfehlungen PP. dürste sich die Festtags-Nummer, da drei Tage aufliegend, besonders empfehlen. Die Geschäftsstelle. ebenso starkes Heer aufzustellen tvie Deutschland, ange sichts seiner bedrohten Lage in Europa genötigt wäre, an eine Verstärkung seiner Truppen! zu denken. Bisher konnte man davon Abstand nehmen, Weik Frankreich nicht mehr in der Lage war, die auf dem Papier stehenden Truppenmassen aufzubringen. Infolge dessen hatte dort eine gartze Antzahk Regimenter nicht die vorschriftsmäßige Stärke, obwohl man in Frankreich nicht davor zurückschreckt, offenkundige Verbrecher und allerlei Gesindel in die Arm'ee einzustellen. Gegen wärtig denkt man aber in Frankreich bekanntlich daran, die Lücken, die im Heere durch die andauernd zurück gehende Geburtenzahl entstanden sind, durch Kolonial truppen auszufüllen und sowohl die Eingeborenen in Nordafrika stärker zum Heeresdienste heranzuziehen, als auch die in sAlgier stehenden weißen Truppen allmählich durch Nseger aus den westafrikanischen Kolonien zu er setzen. Was die Zahl seines kriegstüchtigen Nach wuchses betrifft, so wäre Deutschland -mit Leichtigkeit imstande, ein doppelt so starkes Heer aüszustellen wie Frankreich Wenn Deutschland das bisher nicht getan hat- so ist das der beste Beweis für seine friedliche Gesinnung. Deutschland denrt nicht daran, irgendeine andere Macht in Europa zu bedrohen, will aber ander seits naturgemäß stark genug sein- unt einen möglichen Angriff von anderer Seite abzuwehren. Wenn die Frie densfreunde in Europa es mit ihren Absichten wirklich ehrlich meinen, so mögen sie daher bei ihren Ermah nungen Deutschland aus dem Spiele lassen- dessen Rüstungen nur das Mindest: dessen darstellen, wäs Deutschland seiner Lage in der Welt schuldig ist. Biel eher könnte Frankreich den Gedanken einer Rüstungs einschränkung erwägen, da es infolge seiner geogra phischen Lage und noch mlehr infolge seiner politischen Bündnisse wahrlich nicht nötig hat- dieselbe Rüstung zu tragen wie Deutschland. AL deren ganze Qualifikation nur in ihrer sozialdemo kratischen Gesinnung besteht. .Mes andere ist wesent licher Fortschritt zugunsten der Versicherten. ES sind nahezu 7 Millionen Menschen, die bisher außerhalb der Krankenversicherung standen, in sie ausgenommen wor den: Land- und Fsrstarbeiter, Dienstboten, Wanderarbei ter, Heimarbeiter. Die Unfallversicherung ist bis zür Etnkommensgrenze von 5000 Mark ausgedehnt, die Wöch nerinnenunterstützung erheblich erweitert Worten. Völlig neu ist die Rente für Jnvalidenkinder und die endlich durchgeführte Hinterbliebenenversicherung. Wir haben es also pnit einem Gesetz zu tun, das einen Wichtigen Ausbau unserer Sozialreform bedeutet, einem Werk, um das unS das gesamte Ausland beneiden must, weil es selber nicht daran denken kann, auch nur annähernd ähnliches zu schaffen. Es ist ein gutes Zeichen auch für die deutsche Unternehmerschaft, deren Vertreter doch die bürgerlichen Parteien sind, daß sie die neuen nicht unbe trächtlichen Geldopfer ruhig auf sich nimmt. Keine ein zige bürgerliche Partei hat im Parlament gegen die Reichsversicherungsordnung gestimmt; die somit dem ganzer, deutschen Volke gebucht werden kann. Die Abnahme -er Fahnenflucht im deutschen Heere ist nach dem amtlichen „Hjccre" in den letzten Jahren ständig und sehr bedeutend gewesen. Im Jähre 1909 fanden 566 Bestrafungen wegen Fahnenflucht statt, 1906 Waren eS 580, 1904 noch 609, 1903 sogar 701 und 1901 endlich gar noch! 728. Die Meisten Bestrafungen kamen beim 8. Armeekorps in Koblenz vor, nämlich 81, dann folgt das 14. in Karlsruhe nnt 68, das 7. in Münster mit 57, das 16. in Metz mit 46, das 15. in Straßburg mit 36, daS 9. in Altona mit 22 und das 18. in Frankfurt mit 19. Die andern Korps sind nur mit ganz unbedeu tenden Zahlen beteiligt, in der Hauptsache sind dies, wie sich aus den Zahlen ergibt, die Grenzkorps, weil hier die Fahnenflucht am leichtesten und die Verführung dazu am größten ist. Auch dürste der meist einheit lichere!, tüchtige Ersatz der andern Korps dabet wesent lich nritsprechen. Bor allem! ergibt sich aus den geringen Acchlen überhaupt; daß pon der in französischen Blät tern so ost behaupteten massenhaften Fahnenflucht auch bei unfern Grenzkorps keine Rede ist, und daß ihres auch von ihnen behauptete ungeheure Beteiligung an der französischen Fremdenlegion erfunden ist- Wcht AN verwechsln sind die Bestrafungen wegen unerlaubter Entfernung mit der Fahnenflucht, lluöer dieser Versteht man nur- daß der betreffende sich vtrzeae Zeit ttoU seiner Truppe ohne ErlaubnN entfernt uÄ Harm jvüMtzj Meder ««gestellt hach * » Deutsche» «eich. Prinz Joachim von Preuße« hat sich Sek da» gestern stattgehabten militärischen Hebungen in Döberitz, die in Gegenwart de« Kaiser» stattgefunben haben, eine ernste Ae Liß« in iwermW»» I« DMImi ui j» znikrnch. Man schreibt uns: Die Landesverteidigung legt dem Deutschen Reiche schwere Opfer auf, und zwar sowohl durch Steuern aufzubringende Geldopfer in der Form der Ausgaben für Heer und Flotte, als auch persönliche Opfer durch die gesetzlich sestgelegte Wehrpflicht. Dieser haben bei MtS jährlich weit über 200000 junge Menschen zu folgen, um in der Armee oder in der Marine 2 bis 3 Jahre dem Vaterlande nur gegen die Gewährung eines gerade ausreichenden Lebensunterhaltes zu dienen. Wenn deshalb aber die Sozialdemokraten immer wieder Klagen gegen den -.Moloch Militarismus" erheben, so übersehen sie, day Wir einmal infolge unserer Lage in der Mitte von Europa zu großen Aufwendungen für die Landesverteidigung dringend verpflichtet sind- und Meitens, daß andere Länder, die sich vielfach in gün stigerer Lage befinden, trübem vor weit größeren Auf wendungen für ihre Weltmachtstellung nicht zurück schrecken Das gilt besonders von Frankreich, das sich Ein schränkungen nach dieser Seite viel eher gestatten könnte. Weil es, abgesehen von dem gegenwärtig kaum in Be tracht kommenden Spanien, sich mit seinen Rüstungen eigentlich nur gegen seine Ostgrenze zlu wenden hat. Dessen ungeachtet unterhält jedoch Frankreich ein Heer, das sowohl im Frieden wie im Kriege es an KVpfzahl mit dem deutschen aufnehmen kann, obwohl bekannt lich 'die Bevölkerungszahl Frankreichs andauernd im Rück- . gang begriffen ist und gegenwärtig nur etwa zwei Drittel der Bevölkerung des deutschen Volkes beträgt. Naturgemäß ist infolgedessen der aus den Kopf der Be völkerung entfallende Anteil an den Ausgaben für Heer und Flotte in Frankreich wesentlich höher als in Deutsch land. Schwerer jedoch noch hat Frankreich an der Ver pflichtung der Landcskinder zum Heeresdienste zju tra gen. Es ist gegenwärtig infolge seines andauernden Be völkerungsrückganges kaum mehr imstande, die für den Heeresdienst notwendigen Menschen zu liefern, trotz dem die Bedingungen für den Eintritt in die Armee andauernd herabgesetzt worden sind. Im Gegensätze zu dem geburtenarmen Frankreich verfügt Deutschland über einen für kriegerische Zwecke zunächst noch unversiegbaren Menschenersatz. Obwohl bei unS die an die körperliche Tauglichkeit gestellten Bedingungen wesentlich höher sind als in Frankreich, wird doch fast nur die Hälfte der zum Dienst geeigneten jungen Leute tatsächlich in Heer und Flotte eingestellt. Unter diesen Umständen kann also keine Rede davon sein, daß Deutschlands Aufwendungen zum Heeresdienst irgend wie das Maß des Gebotenen überschreiten. Vielmehr wird man sich ernstlich die Frage vorzulegen haben, ob nicht Deutschland, solange Frankreich daran festhält, ein Tagesgeschichte. Gegen die ReichsverficherungSordmmz, die nun glücklich unter .Dach Und Fach gekomnten ist, hatte die Sozialdemokratie viele Protestversammlungen einberufen. Man hatte als» meinen sollest- eS werde ein Gesetz gegen das Wohl der arbeitenden Bevölkerung vorbereitet, irgend eine „Zuchthausvorlage" oder der gleichen. Vielleicht nehmen das auch noch heute die sozial demokratischen „Vorwärts"-Leser an. Mr Wirklichkeit ist nur- schreibt der -,Frb. Anz.", der Machtbereich der! sozialdemokratischen Partei; nicht der Arbeiterschaft, au einer Stelle etwas eingeschränkt worden, indem «S fortan unmöglich gemocht wird; daß die Poste« der Krankenkassenbeamten sogar mit bestraften Parteigän gern (und noch dazu auf Lebenszeit) besetzt werde«; Künsttertieöe. Roman von G. v. Schlippenbach. 17 Ernesta besaß eine hübsche Sopranstimme und hatte gute Stunden genommen, sie liebte nichts so sehr wie Musik und lauschte auch heute aufmerksam den Vorträgen der Anwesen den. In ihren Träumen hatte sie noch zuweilen den Ton einer meisterhaft gespielten Geige, ein Knabe hielt sie in den Hän den und sein dunkles, lockenumwalltes Haupt beugte sich da rüber. Sie hatte seitdem viele große Künstler gehört, so spielte niemand: so packend und ergreifend wie der Freund ihrer Kind heit. Seit Wesebach wieder aufgetreten war, hatte sie seine Lauf bahn mit glühendem Interesse verfolgt, fsie hatte sich seines Ruhmes gefreut und leise gehofft, ihn wiederzusehen, noch ein mal dem Zauber seines Spieles zu lauschen." „So in Gedanken, Baroneß," fragte Biberstein. „Sie sehen aus, als schauten Sie in ein fernes Wunderland wo liegt es?" Ernesta errötete heftig und erwiderte nichts, eben begann ein Herr die Violine zu spielen. Es war das Ave Maria von Schubert, das Ernesta in höchster Vollendung von Oskar We sebach gehört. Sie hätte sich die Ohren zuhalten mögen, wie stümperhaft klang dieser Vortrag dagegen Leise erhob sie sich und glitt hinaus, der Graf folgte ihr. Ernesta stand im Vorderhaus des Hotels, das hell erleuchtet, um diese Zeit nun schon leer war. „Ich kann die Mißhandlung diese? wundervollen Musik stückes nicht anhören," sagte sie fast heftig, „einst habe ich daS Ave Maria von Oskar Wesebach beten gehört, anders kann ich mich nicht ausdrücken, daS vergißt man nicht, wenn auch Jahre dazwischen liegen." Eine plötzliche Angst schnürte des Grafen Herz zusammen, noch nie hatte er ein so leidenschaftliches Empfinden in Erne stas Stimm« bemerkt. „Wann haben Sie denn den Künstler gehört?" fragte er. „O, eS sind zehn Jahre her," erwiderte sie jetzt ruhiger, ich war damals noch ein Kind." „Wesebach hat Amerika in Begeisterung verseht." „Ich weiß eS," entgegnete sie, „ob er jetzt nach Europa «urüÄehrt, wissen Sie eS nicht, Herr Graf?" t Er soll seit einigen Wochen bereits gelandet sein, man glaubt, 's daß er im Winter in Deutschland konzertieren wird." „ „Ich hoffe ihn dann zu hören," rief Ernesta erfreut, „ob er sich noch vervollkommnethat, ich glaube, es ist kaum möglich." Sie traten in das schmale Seitenzimmer, in dem mehrere Tische mit jenen reizenden Sächelchen verkauft werden, dieman als Andenken vom Rigi mitnimmt. Die kunstvollen Schnitze reien entzückten das junge Mädchen besonders und sie kaufte einiges. ! ' ' L DaS Geigenspiel war wohl der Abschluß der musikalischen Unterhaltung, es war spät geworden, und das Vorderhaus füllte sich mit den Gästen. Ternow hatte unter ihnen Bekannte gefunden, eine Dame aus Dresden mit zwei allerliebsten Töch tern, er machte sie jetzt mit der Baronesse Mollbeck bekannt und manschten gegenseitiges Gefallen an einander zu finden. Graf Karl hatte entschiedenes Pech, denn die drei Tage, die" er auf dem Rigi zubrachte, zeichneten sich durch trübes, un freundliches Wetter aus. Als er von den Damen Abschied nahm, bat er Ernesta, ihm hin und wieder Nachricht zu geben, was sie versprach. Die gemeinschaftliche Reise hatte in ihr das Ge fühl des Zutrauens und der Freundschaft für den Mann ge weckt, der ihr wie das Vorbild der Ritterlichkeit erschien. Oft hatten sie lange Gespräche geführt, in denen sie mit Befriedi gung die gleichen Lebensanschauungen, dieselben Interessen feststellten. Der Entschluß, sich im Laufe des Winters Ernesta weiter zu nähern, stand bei Biberstein fest, er wollte nichts übereilen, deshalb schwieg er vorläufig noch. „Sie werden uns sehr fehlen," sagte das junge Mädchen, als sie und Ternow den Reisenden zur Station hinabbeglei teten, „hoffentlich bekommen wir bald gutes Wetter." Ihr Be dauern über sein Fortgehen war so harmlos ausgesprochen, daß er keine alschen Voraussetzungen an ihre Worte knüpfen konnte. „Ich bliebe noch eben so gern," versetzteerruhig, „leider ist es mir unmöglich, gnädiges Fräulein." Der Zug war zur Abfahrt bereit, sie schüttelten sich die Hände und sagten sich Lebewohl. „Vergessen Sie nicht, bald zu schreiben," rief der Graf, sich aus dem Fenster des Kupees hinauslehnend. „Und Sie auch," gab Ernesta zurück, „Tante werde ich nach Kräften pflegen." Temow und daS junge Mädchen wollten langsam zum Gasthaufe zurück, blieben aber stehen, als der Pfiff der her- - auskommenden Lokomotive ertönte. > „Ich erwarte heute einen Freund," sagte der Doktor/ „er ist einige Tage in Fluelen gewesen. Wir reisen seit 14 Lagen zusammen und haben das Berner Oberland durchstreift." „Wenn das Wetter gut wird, was ich bestimmt glaube, so müßten wir einige kleine Bergpartien machen, nach Rtgischei« i degg hinüber zum Beispiel. Sie müssen sich einen Bergstock kaufen, gnädiges Fräulein." „Gewiß, ich habe schon selbst daran gedacht," versetzte Er nesta. „Ach, sehen Sie, dort kommt der Zug aus Brunnen, wir wollen ihn abwarten." „Vielleichtist Viktor auf demselben," meinte Ternow. „Viktor? Wer ist das?" fragte das junge Mädchen. „Der Freund, von dem ich vorhin sprach." „Und sein anderer Name?" „Er heißt Aurich, Viktor Aurich," meinte der Doktor etwas zögernd. „Ist er auch Arzt?" erkundigte sich Ernesta. Ternow lachte: „Bewahre, er ist Künstler." „Ach so, also Maler, nicht wahr?" Eben kam der Zug heraufgekeucht. Noch ehe er hielt, beugte sich der dunkle Lockenropf Viktors hinaus, und er winkte in sei ner lebhaften Art dem Freunde zu. lieber des jungen Mäd chens Erscheinung glitt sein Blick flüchtig, sie war zurückge treten und sprach mit der Frau des Stationsvorstehers. „Nun, Du Ausreißer," begrüßte Ternow den Freund, „bist Du endlich zurück? Schönes Wetter hast Du gerade nicht in Fluelen gehabt." „Ja, es war trotzdem ganz nett dort unten," lachte Viktor leichtsinnig. „Fräulein Lucie war untröstlich beim Abschiede. Aber Donnerwetter, Kerl, wen hast Du denn da? Das ist eine reizende Dame, so stelle mich doch vor, schnell, schnell." Er zog den Doktor zu Ernesta hin. Diese wandte ihnen eben daS Gesicht zu. Eine Minute fast starrten sie sich an, dann streckte sie beide Hände dem jungen Manne entgegen. „Oskar, ist es möglich, Sie hier!" rief sie, und es klang wie Heller Jubel in der frischen Stimme. „Nesta, pardon Baronesse Mollbeck, auch ich erkenne Sie jetzt," gab Viktor Aurich ebenso zurück. 185,20