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was etwa fehlte, und die anderen gehorchten ihm ohne Widerspruch. Wir brauchten uns um nichts zu kümmern. Senkoro, so hiey der kleine schlaue Kerl, nahm uns jede Sorge ab. Solche Leute sind selten unter den Negern, die meisten sind trage und unzuverlässig. Doch ist es mir so vorgekommen, als ob die Wapare bessere, willigere Träger wären als die Wadschagga. Noch etwas muß ich Euch von Senkoro erzählen. Wenn ihm einer der Leute widersprach oder irgend etwas Dummes sagte, so meinte Senkoro in der derben Art des Negers: „Deine Rede ist Mist." Die Umgehenden lachten darüber so laut, daß der Sprecher garuicht mehr zum Worte kam, und Senkoro hatte gewonnen. Wie der erste und zweite Reisetag, so verliefen auch die nächsten beiden. Die Steppe bot wenig Abwechslung, sie ist immer dieselbe: hohes Gras und Gestrüpp, da zwischen vereinzelte hohe Bäume, und hie und da ein Flüßchen zwischen großen Steinblöcken, die dem Wan derer eine Brücke bilden. Zur linken Seite unsres Wegs zog sich, bald näher, bald weiter entfernt, das Pare- gebirge hin. Ihr werdet es auf einem guten Atlas finden. Vor uns, einige Tagereisen weiter, stiegen andere dunkle Massen aus der flachen Steppe auf: das Usambaragcbirge. Von daher kommt die Bahn, die Tanga an der Küste mit dem Kilimanjaro verbinden soll und heißt darum auch die Usambarabahn. Am vierten Reisetage kamen wir ganz dicht an der Station vorbei, zu der bis jetzt die Bahn reicht. Das ist Same. Wir sahen rings um den Bahnhof eine Menge weißer und grüner Zelte und einfacher Häuser erbaut, eine ganze kleine Stadt, da wohnen vor allem die Bau unternehmer, das heißt die Männer, an die der deutsche Staat durch eine große Baufirma die einzelnen Bahn strecken zur Ausführung übergibt. Sie werben sich schwarze Arbeiter an, und wem es gelingt, die meisten zur Arbeit heranzuziehen, oer hat den meisten Verdienst. Diese Leute sollen ost an einem einzigen Tage über 100 bis 200 Mark verdienen. Es ist aber auch eine saure, ge fährliche Arbeit. Don früh bis abends in glühender Sonne Ulster Hunderten von Schwarzen, die oft so schrecklich ungeschickt zur Arbeit sind, stehen zu müssen und anzu stellen, und des Nachts dem Fieber ausgesetzt zu sein, das ist kein leichtes Dasein. Wir Deutschen aber in der Kolonie verdanken zum großen Teile dem Unternehmungs geist dieser Leute und der harten Arbeit der Schwarzen die Bahn, die uns den Verkehr erleichtern soll. Man kann ja trotzdem noch auf sasari gehen, und das ist gut, denn eine safari ist zu schön. In Same sah ich zum ersten Male, seit ich vor nunmehr 1'/» Jahren Mombasa verlassen, eine rauchende Lokomotive wieder. Das kam mir ganz seltsam und wie ein Gruß aus andrer, ferner Welt vor. Die Schwarzen machten lange Hälse, um das Ungeheuer zu sehen, die meisten aber lächelten stolz, als wollten sie sagen: „Tas kennen wir schon lange, wir wundern uns überhaupt nicht mehr über alles das, was der weiße Mann kann; denn da hätten wir viel zu tun." Sie nennen die Eisen bahn ganz sinnig: „Wagen des Dampfes". Der fünfte Reisetag brachte uns unserem Reiseziel näher. Nach wenigen Stunden Wanderung erreichten wir die Pflanzung Mwembe, oie eine Außenschule, zu Vndec gehörig, hat. Die Pflanzung gehört einem sehr netten Herrn aus Leipzig, der uns mit großer Freundlichkeit aufnahm und bewirtete. Er ist ein Freund und Helfer der Mission, denn er nimmt sich der Schule an und hält darauf, daß die Kinder nicht nur auf seiner Mais pflanzung arbeiten, sondern auch regelmäßig den Unter richt beim eingeborenen Lehrer besuchen. Solch ein Lehrer ist wenig ausgebildet, er kann nur eben lesen, schreiben und rechnen. Meist ist er noch Heide, sodaß also leider den Kindern keine biblische Geschichte erzählt werden kann. Doch wenn sie nur wenigstens lesen mid schreiben lernen, so werden sie doch schon gesitteter und können später selbst das Wort Gottes lesen; denn gedruckt ist es schon zum Teil in ihrer Sprache Denkt Euch, jener Pflanzungsbesitzer erwartete zu Weihnachten seine Eltern und seine Schwester zu Besuch aus Deutschland Sie sind auch gekommen, etwa 8 Wochen hier geblieben und rei sen nun wieder heim. O, wer das auch haben könnte,- daß seine Lieben hierher zu Besuch kämen! Aber da müssen erst kleine Steinchen Geld werden. Nach einigen Stunden Rast in Mwembe mußten wir einen steilen Berg erklettern und kamen nach eben so .beschwerlichem Abstieg gegen abend todmüde auf der 1. Missionsstation von Südpare, in Mbaga, an. Hier verweilten wir einige Tage in dec befreundeten Missio- uarsfamilie und wurden für 14 Tage später zur ersten Heidentaufe, die in Mbaga stattsinden sollte, eingeladen. Es waren 7 Jünglinge, 2 größere Knaben (Söhne des Häuptlings, die mit des Vaters Einwilligung den Tauf unterricht besucht hatten) und ein Ehepaar mit ihrem kleine» Kinde, die Christen werden wollten. Nun waren wir nur noch etwa 4 Stunden von Vudee entfernt, unsere Träger waren ganz aus dem Häuschen vor Freude und rannten wie Pferdchen, die den Stall wittern. Dabei riefen sie immer: „Lete Vudee!" d. h. „Bring Vudee herzu!" oder „Karribn Vudee!" — „Komm näher, Vudee!" Es war schließlich ein ziemlicher Lärm, aber das war noch garnichts; denn das Beste sollte noch kommen. Wir waren etwa auf der Hälfte des Wegs, da kamen einzelne schwarze Gestalten von allen Seiten auf uns zugesprungen und begrüßten uns mit großer Freude. Bald wälzte sich uns ein dichter, dunkler Menschenschwacm entgegen, es waren einige Hundert, alles Leute von Vudee. Das war ein Grüßen und Lachen, daß einem der Kopf schwindelte. Jcy wurde angestarrt wie ein Wunder, denn ich war die erste weiße Frau, die nach Vudee einzog. Drum mußten wir auch alles über uns ergehen lassen, was die Schwarzen hier beim Einzug einer ihrer Mitschwcstecn in das neue Heim anstellten. Es erhob sich ein Freudengeheul, wie ich noch keins ge hört habe. Sie sangen ihre gellenden Lieder, und die Mädchen und Frauen begleiteten diese mit langen Trillern von unglaublicher Tonhöhe. Das dauerte solang, wie der Weg war. Oesters wurden wir auch noch aufgehalten,- damit wir Bier trinken sollten, denn dieses Bier, mawa genannt, ist dem Schwarzen das Höchste. Es wird aus Zuckerrohr hergestellt, sieht trübe aus und schmeckt sauer bitterlich. Doch alles in der Welt hat ein Ende, so auch das Jubelgeschrei der aufgeregten Leute und unsere Reise. Als sie uns bis vor's Haus geleitet und wir ihnen für die Ehrung gedankt hatten, gingen sie zufrieden in ihre Hütten zurück. Wir aber sind seitdem in Vudee. Von da ans. arünt Euch alle herzlich Eure Else Hübner-Oldewage. Wie mau in China Manuskripte ablehnt. Auch in China wird die Presse überschüttet mit Manuskripten aller Art, und auch dort befindet sich unter den eingcsandten Beiträgen ein hoher Prozentsatz un brauchbarer Artikel — ganz wie bei uns. Originell ist nun, wie eine Prcßnotiz berichtet, das Begleitschreiben, mit dem derartige nicht verwendbare Artikel, Feuilletons usw. von einem chinesischen Tageblatt zurückgesandt wer den. Es lautet, der bekannten Höflichkeit des Zopflandes entsprechend: „Wir haben Ihr Manuskript mit unaus sprechlichem Vergnügen gelesen. Bei der heiligen Asche unserer Vorfahren schwören wir, das; wir noch nie etwas so Schönes vor Augen gehabt haben. Doch wenn wir den Beitrag in unsere Spalten aufnehmest würden, würde Seine Majestät der Kaiser uns vorschreiben, den Artikel als ein erlesenes Beispiel zu betrachten und nichts Min derwertigeres mehr zu drucken. Da dies jedoch inner halb der nächsten tausend Jahre unmöglich ist, müssen wir Ihnen Ihr Manuskript leider zurückscnden." Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zu« „Riesaer Tageblatt". R>. 9. Soaaeasehnsacht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippenbach. (Herbert Rivulet.) Fortsetzung. „Zu Ostern wird er Abiturient," erzählte Emmy, 7,und er ist eben erst achtzehn Jahre alt; Ernst will ihn aufs Polytechnikum schicken." Elfriede hatte mit keinem Worte nach dem ältesten Bruder gefragt, obgleich sie die ganze Zeit an ihn ge dacht hatte. Frau Ludolfs hatte den Tee bereitet und den Tisch gedeckt, eine Extraplatte kalten Aufschnitt holen lassen, dann lud sie in herzlicher Art ihren jungen Gast ein, an der Mahlzeit teilzunehmen. „Wie traulich ist hier alles," sagte Elfriede, sich an den Tisch setzend. „Gnädige Frau, erlauben Sie mir, zu Ihnen zu kommen, wenn ich übersättigt von allen Bällen und Vergnügungen bin? Ich als Landkind werde «mich nicht zurechtfinden im Wirbel der großen Stadt." „Gewiß, liebes Fräulein, kommen Sie nur," ent gegnete die Majorin freundlich. „Ihre Eltern und Sie haben uns zu Dank verpflichtet durch die schönen Wochen, die Ernst und Emmy vorigen Sonnner in Schornstätten verlebten." „O, der Dank ist nur auf unserer Seite, cs war eine schöne Zeit für uns!" Elfriedens Augen glänzten. Sie schwieg und blickte vor sich nieder. „Wie geht cs denn Ihren lieben Eltern?" fragte Frau Ludolfs. „Ausgezeichnet. Beide sind frisch und mnnter, nur sorgen sie sich, ivenn längere Zeit kein Brief von Bruno kommr. Es geht eben in Afrika böse her. Die Herero kämpfen gegen unsere Soldaten; es sind schon einige Offiziere gefallen oder schwer-verwundet worden. Bruno schreibt voll Mut und Zuversicht, daß die deutschen Waffen bald siegen werden." Emmy wußte das alles auch, sie sagte.aber nicht, baß sie mit Bruno von Schorn in Briefwechsel stand. Ihrer Mutter hatte sie es mitgeteilt; sie dankte es ihr im stillen, daß sie jetzt keine Silbe davon gegen Mfriede erwähnte. — —- „Um halb acht muß ich fort," sagte die Baronesse, nach der Uhr sehend. Da wurde zum zweiten Male die Schneppcrtür ge öffnet: Ernst kam aus dem Bureau zurück. Mit leichter Befangenheit reichte Elfriede ihm die Hand, die er mit ruhiger Höflichkeit drückte, sich tief dabei verneigend. Ruhig nur äußerlich, sein Herz pochte zum Zer springen. lieber ein halbes Jahr war vergangen. Er hatte gehofft, sic nie nncdcr zu sehen! Was in jenen Sommertagcu über ihn gekommen, es mußte über wunden werden. Die strenge Selbstzucht, die er sein ganzes Leben geübt, sic durfte ihn nicht im Stiche lassen. Aber als er sie so unerwartet vor sich sah in ihrer holden Jugendblüte, als cr den schüchtern bangen Ausdruck in dem unvergessenen Antlitze sah, da wüßte er, daß er vergeblich mit sich gerungen, hart und schwer, da beugte er sich dem zwingenden Muß, dem Kismet, dem wir alle unterworfen sind. „Ich wußte nicht, daß Sie schon jetzt in Berlin sind, Baronesse," sagte Ernst ruhig. -.Wir sind erst vorgestern gekommen, Herr Ludolfs." Die Unterhaltung stockte. Rach einer Weile erhob Elfriede sich. ,Lch muß jetzt gehen," sagte sie. „Leben Sie wohl, Frau Majorin." „Gestatten Sie, daß ich Sie begleite?" fragte Ernst. >,Ja, ich bitte. Emmy kommst Du mit?" „Ich täte es gern, Friedel, aber ich habe noch eine Menge Hefte zu korrigieren; ich unterrichte in einer höheren Klasse." Emmy sagte es zögernd mit aufrichtigem Bedauern. „Die Droschken halten nur einige Häuser Weit- Ernst," sagte die Mutter, „die Baronesse wohnt in dec Mittclstraße 44 a." Bald darauf standen Ernst Ludolfs und Elfriede Schorn draußen. Es war eine mondhelle, sternenklare Januarnacht. Auf den Dächern lag der frisch gefallene Schnee, makelloses Weiß hüllte die Riesenstadt ein. Es fror mehrere Grade, Millionen von lichten Diamantfunkeir blitzten auf dem Schnee; Berlin sah wie eine Märchen stadt aus. — Sie gingen schweigend nebeneinander her; endlich sagt Elfriede: „Wir trennten uns im heißen Sommer, jetzt ist es strenger Winter geworden; ein ganz anderes Bild um gibt uns." ° „Wie banal ist diese Bemerkung, aber was soll ich sagen; er scheint stumm geworden zu sein," denkt sie bei sich. „Wie geht es Ihnen?" Das ist ihre nächste Frage, denn er hastet, und sein Atem geht schwer. „O, sehr gut, Baronesse," entgegnete er, „ich arbeite und lebe." „Und die Sonnensehnsucht?" fragt sie stockend „Ich habe mich mit ihr abgefunden," versetzte er sehr leise, „ich habe mir gesagt, daß es nichts für mich ist." ,Sie sprachen im Sonnner anders." „Ja, damals." Es lag so viel in den beiden Worten; Elfriede bangte davor, sie sich zu deuten, sich weiter hinein zu vertiefen. „Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht." Warum fällt es ihr eben wieder ein? Und dann hört sie seinen weichen Bariton singen: „Die da sterben, wenn sie lieben." Wie bleich und elend sieht cr aus, oder ist es nur das Mondlicht, das ihn so erscheinen läßt. „Sie sahen im Sommer besser aus, Herr Ludolfs," beginnt Elfriede wieder, ,,Sje strengen sich zu sehr an. Im Juni müssen Sie und Emmy wieder nach Schorn- statten kommen, nicht wahr — bitte," fügt sie weich hinzu. „Nein, Baronesse, ich kann cs nicht." Gequält k"mmt es von seinen Lippen. Sie fragt nicht, warum, sie weiß es ja. Namen loses Mitleid zittert durch ihre Seele, Mitleid, das sie ihm nicht- zeigen darf, Mitleid, das ihr eigenes. .Herz in Aufruhr versetzt. Sie gehen am Droschkenstand vorbei, ohne cs z» merken, sie vermeiden die hell erleuchteten Linden wis in stummer Uebereinftimmung und wählen die Museum» und Dorotheenstraye, biegen in die Kirchstraße ein nnkk erreichen io die Mittclstraße.