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206 W ) «kd ihm die hundert kleine« Petroleum- Frierenden Me» Frauen und die staunenden lieb «achte. So gßng e dm« im Ge- W deu vudenreihen uucher und freute sich, da- da» Vchchqft rech: lebhaft und gut zu gehen schien ßN -icheu letzt« Edo»« »ar Schluß de« Marktes. Da- Heinrich wurd: mit fortgeschoben. Er hörte allerlei mitleidige Ausrufe, dann die laute Stimme eines. Schutzmannes und zuletzt ein klägliches, lautes Kinder weinen. Ter letztere Ton brechte Johann Heinrich auf einmal in die vorderste Reihe der Umstehenden, die, alle Weih nachtseile vergessend, einen dichten Kreis zur Beobachtung des interessanten Ereignisses gebildet hatten. Es war die alt« Geschichte: ein verlaufenes Kind. Ter Schutzmann redete mit lauter Stimme auf den kleinen Jungen ein, der lant schluchzend vor ihm stand. „So sag mir doch endlich, wo Du wohnst, Kind! Und wie heißt Tein Papa? Ein so großer Junge muß doch wissen, wie sein Papa heißt! — Wollt Ihr zurück, Leute! — Wenn Tn es mir nicht sagen kannst, muß ich Dich mit aus die Polizeiwache» nehmen!" Ter arme kl.' Wicht wollte etwas antworten, konnte aber bei seine .. krampfhaften Geschrei kein deut liches Wort hervorbringen. Ter dicke Schutzmann war mit seiner Geduld und Langmut zu Ende, er richtete sich auf, nahm das Kind bei der Hand und kommandierte: „Zurück, Leute!" Ta riß sich der Junge los und stürzte mit durch dringendem Geschrei in wilder Flucht vorwärts, gerade auf Johann Heinrich zu. Er klammerte sich an ihn und schluchzte: „Ter Polizei soll mich nicht ins Gefängnis, bringen, — nicht ins Gefängnis bringen, ich will zu meiner Mama nach Hause!" La tat Johann Heinrich, das heißt der Idealist in ihm, etwas, was er als Geschäftsmann gär nicht verantworten konnte. Er nahm ein fremdes, schreiendes Kind öffentlich aus den Arm und belog einen Sicherheitsbeamten. Wer weiß, ob er es freilich getan hätte, wenn nicht die !rots Mütze gewesen wäre, m.r deren Hilfe er in dem verheul ten, kleinen Kerl das strahlende Weihnachtsengle ans der dunkeln Gasse erkannte.' So sagte er denn ganz kühl und vornehm: „Es ist ein Jrrtrrm, Schutzmann, ich kenn« das Kind und werde alles besorgen!" Ta der Schutzmann Johann Heinrich Pleskow genau kannte, legte er die Hand an die Mütze und entfernte sich Auch die zahlreich.-« Zuschauer ginge« ihrer Wege, etwas enttäuscht von dem wenig tragischen Ausgang der Sache. Johanu Heinrich bo> mit seinem Schützling in die nächste Luerreihe der Buden ein. Da dort nur Schuhe verkauft wurden und dieser Handel nur ernsthafte Käufer anzieht, war es ziemlich leer und Ml. Johann Heinrich sah sich vorsichtig um; als er sich unbeobachtet glaubte, stellte er deu Kleinen aus die Erde und wischte ihm mit feinem Taschentuch« Gesicht und Näschen sorgsam ab. Tas war wirklich recht praktisch gehandelt und wurde von dem Jungen auch als eine Wohltat empfunden, er schluchzt: schon etwas weniger laut. „Siehst Lu", sagte Johann Heinrich, „nun bist Tu wieder hübsch rein, nun höre aber auch auf zu schreien!" „Ter Polizei soll mich nicht ins Gefängnis bringen!" heulte de: Kleine wieder. „Ter Polizei ist ganz fort und soll Dir nichts tun, mein Junge. Ich will Tich nach Hause bringen, wenn Tu mir hübsch sagst, wo Tu wohnst. Sag mal, Du bist Iwohl vorhin hier auf dem Meihnachtsmarkte Teiwer Mama fort gelaufen?" „Meine Mama,ist zu Hause, ich will zu. meiner Mama!" „Aber ich habe doch vorhin gesehen? daß Du mit Deiner Mutter ein Weihnachtsbäumchcn weggebrackt hast!" ' ' „Tas war ja meine Dante Frida«; ich will zu meiner Dante Frida!" Neues Geschrei! Trotzdem berührte es Johann Hein rich merkwürdigerweise angenehm, daß das Helle, junge Geschöpf rins rMMe" gewesen wax. Wie hatte tzv sie ganzen Krau» an Hampelmännern und Puppen abkaufen, um den ganzen Leg« dann weiterzuschenken an ein paar Keine, stumm staunende Zuschauer. Aber heut« wollte es Johann Heinrich nicht glücken. Vielleicht war es noch zu früh, die meisten Fenster waren dunkel und kaum jemand <Mf deu Straßen zu sehen. Es schneite nicht mehr. In s«ner kurzlebigen Reinheit lag der eben gefallene Schnee indcn Gassen. Aus der Ferne kamen die Töne einer Drehorgel. Verstimmt und tremolierend spielt« sie di« alte DeihnachtSmelodie r „Es ist «in' Ros' entsprungen." Und in Johann Heinrra, wurde all die alte Sehnsucht wieder wach. Tam kani es das Gäßlein herauf, ihm entgegen, das Weihnachtsabenteuer, das er suchte, — drei Helle Kinder gestalten and eine schläme junge Frau, die in der aus- jflflreckten Hand behutsam ein aufgeputztes Dmnenbäum- chen trug. Er hörte sie alle lachen «nd plaudern und «trat zurück in den Schatten der Mauer, um sie vorüberwandern zu seh«. Aber sie hielt« an vor dem dunkeln Torweg, der ihm gerade gegenüber in einen engen, armseligen „Gang' hineinführte. ,Halt, Kinder," sagte eine frische Frauenstimme, .hier Wollen wir erst die Lichtchen an zünden. Aber oanz mäuschenstill müßt ihr sein, daß Frau Laatsen drinnen »och nichts merkt! Und dann gehen wir hinein, »nd ihr dürst tüchtig sing«/ Hie hatte daS Bäumchen, das in einem Keinen, weißen Holzkreuz aufrecht stand, auf den Schnee nledergesetzt und gchchete nun flink ein Zündhölzchen an. Johann Heinrich foh ihr rosiges Gesicht and ihr Helles Haar unter einer dankrln Pelzmütze, auf dsr noch ei« paar Schneestern« blitzt«. Er sah auch di« fröhlichen Gesichter der Kinder, di« In atemloser Spannung auf das Bäumchen blickten, bi« alle basten Krrzle.n hell brannten. Dann hörte er wi»er die ihm fr«ldartig weich klingende Stimme des. fast-« Weibes: Lia; Hansi, Du darfst das Bäumchen tragen. Und ««« La Demen Spruch hübsch sagst, denkt Frau Laatsen, W» wärst eia WeihaachtSengele, vstd ich kauf Tir nachher «ich em Zuckerherz auf dem Weihnachtsmarkt. — Nein, HäusK so geht das nicht. Da brennst Dich ja, — schau, »ir macheu'S zusammen — so!" Eie setzte LwS jüngste der Kinder, einen Keinen Kuben mit rot« Back« mrd roter Mütze, flink auf ihren rechten Arm. Mit der lmken Hand hab fie dann das Lichter- bäumchen auf. Jubelnd legte der Jung« die dicke« Händ- ch« amt da« Hokzkreuz, die KeinevtMüdchrn hängten sich an ihr« Nock, and so gittzen sie Hell und weihnachts- ^oh^ hweia in dm dunkeln Gang zwischen den dürftigen Johann Heinrich sah ihnen nach, bis aller Lichterglauz tzerfchvmnd« war und mit einemmal alles dunkel und kalt -«oorden schien. Lr ging Noch eine Weile auf und ab, «Der sie kaimm nicht wieder und hatte« den Glanz wohl M der andern Seit« verlassen- wo er durch eine Gasse mit dem Marktplatz m Verbindung stand Dorthin ging Johann Heinrich auch jetzt. Licht uw> Lärm! kamen ihm Achgqp», denn der Weihnachtsmarkt war dort aufgebaut Md wie« ia Lang« Badenreihen seine billigen Schätze. Me wett, Veit «liegen schien JohaNn Heinrich die Zeit, M ihm dies; Herrlichkeit« köstlicher vorgekommen war«» MS Me« SPietzmg, da! -»h« später am Weihnachtsabend Z ZILZ 8-ssZ i 207 — Die Buchdrucker«» von LsngerMvterM (T. Langer und H. Schmidt) KIESE Goetheftratze Rr. 89 hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billigsterPreiS- stellung bestens empfohlen. Avise Adretz- «nd Geschäfts- karten BrtefkSpfe, vrtefleistcn Bestellzettel Broschüren, BtlletS Deklarationen LauksaguugS» und EMladuugSbrirfe Einlaßkarten Stiletten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in div. 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Ta Johann Heinrich mit dieser Art von Unterhaltung seinem eigentlichen Ziele noch nicht näher gekommen war, versuchte er. sein Glück nun auf andere Art. Sie waren an den Lchusterbuden vorbeigewandert und standen nun vor einer wirklich großartigen Auswahl von Spielsachen. „Soll ich Tir hier etwas kaufen, mein Junge?" sagte Johann Heinrich schlau. „Wenn Tu jetzt gar nicht mehr weinst und mir schön saast, wie Tu heißest und wo ITein Papa wohnt, kannst Lu Tir hier etwas Wunderschönes onssnchen." „Tann will ich das Pferd hier gekauft haben", sagte der Junge mit erstaunlich viel Fassung und Bestimmtheit. Tas „Pferd" War ein großes, seltsames Rädertier. Seine Bemalung konnte zu der Vermutung Anlaß geben, daß es eüwn Apfelschimmel vorstellen sollte. „Schön, ich will es Trr kaufen, mein Jung e, aber erst saaen, wie Tu heißest und wo Du wohnst!" „Hansi Hannemann/Lindenstraße 4," sagte der Kleine sofort laur und verständlich und griff mit beiden Händen nach dem Pferde. „Ab«.. Tir mußt es mir tragen, Onkel, es ist für mich zu schwer.^ lieber Johann Heinrich kant es wie eine große Er leuchtung und Beruhigung. Also das war Tvktor Hannc- manns Jun-e! Natürlich, der wohnte ja Lindenstraße, und verheiratet war er auch, und von'ihM unterzeichnete Geburtsanzeige» hatten auch schon häufiger in der Zeitung gestanden! Na, dann war die Sache ja höchst einfach. ' „Komm? Hansi, ich kenne Leinen Papa ganz gut von der Schule her und will Dich nun schnell zu ihm! bringen! Uber das Pferd laß nur hier, die Frau soll es Tir inach- her zuschicken!" Aber da kannte Johann Heinrich Hansi Hannemann schlecht! Nein, das Pferd mußte durchaus sofort mit nach Hause, denn es sollte doch bei der Bescherung heute abend mit aufgebaut werden, und der Onkel konnte es doch einfach auf dem Arm« tragen ! Co belud sich denn Johann Heinrich mit dem Räber pferde, nahm seinen Schützling an die Hand und ging schnell nach dem nächsten Troschkenhalteplatz. Aber kein Wag« war zu haben. Sie schienen alle beschäftigt, alte Großmütter und Lauten mit vielen Paketen in der Stadt umherzufahren. Eigentlich hätte es Johann Heinrich sehr unangenehm sein müssen, mit dem! fremden Jungen und dem ordinären Räderpferde durch die hellerleuchteten, be lebten Hauptstraßen zu gehen. Aber der Idealist in ihm, der .riesenstark und übermütig geworden war, machte sich gar nichts daraus und freute sich, Hansi Hannemann nach Haus« bringen zu können. Tie Lindenstraße lag nicht allzuweit draußen vor der Stadt, dort, wo als Rest der früheren Wallanlagen noch ein paar schöne Lindendäume standen. Es war keine „feine Gegend"? die Häuser am. Anfang der Straße waren ganz nett, aber dann kamen bald Fabriken und Arbeiterwohnungen. Aber richtig, Hannemann sollte ja eine große Ar beiter- nnd Kassenpraxis haben — wer hatte das doch neulich erzählt? Er hatte sich damals ja so früh vsr- lobt, — richtig, eine Studentenliebe wär's gewesen auf irgend einer süddeutsche Universität. Tie hatte er dann bald nach dem Examor, geheiratet, und dann hatte er wohl scharf nach Praxis auSsehen müssen. T«nn bei den Hannemanns war kvohl ui« viel gewesen. Hansi zeigte übrigens auf dieser Wanderung, daß er ein sanguinisches Temperament hatte. Seelenvergnügt er zählte er seinem neuen Freunde Näheres von der „Dante? die Mama feine Schwester M'« von Frau LgatseN Md all feine» Weihnächtswünschen. Er bewies sich auch als ganz! intelligent und mit Ortssinn begabt, denn er kannte den Weg nach der Lindenstraße genau und zog Johann Heinrich jetzt in eine Gitterpforte hinein: „Tas ist unser Hans!" ' Es war eins von den gebräuchlichen kleinen Vorstadt häuschen, der Weg durch den Vorgarten sauber gefegt, all« Fenster hell erleuchtet Tic Haustür stand offen, allerlei Stimmen schallten ihnen entgegen. Johann Heinrich ließ seinen Findling eintreten und kam dann selbst langsam nach — mitten hinein in eine stürmische Familienszene. In dem kleinen F.ur waren Herr und Frau Tottor Hannemann, sowie sämtliche kleine Hannema-ms um Hgnsi versammelt und fragte. , streichelten, schalten und küßten ihn abwechselnd Aber vor ihm auf dem Fußboden kniete die Tante, die wohl eben erst heimgekchrt war, denu^ie dunkle Pelzmütze saß noch ganz naß und schief auf. dem Helleit Haar. Sie hatte Hansi mit beiden Armen Um schlungen und lachte uno weinte durcheinander: „Hansi- mann, wie hab ich mich um Tich gesorgt! Tu lieber, böser, abjcheulicher Junge! Wie kannst Tu nur auf dem Weihnachtsmarkt meine Hand loslassen — ich habe solche Angst stulsgejiandeir, als Tu gar nicht wiederzufinden warst in all dem Gedränge! Ich habe Tich seitdem über all gesucht und bin gerade eben erst heimgekommen, weil ich dachte, Tn wärst schon hier." Hansi verhielt sich ziemlich Passiv bei diesem Em pfange und bemerkte Mr einmal: „Ich wollte mir nur für meinen Pfennig noch Bonbons kaufen, und später, da warst Tu weggelaufen, Dante Frida!" Fran Tottor Hannemann, die äußerlich viel Aehnllch- keit mit ihrer Schwester Frida hatte, sich aber durch ein reichlicheres Maß von Körperfülle und Gemütsruhe von ihr unterschied, war Li« erste, die Johann Heinrichs An wesenheit bemerkte und ihren Mann daraus aufmerksam machte. Ueber Johann Heinrich war mittlerweile eine große Verlegenheit und niedergedrückte Stimmung gekommen; es war ihm sehr unangenehm, hier mit diesem infamen Apfelschimmel in der Haustür zu stehen. Glücklicherweise hatte Hannemann noch die alte, schöne Unbefangenheit, die. ihn sein Leben lang, unbekümmert um die ganze Welt, nur hatte tun lasse«, was ihm sein Herz eingab. Als ob sie sich gestern zuletzt in der Sekunda gesehen hätten, ging er lachend auf Johann Heinrich zu und streckte ihm die großen Hände ans den geflickten Aermeln des großen Hausrockcs entgegen. „Also Lu bist der Lebensretter? Johann Heinrich? Unscrs vorwitzigen Hansis Rettungsengel! Und dies Die: hast Du ihm wahrscheinlich auch noch kaufen müssen! Na, Orden und Rettungsmedaillen haben wir nicht, aber ein dankbares Herz, Johann Heinrich!" Er schüttelte ihm kräftig die Hand. Tann kam die runde Frau Tottor und war so herz lich und dankbar und erlöste Johann Heinrich ver nünftigerweise von dem Apfelschimmel« den Hansi triumphierend in Besitz nahm. ! Zuletzt aber kam die Dante, ein wenig scheu und ver weint und zerzaust, aber sie gefiel Johann Heinrich so, wie sie war. Und auch was sie sagte, gefiel ihm, lobgleich es gar nichts Besonderes war, nur ein paar ganz alltäg- licüe Dankesworte, aber sie sagte sie mit ihrer weichen, süddeutschen Aussprache und sah ihn einen Augenblick mit einem Paar ganz großen braunen Augen dabei an — kein Wunder, daß das Johann Heinrich gefiel! Glücklicherweise sorgte die praktische Frau Tottor jetzt für eine Beendigung dieser aufgeregten Familienszene auf dem kleinen Flur. Sie schickte Me Kinder mit TäNte Frida hinauf: „Macht Euch mal flink olle reirk uvd ordent* lich! Und wenn e« klingelt, kommt hübsch ruhig zur Be scherung herimter! Uno singt noch ein paar Weihnacht^ lieber miteinander!"