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120 „Na, na, höchstens doch der Vierneid — und auf die Blühe brauche ich wahrhaftig nicht neidisch zu sein," ent gegnete der Brauherr wegwerfend^ „Kinder, zankt Euch nicht," mischte sich der Onkel be schwichtigend ein, „und denkt an das Sprüchwort: De gnstibus, de gustibus man niemals disputieren muß! Wem! was schmeckt, dem schmeckt's, und wem! was nicht schmeckt, dem schmeckt's nicht. Ich für mein Teil finde das Bier zwar sehr schön reif, der Malzgeschmack deckt den Hopsen gerade richtig zu, ohne ihn ganz zu verdrängen, so wie's eben sein muß, aber besser wie Michels ist's wirklich Dicht, wohl verstanden, nach meinem persönlichen Urteil." „Natürlich läßt KDurrhahn mit seinem unmaßgeb lichen Vrerverstand den Intimus nicht im Stich, von wegen Gerstenlieferung und so Weiter," höhnte der magere Stadt- kämmerer. - j „Natürlich läßt der Kämmerer den Bürgermeister nicht im Stich, von wegen Bureauzeit und so weiter," er widerte der Onkel freundlich lächelnd. Aber nicht bloß Vater Wendehals Und sein getreuer Kassenrat legten die Lanzen für Salvators höheren Wohl geschmack ein, auch sämtliche übrigen Mitglieder der Lchasskopsia widersprachen den beiden Bierverketzern, Onkel und Hopfenblatt, sodaß diese sich schließlich beschämt der höheren Massenweisheit fügten und fortan bis zum Schluß sich bescheiden im! Hintergrund« hielten. Nun begab sichs nach etlichen Wochen, daß die Hoch- schulflrien hereinbrachen und stud. med. Reinhold Wende hals abermals den heimischen Pennaten zustrebte, wie der Quartaner Karlchen Mießneck so schön sagt. Zu seiner großen Verwunderung und noch größeren Freude empfing er vom stolzen Vater unmittelbar und ohne nähere Er klärung nach dem bewußten Bierabend einen Zuschuß zum Wechsel, der das Doppelt« der Kosten des SalvatorfasseA reichlich decken mochte. Und am ersten Abend im trau lich'.« Raume der Honoratiorenstube strömte eine solche Flut von Dank und Anerkennung über ihn herein, daß er anfangs überhaupt nicht zu Wort kommen konnte. , Meine Herren," begann er endlich verlegen, „es ist wir allerdings etwas schleierhaft in der Erinnerung hasten geblieben, daß ich Ihnen einst versprach, ein Fäßchen Salvator zu senden. Indessen, wie das so im Drange der ersten Hochschulzeit geht, ich hatte die Geschichte glatt vergessen, und als ich die Karte an Onkel Knurrhahn aus !>cm Bräu abschickte, war ein bißchen Galgenhumor dabei, dieweil der Wechsel nun nicht mehr zulangte." „Bescheidenheit, Bescheidenheit,* klangs von allen Seiten. , „Nein, nein, mein Ehrenwort, ich habe wahr und wahrhaftig keinen Tropfen an Kie gelangen lassen." „Ja, Potz Flintenpulver," brummte der Reviersörster oattk fpecht, „wo zum Kuckuck war denn das Faß her?" „Meinen Sie das, was Ihnen so ausgezeichmt sclmuckte, viel besser als unser Liepenower?" fragte sopscnblatt. ' ! - „Na, natürlich," krähte der Kämmerer. „Das hatte ich bestellt," sagte Onkel Knurrhahn gemütlich. „Von woher, bei wem?" „Ton hier und von unserm gemeinsamen Freund« Michael Hopfenblatt." „Aber die Farbe, die Farbe?" „Höchst einfach, ich hatte mein Helles mit meinem Dunkeln verschnitten, und Ihr wolltet mir ja durchaus u-cht glauben, daß es genau so schmeckte* „Haha, das sieht dem guten Onkel ähnlich!" Die drohende Entrüstung löstp sich nach dem an- seuernden Beispiele des lustigen Studenten in schallendes Gelachter auf; nur der Herr Papa Bürgermeister, jenes recht unnützen Extrazuschusses gedenkend, schnitt ein nicht übermäßig vergnügtes Gesicht. —fk— Was erhält jung? Mas erhält jung? Zwei Worte sind es!, in die sich das Geheimnis zusammenfassen läßt, das jeder stu- duren sollte, dem sein Leben wert ist. Diese beiden Worte, sie heißen Tätigkeit und Liebe. Wer cs verstanden hat, sich, Arbeit Und Interessen zu schaffen, Arbeit, durch di« man nützt, und Interessen nicht nur für das eigene, sondern für das Gesamtwohl, für das Wohl der Mensch heit; Ker, soviel er kann, regen Anteil nimmt an allem. Was dis Welt bewegt: der erhält sich geistig jung und frisch. Die Spannkraft des Geistes ist eine Schutzkrast gegen die Beschwerden des Alters. Eine alte Jungfer wird nur die Frau, die durch Selbstsucht verknöchert, stumpf, Mrd für das, was um! sie vorgeht; sie ist es, die 'sich selber das Leben verbittert. Wer aber genug geistig« Kraft Und Liebe besitzt, sich zu vergessen uM anderer Killen, wer neidlos sich freut mit den Fröhlichen, teil- uahmevoll trauert mit ben Trauernden, der wird kein allzugroßes Gewicht auf vorübergehend« Schwächen und Leiden legen; er wird sich nicht niederdrücken lassen durch unumgänglich« Unannehmlichkeiten, er wird nicht seuf zen unter der Last der .Arbeit. Durch Liebe überwindet er alles. Aus der inüern Kraft des. Geistes strömen ihm die Quellen, die jeden seiner Tage neu erfrischen und be leben, die auch die schwerste Arbeit ihm erleichtern und seinem Dasein einen beglückenden Inhalt geben. Wohin man auch gestellt ist, ob in einen Pflichtenkreis inner halb des eigenen Hauses, oder außerhalb desselben, in Gemeinschaft mit andern, oder auf sich allein angewiesen in dem Kampf um das Dasein, besitzt man Schaffens drang, Ausdauer, Liebe, so wird man sich nicht verein samt fühlen, denn ein strebsamer, klarer Geist, ein freund licher, teilnehmender Sinn, ein warmes, liebevolles Herz sind di« sicherste Gewähr für Achtung und Lieb« der Mit menschen. " ! )sk(! vermischte». Nett« Aussichten. Bräutigam (ärgerlich)': „Wie der habe ich meinen Hausschlüssel verloren; das ist nun schon das dritte Mal! — Braut: „Nun, tröste Dich, bald gebrauchst Du ja keinen mehr!" Her schnappt. Direktor der Varietees (zuM Be sitzer, knapp vor der Vorstellung): „Mr sind schön in der Klemme! Das Haus ist fast ausverkauft, und unsere Glanznummer, der unverwundbare Fakirs kann nicht aus treten — er Hat "sich in den Finger geschnitten!" * Erklärung. Fremder: „Warum treibt Ihr denn iM Sommer das Vieh aus die Alm?'! — Bauer: „Da- mit's Platz gibt für d' Stadtleut'!" Aus der Offert« eines stellesuchenden Geschäftsreisenden: „Nach beendigter Lehrzeit legte ich mich zunächst auf Stacheldraht, dann reiste ich einige Zeit in Damenbeinkleidem und arbeitete mehrere Monate in Kinderkleidchen und vertrat drei Jahre lang Filzpantoffeln. Nachdem ich daraus ein Jahr teils in Betten gemacht, teils Grabdenkmäler umgesetzt und mich vorübergehend auch auf Glas und Porzellan geworfen hatte, machte ich mich schließlich in Fliegenleim seßhaft." Deals ««» Siunfprüchk. .Nicht aUf die Pracht der Kanne schau Mit allzuleicht betörtem Sinn; - Ins JUn're blick' und sich' genau Ob Wasser öder Wein darin. * In allem' treu und wahr D'ran halte immerdar — Ein Mort, das du gesprochen. Nie sei's von dir gebrochen. ' Druck und Verlag von Langer t Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. CrMler an -er Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". Nr. 30. Ries«, »nr 24. Juli 1V09. 32. 3-hr«. Alte und neue Schuld. ßhWEe von M. TronimerShausen (Andrae). — Fortsetzung. „Ich finde übrigens die junge Frau, so reizend sie ist, -m Vertrauen gesagt, ein wenig kokett," flüsterte eine jung« Professorin ihrer Nachbarin, der Professorin Engel, zu. ' „Ich habe das auch äußern hören, aber noch keine eigene« Beobachtungen gemacht," entgegnete diese ruhig. „Jetzt erführe ich aber gar zu gerne das Urteil der DäM«n über den Gemahl dieses interessanten Wesens," rief händereibend der joviale Gatte der Professorin Engel. >,O, der — der ist gewiß ein Haustyrann —, ier sieht finster aus, wie ein Wüterich — er ist Diel zu alt für ein so reizendes, junges Geschöpf," riefen ein Leutnant, ein Privatdozent und ein Referendar nach, einander. „Manche sagen, er sei ein Blaubart," fügte ein Student geheimnisvoll hinzu. Professor Engel lachte herzlich: „Nur gut, daß man bei dieser grauenvollen Beschreibung ein gutes Teil der Phantasie dieser lebhaften jungen Leute zugute schreiben darf. Mir erscheinen die Vielbesprochenen recht vergnügt und lebenslustig; bald hier, bald da trifft man sie." — „Das ist eseben," versetzt« Fräulein von Dachmann eifrig, „nach so kurzer Zeit der Eh« können sie schon «das Allein sein nicht vertragen; das ist immer höchst verdächtig, und lebenslustig —" sie seufzte beziehungsDoll — „er macht keinen lebenslustigen Eindruck.* — „Wir wollen uns doch nicht beunruhigen, liebe Freunde," sagt« die milde Prä sidentin; sie hatte an diesem Gespräche gar nicht teil genommen, nur ihre klugen grauen Augen waren for schend von einem der Sprechenden zu dem andern ge wandert; „ich habe die Meinung, daß jene beiden Menschen edle, warmherzige Naturen sind, die das Rechte wollen." — „Und solchen hilft unser Herrgott immer zu- recht," fügte der Präsident hinzu. Er nickte zu seiner Ge mahlin hinüber und reichte ihr verstohlen die Hand. Sie hatten eine lange glückliche Ehe miteinander geführt; aber sie hatten auch erfahren müssen, daß selbst der Weg der Liebe nicht immer ein dornenloser ist. — „Herr und Frau Professor Döringen," rief der anmeldende Diener und riß die Flügeltüren auf. Die Unterhaltung verstummt« Plötzlich, die Köpfe flogen auseinander und kehrten sich erwartungsvoll nach dem Eingänge. Professor Döringen trat ein; sein festes Auge überflog die Versammlung; die Lippen lagen eigentümlich dicht übereinander, und das höfliche Lächeln, daS er seinem Gesichte für den Gesellschaftsabend aufgezwungen, paßte nicht recht zu seiner finsteren Stirn. An seinem Arme hing Eva. Sie trug eine Toilette von blaßrosa Seide, die überall mit Rosenknospen besät war; blendend weiß sahen Hals und Arme aus duftigen Spitzen hervor, und darüber erhob sich das zierliche Köpfchen mit dem schönen goldblonden Haar. Aber der süße Kinderausdruck war aus den Augen verschwunden und hatte einem unerklärlichen Gemisch von Starrheit, UebermUt und Schmerz Platz gemacht. ! Ter Präsident und seine Gemahlin traten ihnen be willkommnend entgegen. Eva war bald von einem Schwarme junger Herren umgeben, die sie um einen Tanz laten. Ihre Karte war rasch gefüllt, und mit neckenden Morten wies sie diesen oder jenen, der sie noch um eine Extratour bat, zurück: „Extratouren habe ich eigentlich abgeschafft, seit ich verheiratet bin," jagte sie scherzend; „das hört für eine Frau auf." Ihre Hellen Augen leuchteten in Jugendlust und Fröhlichkeit, ihr Mund floß über in witzigen Ent gegnungen auf die Bemerkungen der Herren,, und als ek zuM Tanze ging, da schien ihr« ganze Seel« bei der Sache, als habe sie nie etwas Schöneres gekannt, als sich' schwelend im Kveise zu drehen. Alle waren entzückt von ihrer Schönheit, ihrem liebenswürdigen Frohsinn, ihrem leichten, anmutigen Danze. Auch ihres Mannes Blicke folgten nachdenklich der zierlichen keinen Gestalt, während er in der geöffneten Flügeltür stand, di« den Saal Mit dem osranstoßenden Herrenzimmer verband. „Run, Professor, Sie tanzen nicht?" redete ihn der Präsident au, „wollen Sie nicht mit der Jugend fröh lich sein?" , - „Ich tanze nicht, Herr Präsident." „Mas, Sie hätten nie diese Kunst geübt?' „Seit Achtzehn Jahren setzt« ich keinen Fuß zum Danz vn." . ! ' ' „Was Sie sagen! Nun, mir kann «S nur lieb sein; da wird mir vielleicht das Vergnügen Ihrer Unter haltung, oder ziehen Sie vor, hier zu bleiben 'Und Ihrer reizenden keinen Frau beim Tanze zuzusehen? Ich kann mir denken, daß eS ihr mehr Freude machte tzvenn Ihre Augen, Herr Professor, ihr folgen." „Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung, Herr Präsident.* Si« begaben sich in das Nebenzimmer und ließe« sich in einem gemütlichen Sessel an einem Rauchtischchen: nieder. . ,^ic haben sich in Ihrer Frau Gemahlin eine wahre Perle zu geeignet; ich gratuliere Ihnen," bemerkte der alte Herr freundlich. „Sie sind sehr gütig, Herr Präsident * „Ich habe — nehmen Sie mir die Bemerkung nicht übel, lieber Professor — gar nicht das Vorurteil der meisten Menschen gegen große Altersunterschiede von Ehe leuten; ein älterer Mann zumal kann einer sehr jungen Frau vermöge seiner Einsicht und Erfahrungen einen stärkeren Schutz bieten, als ein junger Fank der «eben «erst die Nase in die Welt steckt." , „Darin liegt viel Wahres, Herr Präsident." „Und die Frauen lieben das auch. Sie mögen Um liebsten einen Mann, der ihnen so hoch imponiert, daß sie sich den Hals danach ausrecken müssen. Und womit imponiert man mehr, als mit dem Alter, wenn man es richtig anzufangen weiß? Natürlich geht daS auch nur bis zu einer gewissen Grenze; Man pruß sie nicht immer kommandieren, sie nicht immer zurechtweisen trollen; man muß noch jung mit ihnen sein Wunen." „Wenn man nun dazu aber zu alt ist?* „hören Sie, Professor, Sie spielen doch nicht auf Ihren eigenen Fall an, Sie, ein gewissermaßen noch junger Mensch in den schönsten Jahren?' „Ich spiele aus gar nichts an, Herr Präsident." „Mit dem ist nichts anznfangen, und ich forschte Lach aus so guter Absicht, hätte ihm so gern leinen Rat aus der Praxis gegeben," dachte der gutmütige Präsident^ „beginnen wir ein anderes Thema." Sie sprachen nun über die politischen Verhältnisse; dabei war der Pro fessor weniger wortkarg, und der Präsident fand immer größeres Wohlgefallen an ihm. Rach einiger Zeit ver stummte die Musik im Saal, und Ekbert erhob sich. „Nun wohin? Wollen Sie Ihrer Frau imponieren gehen?' , ' . „Ich muß sie vom Tanze zurückhalten, sie hat schon zu lange daran teilgenommen," war die Antwort, und Dötingen ging hinaus. Sein Blick flog über di« ruhen«