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116 und fslgte den, Zuge; Niemand beachtete mich, und ooch war ich der erste Leidtragende. j Von mm an floh ich jenen Ort. Es dauerte lange, bis ich mich aus meiner Verstörtheit ausrafste, denn cs ist unerträglich schwer, die indirekte Schuld an dem Hingang eines geliebten Menschen Lebensjahre und wieder Jahre und immer wieder Jahre mit sich herum- zntragen, und wenn nicht Magdas letzter vergebender Klick gewesen wäre, ich chatt« verzweifeln müssen. End lich vermochte ich um mich zu sehen. Ich stürzte mich mit rastlosem Eifer in die Studien, die ich früher nur nebensächlich behandelte; denn meine Mittel hatten mir die Trägheit erlaubt, und in so kurzer Zeit holte ich . meine älteren Genossen ein, daß ich ein Wunder in den Augen der Professoren bin. Du hast alles gehört, meine keine G>a? ? Tas ist die Geschichte meiner verlorenen Jügend. Seitdem trage ich die Silberfäden im Haar, und! seit dem bin ich der finstere, wortkarge Mann, als den alle Welt mich kennt. Mitten in meine Dunkelheit hinein leuchtetest dann Du, Eva; das Glück kam! noch einmal an meine Schwelle; aber ich dachte nicht, daß es eintreten dürfe, und eS dauerte lange, bis! ich Ldgrifs, daß es doch geschehen könnte, daß Du! den beschwerten Mann, der das Leben nur noch als Pflicht betrachtete, lieben und sein Dasein mit ihm teilen wolltest. Da fing ich wieder an zu hoffen. Der dunkle Fleck der Vergangen heit trat in den Hintergrund, Du fülltest ganz meins Seele, <md ich drängte alle» zurück, waSs Dein Helle» Bild! trüben mußte. Nur . daß etwa» in mir sprach, ich sei ps schuldig. Dir alle» zu sagen. .Als wir damals an inner Mitteilung gehindert wurden, gelobte ich mir, uns sechs wolkenlose Wochen zu gönnen, dann aber keinen Tag mehr ru schweigen. So ist es geschehen.^ ' Er drückte sie auf den Sitz zurück, stand auf und' ging in da» anliegende Zimmer. Sie blieb wie betäubt au, ihrem Platze; denken konnte sie nicht, sie lauschte seinen festen, regelmäßigen Schritten und zählt« mecha nisch die Male, die ihn bei seinem Auf- und Meder- schreiten an ihre Tür brachten. Endlich trat er ein und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. ..Und nun sprich ein Wort, Eva," sagte er befehlend. „Ich weiß nicht — ich bin verwirrt —" stotterte sie, und ihre Farbe kam und ging. ! ' „Nur das ein« muß ich hören: liebst Du mich jetzt weniger als früher?" ; - „Nein, netn/i rief sie und preßte ihre Hände fest zusammen, „niemals weniger, Ekbert, nur immer mehr; cs gibt ja für mich keinen als nur Du." i ES glitt ein Zug von unendlicher Weichheit über sein Gesicht, der es seltsam verschönte. Er beugte sich zu ihr nieder und küßte sie: „Mehr brauche ich heute nicht," sagte er in gänzlich verändertem! Tone; „lvir wollen nun schlafen gehen, meine Keine Eva, und nie mals feit achtzehn Jahren ging ich mit einem so leichten Herzen zur Ruhe, als an diesem ersten Abend in Unserem »teilen Heim." Ur- Tie Gäste, die zu Ehren Professor Düringens und sein; r Gemahlin bei bem Präsidenten von Anstedt »usammenkamen, waren fast vollzählig versammelt; nur das neuvermählt« Paar selber fehlte noch. DaS schadete jedoch nicht; denn desto freieren Spielraum' hatten di« Zlmgcn, über diese interessanten Personen ihre Be merkungen auszutauschen. Die meisten der Anwesenden kannten sie bereits; denn sie hatten überall ihre Besuch« gemacht, sie waren erwidert worden, und die Einladungen hatten begonnen. — „Was für ein süßes kleines Geschöpf - die junge Professorin ist," sagte die Frau des Pro rektors, „es liegt so viel Anziehendes, ich möchte sagen Rätselhaftes, in ihrem Gesicht, besonders wenn sie ruhig duscht." — „Ach, ich liebe das nicht so sehr 'an ihr," rief ein junges Mädchen, „sie hat dann gleich einen so verlorenen, schmerzlichen Ausdruck, der gar nicht zu dem jungen Kindergesichte paßt. Ich finde, die heitere Lebhaftigkeit, die man meist an ihr wahrnimmt, steht ihr besser." — „Warum sollte sie aber auch nicht fröh lich sein?" fragte Nagend ein älteres Fräulein, die vierzig Sommer an sich hatte vorüberziehen sehen, ohne daß ein Männcrherz die Diesen ihres Gemütes erkannt hätte, „sie hat Ursache, glücklich zu sein: sie besitzt einen würdigen, gehaltvollen Gatten, gute Gesundheit und hat dlles, was sie bedarf, im Uebersluß. Und wie wird sie außerdem verwöhnt, wie werden ihr Blumen gestreut, wohin sie tritt!'« — „Sie meinen natürlich nur geistig, mein gnädiges. Fräulein?'« erkundigte sich harmlos lächelnd ein Regierungsrat. — „Nicht so ganz/Herr von Raden, da Sie selber ihr erst gestern im Theater ein großes Bukett verehrten," versetzte das Fräulein spitz; denn der Regie- rungSrat Mr ein Jügendverehrer Fräulein von Wach manns gewesen, als noch die Lockenreihen aus ihrem Haupte weniger dicht, aber desto natürlicher Waren, und sie zur Abendtoilette keiner Sehninke, sondern nur ihrer angeborenen Farben bedurfte, um sich zu schmücken. Sie Hatto jetzt die Gewohnheit angenommen, ihm die Nichtachtung ihrer Reize und die Kränkung, ihre Busen freundin zu seiner Gemahlin erkoren zu haben, durch kleine Sticheleien zu vergelten. - . - (Fortsetzung folgt.) Der lnfttze Radler. Heil lustig fahr' ich durch di« Welt Und grüß? „all' Heil!" da« Himmelszelts Ich sause flink durch di« Natur, Begrübe hurtig Wald und Flur: All' Heil! All' Heil! All' Heil! Wenn matt der Geist und trüb' der Sinn, So greif' ich schnell nach der Maschin'; Hoch atmet wieder dann di« Brust, Und ruf' im Fluge laut mit Lust: All' Heil! All' Heil! Ulk' Heill All' Heil! ruf ich dem Dampfroß zu Und bi» vorüber wie im Nul Zerstreuet sind dann in den Wind Die Sorgen all« gar geschwind. All' Heil! All' Heil! All' Heil! Begegnet mir «in Mägdelein, Rasch schau' ich ihr in» Äug' hinein; «W Heill grüß ich da» holde Kind; Ein zweite» grüß ich schon geschwind: Ml' Heil! All' Heill All' Hetll So fahr ich lustig meinen Pfad, Begrüß' manch' beben Kamerad. Fährt dann dir Seel' zum Himmel ein. So soll mein AbschiebSgruß noch sein: All' Heil! All' Heil! All' Heil! P. G., »loßwi». Denk- «»tz Litmsprüche. Wer mit dem Leben spielt, KomMt nie zurecht; Mer sich nicht selbst befiehlt, Bleibt immer Knecht. Goethe * Ruhm und' Ehre jedem Fleiß'. Ehre jeder Hcmd voll Schwielen! Ehre jedem Mopsen Schweiß, Der in Hütten fällt und Mühlen l Ehre jeder nassen Stirn Hinter'm Pfluge! — doch auch dessen. Der mit Schädel ünd mit Hirn . Hungernd pflügt, sei nicht vergessen. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für dir Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Erzähler an -er Elbe. Bellet». Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". «r. 29. «es«, de» 17. Jnlt 1999. 82. Iutzr^ Alte und neue Schuld. Novelle von M. TronimerShausen (Andrae). — Fortsetzung. Er sprang auf und schritt mehrere DLale im Zimmer aus und nieder; fein Gesicht war bleich ge worden, eine gewaltige Erregung hatte sich seiner be mächtigt. Gras Augen folgten ihm ängstlich, und als endlich di« Veränderung in feinen Zügen wieder dem gewöhnlichen Ausdruck gewichen war, stand sie auf, schlang ihren Arm in seinen und ging mit ihm hin und' her. > z ? ^Bift Du jetzt noch heftig?" fragte sie leise. „In meiner . Jugend war ich der Sklave meines Jähzorns, jetzt hoffe ich ihn zu meinem Sklaven ge macht zu haben," sagte er zwischen den Zähnen; „Dein süßes Gesicht und meine Liebe zu Dir wird es. mir leicht machen, ihn zu bezwingen." ES machte sie sehr glücklich, ihn das sagen zu hören; er sprach es so selten aus, daß sie ihm söerst sei. Was sei. Mas er vom' Jähzorn redete, glaubt« sie nicht; er übertrieb. Ihr Ekbert durste keine fo böse Eigen schaft besitzen. In ihren Augen Mr er vollkommen, und sie wies jeden Gedanken, der einen Schatten auf ihn Wersen konnte, zurück. Manchmal dachte sie an Tassilo. Sie hatte Ekbert von ihm erzählt, und er bedauerte ihn von Herzen; „doch geht mein Mitleid nicht so weit, daß ich ihn!an meiner Stelle sehen möchte," fügte er lächelnd hinzu. „Wohin ist er nur gezogen?" „Jedenfalls in eine größere Stadt, wo er seine Sküdien mit mehr Nutzen verfolgen kann," versetzte Ekbert, „Jena war längst nicht mehr für ihn aus reichend; ihn hielt ja hier auch nur Deine keine Gestalt. „Und daß ich eS nie gemerkt habe!" „Meine keine Eva war zu harmlos. Ihr musi ziertet, Ihr neckte^ Gab es etwas vorzutragen, so war ec Dir dabei notwendig, ohne daß Deine Ansprüche tiefer lagen, und das tiäuschte ihn." > „Du hast uns gut beobachtet, Ekbert, wenn Tu stumm und zerstreut in Deiner Ecke saßest oder ein tze- lehrtes Gespräch mit den alten Herren führtest." „Freilich, und allein auf meine so gemachten Be obachtungen hin konnte ich meine Anfrage zu gründen »vagen." < „Dein Brief an den Vater, Ekbert, ließ viel zu wün schen übrig; er klang eigentlich, als wäre es Dir ebenso lieb, wenn ich nein sagte. Bon Liebe war kaum die Rede." * , „Du scheinst ihn doch richtig aufgefaßt zu haben", sagte er ruhig. „Ja, tveil ich jo bin. Du kannst glauben, Lieschen Meyer wäre empört darüber gewesen," versicherte sie eifrig. j „Das mag sein. An Lieschen Meyer hätte ich auch nie einen Antrag gerichtet, er war für Dich bestimmt, uud es scheint, ich habe mich nicht geirrt, wenn ich bei Dir aus ein richtiges Verständnis rechnete." Sie küßte seine Hand. „Es war übergenug," sagte sie leise, „ich hätte nie für möglich gehalten, daß ich so glücklich tverden könnte." Ost toar er ihr ein Rätsel, und einmal, als sie zusammen spazieren gingen, lvar etwas Sonderbares voracsallen. Ekbert hatte seine Braut einen Augen blick allein gelassen, um einen Waldweg zu verfolgen und zu erforschen, ob er für sie passierbar sei. Ev« war in Gedanken verloren stehen geblieben. Plötzlich sah sie dicht vor sich EkbertS Gesteckt auftanchen, stießt einen Schrei aus, wich zurück, und zwar so hastig, daß sie gegen den vorstehende« Ast einer Linde stießt. In demselben Moment war Ekbert an ihrer Seite, er zog sie gewaltsam von dem Baume zurück und sah ihr verstört in das Gesicht. Seine Lippen brachte« nur einen gurgelnden Laut hervor. „Etbcrt, Ekbert, was fehlt Dir?" rief sie entsetzt „Rein, nein, ich war töricht; Du kamst so plötzlich um die Biegung, und ich erschrak ein wenig. ES wär dumm, lieber Ekbert, ich ahnte nicht, daß Du dich ängstigen würdest." Er ließ endlich ihren Kopf loS; „daN müßt Du wieder tun, Eva, eS war fürchterlich; Du darfst nicht so erschrecken." ' . Sie beruhigte ihn mit ihrem fröhlichen Laiche»; aber noch ost grübelte sie über EkbertS sonderbare» Er schrecken, ohne eS sich erklären zu können. Der kurze Brautstand flog rasch dahin. Professaö Döringcn war eine Professur an der Universität Leipzig angetragen worden. Und er nah« sie an, eigentlich gegen den Wunsch seines Schwiegervater», der fei»« Töchter gern in der Nähe behalten wollte. Unch hie Brant war nicht einverstanden. Sie wünschte den gntr»! Jenaern zu zeigen, welche passende Ehe sie mit den» „alten Gelehrten" führen, wie sie sich beide da» Lebe« angenehm machen würden, um fo alle Zweifel über de» Erfolg dieser „riskanten Verbindung" glänzend z» zer schlagen. Aber ihr Bräutigam ließ sich nicht drei«»« und bewies in so klaren, kurzen Worte«, daß er diese« ehre,wollen Ruf nicht ohne die dringendste« Gründe NnS- schlagen dürfe, daß sie sich ihrer kindischen Wünsche schämte und jeden ferneren Widerstand aufgab. AM Tage vor der. Hochzett faßen sie im Gartat auf demselben Flecke, wo Tassilo vor einigen Monate« von Eva Abschied genommen hatte. Bon de« an- gesangenen Kranze war jede Spur verloren, auch Monatsrosen gab es nicht, statt dessen war der ganz«! kUine Garten von fast betäubendem Rosendnft durch weht; denn jetzt standen die Königinnen ihre» Ge- fchlechts in voller Wüte, und ein solch farbenprächtiger Reichtum lvar darin verstreut, als sei da» Gebiet der Blumen nur «US ihnen zusammengesetzt. Wieder lagen Rosen in EvaS Haar, rechte könig liche Rosen! Rosen lagen in ihrem Schoße; wieder wanden ihre Hände Kränze; sie sollte« die Schwester« am morgenden Tage schmücken. Ekbert lehnte neben ihr an einem Baume. Er sprach wenig und reicht« ihr nicht die Blüten hin. Seine Auge« folgten nur N»« aöläjsig den Bewegungen der Keinen geschickte« Finger und immer mehr glättete sich die Falte auf der Stirn, immer Heller leuchtete sein Gesicht ans, und Eva be obachtete das mit heimlichem Entzücken. ' „Heut ist der letzte Tag," sagte er endlich abge brochen. , ' ,' ' ' „kannst Du es schon gar nicht mehr auShalteu?* fragte sie neckend. / „Nicht sehr gut. Diese Monate waren schön, aber sie dünkte« mich eine Ewigkeit." „Tu bist ein sonderbarer Mann, Ekbert," sagte Eva plötzlich, ließ die Rosen sinken und betrachtete 1h« mit aufmerksamem Blicke. „Ich dachte. Du wüßtest da» lange, meine keine W»g."