Volltext Seite (XML)
H 87. eilage z«m „Riesaer Tageblatt". AotationSdruck and Verlag »on Langer L Slnterll» «» Aiesa. — Für di« Redakti«, «erautworNt»: Hermann Schmidt in Riesa. Tonaabeadi 17. April 19V9, adeadS. «S. Jahr,. Die Situation der Türket stellt sich nack den Heu.« früh vorliegenden Nachrichten als ein Anstand völligerAnarchie heraus. Jtr Kon stantinopel haben sich neue zahlreiche Bluttaten ereignet, wähnend 'cie Jungtürken von Saloniki aus wieder eine Gegenrevolution vorbereiten. Die türkische Stadt Adana !n Kleinasien ist ein Schauplatz furchtbarer Kämpfe zwischen Mohammedanern und Armeniern. Das Leben der dortigen Deutschen schwebt in Gefahr. Deutschland und Oesterreich-Ungarn wollen sich den türkischen Er eignissen gegenüber im übrigen vorläufig noch abwar tend verhalten. Den telegraphischen Einzelnachrichten sei folgendes entnommen: A«S Adau« wird gemeldet, daß die Stadt seit 14. dS. Ms. abends in Flammen steht. In den Straßen findet ein ent setzliches Gemetzel statt. Ein Eisenbahuzug der Linie Adana-Mersina wurde angeschossen. Die deutsche Kolonie, die Ingenieure der Bogdadbahn und die Baumwollge sellschaft haben an den deutschen Botschafter um Schutz telegraphiert. Der Großwesir soll auf Verlangen des deutschen Botschafters hin telegraphische Schutzmaßregeln ungeordnet haben. Die türkische Stadt ?ldana liegt im! südöstlichen Kleinasien, an dem schiffbaren Fluß Seihun, in der fruchtbaren Kilikischcn Ebene. Die Stadt, in der sich diese furchtbaren Szenen augenblicklich ereignen, hat als Schlüssel zu den Tkuruspässen eine hohe strategische Be deutung, weshalb sie noch in neuerer Zeit lange ein Gegenstand des Kampfes zwischen der Türkei und Egyp ten war. Adana ist die Hauptstadt des gleichnamigen Wtlajets, in dem auch die Stadt Mersina liegt, mit der Adana durch eine Eisenbahn verbunden ist. Die Ein wohnerschaft von Adana heläust sich auf etwa 60000 Wpse, darunter viele Armenier. Raub, Mord und Totschlag herrschen in Konstantinopel. Nach einer Meldung der „Agence HavaS" vOn dort wurden 60 Armenier getötet, zahlreich« Häuser geplündert uno in Brand gesteckt. Ein Deutscher und der Tragoman des englischen Konsulats wurden verwundet. Wie der „Frkf. Ztg." gemeldet wird, sind im Vorort Arnautkoi zwei Offiziere füsiliert wor den. Die Wache stellte di« Offiziere auf der Straße an einer Mauer auf und nahm die Exekution vor. In der Bevölkerung brach ein« Panik aus. In unmittelbarer Nähe der Hamidji-MOschee wurde, wie gestern bereits telegraphisch erwähnt, ein Kapitän an einen Baum ge bunden unc mit Bajonetten durchbohrt. Der Sultan, der VOn den Soldaten stürmisch gerufen wurde, sah weinend vom Balkon des Palastes aus dem ganzen Vorgänge zu. Mae Gegenrrvolutio« VOn den JUngtürken ausgehend ist im Gange. Aus Sa loniki, 16. April, wird gemeldet: Die Stadt ist ruhig, aber das Komitee der Jungtürken weigert sich, die neue Regierung anzuerkennen, und organisiert einen erbitter ten Widerstand. Zwanzig Bataillone des 3. Korps sind einberufen Morden. Die Bahngesellschaft Saloniki-Kon- stantiwopel hat Befehl erhalten, alle verfügbaren Waggons für eventuelle Truppentransporte nach der Hauptstadt be reitzuhalten. In der Stadt sind alle Läden geschlossen. Allgemein wird der Wunsch nach Sicherung her Ver fassung laut. In Saloniki, Monastir und Janina sind, wie weiter gemeldet wird, die Truppen dem jungtürki schen Komitee treu. Sie verlangen die Wiedereinsetzung des alten Kabinetts, widrigenfalls das 3. Armeekorps unverzüglich nach Konstantinopel marschieren werde, was inzwischen geschehen sein soll. Aus allen großen Provinzstädten wird gemeldet, daß man das neue Kabinett nicht anerkennt und bereit sei, die stärksten Maßregeln zu ergreifen und sich dem Marsch nach Konstantinopel anzuschließen. Ober-Albanien stellt 20000 Mann zur Verfügung. Der Zentralsitz der Komitees für Einheit und Fortschritt wurde wieder nach Saloniki ver legt. Tie Anwerbung von Freiwilligen und deren Bewaff nung wird eifrigst fortgesetzt. Die Auffassung der verliner Offiziöse« wird den: „L. T." folgendermaßen gekennzeichnet: Gegen über der Nachricht, daß der Sultan Abdul Hamid selbst die neue Umwälzung in Konstantinopel inszeniert habe, ist festzustttlen, daß er seine Karten bisher keineswegs ausgedeckt hat Wenn nicht ein erfolgreicher Vorstoß her Jungtürken Von Saloniki aus die Entwicklung in ander« Bahnen leitet, dürfte jedoch eine Machtkonstellation um seine Person die sichere Folge sein; sein« Rechte werden dann mehr in den Vordergrund treten, als bisher. Frei- lich steht die Wiederherstellung eines absolut reaktionären Regimes sehr in Frage. Einstweilen besteht sowohl das Parlament als auch ein Teil des bisherigen Ministeriums und die proklamierte Kombinatton des alten ScheriatS v«tne sehr umfangreiche Sammlung von Vorschriften aller Art, gesryiastlicher Ueberlieferungen, die nicht immer klar sind) mit der neuen Verfassung braucht auch.dem weite ren Fortschritt nicht unbedingt hinderlich zu sein. Deutsch land wird der Klärung dieser gegenwärtig noch ziemlich undurchsiwtigen Verhältnisse völlig abwartend gegenüber stehen. Man muß auch diese Bewegung von innen heraus sich entrvickeln lassen, ohne ihr von außen irgendwelches Material — auch nicht im Sinne eines Widerstandes — zuzuführen, genau wie man es bei der jungtürkischen Bewegung gehalten hat. Diese Zurückhaltung ist um so angebrachter, als die «türkischen Truppen, trotz des Mangels an Offizieren, nach dem übereinstimmenden Ur teil aller Fremden eine relativ gute Haltung bewahren. Sie handeln Offenbar nach der ausgegebenen Parole, sich nicht an Fremden und fremdem Gute zu vergreisen. Zu wünschen ist also di« möglichst baldige Herstellung eines möglichst starken Regiments Für Deutschlands wirtschaft liche Interessen wird jedes Regime annehmbar sein, das sich stark zeigt, erworbene Rechte achtet und sich nicht blindlings einer sich bietenden Machtkombination in. die Arme wirft. Die »,terreichisch-rmgartsche Regierung stehlt gegenüber den Vorgängen in der Türkei zurzeit eben falls aus dem Standpunkt der reinen Beobachtung. Frankreich, England und Rntzlaud werden in: Falle der Wiederherstellung des jungtürkischen Regimes wahrscheinlich in Konstantinopel einen Druck ausüben. Klsulein. Aslib-Unlsllöolce empfehle in gediegener und größter Auswahl. Zur Selbstanfertigung Prima-Qualitäten in graue« Rücktritte«. k«rl Wmm, Seerhausen bei Riesa Spezialhaus für Kahrrüder und Maschine« empfiehlt sein großes Laaer m tlWHgtl Fahrräder wie: Wanderer, Brennabor, Neckarsulmer Pfeil, Attila, Haenel und Presto zu konkurrenzlos billigen Preisen und günstigen Zahlungsbedingungen. Großes Lager in Ersatz- und Zubehörteile«. Reparaturen an allen Modellen werden fachgemäß u. billig auSgeführt. I Vrvsüvll j MM Kot- u. Rsissvvino in großer Auswahl empfiehlt Kerdiuaud Schlegel. Ultimi ÄWUberg empfiehlt Steckzwiebel«, Salat u. alle audereu Gemüsepflanze«. Mene ArchiM, erstklassiges Fabrikat, (nur Schwanen-Marke) garantiert farbecht, giftfrei und unbeschwert, in allen Preislagen empfiehlt R. Uspps, Garn-Spezialgeschäft, Riesa, Bahnhofstraße 16. Mitglied des Rabatt-Spar-BereinS. Fertige Strümpfe, Socken und Längen. Vie „Wigiit der Nacht". Seeroman von H. Hill. iq 12. Kapitel. In die Falle gegangen. Daß Vizard mit dem blinden Passagier identisch war, darüber war ich mir keinen Augenblick im Zweifel. Seine Größe und seine Gestalt waren vollständig ähnlich, und wenn ich von dem Unterschied absah, den sein wirres schwarzes Haar und der Backenbart, den Enriquez getragen, hervor gebracht, so waren die Gesichtszüge vollständig gleich. Ich fragte mich sogar, wie es eigentlich gekommen war, daß ich ihn nicht früher erkannt, mußte mir aber zugestehen, daß nur die Stimme allein mich blitzartig aufgeklärt hatte. Nur mit großer Mühe zwang ich mich, ihm eine höfliche Antwort zu geben, denn ich wollte nicht in Alincns Gegen wart die Erklärung verlangen, die ich von ihm zu fordern beabsichtigte. Glücklicherweise befreite er mich von der Not wendigkeit, eine weitere Unterhaltung mit ihm zu führen, indem er fast augenblicklich hinnnterging, um sich mit dem Obersteward wegen seiner Kabine in Verbindung zu setzen. Eins war sicher — ob nun auf Kennards Beschuldigung etwas zu geben war oder nicht —, die „Königin der Nacht" war mit seltsamen Geheimnissen vollgepfropft, die mir keines wegs gefielen, und ich war fest entschlossen, der Sache ein Ende zu machen. Meine Entdeckung von Vizards eigentüm lichem Benehmen, der als blinder Passagier an Bord gekommen war, nachdem er vorher einen Platz belegt hatte, lieferte niir eine durchaus berechtigte Entschuldigung, wenn ich die Frage seiner Beziehungen zu Zavertal anschnitt. Nach dem Skandal, der sicherlich erfolgen würde, hoffte ich, die Luft zu klären und alles von dem Schiffe zu entfernen, was dort nichts zu juchen hatte. Da ich noch von einigen Kleinigkeiten in Anspruch ge nommen war, so wurde das Diner an diesem Abend etwas später serviert, und die Gäste saßen bereits im Salon an der Tafel, als ich eintrat. Hier und da waren an den Tischen einige Lücken, da einzelne Passagiere es vorzogen, an Land zu dinieren, und ich war einigermaßen überrascht, als ich sah, daß Zavertals sowie General Waldos Platz frei blieben. Mit Rücksicht auf meine bevorstehende Unterreduna mit Vizard wäre es niir sehr angenehm gewesen, Kennard um Rat fragen zu können, um so mehr, da seine Prophezeihung, ich würde von dem blinden Passagier in achtundvierzig Stunden weiteres erfahren, darauf hinzudeutcn schien, daß er die Sache besser verstand und mir wohl auch sagen konnte, was ich nun tun sollte. Obivohl Vizard ihm vollständig un bekannt war, mußte er doch vorausgeschen haben, daß der blinde Passagier per Eisenbahn von Barcelona nach Genua reisen und einen neuen Versuch machen würde, an Bord des Schiffes zu kommen. Ohne mich im Geringsten in Betreff meiner Ueberzeugung hinsichtlich seiner Identität erschüttern zu lassen, erregte doch eine Tatsache mein Bedenken, so daß niir die mir bevor stehende Aufgabe schwierig erschien. Er machte mir nämlich den Eindruck, als wäre er mindestens mit einem Dutzend der Passagiere wohlbekannt und aus den Bemerkungen, die einige in meine Nähe kommende Leute machten, ersah ich, daß er ein ungeheuer reicher Mann war und entschieden in der Londoner Gesellschaft eine Rolle spielen mußte. Das beein trächtigte übrigens meinen Entschluß, mich nach dem Diner von ihm zu befreien, in keiner Weise; er hatte ein Pistol auf die Bootsmannschaft gerichtet und mich persönlich bedroht, — ein Benehmen, das ich, solange ich das Schiff kommandierte, nicht ungestraft hingehen lassen durfte, gleichviel, welche Stellung der Attentäter einnahm. Trotzdem sah ich. voraus, daß seine Popularität und seine Stellung mir große Hin dernisse in den Weg legen, und es mir nicht leicht fallen würde, ihn loszuwcrden. Wenn er leugnete, als blinder Passagier an Bord gekommen zu sein, so würden ihm die Leute vielleicht mehr glauben, als mir; gab er es dagegen leichthin zu und erklärte, sich einen Spaß gemacht zu haben, so würde man wahrscheinlich von mir verlangen, ich sollte über die Tatsache hinwcgsehcn. Ehe ich das aber tat, eher war ich fest entschlossen, auf das Kommando zu verzichten. Während des Diners beobachtete ich Vizard genau, während er mit einem Londoner Bankier und seiner Frau sprach, neben denen er sich auf Grund einer früheren Be kanntschaft niedergelassen hatte. Der Mann machte mir den Eindruck, als besäße er einen eisernen Willen, und sein Gesicht mußte recht grausame Züge zeigen, wen» er einmal die Maske abnahm, doch da es fortwährend mit dem stereotypen Gesellschaflslächeln bedeckt ivar, so hatte ich keine Gelegenheit, ihren wirklichen Ausdruck wahrzunehmen. Ick freut? mich, daß er am andere» Ende des Tisches saß und sich nicht genötigt war, mich mit ihm zu unterhalten, denn ein- oder zweimal bemerkte ich, daß er mich in einer Weise ansah, die fast einer Herausforderung ähnlich sah. Tatsächlich war es niir, als wollte er sich erkennen lassen, denn geflissentlich bemühte er sich, meinen Blicken zu begegnen. Sobald der Salon geräumt war, ging ich, anstatt mich den Passagieren auf Deck auznschließen, geradeswegs in meine Kabine, klingelte meinem eigenen Steward und gab ihm den Auftrag, sich zu erkundigen, ob Dr. Zavertal oder General Waldo oder beide auf das Schiff zurückgekehrt wären. Bei beiden lautete die Antwort verneinend. Ohne einen Augenblick zu zögern — denn die seltsamen Blicke des Mannes im Salon hatten meinen Argwohn bestätigt — sandte ich den Steward an Vizard, mit einer Empfehlung von Kapitän For rester, und er würde sich freuen, wenn er in die Kabine des Kapitäns kommen wollte. Dann setzte ich mich hin und wartete mit berechtigter Entrüstung, denn schließlich wollte ich doch mein Schiss selbst kommandieren. Etwa zwei Minuten später klopfte es an sdie Tür, und Vizard trat in die Kabine. Sein Lächeln schwand und seine Züge blickten hart und streng; obwohl er ein ziemlich erwartungsvolles Gesicht machte, wußte er sich doch zu be herrschen, und seine Miene verriet keine Spur der Ueberraschung, die jeder andere Passagier gezeigt hätte, der unvorbereitet in in die Kabine des Kapitäns berufen worden wäre. Trotzdem war ich fest cnts hlofse», meine Absicht durchzu führen, und sagte deshalb m festem Tone: „Ich habe nach Ihnen geschickt, Mr. Vizard, weil ich Sie in demselben Augenblick, indem Sie das Schiff betraten, erkannt habe. Was soll das heißen, daß Sie sich als blinder Passagier cinschiffen und dann, nachdem ich Sie an Land gebracht, mich und meine Mannschaft mit einem Revolver bedrohen?" „Ich ivciß offen gestanden nicht, was Sie mit Ihrer Bemerkung sagen wollen," lautere die Antwort. „Aber übrigens können Sie ja meine Handlungsweise auslegen, wie Sie wollen." In den letzten Worten lag trotz seiner Ableugnung eine Art Geständnis, um so mehr, da er in vollständig ernstem Tone sprach. Ich kam zu der Ueberzeugung, daß der Mann, welche Absichten er auch verfolgte, und welckc Pläne er auch entworfen hatte, fest entschlossen war, seine Entwürfe bis zum letzten Punkt durchzuführen. «Nun, Ihr Verhalten ist derart, mein Herr, daß ich mich