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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag vou Langer L Winterlich tu Ries» — Für di« Redaltton veranttoortlich: Hermann Schmidt in Riesa. H 77. Sonnabend, 8 April 1S0S, abeadö. 8ti«uM «S im HM« UW«. «S. Jahrg. «gen-Bericht. Lok. Berlin, 2. «prtl 1V09. I« die Ferien. Damit di« Abgeordneten, die noch nicht den Heimweg «getreten haben, noch rechtzeitig mit den Mittag»zligen »ach Hau« fahren können, beginnt die heutig« letzte Sitzung Wiederum schon um 10 Uhr. Der Militäretat bringt «r eine Rede de« Konservativen Pauli über Zustände ia den Epandauer Militärwerkstätten, die er sonst in zweiter Lesung bereit« zu halten pflegte. Auch beim Karineetat wird nur für einige Minuten Halt ge- «acht. Der freisinnige Spethmann bittet den Marine- Minister v. Tirpitz, der seinen Kollegen v. Einem ab gelöst hat, gegen den Fischereiraubbau in der Nordsee vor zugehen. Der Staatssekretär verspricht Abhilfe. Herr Dernburg ist an der Reihe. SS gibt eine kleine Samoadebatte. Herr Srzberger wünscht Mitteilungen über die Gerüchte von einem Aufruhr in Samoa. Der aaltonalliberal« Arning bittet auch in den übrigen Ko lonien die Eingeborenen nicht zu gut zu behandeln. Staatssekretär Dernburg teilt mit, daß e« sich in Samoa um Streitigkeiten zwischen zwei Eingeborenen-Stämmen handle. Sobald man die Unruhen gemerkt habe, seien drei Schiffe nach Samoa geschickt worden. Nicht mit Schwäche, sondern mit Gerechtigkeit werde man auch in Samoa vorgehen. Erzberger wünscht die Behandlung der Samoaner so einzurichten, daß die Eingeborenen fühlen, die Deutschen seien Herren im Lande. Der freikonservative Arendt unterstreicht diese Ausführungen. Sonst könne man mit der ganzen Kolonialpolitik einpacken. Die De- batte ist beendet. Allenthalben sieht man die Abgeordneten herzlichen Händedruck auStauschen. Da kommt die Ueber- raschung. Eine Resolution des Zentrums, die Abonnenten versicherung zu verbieten, prranlatzt einen Hammelsprung. Sie wird mit 112 gegen 73 Stimmen der National liberalen, der meisten Freisinnigen und Konservativen an- genommen. Aber er fehlen 15 Abgeordnete an der ve- schlußfähtgkeit. Die Abgeordneten, schon »auf dem Sprunge* in« Freie, klatschen vor „Galgenhumor* in die Hände. Müssen eine halbe Stunde noch geduldig außharren wegen diese« tragi-komischen Zwischenfall«. Die neueröffnete Sitzung ist nach Abstimmung über verschiedene Resolu- tionen und Petitionen in 10 Minuten beendet. Schon vor 1 Uhr mittag« kann der Präsident Stolberg den Herren mit den Worten da» Geleit in die Ferien geben: „Wir stehen am Schluff« eine» arbeitlreichen Abschnitte». Ich will hoffen und wünschen, daß St« in den Ferien frische Kraft und Gesundheit schöpfen für die Zeit, da wir die Arbeit wieder aufnehmen. Ich will nicht prophezeien, aber ich habe die Empfindung, daß e« in dem nächsten Ab- schnitt an Arbeit nicht fehlen wird.* Dieser Wink mit dem Zaunpfahl auf di« Schwierigkeiten der Finanzreform wird im Hause wohl verstanden. Man lacht in freudiger Ferienstimmung herzlich, und in allgemeiner Fröhlichkeit verabschiedet man sich von den vielen arbeit»samen Kollegen. „Fröhliche, gesegnete Ostern!* Orientkrisis - Nachklänge. III. Naturgemäß ist man anhaltend in Serble« sehr enttäuscht. In Besprechung der Lösung des österreichisch-serbischen Konfliktes gibt man dem Ausdruck. Oesterreich-Ungarn, schreibt man, habe den größten Sieg davvn getragen, welcher jemals lohn» Waffen errungen worden sei. „Ge- rechterweise müsse konstatiert werde,!, daß Serbin! bereit war, den Mieg einen, schmachvollen Frieden Lorzuziehen. An der Ausführung dieses seines ehrenvollen Entschlüsse» wurde es indessen durch das Einschreiten der Großmächte verhindert, welche es vorgezogen haben, sich vor dem Machtworte Deutschlands zu beugen als durch den Ber- zweislungskampf eines in seiner Existenz bedrohten Volkes die mögliche Bedrohung eines unnatürlichen Frie dens zuzulassen. Die traurigen Konsequenzen .einer klein mütigen Haltung Europas habe zunächst das serbische Volk allein zu tragen. Es sei indes die Zeit nicht s>ern, 'wo sich die Kapitulation Europas vor Deutschland und Oester reich-Ungarn an allen ülrigen Völkern Europas schwer rächen werde; denn die Art der Beilegung der bosnischen Frage habe dargetan, daß das europäische Gleichgewicht, welches bisher die beste Friedensgarantie war, nicht mehr vorhanden sei. An Stelle der aknteu Kriegs gefahr sei eins latente getreten, welche die euro päischen Staaten zu weiteren Rüstungen zwingen werde. Kronprinz Alexander erklärte dem Belgrader Vertreter der „Dribuna", er habe die Würde eines Kron prinzen gegen seinen Willen übernommen und er wisse noch nicht, ob er die Ausschaltung seines älteren Bruders von dem Throne späterhin verantworten werde. Die radi kalen Belgrader Blätter erblicken in dieser gewundenen Erklärnng des neuen Thronfolgers die Absicht, im Ernst fälle zugunsten des früheren Kronprinzen zu resignieren. Aus Belgrad wird, berichtet: Der deutsche Ge- sandte Prinz Natibor gab dem König Peter in einer Privataudierz den Rat, ein ehrliches gutes Einvernehmen mit Oesterreich-Ungarn zu suchen, da die Interessen der Dynastie Karagcorgewitsch so am besten gewahrt werden könnten. — Die englischen Bestrebungen, einen Thron wechsel in Serbien herbeizusühren, werden immer iossenkundiger. KMi'e!'! Zeige hiermit ergebenst att, daß gestern wieder ein frischer TranS- port neu« RSelsi» eingetroffen ist. 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Daunen werden nach dem neuesten Verfahren tadellos gereinigt, desinfiziert. Alte Beltfedern werden wie neu. * Frau Steglich, BiSmarckstr. 22,2 Tr. Vie „Königin <ier Nacht". Seeroman von H. Hill. Als ich mir eine allgemeine lieber sicht über das Schiff verschafft hatte, lenkte ich meine Schritte nach der Fallreep, treppe und wollte diese bereits betreten, als sich das unange nehme Gefühl, das mich im Bureau vou Nathan augewandelt, meiner zum dritten Male bemächtigte. Als ich instinktiv meine Augen erhob, bemerkte ich einen Mann, der sich über die Fallreeptreppc lehnte und meine Bewegungen mit leb haftem Interesse beobachtete. Er trug eine mit einen! Gold streifen besetzte Mütze, und daraus, wie aus dem galonnierten blauen Röck, den er bis oben zugeknöpft hatte, glaubte ich annehmen zu dürfen, daß ich einen der Offiziere vor mir hatte. Doch das war nicht der Grund meiner Bewegung. Eher war es das Gesicht, denn das Gesicht war das des Mannes, der mir vor den Bureaus der „Flower-Linie* anf- xcfallen rvar, und außerdem erinnerten mich diese Augen an die, die ich im Kontor von Nathan L Co. in den geheimnis vollen Spalten auf der Landkarte zu sehen geglaubt. Das Merkwürdige bei der letzten Begegnung — ich kann wirklich nicht sagen, ob es die zweite oder die dritte war — war der Umstand, daß das unangenehme Gefühl sofort schwand, als seine Augen den meinen begegneten und ich den Blick erwiderte. Ich fragte mich sogar, weshalb mir diese Augen je unangenehm gewesen waren. Der Mann sah mich mit einem liebenswürdigen Lächeln wie ein guter Kamerad an, was für die Zukunft die besten Beziehungen versprach, und rief fast in demselben Augenblick: „Kommen Sie an Bord, Sir! Willkommen auf der »Königin der Stacht!* Ich ging ruhig die Fallreeptreppc hinauf. Er wartete auf mich am andern Ende, empfing mich dort freundschaftlich und fragte: „Sie sind wohl em Passagier, der das das Schiff be sichtigen will?* Ich trug Zivilkleidung, also war die Frage ganz natürlich, — vorausgesetzt, daß ich mich in den Augen in der Landkarte geirrt hatte und ebenso vorausgesetzt, daß seine Anwesenheit vor den BureauS der „Flower-Linie* in der Leadenhall-Street ein« rein zufällige war. In seinem Benehmen ließ allerdings nichts daran, , oa» er mich jemals vorher gesehen oer daß er nicht durchaus ehrlich war. „Nein, sagte ich," mein Name ist Forrester, Kapitän Forrester. „Ich bin für das Schiff als Kommandant enga giert. Ich habe einen Brief für Dr. Zavertal." „Mein verehrter Kapitän, ich freue mich herzlich, daß ich der erste bin, der Sie hier empfängt," sagte er, indem er mir- warm die Hand schüttelte. „Ich bin Dr. Zavertal Kommen Sie in meine Klause und nehmen Sic eine kleine Erfrischung zu sich, oder ist es Ihnen lieber, erst eine Inspektion vor zunehmen?* Ich sagte ihm, ich würde mich freuen, zunächst ein bißchen zu plaudern, und er führte mich in seine Deckkabine in der Mitte des Schiffs, ivährend er unterwegs Nathans unverschlossenen Brief las, den dieser mir zur Einführung -übergeben hatte. Die Vereinigung vou Apotheke und Studier immer, in das er mich geleitete, war, wie übrigens jeder Teil des luxuriös Dampfers ansgcstattet und elegant möbliert. Die Wände ivaren mit schönem, kostbarem Holz getäfelt, und die Dielen mit dicken Teppichen belegt. An den beiden seewärts gelegenen Seite» waren breite Scheiben, anstatt der üblichen kreisrunden Fenster. Im Vordergründe waren die Regale für die Medikamente und die ärztlichen Instrumente ausge stellt, während im Hintergründe der Kabine ein schwerer Vor hang herunterhing,' der diesen Raum von dem Schlafzimmer des Doktors trennte. Ein Kanarienvogel nnd ein paar andere exotische Vögel zwitscherten in vergoldeten Käfigen, und überall waren Blumen zu sehen. „Ein ganz angenehmes Quartier, Herr Doktor," meinte ich, indem ich in einem behaglichen Lehnstuhl „Anker warf", während er sich an den Gläsern und Karaffen zu schaffen machte. „Ja, es ist gar keine so üble Krippe für einen armen Medikus," stimmte er jovial zu. „Wie Sie wissen, ist mein Ressort die Gesundheit, das Glück nnd die Bequemlichkeit der Passagiere. Dafür habe ich zu sorgen. Ich könnte sie nicht gesund, glücklich und in behaglicher Stimmung erhalten, wenn ich's nicht selbst märe, und darum richte ich es mir möglichst angenehm ein.* Nun. ich kann recht wohl verstehen, daß Sie alle Hände voll zu tun haben," versetzte ich. „Der Arzt eines regelrechten Paketdampsers hat nicht allzuviel freie Zeit. Ans einein Schiff, das hauptsächlich von Rekonvaleszenten oder gar Kranken benutzt wird, brauchen Sie beinahe eine Hilfe.* Das Blinzeln, das jetzt in diese Augen trat, deren selt samer Ausdruck mir zuerst ausgefallen war, schien ganz natürlich, nnd Dr. Zavertal blinzelte auch wirklich, ivährend er sagte: „O, glauben Sie doch das nicht, Kapitän! Die Leute sind ja gar nicht so krank. Nur zehn Prozent auf jeder Reise sind, was man Invaliden nennt, und davon ist auch nur die Hälfte gefährlich krank. Ich kann Ihnen sagen, das ist hier ein sehr lustiges Schiff. Nathan wird Ihnen das doch gesagt haben?" „Ia, er schien von seinem Kapitän mehr gesellschaftliche Talente, als seemännische Tüchtigkeit zu verlangen," ver setzte ich. Nun, das wohl kaum. Doch eine Vereinigung der beiden Vorzüge ist in unserm Geschäft unerläßlich," sagte er. „Der alte Nathan ist ein tüchtiger Kerl. Wenn Sic mir die Bemerkung gestatten, Kapitän Forrester, ich glaube, er hat gesunden, was er suchte. Auf jeden Fall machen Sie den Eindruck." Es kam mir der Gedanke in den Sinn, daß man im Punkte der eigentümlichen Zeremonienmeisterrolle, die ich spielen sollte, schon damit zufrieden ivar, daß ich „so aussah", und bas im Grunde Zavertal die ganzen Kosten der Unter haltung trug. TaS paßte mir sehr gut, denn ich mar nie ein Gesellschaftsmensck, und wenn inan erwartete, ich würde den galanten Phrasendrccysler spielen, so würde mein Engagement nicht von langer Dauer sein. „Nun, Herr Doktor," sagte ich, „vor allem bin ich hier zur Leitung der Schiffsangelegenhcitcn, und das muß meine erste Sorge sein. Ich zweifle keinen Augenblick, daß die gesell schaftliche Seite des Unternehmens bei Ihnen in besten Hände» ist, so daß ich mich also ganz der Fahrt widmen kann." Er machte eine ablehnende Handbcweguug, obwohl cs ihm offenbar angenehm war, daß ich nicht die Absicht zeigte, in Funktionen einzugreifen, die ihm bis dahin abgelegen hatten. Dann wurden seine Augen für die Tauer seiner Sekunde stahl hart, und ich nahm jenen eigentümlichen Schimmer in ihnen wahr, der mir ausgefallen war, als ich ihn auf der Straße be merkt hatte. Es ivar, als werfe er mir einen scharfen Blick zu, um meine Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen. Das Re sultat mußt« immerhin nach seinem Wunsche ausgefallen sein, denn der Blick erlosch, und er sah mich wieder ganz harmlos an. Ich will hier gleich erwähnen, daß, obwohl ich des Mannes Vorgesetzter war, und er mich mit auffälligem Entgegenkommen