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— ISS Boll Behagen streckte der Jackl sich unter dem rot gewürfelten Bett. Tas war ein Tag gewesen! — Wie da- Nannerl wieder getanzt — und wie der Kaiser sich gegiftet hatte, als er dazu Sam! Run, einmal würde der Bauer schon nachgeben. Er war ja doch ein ehrlicher Kerl — und seit er das Nannerl lieb hatte, hatte er sich nach keinem anderen Mädchen mehr umgesehen. Sogar da- Wildern hatte er gelassen — der Himmel welk wie schwer es ihm gefallen war! — Ra, und wenn der Bauer nicht nachgab — dann heiratete ihn Rannerl auch. Be stimmt hatte sie'» ihm versprochen. Was sie für Äugen gemacht hatte, wie er mit der Kette gekommen war. Na, sie stand ihm ja auch gut! Ter Jackl war kein ganz fleckenloser Engel. Und zu seinew kleinen Schwächen gehörte auch eine gewisse Eitelkeit. Es ließ ihm keine Ruhe im Bett — einmal nach mußte er die Mtte ansehen, die mm für ein Jahr sein eigen war. Behutsam erhob er sich und schlich über die Stiege, die unter seinen Dritten leise knarrte und ächzte, zur guten Stube hinunter. Wie er aber die Tür geöffnet hatte — hübsch langsam und vorsichtig, daß er den Grundinger nicht au- dem Schlaf weckte — da wurde ihm eine gewaltige Ueberraschung. Zunächst ein gewaltiger Schrecken. Tenn sein erster Blick in die Stube zeigte ihm, daß der Glasschrank, den der Bauer vorhin vor seinen Augen verschlossen hatte, weit offen stand. Ganz blaß wurde der Jackl — denn er sah ja auch, daß das grüne Samtpolster des großen, offenen Lastens, in dem die Kette vorhin geruht hatte, leer war. Und der Gedanke schoß ihm durch -en Kopf: wenn die Kette fort ist — dann werden sie dich — nur dich des Tiebstahls verdächtigen! Sein Blick löste sich« von dem Schrank und irrte durch das Zimmer. Ta aber verflog sein Schrecken — und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln innigste» Vergnügens. Tenn vor dem Spiegel in der Ecke stand der Flori — die Schützenkette hatte er umgelegt, und so versunken war er in den erhebenden Anblick seiner also geschmückten Person, daß er nichts von Jackls Erscheinen »vahrgenommen hatte. Erst ein vergnügliches Grunzen hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Leichenblaß starrte er den JaÄ an — und dann machte er in seiner Todesangst einen verzweifelten Versuch, sich durch das offene Fenster zu entfernend Aber der anders war flinker als er. Mit eipem sanften kleinen Truck beförderte er den Flor» in eine Ecke des Zimmers. Und breitbeinig, ohne zu sprechen, blieb er eine Weile vor ihm stehen — den Mund immer noch zu jenem innigen Lächeln verzogen. Und dieses Lächeln gab dem Flori einen Teil seines Mutes zurück. „Jackl —" begann er stammelnd, „i — i —" „Halts Maul!" beendete der Jackl gemütlich seine Rede. „Ta hockst die nieder — wannst nur a Wörtl rcdst oder dl rührst, hau i zu. Tie Ketten laßt um- — Lolthes!" Einen Toten hätte der Ruf erwecken müssen. Und kaum fünf Minuten später erschien Lolches, der Knecht des Grnndinger, auf der Schwelle. Mit weit anfgerissenen Augen starrte er auf das seltsame Bild und wollte eben eine Frage tun, als Jackl ihm zuvorkam. „Geh zum Kaiser 'nüber und sag ihm, er soll glei kemlnan! — Ter Flori läg im Sterb'n. Alsdann wird er schon kemman". Und er kam in der Tat. Auch er stierte verständ nislos ailf das Bild, das sich ihm da -ot. Ter Jackl aber kam seinem Begriffsvermögen zu Hilfe. „Siehgst, Kaiser — »ver is nu der Lump? — Schaug ihn Tir an — dem Nannerl sei Zukünftigen. Tie Kett'n hat er stehl'» woll'n. Wann 'r glei gan 'n wär damit, na wär's fort g'wen — und mi hätten's würgen für an Tieb g'Halten. Aber er hat si damit schmück'» müssen wie an Pfingstvchs'n, Und na hat 'r sk in sei Gosch'n vergafft — der Tepp, der tz'scheerte. So. hab i'n derwtscht. Und morgen wird der Gendarm ihn durchs Torf führen — Dein Schwiegersohn! — Schaugk 'r net guat aus mit der« Kett'n?" „Jackl -7 i bitt Ti —" stöhnte der Flori. Mer der Unmensch sagtet „Halt- Maul — bis d' g'fragt wirst! — No i-- was moanst, Kaiser?" Ter Kaiser meinte zunächst garnichtS. Das Zimmer drehte sich um ihn, als hätte er zwanzig Maß getrunken statt der acht, mit denen er an diesem Tag seine» Zorn über den Jackl binuntergespült hatte. Ganz jammervoll wurde ihm zu Mute. Tie Blamage! Der Fbori morgen verhaftet in- Gefängnis gebracht — »veil er den Jackl hatte bestehlen wollen! ES war ja zum Berrücktwerdenl „Jackl", sagte er, und seine Stimme klang nicht viel freudiger als die des Flori, „wirst'n do net o'zeig'n? I bitt Ti — dös dersst net tun! — Der Flori — wird Tir aa — g'wiß — eppas — eppas zahl'« —" Ter Jackl wurde mit einem Mal sehr ernst. „Schaug, Kaiser", sagte er langsam, „wannst net mei Vatter werd'» tätst, na hätt i Tir iatzt Dei Schäd'l ei' g'schlagen. Und wann d'r Flori net mit dem Nannerl versprach'» g'wesen wär, na wär 'r iatzt nix mehr als wie a Häuf'» Knoch'n. Na will i Tir eppas sag'»; bal in vier Woch'n mei Hochzeit mit'M Nannerl is, derf der Flori d' Kett'n in 'n Schrank zurücklegen und si drucken, und i sag neamd nix vv dem, was g'scheg'n is. Balst dös net magst — Ein Achselzucken beendete die Rede. Aber der Kaiser wußte, was dieses Achselzucken bedeutete. Und zehn Minuten später lag die Kette wieder in all ihrer strah lenden Schönheit auf dem Samtkissen in des Grundingers Glasschrank. „So", sagte der Zackl gemütlich, „iatzt kriegst no a Watschen — da — und alsdann druckst Ti. Dös mit dem Schloß werd i schon richten mit'M Grnndinger. — Na — und guate Nacht aa, Vatter! Morgen kimm i nei zu Tir. I denk, 's Nannerl wird aa net bös san, bal t kimm". — Zum Hochzeitsschmaus erschien der Jackl im Schmuck! der Schützenkette. Ter Flori aber hütete an diesem Tag das Bett. Er hatte Zahnschmerzen- Leak- nutz Sinnfprüche, Zur rechten Zeit erfassen. Zur rechten Zeit verlassen, Ter Stunde Glück und Gunst —; Zur recht Zeit erfassen, Zur rechten Zeit verlassen. Ist eine schwere Kunst! Tein Müssiggänger fehlt es stets an Zeit zum Tun Und nie an einem Grund, warum ers lasse ruh'n. Mtfelecke. Diagonalrätsel. G * * * * O Die Sternchen und Punkte der Figur sind *»**»* durch je einen Buchstaben so auszufüllen, daß **«»** d'E wagerechten Reihen bezeichnen: - - 1- Ein Seetier, 2. ein Fahrzeug, 3. «inen d M Frauennamen, 4. einen biblischen Namen, * G * * G * 5. eine Departements-Hauptstadt in Bolivia „ * * * * G (Südamerika), 6. einen Vogel. Die eine Diagonale soll einen von zwölf Brüdern, die andere einen von vier Bründern nennen. Auflösung aus voriger Nommer; Adolf — Menzel. Fritz — Reuter. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Cyähler an der Elbe Bellet». Gratisbeilage za» „Riesaer Tageblatt". «r. 33. «es«, >nr 8. «ngnst 11W8. »1. AchkU. Wenn die Berge wandern. Eine Geschichte von Haß und Liebe von Karl Birnenstein. Fortsetzung. Tie Bergfchießlin Hatte am offenen Fenster gesessen und das Gespräch zwischen Gatten und Dochter an gehört. Ein seltsames Weh wallte in ihr auf, das sie das eigene vergessen ließ, das sie um ein dumpfes, liebeleeres Leben im Herzen trug. Tie Mutterliebe war in ihr erwacht, tief und schmerzlich, und die trieb sie, für ihr Kind und dessen Glück zu reden. „Was hast denn mit der Roserl g'habt?" fragte sie, als der Mann in die Stube trat. „Tas geht Dich nix an!" erwiderte er barsch und ging, um jeder weiteren Frage auszuweichen, in die Küche hinaus. Aber sie folgte ihm nach und stellte ihn »nieder zur Rede: „So einfach kommst mir nit aus, Mann", sagte sie, und ihr sonst immer weinerliche Stimme bekam einen metallisch-zitternden Klang. „Tie Roserl iS mein Kind so gut wie das Deine, und wann sich's Um ihr Glück handelt, da will ich auch mitreden". „Äh so. Tu hast g'lost?" „I bin beim offenen Fenster g'sessen". „Und Tir is's also nit recht, was i g'sagt hab? Tu willst auch den Brandebner-Buben zum Schwieger sohn? Ten braven Toni!" Er lachte höhnisch auf. Darauf erwiderte die Bergfchießlin: „I kenn' den Dom nit. Aber i kenn' die Roserl und weiß, daß sie ein braves Dirndl is, und daß sie sicher keinen Lumpen gern hat. Und unglücklich darf mir das Kind nit werden, das leid i nit. Tenn i weiß, was das heißt- Sei vierundzwanzig Jähren leben wir miteinander, i Und Tu, und in alle die Jähr' is auch nit ein einziger Tag, wo i sagen könnt', i bin glücklich g'west. Tir bin i nie was andres g'ivest als a Wirtschafterin. Hab i mein' Lach' recht g'macht, hast nix gsagt, is Uber was g'fehlt g'west, hast g'schimpft. Bon einer Lieb keine Red. Tas hat mich krank g'macht, und vor dec Zeit bin i ein altes Weib worden, das alle Tag unser« Herrgott bitt'- er möcht bald ein End machen. Wenn Tu schon kein Herz hast für Dein Weib, aber für Tein Kind sollst es haben, sonst bist überhaupt kein Vater!" „Geh, was Tu nicht alles weißt", höhnte er, „hab i vielleicht für die Roserl nit g'sorgt, Hob i ihr »vas äbgehen lassen? Ten möcht i kennen, der mir das nachsagen kann. Aber die Liebschaft mit dein Brand- ebner-Luben leid i nit". „Seit i denk', haben uns die Brandebner-L ut noch nix angetan", warf sie ein. „So und das mit der Kalbin? Is das nix?" „Ta bist ja Du selbst schuld!" „Mas sagst?" brauste er nun auf. „Das sagst Du, mein Weib? Also hab i die Feind' schon in meinem eigenen Haus. Gut, daß i das weiß- Jetzt sollt Ihr mich aber noch kennen lernen!" Tie Lergschießlin war blaß geworden, aber mit fester Stimme antwortete sie: „I fürcht mi nit. Schlechter, als es bei uns eh schon is, kann's nimmer werden. Lang genug hab i zug'schaut, wie Dein Haß, Tein sündhafter Haß uns alle unglücklich macht, jetzt aber, wo sich's um mein Kind handelt, schau i nimmer zu. I will nit, daß mir die Roserl ins Grab hinein uachflucht und fagt: Mine Mutter hat mich au in Stich lassen. Bevor Tu die Roserl unglücklich matM mußt erst mit mir fertig werden". "' „Tas wird schon werden!" „Sv lang t reden kann, ntt, Bergschießl!" kam die drohende Antwort. „Vergiß nü, daß i weiß, daß Tu in der Nacht, wo de» Brandebner die Kalbin er schossen worden iS, nit daheim g'west bist". Auf diese Worte N«rde der Bergschießl todfahl. Eine» Augenblick wär es ihm, als müsse er sich anf sein Weib stürzen und es erwürgen, dann brach ei» heiseres , unnatürliches Lachen aus seiner Kehle, und mit haßverzerrtem Gesicht verließ er die Küche. Tie Bergfchießlin aber sank nach so viel Erregung auf den Stuhl im Herdwinkel und drückte die abge zehrten Häirde auf das heftig pochende Herz. Ob sie einen Sieg errungen hatte, wußte sie nicht, aber e- war ihr -och leichter ums Herz, sie hatte zum ersten mal als Mutter für ihr Lind gesprochen. Indessen saß die Roserl wir betäubt, die Augen geschlossen, die Hände im Schoß gefaltet- Tann aber hob ein wehes Seufzen ihre Brust, und mit eine« Male schoß es ihr heiß in die Augen, und auf« schluchzend verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Leist rauschten die Wälder durch die Nacht, die Grillen zirpten, in einem Graben orgelte wo et« Gicßbach, und dann war auf einmal ein dumpfe- Dröhnen und Brechen, das jeden anderen Laut über tönte: vom Oedstein war wieder eine Felspartie loS- gebcochen und in die Tiefe gefahren. Jäh hob die Roserl ihr tränenüberströmtes Antlitz und lauschte dem in den Wänden verzitternden Echo. Sollte ant Ende doch ei»» Wunder geschehen und der Oedstet« einmal auf die Wanderschaft gehen? Vl. Von nun an hatte es der Hiiiterstituer darauf ab gesehen , den Bergschießl ganz in seine Geivalt zu be kommen. Er wollte sich ihm jo unentbehrlich mache«, daß jener zum Schluß eine» Zwang auf feiue Tochter ausüben sollte. Ter Hintcrlcitner hatte sich vor genommen, wieder ein braver Mensch zu werden, und diesen ZKeci zu erreichen, scheute er selbst vor schlechten Mitteln nicht zurück. Und das brauchbarste Mittel schiel» ihm, den Berg- schießl gänzlich zu vereinsamen. Und das gelang bet dem ohnehin ungemein mißtrauischen und leicht auf« branscndcn Manne nur zu leicht. Ter LelgschicU war geneigt, jeden, dec mit dem L-randebi'.er verkehrte, als seinen Feind zu betrachten, und wem» er einen Nachbar mit diesem im Gespräche sah, dann »var auch sofort der Verdacht in «ihm rege, die 5-cioen sprächen über ihn und führten Böses im Schilde. Der Hintcrlcitner kannte diese krankhafte Schwäche des Bergschießl und nützte sic für seine Zwecke aus. Immerzu wußte er diesem zu erzählen, wie er da- und jenes erlauscht habe, was der oder der andere mit dem Brandebner gesprochen habe, und alles ging nach seiner Schilderung daraus hinaus, -:m Herg- schießl irgend einen Schade»» zuzusügcn oder doch einen Possen zu spielen. Außerdem gefiel sich der Hinter- lcitner in dunklen Warnungen, und so brachte er es dahiij, daß der Bergschießl schließlich, in jedem Dauern von Rotwald eine»» tückischen Feind witterte. Tas brachte den ohnehin verdüsterten Mann in eine stete Stimmung von solcher Gereiztheit, daß er bei