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-- 184 — Hegendal /atz verzweiflungsvoll in seiner Zette. Tie Sach« stand wirklich sehr ungünstig für ihn. Tie Wirtin de« Hauses, in dem der Ueberfatt stattgefunden, be hauptete steif und fest, die eine Etage über ihren Räumen liegenden Zimmer, die den Schauplatz des Ueberfatts darstellten, überhaupt nicht vermietet zu haben. Und datz ohne ihr Wisse« in den allerdings Mr Vermietung bestimmten Räumen jemand gewohnt habe, das sei doch ausgeschlossen. Alle Untersuchungen, die in dieser Be ziehung angestellt wurden, verliefen resultatlos. Auch der WirtSfrau war nicht das geringste nachzuweisen. Man stand vor einem Rätsel. Und das meiste sprach zu Hegendals Ungunsten. Zwar hatte ihm sein Rechts anwalt Hoffnung gemacht und ihw gesagt, datz er auf keinen Fall verurteilt werden könne. Aber das genügte ihm nicht. Solange man die ander« nicht hatte, war auch seine Unschuld nicht festgestellt und zeit seine- Lebens würde er als ein Gebrandmarkter durchs Lebe« gehen müssen. Zwar harrte und hoffte er und seine Familie, datz die Unsolid an den Tag kommen würde und seine Sollegen bedauerten den arme», opferwil lige« Mann. Aber was hals das? Wüster Lärm tönte aus der Kaschemme in der Li- nienstraße. E» war eine Berbrecherkneipe gewöhnlich, ster Art. .Lattenaugust" und „Zinkenmax", zwei Ver brecher schlimmster Art wurden von den Zechern der S> eipe — Verbrecher und gewöhnlichen Weiber — ange- gröhlt. Und obwohl schon alle betrunken waren, wurde doch immer noch mehr Schnaps herbeigeschafft. Als der Jubel den Höhepunkt erreicht hatte, meinte die blaue Lotte: „Na Mensch, nun erzähle doch mal, wie wäret denn?" Und alle brüttten im Chorus: „Erzähle, Erzähle". Lattenaugust ließ sich nicht länger nötigen: „Kinder ick sage Euch, det Ting war fein. Nachdem ick be de Dswe die Wohnung ausklamausert, ging et los. Treima» laß ick mir Geld schicken. Natürlich immer dufte Trinkgeld. Nobel wie immer- Tann sag ick zu ihm, vornehm, natürlich und herablassend: „Herr Post rat, können Sie nicht des Morgens früh zu mir kommen, ich verliere immer einen Tag dadurch". Ter macht en tiefen Bückling un sagte „Jawohl, Herr Staats- ar waltsubstitut". So hab ick mer nämlich titulieren lasse». Fein wat? Js ja ejal, was uff svner Anweisung steht. Kinder un ctklappte- Ick schick mer wider Jeld und er kommt noch richtig zuerst zu mir. Zuerst, w, er »och det Ville Moos hatte. Wie er mir nu ausbezahlt un losjing, da haste nich jesehen, hatte mein Kollex — er zeigte auf Zinkenmaxe — den ick vorher »erstochen hatte, uff den dustern Korridor eens uffjebrannt un denn nach meiner Erfindung en Chloroformlappen uff die Bische jelegt. Rich een Don hat er mehr jesagt- Fein, wat? Ra un denn Ham mer det Moos injesteckt un sind los jejangen. Nich, Kinder, det war en Ting?" Stolz sah er sich nach dieser Erzählung um und alles gröhlte laut Beifall und das Gelage ging weiter. — Rur einer, der schöne Oskar erhob sich Er hatte Lattenaugusl schon während der Erzählung scharf und listig von der Seite gesehen. Jetzt lächelte er dummdreist und wendtr sich möglichst unauffällig dem Ausgange zu. Regen Prasselte ihm ins Gesicht. Toch das focht ihn wenig an. Jetzt endlich war ihm doch einmal Gelegenheit gegeben, sich zu rächen an diesem Erzfeinde. Ter würde Augen machen. Er beschleunigte seine Schritte. Gleich um die Ecke war eins Testillation. Dorthin ging er- Da saß der Polizeiwachtmeister Biethahn. Ter war ganz erstaunt und sagte „Na nu, wo kommen wir denn her-" -Herr Wachtmeister, ick,habn schönet Ting für Sie. Aber 50 Emmchen, anders nich, un et nächste Mal kennen Sie Mich ntkh". Nach einig::.: Hin und Her sah der Wachtmeister ein, datz er auf diese Bedingung eingehen mußte, wenn er überhaupt etwas rauskriegen wollte. Als er erfahren, warum es sich handelte, gab er freiwillig »och 20 Mark extra. „Rn aber rasch". Und während der schöne Oskar schnell verduftete, begaben sich etwa drei Minuten später der Wachtmeister und zwei in Zivil gekleidete Schutzleute nach der Ka schemme. Roch konnte man nichts unternehmen, dazu hatte die Kaschemme zuviel Rebenausgänge. Aber man konnte wenigstens aufpassen, datz nicht schon vorher jemand wegging. Inzwischen kamen die herbeigerufenen uniformierten Schutzleute. Tie Kaschemme wurde um stellt und zwei gingen hinein. In allgemeiner Bestürz- schrie man: „Tie Blauen, die Blauen". Und in wilder Flucht ging e- nach den Ausgängen. Tuch keine Rettung. Sie liefen den Beamten in die Hände iünd das ganze Gesindel wurde avgeführt. > Tiefe Verhaftung hatte zwei Nachspiele: Hegendal wurde aus der Haft entlassen, bekam die Ehrenmedaille und schwamm in Glück und Wonne. Und etwa drei Tage später fand man den schönen OSkar zu Dode verwundet Mit einem furchtbaren Schnitt quer durch das Gesicht. Tie Freunde der beiden Ver brecher hatten den Verrat gerächt Lenk- «ns Stnvsprüche. O Mut, nur Mut in jeder Lage, Ws uns ein Tornentvald uMstarrt t Tie Morgenröte bess'rer Tage Glüht hinterM Berg der Gegenwart. G Es ist wohl nie ein Dal so tief, Hinein kann jedes Sternlein schauen. Es ist wohl keine Qual so tief, Ter Himmel kann sie überblauen. ' ' G ES ist Lesser, wir brauchen unfern Verstand, gegen wärtige Unfälle zu ertragen als kommende zu erforschen. ° - * Wehe dem, der zu sterben geht Und keinem Liebe geschenkt hat, Tem Becher^ der zu Scherben geht Und keinen Turst'gen getränkt haki * Mut besteht nicht darin, daß man die Gefahr blind übersieht, sondern datz man sie sehend überwindet. WMW mtsE. TanschrStsel. Auge Dom Ronde Laube Reif Jede« der obigen fünf Wörter ist durch Aenberung eines Buchstabens in «in andere« Wort zu verwandeln. Die fortgelaffenen fünf Buchstaben sollen den Bornamen «ine« berühmten Maker», die neu aufgenommenen fünf Buchstaben den Bornamen eine» be liebten Dichter» ergeben. * * * Auflösung au« voriger Nummer: Siebengebirge. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Mesa. Erzähler an der Elbe. Bellet». Gratisbeilage zu» „Riesaer Tageblatt". «r. Sl Mesa, »en 1. An,»st 1W8. Sli. Achr». Wenn die Berge wandern. Line Geschichte von Haß und Liebe von Karl Bienenstrin. Fortsetzung. V. Ter Hiuterleitner, der dem Bergschietzl den Rache- plan ausgearbeitet hatte, wäre tatsächlich zu einem Meineid bereit gewesen. Er hätte ihn um so unbesorgter ablegen können, als mit Ausnahme eines Knechtes, der aber im Ochsenstatte schlief, niemand in seinem halbverfallenen Hause war, der bezeugen hätte können, daß der Bergschießl nicht bei ihm gewesen war: > ' Ter Hinterlettner hatte einmal bessere Tage ge sehen. Aber Trunk*und Spiel und unsinnige Ketten und Käufe, die er im Rausch abschloß, haften ihn immer mehr heruntergebracht. Schließlich konnte er selbst die Steuern nicht mehr entrichten und mutzte zusehen, wie ihm der «tzekubsr ein Stück Vieh nach dem andern aus dem Stalle führte. Nun war'- ihm gleichgültig, wie's mit seiner Zukunft werden sollte, und oas Lotterleben ging erst recht an. War er aber bisher ein harmloser Lump gewesen, so hatte der Streit zwischen dem Brandebner und dem Dergschießl um die abgestürzte Kuh die schlechten In stinkte in ihm vollends geweckt. Gr erinnerte sich nun, datz ihm gerade der Brandebner seine Mißachtung immer am deutlichsten habe fühlen lassen, und das bewog ihn, sich auf die Seite von dessen Gegner zu schlagen. Tazu kam jetzt auch noch ein anderer Grund. Der Hinterleitner hatte Lei seinen Besuchen im Bergschießl- Hause des öftere« Gelegenheit, Roserl zu sehen und bei der Arbeit zu beobachten, und sie gefiel ihm von Tag zu Tag besser, so datz ihm nun ab und zu der Gedanke kam, es wäre das die rechte Frau für ihn. Ja, mitunter meinte er sogar, es wär« auf diesem Wege nochmals möglich, datz auch für ihn wieder ein ordentliches Leben begänne. Wie ein sehnsüchtiger Hauch zog es jetzt oft durch seine Seele, seine ganze Vergangenheit zu begraben und ein neuer tüchtiger Mensch zu werden. Und diese Sehnsucht wuchs und wuchs und stieg zu gewaltiger Flamme empor, die wie ein Opferbrand vor dem Bilde der Roserl brannte. Inniger schloß er sich an den Bergschießl an, der nun, nachdem ihn die Nachbarn nach Möglichkeit mieden, froh war, wenigstens einen zu haben, der zu ihm hielt. , Und eines Sonntags abends, als der Hinterleitner den Bergschietzl vom Wirtshaus ein Stück Weges be gleitete, konnte er sein Herz nicht mehr bemeistern und sprach: „Du, i hätt' eigentlich mit Dir was recht Ernstes zu reden". „So, nur heraus damit. Hoffentlich is'S nix Schlech tes für mich". „TaS g'rad ntt. Aber Du mutzt mir versprechen, datz Tu mich ruhig anhörst, denn, weißt mit so ein paar Mort is das nit g'sagt". „Also red', i werd' schon aufpassen". „Siehst, Bergschietzl", begann nun der Hinter leitner langsam, nach Worten suchend, „i bin im ganzen Torf und in der ganzen Gegend als Lump auSge- schaien. Und die Leut haben nit ganz unrecht Warum stS worden bin, darum fragt freilich tzriner. T« wirst es ganz gut wissen, datz mein Vater in der Wirtschaft viel Unglück, -'habt bat. Aber er hat immer getan, als tüt ihm das ntt viel, und hat ift der Still Geld auf Geld aufs Hau» au^enommen- ohne datz er nur einem Menschen was davon Lsagg hütst. Und mir hat er schon gar nix g'sagt- Ich bi« alleweil der junge Bub für ihn g'west, der von solch« Sachen nix versteht, und den'» nix angeht. So hab k glaubt, es steht mit unS ganz passabel und hab mir nix ab-ehn lassen Ta ans einmal stirbt der Vater, und i mutz da» Haus übernehmen. Jetzt find mir die Augen aufgangen. Von alle Seiten find'» jetzt komme» um ihr Geld, und da sind der ganze schön« Wald, die Alm, die beste« Mesen und Aecker auf ein- mal hing'west Ta hab i in meiner Zaghaftigkeit nutz in mein' Zorn zum Trink« ««gefangen, und wie'D tveiter worden i», das weißt ja selber". 4 Ter Bergschietzl nickte schweigend mit dem Kopfch dann sah er schweigend auf: „Und?" „Ja, und siehst Nachbar, i glaub', e» könnt' doch noch einmal anders mit mir werden, wann t ei« tüchtiges Weib krieget. Kraft hab' i, verstehn tu t die Wirtschaft auch, und ein bttzl war, zu« Anfängen, g'hört ja. Sott fei Tank, noch mein. I brauchet nur ein tüchtiges Weib dazu, das selber die Wirtschaft ver steht und mir Freud macht. Und siehst, so eia Weitz für mich wäre halt Trine Roserl. Brauchtest ihr nih viel mitzugeben. Nur so viel, datz i da» Hau» ei« wenig Herrichten lassen kann, und ein paar Stück! Vieh dazu. Tas wär' alle», und da- sag i Dir: i möcht be weisen, datz i arbeiten kann, und daß in mir mehr steckt, als ein Lump. So, das iS 'S, wa» i auf denk Herzen g'habt hab, und jetzt überleg Tir'S und sag mir Trine Meinung". Ter Bergschietzl war von dieser Eröffnung so über rascht, datz er augenblicklich kein Wort der Entgegnung fand. Mit nachdenklich vorgebeugtem Haupte schritt er neben dem Hinterleitner einher und sog mit heftigen Zügen an seiner Pfeife, bis tziese plötzlich ausging Ta blieb er stehen, und während er sie wieder stopfte, erwiderte er endlich: „I kann Tir nit gleich so antworten, wie Tu's willst, weil mir die Sach' ei« bißt zu. jäh kommen is. I sag nur so viel, und T« wirst nit bös sein, wann i auch ganz aufrichtig red', die beste Rekommandation hast Tu bei einem Dirndk nit- Ob Tir'S meine Roserl glaubt, wannst sagst, datz Tu wieder ein ordentlicher Bauer werden willst, iS eine große Frag'. I hätt nix dagegen- Tu hast zu mir g'halten, und das vergiß i Tir nit, und g'freucn tät's mich, wann i sagen könnt': Seht's, Leut, i, der Bergschietzl, dem ihr alle ausweicht, i hab den Hinter« leituer wieder zu was g'macht. Und auf einen Tau sender und ein paar Stückl Vieh iäm's mir auch nit an, 's Geld mützt i zwar aufnchmen, aber das könnt' i schon leisten. Aber's Tirndl, da liegt der Hund, ob die will Tenn weißt, zwingen tu i die Roserl nit" „Müßtest halt mit ihr ordentlich reden und ihr alles sagen, tvas i Tir g'sagt hab. I mein', wann Tn willst, kannst es zuweg bringen". Noch eine geraume Zeit redete der Hinterleitner auf den Bergschietzl ein, bis dieser endlich das bindende Versprechen gab, der Roserl de» Heiratsantrag zu unterbreiten und das Seinige dazu beizutragen, datz sie ihn annehme. „Bedenk', was i für Tich getan hab!" sagte der Hinterlettner noch, als er dem Bergschießl die Hand zum Abschied reicht«