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1. Beilage z»m „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Vertag von Langer t Wtnterllch in Rirla. — Für die Redaktion vemntwoNlich: Hermann Sibm idi in Rleia. H S91. Sonnabend, 14. Dezember 1997, abeads. «0. Jahr,. Tagesgeschichte. Deutsche« Reich. Bei seiner Ankunft in Amsterdam ist ker Kaiser von der Königin Wilhelmtna empfangen tvorden. Ter Kaiser begrüßt« die Königin sehr herzlich. Alsdann schritten die Majestäten die Front der Ehrenwache ab und begaben sich trotz des anhaltenden Regens im offenen Wagen ins Palais. Ein deutscher Gesangverein trug von einer Tri büne aus «in Lied vor. Ter Kaiser, die Königin und der Prinz-Gemahl zeigten sich alsbald auf dem Baldon. Tie Bevölkerung bereitete dem Kaiser einen begeister ten Empfang. — Spätere Nachrichten besagen noch: Um 12i/, Uhr fand im Palais Familien-Frühstückstafel statt. Nachher begaben sich der Kaiser und di« Fürstlichkeiten nach der Gemäldesammlung und in das Reichsmusenm, wo 150 Schüler der Kaiser Wilhelm-Schule sie mit Gesang be grüßten. Zwei Schülerinnen boten den Majestäten Blu mensträuße Kar. Ter Schuldirektor brachte das Hoch auf den Kaiser aus. Hierauf geleitete die Königin den Kaiser auf dem Gange durch das Museum. Sodann wurde das städtische Waisenhaus besucht. Tie Waisen stimmten „Heil Tir im Siegerkranz" an. Ein Verwaltungsmitglied des Waisenhauses brachte das Hoch auf den Kaiser aus. So dann kehrten die Majestäten im offenen Wagen in das Palais zurück. Tie Menge brachte ihnen überall herzliche Ovationen dar. Ter Kaiser legte nach dem Besuche des Museums einen Kranz am Grabmal des Admirals de Ruyter in der Nieuwe Kerk nieder. Um 5 Uhr empfing der Kaiser «ine Reihe deutscher Deputationen im Palais. — Bei der Galatafel brachte Königin Wilhelmina einen To a st auf den Kaiser aus, indem sie ihn zunächst willvommen hieß und fodann betonte, sie betrachte den Besuch des Kaisers als einen neuen großen Beweis der bostbaren Freundschaft des Kaisers für sie und ihr Volk. Die Königin erinnerte dann an die dauerhaften Bande, die Vie Geschichte zwischen den Häusern Oranien und Hvhen- zollcrn geknüpft habe und fuhr fort: „Wir bewundern den hohen politischen Sinn Eurer Majestät, Ihre Weisheit als Souverän, Ihre großherzigen, friedlichen Anschauungen, womit Sie hinstreben zu dem edlen Ziele, das Sie sich steckten, um das Wohl und Glück der Völker zu sichern." Tie Königin erwähnte dann nochmals die glücklichen, zwi schen beiden Häusern und Ländern bestehenden Bezieh, ungen und gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß, wenn möglich, heute diese Bande noch enger geknüpft werden und trank auf das Wohl des Kaisers, der Kaiserin, des kaiserlichen Hauses und des deutschen Volkes. — Hierauf erwiderte der Kaiser mit einem Drinkspruch, worin er zunächst seinen allerherzlichsten Tank aussprach für di« Worte der Königin und für den warmen Empfang, den Amsterdam und seine Bevölkerung ihm dargebracht habe. Ter Kaiser knüpfte dann an die Worte der Königin an, be treffend die Beziehungen zwischen den Häusern Oranien und Hvhenzollern und versicherte, daß jedesmal, wenn er den Fuß auf niederländischen Boden setze, er mit be sonders dankbarem Herzen das Land betrachte, in dem einst seine Borfahren lernten, ihre Pflicht für ihr Vater land zu tun; er erinnerte an den Großen Kurfürsten und seine Gemahlin, an Friedrich Wilhelm l. und an den Tank, den sein Haus den Niederlanden und dem Haus Oranten schulde. Ter Kaiser fuhr dann fort: „Dieser Dankesschuld kann ich nur Ausdruck geben, indem ich mein Leben dafür einsetze, daß unsere Länder in Frieden sich entwickeln können. Ich hege die feste Ueberzeugung, daß auch der heutige Tag die Bande, welche unsere Häuser und Länder verbinden, fester knüpfen werde." Der Kaiser erbat schließ lich Gottes Schutz für Ne Königin und ihre Regierung und weihte sein Glas der Königin und den Niederlanden. Bei Besprechungen, die am Dienstag zwischen den Führern der Blockparteien und dem Reichskanzler ge pflogen wurden, hat es sich vorwiegend um Finanzfragen gehandelt. Bet dem Widerspruch der Konservativen gegen den Ausbau der Erbschaftssteuer und die Einführung direkter Steuern im Reiche bleibt dem Schatzsckretär nichts anderes übrig, als die sogenannte „Veredelung" der Ma- trikularbeiträge, d. h. diese in Zukunft nicht nach der! Kopfzahl, sondern nach der wirtschaftlichen Leistungs- fohigkeir zu erheben. Entschlüsse nach der einen oder an deren Richtung dürften erst nach Wiederzusammentritt des Reichstages gefaßt werden. In der gestern fortgesetzten Debatte der Budgetbom- Mission des Reichstages über die Novelle zum Flotten gesetz erklärte Staatssekretär v. Tirpitz, bäh der Durch schnittspreis pro Donne des Schiffes in Deutschland nicht höher sei als in England. Es sei das Bestreben der Ma rin everwaltung, die Neubauten möglichst nur an Privat werften zu vergeben. Doch würde im allgemeinen In teresse eine Monopolisierung vermieden. Auf Anfragen der Abgeordneten Speck (Ztr.) und Semler (Natl.) be treffend die Unterseeboote erklärte der Staatssekretär, die Marine habe sich bisher nicht ablehnend!, sondern ab wartend verhalten. Tie Unterseebvotsfrage sei ein be- fondlcres Beispiel, daß es nicht empfehlenswert für eine Behörde sei, auf noch fo wohlgemeintes Drängen hin sich von einer wohlüberlegten Methode abbringen zu lassen. Die durch die Presse gehende Meldung, die Reichs regierung plane eine Abänderung des Preßgesetzes in liberalem Sinne, bestätigt sich ft. „B. D." in ihrer kon kreten Form nicht. Es schweben allerdings schon längere Zeit bei der Reichsregierung Erwägungen darüber, ob und inwieweit einzelne gesetzliche Bestimmungen, die von der Presse besonders drückend empfunden werden, abge ändert und gemildert werden können. Man erwägt zum Beispiel die Frage, wie weit der Kreis jener Personen noch zu erweitern sei, die, ohne eine Schädigung der Straf rechtspflege herbeizuführen, bei Strafprozessen von dem Zeugniszwang entbunden werden könnten, ob alfo das Recht der Zeugnisverweigerung neben den Beamten, Geist lichen, Aerzten auch den Redakteuren, Verlegern, usw. zu gewähren sei. Tie Erwägungen hätten sich jedoch noch nicht bis zu einer fertigen Vorlage verdichtet, sie wären bisher noch keineswegs abgeschlossen. Es sei bestimmt zu erwarten, daß über den Zeugniszwang der Presse späte stens bei der bevorstehenden Reform des Strafprozesses Bestimmungen getroffen werden, die den Wünschen der Journalisten entgegenkommen —> wenn dies bis dahin noch nicht geschehen sein sollte. Auch über den § 11 des Preßgesetzes hätten schon Erörterungen stcittgefundeit, da man anerkenne, wie lästig von der Presse der gesetz liche Truck empfunden werde, eine vielleicht nicht ein mal wahre Berichtigung abzudruckcn. Tie Maul- und Klauenseuche hat in der Pro vinz Ostpreußen gegenwärtig einen bedrohlichen Umfang angenommen. Während sie anfangs nur in den Grenz distrikten auftrat, herrscht sie jetzt auch in verschiedenen Binnenkreisen. Nach amtlicher Zusammenstellung sind von der Seuche betroffen im Regierungsbezirk Gumbinnen! sieben Kreise mit insgesamt 19 Geineinden, im Regie rungsbezirk Allenstein vier Kreise mit zusammen 22 Ort- schast'en und im Regierungsbezirk Königsberg fünf Kreise mit im ganzen 11 Gemeinden. Tas Eindringen der Seuche aus den Grenzkreisen in die inneren Kreise und die Ent stehung zahlreicher Seuchenherde im Innern der Provinz ist im wesentlichen auf fahrlässige oder gar wissentliche Verletzung der Anzeigepflicht seitens der Landwirte zu- rückzuführen. Wenn einem weiteren Fortschreitcn der Krankheit Einhalt geboten werden kann, so wird es dem einmütigen Zusammenwirken der Viehbesitzer und aller an! der Bekämpfung der Seuche interessierten Organe be dürfen. Bor allem muß durch Anregung und Belehrung der landwirtschaftlichen Bevölkerung dafür Sorge getragen werden, daß sie nicht durch einsichtsloses und schuldhaftes Verhalten der Seuchenverschleppung weiter Vorschub leiste. Ein Münchner Privattelegramm meldet dem „L. T", es werde eine Kabinettsorder erscheinen, die den aktiven Offizieren den Austritt aus dem Flottenverein befiehlt« -7 Tie „Hamburger Nachrichten" erfahren von unterrich teter Seite, daß ein Eingreifen des Kaisers wahrscheinlich ist. Der Sieg des Generals Keim gelte nach der gesamten Lage als ausgeschliossen. Wie die „N. Pvlit. Darr." mitteilt, ist am 2. d- M, in Berlin unter Vorsitz des Generals der Infanterie von Eichhorn, des kommandierenden Generals des 18. Armee korps, der zu diesem Zwecke von Frankfurt a. M. nach Berlin beurlaubt wurde, eine Kommission zur Umarbeit ung dec Felddienstordnung zusammengetreten. Wie lange die Beratungen bauern werden, läßt sich noch nicht über sehen. Tie neue Felddienstordnung wird seinerzeit fertig an die Truppen gelangen. Großbritannien. Mit größtem Eifer wird in Farnbopoügh gegenwärtig an der Herstellung des neuen englischen Ktiegsluftschisfes gearbeitet das den verunglückten Nulli-Secundus et- setzen soll. Besondere Sorgfalt wird der Form des Pro pellers zugewandt, dessen günstigste Ausgestaltung man durch Experimente zu finden sucht. Noch interessanter aber ist ein System d!er Tepeschenvermittlung durch draht lose Telegraphie, das man bei dem neuen Luftschiff einzu führen beabsichtigt. Tie Gondel des Luftschiffes wird mit einem großen Drahtnetz ausgerüstet, das wie ein Spinnennetz aussieht und als Empfänger dienen soll, und innerhalb der Gondel werden alle Instrumente zur Auf gabe und Aufnahme von drahtlosen Telegrammen an gebracht. Bei Versuchen mit den Militärballons wurde auf diese Weise eine Verständigung bis zu einer Höhe von mehreren Hundert Fuß erzielt. Aer Kunstreiter. Original-Roman non Seb-. LchStzler-Perasint. IS Das Gespräch der beiden Frauen drehte sich von da an nur noch um den rätselhaften Besuch und das über- handnehmende Feuer auf Randeck. Lin Viertelstunde mochte verflossen sein, dann vernahm man ein Geräusch von der Haupttreppe her. Vie Dienerin, welche dem Grafen vorhin servierte, schlich sich eilig hinaus und ver barg sich hinter einem Mauervorsprunge. Oben vernahm man noch einige heftige Worte des Grafen. Dann ward es plötzlich still. Tine Türe flog auf und zu. Jetzt eilte, ja stürzte jemand die Treppe herab. Die Dienerin steckte den Kopf hervor. Cs war der nächtliche Besuch, welcher fluchtartig und offenbar in höchster Erregung das Schloß verließ. Oben war es totenstill geworden. Die Flammen an den Wänden loderten uvstät, von dem Luftzug« ge troffen, der durch die Halle fuhr. Die Feuersignale hakten aufgehört, aber glühendrot stand noch immer der ganze Himmel. Es war wirklich Aorinsky gewesen, welcher so eilig das Schloß verlieh. Hn den Schläfen pochte es als sollte ihm der Kopf zerspringen, die Stirne brannte ihm wie Feuer und aus der Tiefe seiner Brust kam ein Ächzer. Der Park war nicht beleuchtet und ohne sich darum zu kümmern, daß er sich den Kopf an einem Baumstamme in der Finsternis zerschmettern könnte, rannte er weiter, plötzlich erklang ein derber Fluch vor ihm. Er war wirklich mit jemand zusammengestohen. Der eigentümlich fremdländische Klang dieser Stimme fiel ihm auf. Äo- tinsky hakte sie schon einmal vernommen. „He, wer ist da?- stieß er rauh hervor. Aber es er folgte keine Antwort und der Kunstreiter vermochte auch niemand zu bemerken. Tiefe Rächt umgab ihn. Der Nachtwind schüttelte die Bäume des Parks. Aorinsky kümmerte sich nicht weiter um den Mann, der hier vor dem Schlosse mit ihm zusammenstieh, sondern stürmte weiter auf seinem Wege. s. Sapikeü .mMWck Liebeswachen. Der Brand im Schlosse Randeck hakte eine nicht ge ringe Ausdehnung angenommen. Die wenige Diener schaft, welche am Platze war, vermochte nicht Herr des gefräßigen Elements zu werden und bis aus umliegenden Dörfern Hilfe kam, hatte das Feuer bereits mehrere Ge ¬ mächer ergriffen. Die vorhandenen Leute arbeiteten mit Anspannung aller Kräfte. Die ersten, welche am Platze erschienen, nachdem die Feuerzeichen bemerkt wurden, waren Graf Leo und seine Leute, welche sofort tätig mit eingriffen. Ein Teil der Mannschaft suchte das Feuer zu be kämpfen, ein andere Teil räumte die noch zugänglichen Gemächer aus. Der Baron war weit mehr gefaßt, als man von ihm eigentlich erwartet hatte. Er gab sogar mit ruhiger, energischer Stimme seine Anordnungen. Als aus den Dörfern die Feuerwehr endlich ankam, und in Aktion trat, durfte man hoffen, den Brand zu beschränken. Es wurde die ganze Rächt gearbeitet und gegen Morgen war die Gefahr, Schloß Randeck könnte gänzlich ein Raub der Flammen werden, beseitigt. Mehrere Zimmer waren ausgebrannt und teures Möbelement zerstört worden, doch blieb ein Teil des Par terres und der erste Stock unversehrt. Baronesse Linda beteiligte sich an der Bergung und Beaufsichtigung wertvoller Objekte selbst, und der Baron muhte staunen über den Eifer, welchen sie dabei ent wickelte. Randeck hatte ja keine Ahnung, dah sie mit dem Brande in nahe Verbindung gebracht werden konnte. Er kam auch nock nicht recht dazu, darüber nachzudenken. «-S wer es wohl gewesen, der das Feuer legte und ihn bc» rauben wollte. Bertram hatte ihm allerdings davon g<> sagt, daß er einen Mann aus dem Fenster hatte springeri sehen. Die Gestalt war jedoch von Rauch und Qualm so um» hüllt, dah er nichts Genaues unterscheiden konnte. Er» kannk war Rudhard von dem alten Diener jedenfalls nicht worden. Unter denen, welche sich am eifrigsten bei der Lösch arbeit beteiligten, tat sich gerade Franz Rudhard hervor. Oft drang er mitten in die brennenden Gemächer ein, um noch zu retten, was noch zu retten war, ungeachtet der Brandwunden, die er sich dabei holte. Eine wilde Entschlossenheit beseelte ihn. Man muhte ihn sogar gewaltsam zurückreihen, als er in ein Parterre zimmer noch dringen wollte, dessen Decke unmittelbar da rauf einstürzke. In seiner Erregung wäre ihm auch nichts daran ge legen, wenn er unter den Trümmern sein Ende gefunden hätte. Die Baronesse sah er wohl. Sie hakten einen kurzen Blick gewechselt. Riemand stand gerade in der Rähe. Der Feuerschein beleuchtete sie scharf, rote Lichter zuckten über ihr Antlitz, welches in diesem Augenblick aber einen drohenden Ausdruck zeigte, den Rudhard gleichwohl nichk recht deutete. Er wollte auf sie zukreken, da traf ihn ein Blitz ihrer Augen, haszersüllt und abweisend. Gleichzeitig erschienen auch Leute, die sich zwischen die Beiden schoben und sie trennten. Im Laufe der Rächt hakte Rudhard keine Gelegenheit mehr, sich Helene zu nähern, doch er sah mit mildem Toben in der Brnst, daß sicti die Baronesse beständig da zeigte, und zwar von der besten Seite, wo sich Graf Leo aufhielt.