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Finarrzminister, er werde für fünf Jahre die Grundsteuer «rlaffeu für Weinland, aus dem zu anderen Kulturen über- D«Gaug»n wird. Hierauf wurde die GeaeraldtSkusston g«- schloffen. England. Im Unterhaus erklärte in Beantwortung ytner An- ffrqge bezüglich der Verhandlungen, welche gegenwärtig -wischen der russischen und der englischen Regierung ge führt werden, Staatssekretär Grey, er sei nicht imstande, jetzt eine Erklärung abzugeben. Die in Erörterung be findlichen Fragen ständen in Zusammenhang mit der in dischen Grenze. Ter Konservative Mitchell Thomsvn stellt hie Anfrage, ob die zugunsten TeutschilanM an dem Zoll- Laris der Vereinigten Staaten von Nordamerika vvrge- vornmenen Abänderungen aus Grund der Meistbegünstig- vngrklausel auch auf Großbritannien ausgedehnt wür den. Staatssekretär Grey erwidert darauf, er habe von der Regierung der Vereinigten Staaten die offizielle Ver sicherung erhalten, daß die in dem Handelsabkommen -wischen Deutschland und den Bereinigten Staaten vor gesehenen VerwaltungSwaßnahmen auch auf andere Län der anwendbar sein stfllen^ Tagegen bezögen sich die Maßnahmen betreffend die Beglaubigung von Spezial jagenten und deren Zusammenarbeiten Mit den Handels kammern, sowie die Anerkennung deÄ von den Handels kammern abgegebenen WertgutachteE als Maßgebend« Beweisstück speziell auf Deutschland. Die Regierung der Bereinigten Staaten sei aber durchaus bereit, sie auch jaus Großbritannien anzulvenden, sofern eÄ die Beding jungen Großbritanniens gestatteten, und wenn die bri tische Regierung eS wünsche Ter Staatssekretär fügt hin- -u, er sei mit dem HandelSamt in Verbindung getre ten, um Maßnahmen zu veranlassen, damit die. erlangten Bedingungen erfüllt werden.' ' ' Rußland. In Mitau wurde eins Bande von 18 Terroristen Verhaftet. In Toudangen an der Küste Von Kurland ist jein Lager von Pyroxilin, Tynamit und anderen Explosiv stoffen, sowie mehrere Bomben entdeckt worden. — In Domaszow (Gouvernement Lublin) wurde ein Gen- barmeriewachtmeister getötet., Infolgedessen sanden in allen Fabriken Untersuchungen statt. Biele Arbeiter wur den verhaftet. - Gras Witte erklärt in der „Nolvoje Wremja" die Behauptung eines französischen Journals) er habe dem Kaiser Wilhelm ein Schreiben über die Lage in Rußland Überreicht, für ein Hirngespinst. Tiass sei nur eine Ver leumdung, die aus' russischer Quelle stammie, veröffent licht in der Absicht, seine zukünftige Stellung dadurch zu untergraben. Witte schließt mit der Versicherung seiner unerschütterlichen Treue gegen seinen selbstherr schenden Zaren. Egypten. Aufsehen erregen in Egypten Enthüllungen über die Existenz geheimer Gesellschaften, die england-feindlicher Natur sind. Die Enthüllungen riefen in den nationa listischen Kreisen starke Erregung hervor, alle« wurde in Abrede gestellt. Indessen werden neue Tatsachen bekannt. So wird aus Alexandrien von einer Versammlung einer solchen geheimen Gesellschaft berichtet, deren Hauptgegen stand die Agitation gegen die Europäer und Christen, vor- uehmlich aber gegen die Engländer gebildet habe. Mit teilungen über ähnliche Vorgänge au« Ober-Egypten find auch an die Oeffentlichkeit gelangt; daraus scheint heroor- -ugehen, daß die geheimen Gesellschaften über daS ganze Land verbreitet sind. Guatemala. Der Generalkonsul von Guatemala dementiert die Meldung von der Ermordung deS Präsidenten Cabrera und erklärt, er habe von Cabrera ein Telegramm erhalten, -aß sich der Präsident ganz wohl befinde. Ehst»«. In Tieutsin hat die erst« ordentliche Gemeinde versammlung der deutschen Niederlassungsgemeinde statt gefunden. In dem Sitzungsbericht« wird auSgesührt, daß die wirtschaftliche Lage der jungen Gemeinde sich im ab gelaufenen Jahre recht günstig gestaltet habe.. Ter Hau», halt weist «inen Ueberschutz von Ü4S0 TaelS^ auf. — In Hauk au am Jangtse hat die Feier der Grundsteinleg ung für das Rathaus der deutschen Niederlassung statt gefunden. 25 Jahre ist eSi her, daß einige deutsche Fir men in der Erkenntnis, daß Hankau ein aussichtsreiche» Feld für ihre Unternehmungen biete, Zweignieder lassungen dort errichtet haben. Am 1. April 1906 hat die Gemeinde die Verwaltung übernommen. Unter denen, die die Grundsteinlegung durch drei Hammerfchlüge voll zogen, befand sich auch ein chinesischer Würdenträger, der in chinesischer Sprache dazu sagte: „Zur Ehre deS deutschen Namen»! Zur Blüte de» deutschen Handel»! Jur Festigung der Freundschaft!" Oertliches und Sächsisches. Riesa, »2. Juut 1907. — Die dritte Herkomerfahrt ist gestern mit dem Ziele Frankfurt a. M. beendet worden. Al» mut maßlicher Sieger wird der Benz-Wagen Nr. 19 von Edgar Ladenburg angegeben. — Sperlinge von Ktrschbäumen zu ver scheuchen. Ein einfache« und vorzügliche«, doch wenig be kannte« Mittel, Kirschbäume, Wetnspaliere usw. gegen die räuberischen Spatzen zu schützen, ist die Zwiebel. Man schneidet die Zwiebeln in der Mitt« durch und befestigt die Hälften hier und da am Geäst. Die Vögel haben «inen solchen Abscheu vor dem scharfen Zwiebelgeruch, daß sie di« betreffenden Bäume nicht mehr Heimzusuchen pflegen. — Ob« wahr ist? 8Z Dresden. Jndustrteritter, Juwelendtebe und Geldschrankknacker schlimmster Sorte machten Dresden zu Anfang diese« Jahre« in unerhört frecher Weise unsicher. Zwei der mit großem Raffinement arbeitenden Juwelen dtebe, der 1875 in Wtlhelminenort geborene Händler Karl August Lier und der au« Gottleuba gebürtige »Kaufmann- Karl Henninger wurden am Dienstag gefesselt der 3. Straf kammer de« Dresdner Landgericht« vorgeführt, um wegen eine« am 16. März d. I. auSgeführten großen Goldwaren diebstahls abgeurtetlt zu werden. Beide sind wiederholt mit Zuchthau« vorbestraft. Am 23. September 1904 ent- sprang Lier au« der Korrektton«anstalt Düsseldorf, arbeitete eine Zett laug in Luxemburg und Frankreich und lebte vom November 1906 unter mehreren falschen Namen in BreSlau. Auch während der Untersuchungshaft untemahm er einen verwegenen Fluchtversuch. Henninger verbüßte zuletzt in Greifswald eine längere Zuchthausstrafe. Am 16. März früh 3 Uhr hört« ein in der KesselSdorferstraße in Löbtau patrouillierender Gendarm einen gewaltigen Krach. Der Beamte ging dem Schalle nach und gewahrte, daß da« Schaufenster de« im Hause KesselSdorferstraße 10 befind lichen Goldwarengeschäft« durch zwei Ziegelsteine zertrüm mert worden war. Fast da« ganz« Auslagefenster war hierauf aulgeraubt worden. 63 goldene Ketten, 130 gol- dene Ringe, Amulette, Ohrringe und ander« wertvolle Gchmucksach« hatten die Diebe gestohlen. Ein Schaden von 3000 M. war dem ausgeplünderten Juwelier zuge fügt. Sofort nahmen Schutzleute die Verfolgung auf und e« gelang ihnen mit Hilfe von Straßenpaflanten, einen Einbrecher festzunehmen; es war Henninger. Eine große Anzahl von gestohlenen Schmucksachen wurden auf der Straße gefunden und dem Eigentümer zurückgegeben. Trotz dem blieben für 1500 M. verschwunden. Einige Stunden nach dem Diebstahl erschien bet einem Althändler ein Mann al« «Josua Rosenberg- und bot einige der gestohlenen Gchmucksach« zum Kauf au. Luch der falsch« „Rosenberg- wurd, gestellt und festgenommen, nachdem er einen Be amt« mit Erstechen bedroht hatte. I« Poltzeigefäugni« erkannte Henninger tm Bilde sein« Komplizen wieder. Merkwürdigerweise versuchte Henninger in der Hauptver handlung, den Mitangeklagten Lier zu entlasten und be hauptet, daß er d« Diebstahl zusammen mit einem Un bekannten ausgeführt habe. Lier sei nicht dabei gewes«. Schließlich legt« er aber ein umfassende» Geständnis ab und erzählt« di, Ausführung de» Diebstahls. Beide halt« vorher in Meißen, Kottbu» und Dresden DtebstahlSgele- genhett »auSbaldowtert-. Di« beiden schwer« Jung« verteidigt« sich mit seltener Geschicklichkeit und sucht« vor allen Dingen, bi« sehr bestimmt« Aussag« der Schutzleute als unwahr hiuzustell«. L» wurde aber fer ner festgestrllt, daß Vier, al« er nach de« Diebstahl flüch tig wurde, in Berlin, Elberfeld und Düsseldorf ein« Teil der geraubten Gchmucksach« verkaufte. Er wurde am 4. April in Dresden festgenommen. DaS Gericht verur teilt« Lier zu 6 Jahren und Henninger zu 4 Jahr« Zuchthaus, beide außerdem zu 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. 88 Dresden. Der ostfriesische Silberdieb Hedemann aus Norden stand am Dienstag vor der 3. Strafkammer der Dresdner Landgerichts, um sich weg« zahlreicher schwerer Einbrüche zu verantworten. Die Lebenswege dieses zweiten ManoleScu find recht interessant. Gr wurde 1881 in Norden in OstfrteSland geboren, er lernte den Schlosserberuf, kam aber schon zeitig auf Ab- wege. Im September 1906 verübte H. in Emden im Hause deS dortigen Bürgermeisters zwei verwegene Ein- bruchsdtebftähle, stahl für etwa 500 Mk. Silberzeug und Uhren, verkaufte einen Teil der Beute unter falschem Na men in Bremerhaven und warf den Rest aus Furcht vor Entdeckung in die Weser. Im November 1906 kam er angeblich mit guten Vorsätzen nach Dresden, machte hier die Bekanntschaft eine» jung« Mädchens aus guter Fa milie und entschloß sich zu heiraten. Nebenbei führte ManoleScu H. aber einen sehr leichtfertigen Lebenswandel, der bald seine Barmittel verschlang. Nm weiter dem Müßiggänge nachgehen zu können, ging er nun seinem alten Metier wieder nach und machte fortab die ganze Dresdner Bevölkerung unsicher. Mit unglaublicher Ver wegenheit, den Hut tief in das Gesicht gedrückt, mit Ditt- richen und Stemmeisen ausgerüstet, drang er in zahlreiche in dm Fremdenvterteln gelegene Dillen. In all« Fällen öffnete der Einbrecher die ZugangStüren mit Sperrhaken, er drang, wenn er vorher keine Leute entdeckte, bi« in die Echlafgemächer der Dtllenbewohuer und erbrach alle Be hältnisse. Insgesamt mochte er etwa für 3000 M. Silber zeug gestohlen hab«. In einer Villa auf der Gtübelallee erbeutete er allein für 1400 M. Einige Wochen laug verwahrte Hedemann die Beute in seiner Wohnung, dann setzte er stch mit dem hiesigen Goldschmied Seifert in Ver bindung, der dann mit dem Verbrecher ein Kompromiß schloß und daS Silberzeug für einen Spottpreis erwarb. Seifert stand deshalb wegen gewerbsmäßiger Hehlerei ebenfalls unter Anklage. Er wurde zu 2 Jahren Zucht haus, 10 Jahren EhrenrechtSverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt, während der Silberdteb, in dessen Wohnung man bei seiner am 9. April erfolgten Ver haftung noch für 1000 M. Etlberwaren und einen mit sechs Patton« geladenen Revolver fand, 6 Jahre Zucht haus und ebenfalls Ist Jahr« EhrenrechtSverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht erhielt. Dresden. In dm westlich« Vororten Dresdens suchte dieser Tag« auf eigentümliche Weise «in Deserteur deS 177. Jnfanterie-RegimmtS sein Dasein zu fristen. Am Freitag früh gegen 8 Uhr erschien in der Wilhelms burg bei Cossebaude ein Unteroffizier und teilte dem Be sitzer deS Etablissement» Her« Hohnstein mit, er verließe > Verstoßen. , Roman von Ediths v. Welten. 44 „Darf ich etwa» Arak in den Tee tun?- fragte da» junge Mädchen teilnahmsvoll. Er neigte zustimmend den Kopf, und al» er nun die Taffe pu» ihr« Händen entgegennehmen wollte, berührten sie sich, sein Zittern verstärkte sich, die Tasse entfiel ihm und zerbrach in Scherben. > »Eine Tasse, schnell!" herrschte Frau von Geibel Gertrud an. Sie nahm ihr dieselbe ab und reichte sie selbst ihrem Gat ten ; er trank gierig und e» schien ihm gut zu tun. »Wa» werden Sie nun von meinen Nerven denken!- ver suchte er jetzt zu scherzen. »Ich muß mich wirklich schämen, baß ich sie nicht mehr in meiner Gewalt habe. Jetzt ist e» vorüber. Aber mein Arzt hatte recht. Zehn Jahre lang «inen Rennstall zu haben, das^miniert die Gesundheit." »Du siebst also, wie richtig e» von mir war, daß ich auf einer Veränderung bestand," sagte seine Gemahlin. »Hier, wo diese Aufregungen fortfallen, wirst Du Dich bald wieder kräftt- gen." Sobald stch Herr von Geibel genügend erholt hatte, brach man auf. Seine Frau verabschiedete sich sehr herzlich von dem alten Herrn, nickte sogar Friedrich freundlich zu, für Gertrud hatte sie jedoch keinen Blick oder Gruß. Magda zeigte stch um so wärmer gegen Gertrud. »St« dür fen mich die Unfreundlichkeit der Mama nicht entgelten lasten, «sie hat so ihre Launen," strgte sie. „Aber ich mache e» ebenso, und ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, Sie reizend zu finden und Ihnen gut zu sein. Wa» Mama dazu sagt, ist mir gleichgültig, und wenn Sie mich steif und kalt behandeln, so reizt mich da» um so mehr. Meinen Willen muß ich haben." »ES lohnt stch nicht der Mühe, die Eie stch nm eine so un- .Hebeutende Persönlichkeit, wie ich bin, geben," sagte Gertrud. -Die Beurteilung behalte ich mir selbst vor," entgegneteMagda tmd ergriff Gertrud» Hand, um sie zu schütteln. Max' Auge ruhte auf den beiden Mädchen, wie sie so neben einander standen und einen Gegensatz bildeten, wie er kaum grü- ßer gedacht werden konnte. Gertrud, hoch und schlank gewach- ken, mit dm feinen, regelmäßigen Zügen, auf denen bet aller Lteblichkeitdvch ein Hauch tiefer Schwermut lag, mit dm dunk ¬ len, fest und ruhig blickenden Augen und dem energischen Kinn, dem edelgeschnittenen Mund, mit dm roten, schön geschwunge nen Ltppm, mußte den Blick, der stch ihr zugewandt hatte, in Be wunderung feste!«. Magda wa. Nein und zart gebaut, von nervöser Beweglich, leit, ihrer Gestalt fehlte Anmut und Rundung, nur die dunklen, blitzenden Augm, bi« da» einzige Anziehende in dem gelblichen, chorf auögeprägtm Gesicht bildeten, und de« volle, etwa» sinn liche Mund deutete an, wie jung sie war, und verrieten dm in ihr pulsierenden ungestümen Lebensdrang. Sie war mit großer Eleganz in eine duftige, zarte Sommer- toilette gekleidet, während Gertrud tn ihrem einfachen, grauen Anzuge mit dem schlicht gescheitelten Haar ganz gegen sie zu- rücktrat und sie doch wieder so sehr überstrahlte. Zum erstenmal fiel dem beobachtenden Blicke Max' von Wan gen der hohe Liebreiz de» jungen Mädchen» auf, in dem er bisher nur die treue und zuverlässig« Pflegerin gesehen hatte. Wo hatte er nur seine Gedanken gehabt! Sie war ja eigentlich eine Schönheit, allerdtng» nur für den Kenner, der diese Fein- hetten zu würdigen verstand. Nie war ihm Magda dagegen so wenig vorteilhaft, ja abstoßend erschienen; warum hatte da» Schicksal diese beiden Mädchen nicht ander» gestellt! Ein tiefer Atemzug, der fast wie ein Seufzer klang, schreckte ihn au» seinen Betrachtungen auf. Herr von Geibel, der die kleine Gruppe gleich ihm beobachtet«, hatte ihn au»gestoßen und wandte sich nun an ihn. „Wollen Sie der jungen Dame in meinem Namen für Ihren Beistand danken?" sagte erhastig.„wteheißtstedoch? Ich habe ihren Namen bei der Vorstellung überhört." „vielleicht wurde derselbe auch gar nicht genannt," entgeg nete Max. „Sie heißt eigentlich nur Fräulein Gertrud, einen Baternamen besitzt st« nicht, ihre Mutter hieß Lenker. Sie ist zu bedauern, denn ein guter Name und makellos« Geburt sind doch die höchsten Güter., Am andern Tage fand sich Max von Wangen im Schloßgar- ten bei seinem Vater ein, etwa» noch nie Dagewesene», denn sein Verkehr mit diesem war ein sehr beschränkter, und von beiden Seit« lag kein Bedürfnis zu ein« innigeren Gestaltung des selben vor. Er kam, wie er sagt«, um sich zu erkundigen, wie -em Krank« die Unterbrechung seine» Stilleben» bekommen war. erhielt einen kurzen und nicht allzu gnädigen Bescheid von die sem und nicht viel Erinuttgung, die begonnene Unterhaltung fort zusetzen. Dennoch ließ stch Max nicht zurückschrecken, sondern wandte sich nun von dem Patienten an die Pfleaerin, um mit dieser «in Gespräch anzufangen. Nach einigen gleichgültigen Bemerkungen sagte er plötzlich : „Mir ist erst jetzt klar geworden, wie eigen nützig wir eigentlich handeln. Während mein armer Vater stch in vorzüglicher Pflege befindet, entbehren Sie alle». Wird Ih nen Ihre Einsamkeit nicht fast unerträglich?" „Ich habe ja eine Pflicht zu erfüllen," entgegnete Gertrud einfach. „Allerdings, aber selbst da» Bewußtsein, die» in so ausgezeich neter Weise zu tun, kann Ihrer Jugend nicht Ersatz für alle Entbehrungen bieten," sagte er. „Ich vermute, Sie lesen viel zu gern!" „So viel e» mir die Verhältnisse erlanben," erwiderte sie. „An Zeit konnte e» Ihnen kaum fehlen." „Aber an Büchern,- meinte sie lächelnd. „Da» hat da» Gute, daß ich mir gründlich aneigne, wa» mir erreichbar tst." „Darf ich einen Blick in Ihre gegenwärtige Lektüre tnn?" fragte er. „O, daran ist nicht» auszusetzen, ich studiere Herder» Werke,- sagte Gertrud und hielt ihm den sehr altmodischen Band hin, in dem sie gelesen hatte. -Ist Ihr Geschmack so ganz auf da» Klassische gerichtet, mein Fräulein?" spottete er. „Modernes wäre mir lieber," bekannte sie ehrlich,„aber mein« Auswahl darin ist sehr beschränkt." „So gestatten Sie mir, diesem Mangel abzuhelfen, metnePri- vatbibliothek ist reichhaltig und ich stelle sie gern zu Ihrer Der- fügung. Darf ich Ihnen einige gute Bücher schenken?" Gertrud errötete vor Vergnügen; ein großer Wunsch war ihr hierdurch erfüllt. Auch tat ihr die Art wohl, tn der Max von Wangen mit ihr sprach. Bisher hatte er nur wenige, ge schäftsmäßige Worte mit ihr geivechselt und immer hatte er al» der Vorgesetzte zur Untergeben« gesprochen. Sie hatte sich be müht, da» richtig zu finden und ihren rebellischen Stolz zu be schwichtigen, aber e» hatte sie doch gekränkt und verwundet^Heut« behänd,üe er st« zum erstenmal al» Dame 441,20