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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. IM. Sonnabend, 4. Mal 1807, abeudS. 60. Zahrg. SttmmnngSbild a«S dem Reichstage. «gen« Bericht. 8. Berlin, 3. Mat 1907. Ja Erwartung d« K»l»»taltzeb«tte ist da» Hau» gut besetzt. In der Diplomatenloge steht maa den greisen Bat« Dernburg» und sein« Gemahlin, deren Blicke wohlwollend aus dem Staatssekretär Dern burg ruhe«. Kurz nach Eröffnung der Sitzung finden sich auch Gras PosadowSky, Tschirschky und Herr Krätke ein, der ab« nur die Abstimmung über die Resolutionen zum Postetat, welch« die heutige Sitzung einlettet, abwartet und daun mit seinem Stab verschwindet. Die Resolu tionen werden angenommen, die, betreffend «ine Ostmarken zulag«, in namentlicher Abstimmung mit 188 gegen 149 Stimmen. Ohne Diskussion wird der Etat der Reichs- Militärgericht» bewilligt und dann zur Hauptsache geschrtt- ten, zum Kolonialetat. Der Etat der Schutzgebiete wird gemeinschaftlich mit dem de» ReichSkolonialamteS zur Diskussion gestellt. Her: Spahn «öffnete sie. O welche Linderung d« Dinge! Resignation in jedem Satze. Nicht» von der Erzbergerschen OppofittonSfteudigkeit. Hertlingsche Staatsklugheit. Posa liest Zeitung, Dernburg läuft ge schäftig hin und her; nur der Oberstleutnant Quade in Tropenuntform, et« echt germanischer Recke, hört den schwer verständlichen Ausführungen Spahn« zu, der sich über Kolonialfragen, da» MisfionSwesen und die Eisenbahn- Politik verbreitet. Eine Wohltat für die Gehörsorgane ist im Gegensatz zu Spahn d« Freisinnige Dr. Wtemer. Seine Freunde würden dem RetchSkolonialamt zustimmen, um eine intensivere Erschließung des wirtschaftlicher? Werte« der Kolonien zu erwirken. Nur wünsche er, daß der kauf männische Geist über dm bureaukratischen siegen möchte. Die Angliederung der Schutztruppe an da» Kolonialamt sehe er nicht als.Kolonialarmee- an. Eine solche^würden sie auch in Zukunft ablehnen. Seine Freunde würden eine verständige Kolonialpolittk fördern. Al» der Reichs- varteiler Linz mit einem Wort für die rheinischen Mis- swnen eintrttt, verläßt Molkenbuhr, der in Elberfeld unter- legene und in Glauchau wiedergewählte Sozialist, gewiß in tiefem Groll, den Saal. Sein Freund Bebel spricht nach Linz. In galgenhumorvoller Weise vertritt « den ablehnenden Standpunkt der Sozialisten. DaS veranlaßt den Grafen PosadowSky sein ZettungSblatt zur Seite zu legen und warm für den Staatssekretär einzutreten, der die lleberarbeit der Fürsten Bülow mittragen helfen sollte. Die von Bebel vorgetragenen finsteren Neben absichten mit der Truppenstärke seien phantastisch. Solche Leußerungen seien nur dazu angetan, im Auslands unbe rechtigte Unruhe hervorzurufen. Aus seinen eigenen Er- fahrungen konnte der nationalliberale Dr. Arning in seiner Jungfernrede sich über unsere Kolonien äußern. Er war in der Schutztruppe für Ostafrika praktischer Arzt und unternahm große Reisen nach Kleinasien und Afrika. Seine im ErzShlungSton gehalten« Rede interessierte da» Haus sichtlich. Trotzdem bot der Konservative v. Richt- Hofen angesichts der Geschäftslage sich auf kurze Erklär- ungen zu beschränken. Auch er erhofft viel von den Stu- dienreisen der KolontaldirektorS, dem sein Borredner mit auf den Weg gegeben hatte: „DaS Schiff trägt Dernburg und sein Glück". Unter- großer Aufmerksamkeit nimmt der Kolouial- dtrektor selbst dar Wort. Mit den Händen in den Hosentaschen, die Schöße des Gehrocke» zurückhaltend, sodaß die weiße Weste in den Saal neugierig hineinschauen kann, antwortete er zuerst etwas stockend, dann aber in dem kräftigen Redefluß, der vor der Auflösung de» Reichstage« so wohltuend gewirkt hatte. Die Kolonien seien nicht politische Werkzeuge der Macht Deutschland». Man beab sichtige, die Kolonien wirtschaftlich und kulturell zu heben. Die neue Organisation der Schutztruppe sei notwendig ge- worden, weil die alte versagt hat. Daß die »Kolonial- arme«" ein Phantastegebilde sei, gehe darau» hervor, daß die Schutztruppe» von 12060 Mann aus 7000 verringert worden wären. Er wünsche eine friedliche, kulturelle und kommerzielle Entwicklung der Kolonien, vor einem über- großen Gtsenbahnprogramm solle man sich nicht fürchten. E» könne in einem Monat höchstens 1 km gebaut werden. Mit Dankbarkeit erkenne er an, daß da« HauS nicht auf di« Kolonialskandale eingegangen sei. Er wollt nur be merken, daß die Anschuldigungen Bebel« gegen den Haupt- mann Dominik von A bis Z erfunden seien. Der kauf männische Geist müsse mit der Bureaukratie Hand in Hand gehen. Er vergleiche die Kolonien mit einer Eisenbahn. Die Schienen, den festen Unterbau des Staate«, bilde die Bureaukratie. Die falschen Weichen seien der AffeffortSmu», und die Steigerungen und Krümmungen bildeten die subalternen— Verordnungen. Den kaufmännischen Geist werde er nicht verleugnen, aber der feste Unterbau sei am notwendigsten. Wie Herr Dernburg gegen die Antikolonisten im allgemeinen, so war der Freisinnige Müller- Meiningen gegen Herrn Bebel im besonderen recht wirksam. Die Freisinnigen würden das Land, auf dem Ströme deutschen Bluter geflossen seien, niemals aufgeben, auch wenn sie sich gegen eine uferlose Kolonialpolittk wenden. Mit Herrn Müller-Meiningen ist schlecht Kirschen essen. Hieb auf Hieb saust auf den Gegner herab. So fertigte « die Sozialdemokratie unter dem Jubel des Hauses gründlich ab. Und wenn auch Herr Ledebour blitzschnell die Treppe htnaufhopste, um seinen Freund zu verteidigen, er schwächte den guten Eindruck nicht ab. Dafür griff er wieder einen Herrn „Meyer" an, für den dann der Kolontaldtrektor noch eine Lanze brechen mußte. Ein Schlußantrag, gegen die Sozialdemokraten angenommen, eine recht laute und derbe „persönliche Bemerkungsdebatte" und dem „Herrn Staatssekretär" wurde daS Gehalt, be- willigt. Dernburg wird vielfach, zuerst von Herrn v. Loebell, beglückwünscht. Seine Frau oben in der Loge schmunzelte. Sie wird, wenn sie nicht bester ist, als die anderen Ver treterinnen des Ewigweiblichen, gewiß zuerst dem — Dienst mädchen von dem neuen Titel Kenntnis geben. Tagesgeschichte. Deutsches «eich. Anläßlich de» Geburtstages des Fürsten Bülow fand vorgestern abend im ReichSkanzlerpalais ein Diner statt, welcher der Kaiser durch seine Anwesenheit auSzeichnete. Minister Freiherr v. Aehrenthal hat gestern abend die Rückreise von Berlin nach Wien angetreten. Mit dem Dampfer „Admiral" trafen aus Swakop mund ein Engländer Shenan und der Amerikaner Lewis in Hamburg ein. Beide halten in Karibik in Deutsch- Südwestafrika einen gemeinschaftlichen Bankraub verübt und wurden deshalb zu je fünf Jahren sieben Monaten Zuchthaus verurleilt. Sie sollen die Strafe in Celle absitzen. Der Pariser „Malin" hatte die Unverfrorenheit be- festen, mehrere deutsche Zeitungen wegen Beleidigung zu verklagen, weil sie einem scharfen gegen Deutschland ge- richteten Artikel de» Pariser Blatte» in entsprechendem Tone entgegengetreten waren. Mit der Klage gegen die „Münchener Neuesten Nachrichten" und gegen die „Ham burg« Nachrichten" ist der „Matin" schon vor einiger Zeit abgefallen. Außerdem hatte der „Matin" auch noch gegen die „Kölnische Zeitung" geklagt und er hat in diesem Falle nicht nur gegen den verantwortlichen Redakteur der „Köl- nischen Zeitung" Prtvatklage «hoben, sondern auch gegen den Chefredakteur und die Verleger des Blattes. Fern« hatte er gegen die genannten Personen eine Schadenersatz klage in Höhe von 40 000 Mark angestrengt. Die Straf kammer in Köln hat am 17. Februar 1906 die sämtlichen Beklagten mit Ausnahme de» verantwortliche« Redakteur» außer Verfolgung gesetzt und daS Kölner Landgericht hat die Schadenersatzklage am 6. Februar 1907 adgewiesen. Nunmehr hat der „Matin" die gegen den verantwortliche« Redakteur noch anhängig gebliebene Privatklage — weil offenbar aussichtslos — zurückgezogen, so daß das Ver fahren gegen diesen ebenfalls eingestellt wurde. Der schäbige Feldzug des „Matin" gegen die deutsche Presse ist also auf da« kläglichste mißglückt. Was haben uns unsere Kolonien bisher gekostet? Einem Wunsch der Budgetkommission entsprechend hat d« ReichSschatzsekretär dem Vorsitzenden dieser Kommission nunmehr eine Zusammenstellung der gesamten, bisher für unsere Kolonien gemachten Ausgaben zugehen lasten. Hiernach haben unsere Schutzgebiete bis zum Schluffe deS Rechnungsjahres 1906 in runden Zahlen erhalten: Ost afrika 91 Millionen, Kamerun 25*/., Togo nicht ganz 4, Südwestafrika 94, Neu-Guinea 7, die Jnselgebiete 2*/„ Samoa 1,4, Kiautschou 102 Millionen. Die genaue Ge samtsumme für alle Kolonien beträgt 227863000 Mark. Hierzu kommen dann ab« noch der Betrag, den das Reich seinerzeit für die Abteilung der Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln an Spanien bezahlt hat, in Höhe von 20 Millionen und sodann die Kosten für die Niederschlagung der Aufstände in Ostafrika mit 3»/, Millionen Mark und in Südwestafrika mit 640 Millionen Mark. Das sind im ganzen mehr als 890 Millionen Mark. Aus der Umgebung des Barons v. Aehrenthal wird dem' B- T. slolgepdes! mitgeteilt: Bei den Berat ungen in Berlin ist ein Ergebnis erzielt worden, das, wie auch schon vor der Reise erwartet war, vollem? befriedigend ist. Von der leitenden Stelle in Wen ha», man gleich von Anfang an die Situation zuversichtlich betrachtet und sich nicht durch das Stimmengewirr der europäischen öffentlichen Meinung beirren lassen. Tie ruhige Haltung der deutschen Verantwortlichen Stell« hat die österreichisch-ungarische Diplomatie in dieser Auffassung noch fester gemacht. Nun, nach den Berliner Konferenzen kann Freiherr v. Aehrenthal in Wien die höchst erfreuliche Meldung erstatten, daß man der Ent wicklung der Tinge ruhig entgegensehen könne. Nach alledem ist sowohl für den Verlauf der Haager Kon ferenz, als auch für die beabsichtigte Reise des Barons v. Aehrenthals nach Italien ein günstiges Horoskop zu stellen. Madrider Blätter bringen angeblich aus Kamerun stammende Nachrichten über eine Verletzung spanischer! HoheitMechte durch deutsche Truppen, Anfang März seien deutsche Soldaten von der Kameruner Schutztruppe in spanisches Gebiet eingedrungen und hätten spanische Flag gen weggenvmMen. Tie Madrider Blätter forderten die spanische Regierung auf, diplomatische Borstellunaen des wegen zu erheben. Riederlande. In den Sektionen der niederländischen Kamm« wurde der Kredit für den Empfang der Friedenskonferenz beraten. Der Gedanke einiger Mitglied«, die Niederlande Zirkmnstiimneii. Roman von Richard Walkh 44 Liebe und Ehe in dem Sinne wie viele junge Leute schwärmten, waren ja nur phantastischer Blödsinn, in den er sich nie einlaffen wollte. Er zog eine Iigarettenkasche aus seinem Rock und offerierte den Damen. Dadurch wurde dann wenigstens das Gespräch mied« auf andere Bahnen gelenkt. „Darf ich bitten von den Zigaretten nehmen zu wollen? Es ist sehr leichtes Fabrikat, das den Damen gewiß gut bekommen wird." - Schwaninger wußte, daß junge Mädchen ost leiden schaftliche Zigarettenraucherinnen sind und glaubte daher keinen Kork zu «halten. Wenn die beiden Schwestern wahrscheinlich auch noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich an das Rauchen zu gewöhnen, so konnten sie vielleicht der Versuchung doch nicht widerstehen, es zu versuchen. Und von Tabakwolken eingehallt vlauderk es sich viel ge mütlich« die Menschen treten mehr aus sich heraus und taffen ihre Rebenmenschen Blicke in ihr Inneres tun. Und da» war es, was « wünschte. Er wollte Hedwig ganz kennen lernen wie Ne dachte und empfand. Bis jetzt hatte « sich vor ihr geschlagen geben müssen, « wollte ab« den Boden mied« zurück gewinnen, auf dem « hatte weichen müssen. Paula lehnte die Zigaretten freundlich dankend ab, Hedwig jedoch griff nach dem Etui und nahni sich eine heraus. „Denn es wirklich leichte» Fabrikat ist und andere es «tragen können, wird es wdhl auch mir nicht schaden," sagte sie leichthin und steckte die Zigarette an dem ihr von Schwaninger höflich dargereichten Streichholz an. Nachdem sie einige Züge getan hatte, nickte sie befriedigt. „Wirklich nicht Übel! Wir haben im Pensionat einmal verstohlen einige Zigaretten getaucht, die waren bedeutend nicht so —. k. ^hr^en. Herr Schwaninger." „Es freut mich, daß sie Ihnen munden! Ich bin zwar auch kein Gewohnheitsrauch«, dock hin und mied« muß ich meine Zigarre oder Zigarette haben; das besänftigt und beruhägt die Nerven." „Wenn Du nur nicht krank wirst!" warnte Frau Hell wig ihre Tochter. Sie war froh, endlich auch wiederein mal zu Wort kommen zu können. Von dem, was bis jetzt geredet worden war, halte sie sogut wie nichts ««standen. „Machen Sie sich darüber nur keine Sorge!" beruhigte sie Schwaninger. „Die Zigaretten sind fast ganz nikotin frei imprägniert, sodaß sie selbst der schwächsten Konstitution nichts schaden würden und die hak Ihr Fräulein Tochter wahrlich nicht." „Soll das ein Kompliment für mich sein?" fragte Hed wig lustig. «Bewahre! Ich mache überhaupk nie Komplimente, sondern sage lieb« frei heraus, was ich mir denke." „Wirklich? Nun, dann sagen Sie Mir aufrichtig, welche Meinung Sie von mir haben?" „Dazu kenne ich Sie noch zu wenig, um mir ein Urteil üb« Sie erlauben zu dürfen," wich « aus, ärgerte sich ab« innerlich üb« Ihre Schlagfertigkeit, mit d« sie ihn imm« wied« in die Enge zu treiben wußte. Er mußte lmm« mehr erkennen, daß sie in ihrem Denken nicht das Kind war, für das <r sie anfangs anzusehen gewillt ge wesen war. „Ich kenn« Sie auch nicht länger wie Sie mich und doch glaube ich, daß ich mit meinem Urteil über Sie bereits im reinen sein darf," «klärte das Mädchen. Schwaninger sah sie mit seinem durchbohrenden Blick an, dem noch wenig Frauen Stand zu halten vermocht hatten, d« ab« bei Hedwig ganz und gar keine Macht hakte. „Und darf ich wissen, wie Sie üb« mich urteilen." Hedwig lieh ein Helles, klingendes Lachen «tönen. ^Ich will es vorerst für mich behalten, da Sie Ihre Meinung üb« mich ja auch verschweigen." ' Der Tee war getrunken und Kollmann brachte auf einen Wink seines Freundes Gläs« und eine Flasche Wein herbei. „Ich habe mir heute vorgenommen etwas splendid zn leben und ich bitte Sie, auch noch ein Glas Wein von mir anzunehmen." „Aber Herr Doktor, wir können doch nicht verlangen, das Sie sich unsertwegen soviel Mühe machen", wehrte Frau Hellwig. Ich muß mich doch gebührend revanchieren für Ihre freundliche Bewirtung gestern abend. Sie werden mir doch diese Freude nicht vergällen wollen?" Er goß voll ein und hell klangen die Gläser an ein ander. Der Wein tat bald seine Wirkung. Die Gespräche wurden lebhafter und zutraulicher. ! „Dars ich Sie bitten, uns etwas spielen zu wollen?" wandte sich Kollmann fragend an Paula. Sein Blick schweifte zärtlich über ihre Gestalt und blieb aus ihren feinen, schmalen Fingern haften, die wie geschaffen waren, um über die Tasten hinzugleiten. Der Architekt befand sich in einem freudig «regten Zustande. Im Gespräch mit Paula hakte er ihren «nsten, schönen Lharakt« noch mehr kennen gelernt. Alle Zweifel und Bedenken, welche ihn gequält hatten, waren geschwunden. Warum wollte er denn lange suchen, da ihm das Glück so nahe war? Mik Paula würde er glücklich werden, das sagte ihm sein Herz, ob auch mit ein« andern, die « nur um ihres Reichtums willen nahm, um seine ehrgeizigen Pläne ver wirklichen zu können? Rein, der Reichtum allein machte nicht glücklich, wenn die Leelenharmonie fehlte. Er hatte ja die Kraft seiner Jugend, um sich seine positiön Im Leben zu befestigen. Er brauchte den TNamon nicht, um den er seine Persönlichkeit verkaufen mühte. Keine andere als Paula sollte seine Frau werden und Freud und Leid mit ihm teilen. Mit dem scharfen Auge d« Liebe hatte « ja herausgefunden, daß auch er ihr nicht gleichgültig geblieben war.