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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: T. Langer in Riesa. Der 8iem iles Anstoßes. Roman von L. Jbrler. 22 „Ich sah, daß er wieder im Parke umherschlich, da bin ich ihm nachgegangen und kam gerade zur rechten Zeit. Dies war zuletzt das einzige Mittel, den Irrsinnigen zu verscheuchen, denn er ist körperlich sehr stark; hätte ich hn mit Gewalt aus der Tür bringen wollen, so hätte er ich am Ende widersetzt, und da er viel stärker ist, als ich, iel mir die Eule ein. Das Mittel Hilst doch immer,- schloß er lachend, „der Eulenruf muß eine gewaltig fatale Er innerung für seinen armen, verwirrten Kopf sein!" Dann trat Herr Krause auf Marianne zu, die noch immer wort los neben dem Sarge stand. „Gnädiges Fräulein haben sich wohl schon geängstigt?" fragte der treue Mann besorgt. „Kommen Sie, ich werde Sie zum Schloß führen, dies ist auch hier zu so später Stunde ein schlechter Aufenthalts ort für eine Dame." Ohne ein Wort der Erwiderung ließ sich die Schloß herrin aus dem Gewölbe hinausführen, der Inspektor er griff die Laterne und verschloß die Tür. Zitternd streckte Marianne die Hand nach dem Schlüffe! aus und seufzte erst erleichtert auf, als sie da» kalte Metall an ihrem Herzen fühlte. Schwankend schritt sie neben dem Inspektor her, oiHer wurde immer besorgter. „Darf ich ihnen den Arm anvielen?"', fragte er, „stützen Sie sich doch auf mich, Sie können ja kaum geben. Ich werde aber doch ein ander mal mehr auf Karl Eberhard austraffen, es darf nicht ge- Vtteu werden, daß er hier allein umherstreicht und die Damen jo erschreckt." Marianne nahm gern den dargo- botenev Arm, sie wußte, wie treu und zuverlässig der Mann an ihrer Seite war und dl« Nähe eine, treuen Herzen» tat ihr unsäglich wohl; aber dann wurde ihr dunkel vor den Augen und mit einem schweren Seufzer sank sie zu Boden. Glücklicherweise waren sie schon in der Nähe de» LMM» «tgelaugtr rasch entschlossen rief Krause einige vorübergehende Arbeiter an und die Bewußtlose wurde schnell in ihrem Schlafzimmer zur Ruhe gebracht. Kornette verlor die Fassung nicht, obgleich sie tief erschrocken und betrübt war; sie bemühte sich still und geräuschlos um die Leidende und dank ihrer treuen Sorgfalt schlug Fräulein Marianne bald wieder die Auaen auf. „Soll ich zum Arzt schicken?" fragte Krause. „Es gebt vorüber," erwiderte Kornette, „leider kenne ich diese Ohnmachtsanfälle schon, Tante hat sie öfters. Doktor Kurze sagt, sie gingen vom Herzen aus und wären nicht unbedenklich, sowie aber das Bewußtsein zurückkehrt, ist die Gefahr vorüber. Heute gebt es noch, wenn es sich nur nicht einmal schlimmer wiederholt!" setzte sie seufzend hinzu. „Das gnädige Fräulein müßte aber doch nicht des Abends spät so ganz allein m dem Grabe gehen," bemerkte der treue Beamte in bekümmerttchem Ton, „es regt sie aus und es ist schon für einen Menschen, der dem Toten fremd war, schauerlich. Wenigstens nicht mehr des Abends im Dunklem mit einer so unsicher leuchtenden Laterne." „Sie haben recht, Herr Krause," antwortete Kornette freundlich, „ganz recht und ich werde es meiner Tante noch einmal vorstellen. Ich würde ja natürlich mlkaehen, dann wäre sie nicht allein, aber sie wünscht meine Beglei tung bei diesen Gängen durchaus nicht." „Nun dann aute Nacht und gute Besserung!" wünschte der Inspektor uns verließ das Zimmer. Kein Wort kam über die Lippen des ehrenhaften Mannes, tief im Herzen aber dachte er; „Ist es nur Unglück, oder ist es auch Schuld, was sie zu verbergen hat? Gott helfe ihr!" Noch etwas angegriffen saß Marianne von Marlnihka am andern Nachmittag in ihrem Lehnsessel, aber sie war heiter und vergnügt. Ihr Blick ruhte zärtlich aus ihrer jungen Nichte; sie hatte es wohl.bemerkt, baß Kornette und der Baumeister sich verständigt hatten, aber die fein fühlende Dame fragte nicht, sie legte das Schwelgen de» jung« Mädchens auch nicht als einen Mangel au» Ber- Montag, 11. Miirz 1SV7, avkiids. 6V. Jahr». Stimmungsbild ans dem Reichstage. Eigener Bericht. 8. Berlin, 9. März 1907. Die heutige ReichStagSsttzung stand im Zeichen der Sozialpolitik. Nachdem die Interpellation über die Schiff. fahrtSabgaben zurückgestellt war, begründete der Kölner Justtzrat Trimborn, die Zentrumssäule auf dem Gebiete der Sozialpolitik, die Anfrage an den Reichskanzler, wie eS mit den Borlagen betr. die Rechtsfähigkeit der Berufs vereine, den kleinen Befähigungsnachweis, die Verschärfung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, die Maximal- arbeitSzett für Arbeiterinnen stehe. Die wenigen Abge ordneten, welche ihre Sonnabend-reife in die Heimat noch nicht angetreten hatten, scharten sich um den Minister für Sozialpolitik, wie sich Graf PosadowSky selbst stolz nennt, um die Antwort der Regierung zu hören. Die Aufgabe einer fruchtbaren Sozialpolitik sei, auS der Fülle großer Arbeitsgebiete eine- herauszugreifen und sich mit diesem ernstlich zu beschäftigen. Und diese ernste Arbeit erfordere mehr Zeit als die Drucll-gung einer Flut von soztalpolt- tischen Anträgen. Die Vorlagen über die Arbeitskammern, die Verkürzung der Frauenarbeit auf 10 Stunden würden dem hohen Hause in nächster, über den kleinen Befähigungs nachweis in dieser Session zugehen, da die Vorarbeiten abgeschloffen feien. Die Rede deS Grasen PosadowSky, von lebhaften Beifallsäußerungen begleitet, wurde in entschieden liberalem Sinne von Herrn Dr. Hieber, einem dem linken Flügel der Nationalliberalen angehörigen Gymnasial professor aus dem Württembergilchen, ergänzt, der eine gute soziale Reform auch ohne und gegen die Sozialdemo, kralle forderte. Die Sozialdemokraten hätten sich eigentlich an dem starken Beifall der Linken beteiligen müssen; sie schickten aber nach den konservativen Abg. Henning, der die Sozialreform etappenweise gelöst wissen will, den Gewerkschaftsführer Hoß vor, um beweisen zu lasten, daß alles Heil von der Sozialdemokratie käme, da es mit der bürgerlichen Sozialpolitik so langsam gehe, wie beim Ochsen die Milch komme: alle 17 Jahre ein Tropfen. — Inzwischen war e» fast 3 Uhr geworden und unter der Sehnsucht nach den häuslichen Penaten hatte die Anti-Warenhausrede deS Antisemiten Bruhn, der von seinen eigenen Freunden gebeten wurde, Schluß zu machen, sehr zu leiden. Alles war froh als er fertig war. Gegen den Vorschlag deS Präsidenten Paasche wurde beschlossen, Montag die Debatte fortzusetzen, da die Freisinnigen, Polen und „Wirtschaft. lichen" noch reden möchren. Weiter wird noch die Inter- pellation betr. Strafprozeßordnung den Reichstag beschäftigen. DaS Allerneueste auf dem Gebiete der Interpellationen ist eine Anfrage der Polen über die Gymnafiastenentlassungen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. rr Zur braunschweigischen Frage verlautet, daß die Behauptung, Preußen hätte in der Kandidatenfrage irgend welche Stellung in zustimmendem Sinne genommen, jeder Grundlage entbehrt. Wenn im Zusammenhang hier mit Prinz Max von Baden und Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg als besonder» aussicht-volle Kandidaten genannt werden, so wird demgegenüber von gutunterrichteter braunschweigischer Seite gemeldet, daß es sich dabet um eine haltlose Kombination handelt, da weder Prinz Max noch Herzog Johann Albrecht für die Regentschaft in Frage kommen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sowohl der Regentschaftsrat als auch ein erheblicher Teil der LandeSoersammlung die Wahl deS Prinzen Friedrich Wilhelm, jüngsten Sohne» deS verstorbenen Regenten Prinz Albrecht, für die beste Lösung der Regentschaftsfrage an- sehen. Zum Etat für daS ReichSamt der Innern hat das Zentrum den Antrag eingebracht, den Reichskanzler zu er- suchen, durch den Beirat für Arbeiterstatistik Untersuchungen veranstalten zu lasten über die Arbeiterverhältniste in den Walz- und Hüttenwerken und den dazu gehörigen Neben anlagen. Auf der Redaktion de» in Bochum erscheinenden pol nischen Blattes, deS „WiarukS PolSky", wurde eine Haus suchung vorgenommen, bei der etwa 350 polnische Karlen gefunden und beschlagnahmt wurden. k. In einer „Wahlbetrachtung über die So zialdemokratie" schreibt Professor Hans' Delbrück in den „Preuß. Jahrbüchern": „Es ist durchaus möglich, daß die Partei zahlenmäßig noch einmal einen Aufschwung nimmt, sie mag das! nächste Mal ihre achtzig Mandate wieder erlangen; aber selbst wenn es noch mehr wären, es würde niemand erschrecken, und es würde auch die Hoff nung der „Genossen" selber auf den Zukunftstaat nicht wieder zum Leben erwecken können. Alle Welt weiß heute, wie wenig tief schließlich die Wurzeln dieser Beweg ung im Volksleben sitzen, wie leicht der Wind diese an ¬ scheinend himmelanstrebenden Bäume umwirft; denn war etwa der SturM dieses Wahlkampfes, der den halben Wald niedergelegt hat, besonders stark? IM Gegenteil, die Be dingungen waren ungünstig, so ungünstig, daß die Sieger kaum selber auf einen wesentlichen Sieg zu hoffen wagten und durch die Größe ihres! Erfolges eben so sehr über rascht worden sind wie die Geschlagenen. Wo würden die Sozialdemokraten erst bleiben, wenn sie einmal einen wirk lichen nationalen Sturm zu bestehen haben?" — Vor kurzem hat Bebel im Reichstage über Delbrück gesagt: „Tas Urteil eines solchen Mannes steht Mir tausendmal höher als das des Reichskanzlers." Was sagt er jetzt? Nun, es wird auch nun der arMe Delbrück „verbebelt's werden. Tas Zentrum hat seinen famosen Gesetzentwurf be treffend die Freiheit der Religlonsübung, besser unter der ironischen Bezeichnung eines Toleranzantrages be kannt, wieder eingebracht. Ein Jubiläum der Kolonien! Unser Haüpt- quartier in Ostafrika, Dar es SälaM, kann am 25. Mai ein Jubiläum feiern. Zwanzig Jahre sind an jenem Tage verflossen, seitdem Hauptmann Leue auf der alten jetzt ausrangierten „Möwe" mit sieben europäischen Beglei tern nach Tar es SalaM kam, um hier eine Station der Deutschi-Ostafrikanischen Gesellschaft zu grün dem Ort und Hafen waren vollkommen verödet. Alle Straßen waren verwachsen und mit Gras und Gestrüpp bedeckt. Der Sul- tanspalast war verfallen. Ter Ort zählte 3—1000 Köpfe. Tie Bevölkerung bestand aus Arabern, Indern, Wasua- heli und Wangwana. Zur Verbindung der einzeftren Häu serkomplexe dienten schmale Negerpfade. Ueberall wim melte es von Schlangen, Skorpionen. Wenn heute der Gouverneur Freiherr v. Rechenberg sich durch Tar es Salam begibt, so tritt ihm deutlich vor Augen, welche; Wandlung sich in den zwanzig Jahren vollzogen hat. Die Stadt zählt heute 30000 Einwohner. Handel und In dustrie blühen. In deM Hafen herrscht regesLebeM Schiff«! kommen und gehen. Tie Kreuzer „Seeadler" und „Bus sard" schaukeln sich auf den Fluten unseres so vorzüglichen Hafens, die deutsche Kriegsflagge grüßt herüber. Auf den! Straßen von Tar es Salam, das ja ursprünglich MsisiMa! hieß, herrscht die größte Ordnung. Ueberall tritt Wohl habenheit sichtbar zutage. Tie Stadt hat heute 370 Steinhäuser und 2000 Hütten. Eine enorMe Bautätigkeit herrscht. Es geht also «freulicherweise Mächtig vorwärts, KIK8S6I' öaiik, gzupkii«. 62 im llamse ävs Herrn Lsiäler emxLedlt sioft »am Ullck Vtzrkrmk von Ltsatspaxieren, ksaackbriskea, Aktien rmck . sonstigen ^Vortpaxiorsn, rar LilliOMVK von ruftlbarea Ooupoos, OIvickeaZtzaseksiaea a. Zelssten Ltüokea, »ar VvrVLltttvK von ^Vertpspierea (UsbervaetumA von ^.uslosullZen, Ls- sorAMA Lsasr 2ms- irsr. DiviäöaäeaboZea us^r.), rar okkeaer aaä ßesollosseaer Depots, rar rar VvrmivlUllK von 8kckes-8efträakek«a rmtsr eigenem Versollass äer Nieter rar KvvMrUKK von Darlehen, rar LeuatruaZ ittrer k'irm» als VomlLlIsIvIIv aaä rar VisIlvKÜvrUUK von ^Veoksela, rar LrNTllUKK laakeacker Reolmrwxea mit rmä olms OdvK-VvrlLviir, simalmie von kioläerll rvr VorrmsunK m». - ... krauen gegen sich aus, sie wußte sich von Ihrer Verwandter^ geliebt und wartete In Ruhe, bis Kornette imstande sein würde, von dem zu sprechen, was dock» Ihr ganzes Herl erfüllte. Diese beiden Frauennaturen bedurften überhaupt weniger des Aussprechens als manche andern. Mariann« von Marlnihka schwieg Über vieles, was das Leben ihn gebracht. - -A?« Ein Wagen fuhr auf die Rampe vor dem Schloßporkrck- Kamelie blickte enpwr. „Besuch!" sagte sie, „aber ganz Fremde. Ein Herr und eine Dame, wer kann es smr?" Die Herrschaften stiegen ab, gleich darauf trat der Bsi diente mit zwei Karten ein, die er Fräulein Marianne präsentierte. „Louis Karmann, Rittergutsbesitzer auf Robertshöh," las die Dame lächelnd. „Therese Hamm.^ „Führe die Herrschaften in dm Salon, Hans, wir werden sofort kommm." r „Rittergutsbesitzer von Robertshöh!" rief Kornette be lustigt, „nun wird dieser ärmliche Bauernhof noch zum Rittergut! Wmn Herr Karmann mit solchen Ansprüchen an sein nmes Heim herankritt, wird das Vergnügen nicht lange dauern." „Wer ist denn nun aber Therese Hamm? Die Dam» kann weder eine Schwester, noch seine Frau sein!" fragte Marianne, auf die elegante Visitenkarte blickend. „Viel leicht seine Braut?" „Das wäre doch nicht paffend für ein Brautpaar, allein im Lande umherzufahren," antwortete Somelie, „außerdem sagte ja der Doktor, Herr Karmann sei Junggeselle. Viel-« leicht eine Verwandte, die ihm dm Haushalt führt." „Nun, wir werden ja sehen," meinte Marianne, und beide Damen traten verbindlich dm fremden Gästen ent-^ gegen. Herr Karmann war em noch junger Herr, kaum Milte Dreißig, sehr groß, sehr hager, mit einem bartlosem blaffen Gesicht und starkem hellblonden Laar, FräulÄn Hamm hingegen war klein und brünett, sehr lebhaft ^uxH wie es den Anschein hatte, leicht eiu wenig gereizt.)