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1. Beilage zirrn „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Mr die Redaktion verantwortlich: T. Langer in Riesa. H kW. Stimmungsbild aus dem Reichstage. Gtgeuer Bericht. 8. Berlin, 28. Februar 1S07. Heute großer Zentrum«tag! Die drei Fraktionlredner »er noch nicht zum Dort gekommenen Parteien hielten pm Teil Vortreffliche Vorträge. Herr Schrader über die nicht erfreuliche Finanzlage, Herr Zimmermann von der Reformpartet über die Handwerlerfrage, der Präsi dent de« Württembergtschen Landtage» Herr v. Payer, da Kämpfer für die liberalen Ttntgung»bestrebungen, über eine realisierbare liberale Politik. Aber fast die Hälfte l d« Abgeordneten stattete dem Sttzung»saale nur kurze I Men ab. Die treu ausharrenden Tribünenbesucher I Denen nicht auf ihre Kosten zu kommen. Da» lohnte Ich daß all« die Herrn Minister, wiederum mit Ausnahme Ide« Kanzler», auf ihren Polstern saßen und nicht' das Dort ergriffen daß Deruburg, immer wenn das Wort Kolonie fiel, aufblickte, und sich dann in tiefe» Schweigen füllte. Aber Basches Wort „Denn ersten» kommt e» ander» und zweiten» al» man denkt" feierte den Triumph der Wahrheit, al» der mit allgemeiner Spannung zur Rednertribüne geleitete schlagfertige und sattelfeste Zentrum», mann Gröber, ein Schwabe von reinstem Wasser seine Abrechnung mit dem Reichskanzler und der jetzigen nationalen Mehrheit halten zu müssen glaubte. Das muß selbst der Feind gestehen: Rein äußerlich war die Rede eine der rhetorisch vollkommensten, die wir in letzter Zeit gehört haben und ihr Eindruck ein guter, obwohl man au» jedem Satze herauShörea konnte, wie gut dem Zentrum der Oppo- fittonShafer bekommt. Mit einer Satyre, wie man sie bei einem Landgerichtsrat garnicht vermutet, zog er über da» konservativ-liberale Programm de» Kanzler» her und die roten und schwarzen Brüder lachten Thränen, wenn er an Gesetzesvorlagen illustrierte, wie wenig der neue Mehrheit»- bloc ein einige» Volk von Brüdern wird bleiben können. Ohne Bersteckspiel gaben seine Freunde unter dem demon strativen, von den Liberalen mit kräftigem Zischen beant worteten Beifall daS mephistofeltsche Wohlbehagen zu er kennen: „Hab ich doch meine Freude dran". Leider wird die herausfordernde Art, mit der er die Macht de» Zen trum» immer wieder betonte, die Gegner de» Kulturkämpfe» nicht vermehrt haben. Neben dem Redner hatte sich Dernburg postiert, mit dem Chef der Reichskanzlei häufig debattierend. Obwohl er mehrere Bogen mit No tizen gefüllt hatte, sprach er unter lautloser Ruhe kurz und Freitag, 1. MSrz 1867, abends. bestimmt, daß die Bewilligung der abgelehnten Millionen im Interesse der nationalen Ehre gelegen hätte. Und GrafPosadowrky sekundierte ihm mit der Feststellung einiger Berichtigungen. Nun hat der Reichskanzler das Wort. Man glaubt, Dernburg wird morgen, der Reiche kanzler Sonnabend antworten. Tagesgeschichte. Deutsche» «eich. Wie die „Boss. Ztg." mitteiU, steht ein Besuch des deutschen Daiserpaares am dänischen Hofe für den Mo nat Juli dieses Jahres in Aussicht', der vielleicht von längerer Tiauer sein wird, da Ihre Majestät die Kaiserin bisher noch nichit in Kopenhagen gewesen ist. Tier Kaiser besuch wird mit einer etwaigen Nvrdlandreise Sr. Majestät des Kaisers nicht in Verbindung stehen. In isländischen Kreisen erhält sich weiter ein Gerücht, wonach der Kai- ser die Absicht haben soll, bei Gelegenheit seiner Nord- landsfahrt einen Abstecher nach Island zu unternehmen; auch spricht man von einem Zusammentreffen des Kai sers Mit dem König von Dänemark auf der Insel. Tie Entscheidung des! BundesraiS in der braun schweigischen Frage ist, wie bereitss Lestern durch Fern sprechmeldung berichtet, erfolgt. Ter Bundesrat beschloß 1) die Ueberzeugung der verbündeten Regierungen dahin auszufprecheu, daß so lange Leine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland! oder ein Mit glied seines! Hauses sich in einem dem reichsverfassungL- mäßig gewährleisteten Frieden unter den Dundcsmit- gliedern widerstreitenden Verhältnisse zu dem Bundes staate Preußen befindet und Ansprüche auf Gebiets teile dieses Bundesstaates^ erhebt, auch die Regie rung eines anderen Mitgliedes des her zoglichen Hauses Braunschweig - Lüne burg in Braunschweig mit den Grundprinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung nicht ver einbar sei, selbst wenn dieses Mitglied gleichzeitig mit dem Verzichte der übrigen Mitglieder des''Hauses auf Braunschweig seinerseits für sich und seine Des zendenz Men Ansprüchen auf das^ frühere Königreich Hannover entsagt; daß demnach durch die dem Bun desrate vvrgelegten Erklärungen Sr. Königlichen Ho heit des Herzogs von Cumberland in dem Schreiben an Se. Majestät den deutschen Kaiser und König von 66. Iahrg. Preußen vom 2. Oktober 1906 und an das herzoglich braunschweigisch-lüneburgische StaatÄministerium vom 16. Dezember 1906 eine entscheidende Aenderung in der dem Beschlüsse des Bundesrates vom 2. Juli 1885 zu grunde liegenden Lach- und Rechtslage nicht einge treten sei; 2) die braunschweigische Landesregierung hiervon! in Erledigung ihres Antrages (Nr. 8 der BundeSrats- drucksachen) zu verständigen". — Mit Ausnahme von Braunschweig, das sich der Stimmabgabe enthielt, wurde der'Beschluß einstimmig gefaßt. — Hiernach haben die zuständigen Stellen in Braunschweig zunächst einen neuen Regenten zu wählen. Tie Welfen bleiben von der Thvonsolge ausgeschlossen. IM Reichstage sind mehrere große Kisten mit einen« eigentlich wenig parlamentarischen Inhalt ange- bommen. Lie enthielten, wie die Natbsnalzeitung be richtet, den gebleichten Schädel eines Rhinozerosses, zwei Glefantenschädel und eine Unmenge Steinschloßflinten, Lpeere, Bogen, Pfeile uj Pfeillöcher. Es handelt sich uM friedliche Erwerbungen, welche die in Afrika gewesenen ReichstÄgsabgevrdneten von dort mitgebracht hatten. Nur der Schädel des Rhinozerosses stammt von einem Kviegszuge her, den Abgeordneter Dir. Arendt gegen diese Dickhäuter in Afrika unternommen hatte. Er hat da« dazu gehörige Rhinozeros eigenhäMng erschossen. Vor läufig sollen die Trophäen irgendwo ims Reichstage zur Ansicht aufgestellt werden. Tie Börsensteuer hat kn den ersten zehn Mo naten des vorigen Jahres 40,2 Millionen Mark er bracht. Da sie für dass ganze Jahr ims Etat mit 48,1 Millionen Mark angesetzt ist, fo ist ess wahrscheinlich, daß ihr Jahresertrag dahinter nicht Zurückbleiben wird. Es ist aber ferner ziemlich gewiß, daß der Ertrag, den die Börsensteuer für 1965 abgewvrfen hat und der über 60 Millionen betrug, für 1906 nicht erreicht werden wird. Frech belogen^ Unter Vorstehendem Titel schreibt die „Nordd. Allgem. Ztg.": In seiner letzten Rede hat der Reichskanzler die in einems Artikel des Vorwärts enthaltene Insinuation zurückgewiesen, daß wir nur deshalb Südwestafrika festhielten, um von dort aus den englischen Besitz in Südafrika zu bedrohen. Heute behauptet der Vorwärts unter einem starken Auf wand von Schimpfworten, eine derartige Auslassung habe nicht iM Vorwärts sondern in einem bürgerlichen kieMr Sank, ÜMMr. 62 Im llausv Les Herrn r»brLbv8ttser8 LvILIvr smxüelilt käek mm Uttä Verkklus von LtsstsxLxäersn, kksnäkrisksn, ^küsn unä sonstixsn ^Vsrtxmpisren, mr LilllFsllAK von rMdsreo Oonxons, IUviäsnäMsoliANtzn n. xslostsn Ktücken, nur VerVAlluvK von ^Vertxsxieren von Auslosungen, Ls- sorxunß neuer 2!ns- bsr. DiviZenäendogen usv.), mr ^llshvVLdriUlK offener unä xssollosssnsr Depots, mr VvrmIvtlMK von Lkffes-ZeffrLnkeken unter sxensw Versekluss 6vr LLeter mr HsvkKrlUlK von Darleffev, riur LenutsunZ ilirer k^rrn» als Vom1r1l8lvll6 vn6 mr Vl8ll0vüüI1MK von ^Veohseln, mr LrVNnwK Isnkenäer Rsolmm^en nnt unä okne -Vvrlivluk, -°r Vmuiliinv von 6i«Iävrn mr Verzinsung »-" wohin mich mein Beruf rief aber nun ist die Überraschung desto schöner." Er versuchte bei diesen Worten leise ihre Hand zu erfassen, aber Kornette blickte, unangenehm berührt, auf. ,Lie sollen den Eisenbahnbau hier leiten? Oi das bedauere ich aufrichtig." Max von Hallern kachle. „Die Gutsherrin von Golyu lieht in mir den Zerstörer ihrer Ruhe. Gnädiges Fräu lein, Ihre werte Verwandte, die ich noch nicht die Ehre batte kennm zu lernen, ist ungeschickt und unehrerbietig behandelt worden, das empfand ich sofort selbst und sagte dem Herrn Landrak von Buring meine Meinung derb in das Gesicht. Aber das darf sie nicht die ganz unschuldige Regierung und mich, deren Vertreter, entgelten lassen. Ich bin ja eigentlich in Amksgeschäftm zu Ihnen gekommen," fügte er scherzend hinzu, „und es ist kaum erlaubt, dabei leinen privatinkeresien nachzugehen. Aber wenn man ein solches Glück hat, wie ich heute," wieder streifte ein warmer Blick das schöne Mädchen; der junge Herr machte kein Hebt aus seiner Liebe. Als Kornette noch immer schwieg, fuhr er fort: »Ich hoffe, heute durchaus eine Verständigung mit Fräulein von Marinlhka zu erlangen, um so mehr wenn ich ihr aus vollster Überzeugung sagen kann, daß ich das Verhalten der hiesigen Behörden gegm Sie durchaus miß billige.« „Dir wollen es hoffen," sagte Kornette mit einem schweren Seufzer, „ob ich Sie aber unterstützen darf, weiß ich nicht. Rehmen Sie die Sache nicht zu leicht, Herr von Hallern, Lie könnten sich häßlich irren, denn Sie kennen meine Tante nicht.« Dann aber plauderten die beiden jungen Leute wieder von glückseligen, vergangenen Tagen, sie lachten und scherzten und Kamelie vergaß die dunklen Wolken, die über Schloß Golyn schwebten. Da öffnete sich die Tür und Marianne von Marinihka trat ein. Erstaunt blickte sie auf die fröhlichen Gesichter, aber es berührte sie offenbar angenehm, al» sie ihre junge Richte so herzlich lachen Der Klein rles Änslokes. Roman von S. Meier. S «Dieses Buch habe ich mir eigens zu dem Zweck ge kauft, es wird zu nichts anderem benutzt." - Sie sah mit leichtem Erröten darauf bin, dann ant wortete sie scherzend: „Wenn ich hätte denken können, daß Sie diese Blume so lange aufbewahren würden, wäre es eigentlich meine Schuldigkeit gewesen. Ihnen ein Behältnis zu sticken. Doch Sie wollten mir ja von Ihrem Leben er- ählen," fügte sie, das gefährliche Tema verlassend, hinzu. Ihre schönen Augen ruhten mit freundlichem Schimmer auf dem interessanten Gesicht des jungen Mannes. »Ich bin etwas geworden," versetzte er stolz. „Sie wissen, daß mein Vermögen nur ein kleines war, und ich war auf Kenntnisse und Arbeit angewiesen, wollte ich ehr lich durch die Welk kommen. Jetzt bin ich Baumeister und habe ein festes, ausreichendes Gehalt, einen bescheidenen Hausstand könnte ich jeden Tag gründen, aber es ist doch erst wenig." Er blickte bet diesen Worten nicht auf, sonst hätte er die tiefe Rühmng sichen müssen, die sich vei diesen beschei denen, ängstlichen Worten über das Gesicht des schönen Mädchens breitete. Kamelie von Marinlhka wäre mit dem Mann, dm sie liebte, bei trockenem Brot glücklich gewesen. „Ich bin zur Effmbahn-Verwaltung übergeaangm, well man dort doch rascher vorwärts kommt, al» bei dem direktm Baufach, und lernte bald gmug erkennen, daß dieser Entschluß ein sehr vorteilhafter für mich war. Mein Gehalt steigt in kurzen Zwischenräumen und ich sehe einer durchaus sicheren und soliden Zukunft entgegen. Jetzt hat man mich von selten der Regierung hierher geschickt, um dm Bau der hier vrojektlerten Dahn zu leiten; ich dachte nicht, daß ich Sie hier finden würde, sonst hätte ich mich wie ein Kind auf diese Zeit gefreut; so war e» mir gleich, - hörte. Herr von Hallern verbeugte sich tief, al» Kornett» ihn mit leichtem Erröten ihrer Verwandten vorstellte. „Nu guter Freund aus der Residenz, Tante, dm ich unerwartet hier wiedersinde. Wir habm manche frohe Stunde zusarn? mm verlebt." Mit freundlichem Lächeln reichte eie Schloßherrin deH fangen Herrn die Hand. „Ein Freund meiner Richte ist auch mir stets willkommen." Erstaunt betrachtete der Baumeister „dm Stein de» Anstoßes". „Ein vornehmes, ansprechendes Gesicht," dachte er, „unverkennbar war sie in der Jugmd eine Schönheit. In keiner Weise gibt ihr Äußeres und ihr Wesm zu der abscheulichen Bezeichnung Anlaß." In sei nem Herzen hatte der junge Herr längst für die Ange griffene Partei genommen, war sie doch der ganze Schutz und Hort des Mädchens, das er liebte. Lin Weilchen floh die Unterhaltung leicht und ange nehm dahin, Fräulein Marianne hatte es verstanden, die liebenswürdigste Wirtin zu sein. Und mit aufrichtigem Vergnügen empfand der Baumeister, daß er in ihr eine sehr unterrichtete, sehr vielseitig gebildete Dame vor sich habe. ,Lie steht über der Menge," dachte er, „und des halb wird sie angegriffen; über der Landratsfamilie wenig stens steht sie ganz, sicher." Dann brachte er mit großer Gewandheit und vieler Vorsicht das Gespräch auf dm Eismbahnvau, stellte sich als Vertreter der Regierung vor und schalt auf dm Land rat, daß er der Gutsherrin von Golyn gegenüber sich nicht nur unhöflich, sondern direkt unrichtig bmommm habe. Fräulein Marianne nahm die ernstgemeinte Ent schuldigung mit leichtem Lächeln auf. „Ich weiß, daß mir keine Weigerung ernstlich etwas nützt Herr von Hallern," verfitzte sie dann, „aber ich geve mein Land sehr ungern zu diesem Bau. Mein Brief an Herrn von Burma diente «nstweilen auch nur dazu, dm Herrn aus seinen Verstoß aufmerksam zu machen, im übrigen bin ich ja machtly»."