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LS4 DI» fetten Jahr«, von denen Gte neulich sprachen, scheinen wirklich nun für mich kommen zu wollen. Eben schrieb mir der Justizrat Nello, daß er für den Herrn, der Philippsthal gekauft hat, die Ziegelei in Seddin kaufen will, und ich soll ihm nun mitteilen, unter welchen Be dingungen ich den Ton dazu hergeben würde. Er ist auch geneigt, die Fläche mit dem Tonlager käuflich zu er werben. WaS meinen Sie dazu?" „O," erwiderte Helmut gedehnt, indem er sich zur Seite wandte, um nicht Herrn Horsten ansehen zu müssen, „waS soll ich dazu sagen. Das Land würde ich, wenn ich Besitzer von Eichfeld wäre, unter keinen Umständen ver kaufen, und wenn es Ihnen bisher noch so wenig ein ge bracht hat. Ich würde dem Herrn die Ausbeutung des Tonlagers gegen ein« jährliche angemessene Entschädigung überlassen, aber weiter nichts." ,La. . . Aber wonach wollen Sie die Entschädi gungssumme berechnen? Nach der Anzahl der Mor gen? Es handelt sich etwa um vierzig." „Rein, danach nicht," entgegnete Helmut. „Eine Ziegelei muß doch jährlich eine bestimmte Anzahl von Steinen Herstellen. Lon 1000 Steinen müßte der Käu fer der Ziegelei, der auf Ihr Tonlager angewiesen ist, wenn er sie in Betrieb setzen will, an Sie eine Mark zahlen. Nehmen wir an, daß jährlich etwa sechs Millionen Steine, was wohl nicht zu hoch gerechnet ist, in Seddin fabriziert werden, so macht das für Sie einen Gewinn von sechstausend Mark. . und Sie blei ben Eigentümer des Landes. Verkaufen Sie dagegen das Land, so würden Sie, der Morgen mit tausend Mark veranschlagt, etwa vierzigtausend Mark bekommen, das macht zu dreieinhalb Prozent jährlich eintausend vierhundert Mark. Ich meine, es kann Ihnen nach dieser Berechnung nicht schwer fallen, welche Beding ung Sie dem neuen Ziegeleibesitzer zu stellen haben." „Schade!" rief Horsten aus, „schade, daß Sie lieber Herr Kraft, nicht Landwirt sind! Sie wüßten zu wirtschaften, und jeden Vorteil für sich auszunützen. Ihr Rat ist gut. Ich werde nur unter dieser Be dingung mit Nello in Unterhandlung treten. Ob er aber darauf ein gehen wird?" „Warum sollte er nicht! Er muß ja, wenn sein Auftraggeber die Seddiner Ziegelei in Betrieb setzen will. Das dortige Tonlager ist völlig erschöpft,. und hier liegt Ton in Hülle und Fülle, genug für hundert Jahre, soweit ich es beurteilen kann." „Run, wir werden ja sehen!" sagte Horsten und ver abschiedete sich. „Wenn er wüßte, daß ich es bin, der die Ziegelei kaufen will. . er würde Augen machen!" dachte Helmut und ging ins Schloß hinein. — Er hörte Musik. Lauschend blieb er vor der Tür des Zimmers stehen. Dann ging er hinein. Der weiche Teppich dämpfte seine Schritte, und erschreckt fuhr Fräulein Frida zusammen, als er vor ihr stand. „Habe ich Sie erschreckt, gnädiges Fräulein?" fragte er leise. Fräulein Frida war aufgestanden und neigte sich mit erglühtem Gesicht über den Notenständer. /La," erwiderte sie offen, ohne indessen den Mick zu erheben. „Soll ich wieder gehen?" Sie antwortete nicht, aler ihr Herz pochte ungeduldig und ihre Hände zitterten. Jetzt konnte er sich nicht mehr halten; er ergriff die kleinen, zarten Hände des geliebten Mädchens, und in liebeglühenden Worten sprach er: ^Fräulein Frida! Ich liebe Sie. . ich liebe Dich, Du süßes Mädchen. Sprich. . laß mich nicht länger im Zweifel. Willst Du mein Weib werden, mein Engel . . mein Gott. . mein Alles?" Er erhielt keine Antwort, aber er brauchte auch keine. Die strahlenden Blicke ihrer Augen wurden zu Verrätern des Wonnegefühls, das auch sie durchrauschte. Stürmisch zog er sie an seine Brust; fest und heiß hielt er sie in seinen Armen, als wollten sie das Er rungene nie wieder von sich lassen. Sie wehrte sich nicht; sie fühlte die leidenschaftliche Liebe dieses Mannes, und willig ließ sie es geschehen, daß er sie auf ihre reinen, keuschen Lippen küßte und immer wieder küßte. „Du liebst mich, Frida, mein süßes Mädchen?" „Ja, Helmut, ich . . liebe . . Dich, nur Dich allein," flüsterte sie beseligt, und in ihren Augen schimmerten Tränen . . Tränen der heißesten und treuesten Liebe. „O, meine süße, kleine Frida, so bin ich wirklich der Glücklichste, dem Dein Herz gehört! Welche Wonne! . . O, nun werde ich nie mehr zweifeln. Meine Braut!" „Helmut. . hast Du nie geahnt, daß ich nur Dich liebe? Jedes Wort, was ich zu Dir gesprochen habe in den letzten Wochen, jeder Blick hätte Dir verraten müssen, daß Du es bist, dem ich mich hingebe. . voll und ganz. Kannst Du Dich darüber wundern? Mußte es nicht so kommen? Hast Du mir nicht das Leben gerettet, dieses wonnige, schöne Leben? Dir allein soll es von nun an gehören, und immer will ich Dir zeigen, wie dankbar ich Dir bin. O, ich habe gesündigt an Dir, aber ich will es wieder gut machen. Geliebter . . laß uns glücklich sein, nun wir uns endlich ge funden." Frida hatte beide Arme um seinen Nacken gelegt und ihr Kopf ruhte an seiner Brust, und immer wieder beugte sich Helmut nieder und küßte sie. „Ei, das ist ja herrlich," rief Horsten, der eben ein getreten war, mit freudestrahlendem Gesicht, „da kann ich wohl nur noch „Ja" und „Amen" sagen!" Frida hatte sich den Umarmungen des Geliebten entrissen und war auf Horsten zugeeilt. „Ja, segne uns," flüsterte sie leise, „ich liebe ihn so unsagbar. Mache uns glücklich!" Horsten ergriff ihre Hand und führte das Mädchen zu dem Geliebten. „Nimm sie hin, Helmut... Du mein treuester Freund und Bruder. Werdet beide glücklich, wie Ihr es verdient." Noch ehe Helmut ihm danken konnte, war er ver schwunden. „Hm!" machte Horsten, als er in seinem Zimmer angelangt war. „Die dumme Klausel im Testament! Das schöne Geld geht ihr verloren. Doch ein Aus weg muß sich finden lassen. Schade, daß ich Philipps thal verkauft habe; sie hätten dort so schön wohnen können. Ich muß Helmut von der Sache Kenntnis geben, damit er vor bitterer Enttäuschung bewahrt bleibt." Sogleich suchte er die Liebenden wieder auf, die, als er eingetreten war, sich noch immer umarmt hielten und sein Kommen überhört hatten. Er hustete, um sich bemerkbar zu machen. „Liebe macht blind," lachte er. „Doch hört mich einen Augenblick, ich habe Euch noch etwas zu sagen." Frida und Helmut sahen Horsten gespannt an. „Helmut," begann der Schloßherr ohne Um schweife, „Deine Braut ist kein armes Mädchen, son dern besitzt ein ziemlich beträchtliches Vermögen. Nach einer Testamentsbestimmung soll sie aber kein Anrecht darauf haben, wenn sie einen Bürgerlichen heiratet; in diesem Falle wäre sie also ganz arm. Da aber keine Bestimmung im Testament darüber vorhanden ist, was TZTZUff.Z' sDL 3 LH mit dem Gelbe geschehen soll, wenn jener Fall ein treten sollte, so werde ich einen Familienrat einbe rufen, der darüber entscheiden mag. Jedenfalls werde ich mein möglichstes tun, daß Euch das Geld erhalten bleibt." Helmut tat nicht im mindesten peinlich überrascht, was Horsten in Erstaunen setzte. „Ist Dir das so gleichgültig, Helmut? Was willst Tu denn mit einem armen Mädchen anfangen? Ich kenne zwar Deine Vermögensverhältnisse nicht, doch muß ich annehmen, daß sie nicht die günstigsten sind, sonst hättest Tu doch die Hauslehrerstclle nicht ange nommen. Du nimmst mir das doch nicht übel, daß ich mich so offen ausgesprochen habe?" „Nein, nein," sagte Helmut lächelnd. „Wir sind ja auch noch nicht verheiratet . . bis dahin kann sich manches ändern. Jedenfalls bitte ich Euch, darüber nicht zu sorgen. Ich bin glücklich, daß ich Dich, meine Geliebte, habe; Dein Besitz macht mich über alle Maßen reich. Nur soviel kann ich heute sagen: Wir können getrost in die Zukunft schauen. Damit begnügt Euch für heute." „So, so," entgegnete Horsten. „Du scheinst auf eine Erbschaft zu hoffen. Na, wenn das der Fall ist, dann ist's gut." Helmut tat, als hätte er die letzten Worte Horsiens überhört. „Was wird aber Frau Horsten dazu sagen, daß Frida meine Braut ist?" fragte er, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. Fridas Gesicht wurde plötzlich ernst. „Sie billigt meine Wahl nicht, das weiß ich be stimmt," sagte sie, „doch wird sie sich damit zufrieden geben müssen. Ich kämpfe jetzt nicht mehr allein, unsere Liebe wird ihre Vorurteile gegen Dich, Geliebter, be siegen." „Tas hoffe ich zuversichtlich, und ich werde mein möglichstes tun, daß dies geschieht. Bis dahin wäre es das beste, sie erführe noch nichts von der ganzen Sache. Tesgleichenqßann unsere öffentliche Verlobung für später erfolgen." Auch Horsten war damit zufrieden und verließ die Liebenden. „Glück und Unglück wohnen dicht beisammen," murmelte er, als er Werner auf dem Wirtschaftshof erblickte, wie er langsam nach dem Schlosse ging. Ter Todesengel hatte seine Stirn gezeichnet. Sein einziges Kind sollte ihm verloren gehen. Aber .Horsten klagte nicht. „Wie Gott will," damit tröstete er sich. * * * Ter Leutnant Karl August von Schwabenstein lag in seinem prachtvoll ausgestatteten Junggesellenhcim auf dem Sofa und blies die Wolken, die aus seiner Zigarre entströmten, weit von sich. Nur selten führte er sie zum Munde; endlich, als er bemerkte, daß sie nicht mehr brannte, warf ec sie weg. Man sah es ihm an, daß schwere Sorgen sein Herz bedrückten. Plötz lich stand er auf und ging mit niedergcseuktem Kopf im Zimmer auf und nieder. „Es geht nicht mehr. . ich bin zu Ende," seufzte er und knöpfte den Waffenrock auf. Es war ihm, als wäre er dem Ersticken nahe. Tann hielt er in seiner Wanderung inne. Wie geistesabwesend stierte er durch das geöffnete Fenster in den Garten hinaus. Doch nicht lange. Er wandte sich um und ging langsam nach seinem Schreibtisch. Er öffnete ein Fach und nahm einen Revolver heraus, den er vor sich niederlegte. „Du bist jetzt nur noch meine einzige Rettung," ' murmelte er. „Was soll ich noch auf dieser Wett? Meinen Abschied soll ich einreichen? Ha, ha, ha! . . Ja, ich werde Abschied nehmen für immer. . wie ich es mir nie gedacht habe." Er knöpfte seinen Rock zu, schnallte seinen Dege» um und streckte seine Hand nach der Waffe auS, die ihm Erlösung bringen sollte von allen Qualen und Adrigsten. Plötzlich stand Helmut vor ihm. Mit weitgeöffneten Augen starrte er auf seinen einstigen Freund, nicht fähig, ein Wort zu sagen. „Verzeihe, wenn ich hier eingedrungen bin," sagte Helmut. „Ich habe dreimal geklopft, und da man nicht antwortete, so trat ich eben ein. Du hast das Recht, mich hinauszuweisen." Ter Offizier antwortete nicht; stumm wies er mit der Hand auf einen Stuhl. Tann preßte er beide Hände vor das Gesicht und warf sich auf einen Sessel. „Schwabenstein," sagte jetzt Helmut, indem er auf die Waffe wies, die noch auf dem Schreibtisch lag, „wa- willst Tu tun, was hast Du vor?" Ter Leutnant sprang auf. „Tas fragst Du? Du bist es, der mich dazu zwingt, einen Schritt zu tun, den schon viele vor mir getan haben, weil sie nicht mehr leben konnten und wollten. Und ich? Ich kann es nicht mehr ertragen. . diese- Leben. Meine Karriere ist zu Ende. . meine Ehre ist dahin . . es ist aus!" ' „Helmut," schrie er, „ich habe großes Unrecht an Dir getan. Glaube mir. . ich bereue es von ganzem Herzen." „Ja, ja, Du hast furchtbar gefrevelt mit meiner Ehre, mit meinem guten Namen. Du hast viel gut zu machen, darum mußt Du leben. Was Du mir getan hast, ist ausgelöscht für alle Zeiten. Ich vergebe Dir. Wir wollm nun sehen, was sich für Dich tun läßt. Du sagtest vor hin, Deine Karriere sei zu Ende." „Ja, es ist so, wie ich sagte. Ter Kommandeur hat mir eröffnet, daß ich meinen Abschied einzureichen habe." „Warum?" fragte Helmut, der den Grund schon ahnte. „Es ist die alte Geschichte," antwortete Schwaben stein. „Meine ewig derangierten pekuniären Verhält nisse sind Schuld daran. Es geht nicht anders. Ich muß den Rock ausziehen, ich weiß weder aus noch ein." „Ich werde mit dem Kommandeur sprechen, Karl August," entgegnete Helmut, zum ersten Male ihn wie der mit seinem Vornamen anrcdend. „Tas würde nichts helfen. Sein Bescheid war kurz rind bündig: Vollständige Regelung meiner Aw- gclcgenhciten oder Einreichung des Abschieds. Inner halb zwei Wochen will er Antwort haben." „Ich will Deine Angelegenheiten regeln und zwar sofort. Hast Tu eine Ahnung, wieviel Deine gesamte« Schulden betragen?" Schwabenstein ging nach dem Schreibtisch, öffnete ei» Fach und legte ihm ein Verzeichnis seiner Schulde» vor. Helmut zählte die Posten zusammen, und ohne ein Wort des Erstaunens oder Unwillens zu äußäm, reichte er das Blatt dem Eigentümer desselben zurück. „Mach' Dich fertig, Karl August. Du hast doch Zeit?" „Tu willst doch nicht die vierzigtaufend Mark be zahlen?" „Ja, ich will es, mach' Dich fertig!" Schwabenstein fiel Helmut um den Hals. „Ich bin es ja gar nicht wert. Ich kann eS nicht begreifen, daß Du mein Retter werden willst. Ach, Hel- r»? » Im? I rrli-I