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11- tz Mit einem tiefen Seufzer ließ er endlich seine Kou- pne an sich vorüberschreiten, um ihr dann schweigend »ach dem Gärtnerhäuschen zu folgen, wo Frau Thekla beche mit Ungeduld erwartete. AuS Erichs verstörten Zügen las sie, was geschehen War, allein kein Wort äußerte sie darüber. Schweigsam wurde die Rückfahrt nach Hamburg un- Wrwommen. Frau Feddersen fühlte sich durch nichts da- M berufen, eine Versöhnung zwischen Elsa und Erich anzubahnen. Sie hatte sich bei der Ausführung des Planes dem Willen ihres Gatten gefügt; mehr zu tun hielt sie nicht für angemessen; an den Interessen der Familie hatte fie niemals Anteil genommen. Sie war Rolf Feddersens Frau geworden, weil er reich Wat; ein wärmeres Ge fühl hatte sie nie für den finsteren Mann empfunden. «lsa zog sich sofort auf ihr Zimmer zurück und ließ sich für den Abend durch Frau Lehr entschuldigen. Sie sah voraus, daß es zwischen ihr und dem Onkel DM Erörrterungen kommen würde, denen sie mit Ruhe mck Entschlossenheit entgegentreten mußte, — Eigenschaf ten, welche ihr nach den Erlebnissen des heutigen Tages völlig abgingen. Sie verhehlte sich keineswegs, daß es «inen Harden Kampf kosten würde, wenn sie ihren Wil- k» behaupten wollte. Sie glaubte, daß der Gefürchtete noch an diesem Abend kommen würde, um sie bezüglich ihrer Weigerung Poe Rechenschaft zu ziehen, allein sie täuschte sich. Erst mit dem kommenden Morgen sollte die schwerste Prüfung über sie hereinbrechen, eine Prüfung voll un- sätzkicher Qual und voll des bittersten Schmerzes. VII. Eine grausame Wahl. Rolf Feddersens Wut kannte keine Grenzen, als er durch Erich Elsas entschiedene Weigerung erfuhr. Die ganze Schale seines Zornes ergoß sich über daN Haupt des jungen Mannes, der machtlos alle Schmähungen und Borwürfe über sich ergehen lassen ruußte. Feddersen hatte es sich in den Kopf gesetzt, das größte Mrdergeschäst von ganz Hamburg zu besitzen, und Elsas beüeutmdeS Vermögen sollte ihm dazu verhelfen, seinen -äugst gehegten Wunsch der Erfüllung nahe zu bringen. Wie eifrig und wie lange hatte er an der Verwirklich ung dieses Planes gearbeitet! Hatte er sich doch sogar nicht davor gescheut, sein Gewissen mit einer schweren Schuld zu belasten — und jetzt, nachdem ihm alle Ränke, alle Jntriguen geglückt waren, jetzt, da er sich nahe am Mele sah, sollte eine Neine, schwache Mädchenhand das so mühsam gewobene Netz zerreißen und alle seine Pläne zu Nichte machen? Feddersen war fest entschlossen, Elsas Jawort zu er zwingen, um welchen Preis es auch immer sein mochte. Er kannte kein Erbarmen, kein Mitleid; Elsa mußte sich seinem Willen fügen und sollte dadurch auch ihr gauzeS Lebensglück zerstört werden. Mit finsteren Mienen und drohend umwölkter Stirn betrat er am nächsten Morgen das Zimmer seiner Nichte. Elsa empfing den Onkel bleich, aber gefaßt. Ein Wink Von ihm entfernte Frau Lehr aus dem Gemach und Onkel Und Richte standen nun einander allein gegenüber. „Du hast Erichs Werbung zurückgewiesen," begann der finstere Mann, das junge Mädchen mit zornigen Wicken messend. Fortsetzung folgt. verschied««-. Märteln in den Alpen. Einen wertvollen Bei trag zur Beurteilung der Denkweise und des Grades der Gesittung unter den Aelplern bilden die vielfach gesam melten Inschriften von Grabkreuzen und Gedenktafeln. Die Widmungen auf den Gedenktafeln — sogenannte „Märteln" — find mitunter mehr als urwüchsig und meist nicht bewußte, sondern unfreiwillige Komik. -So heißt es nach Schweiger-Lerchenseld in seiner Schrift „Alpenglühen" auf einer solchen Votivtafel an der alten Mvtzerbrücke: Bruckle gonga, Bruckle brvcha, Obi gfolla Und dersoffa! Auf einem Grabe eines Gebirgsbotcn in den Tauern liest man: Hier liegt der Bote Michel, Er fiel mit seiner Kraxen, Brach sich die beiden Haxen, Die wurden amputiert, Das hat ihn sehr scheniert, Dann kam der Brand dazu! Gott schenk' ihm die ewige Ruh! Drastischer noch klingen die folgenden Inschriften: Hier in dieser Gruben Liegen zwei Müllerbuben, Geboren am Chiemsee, Gestorben am Bauchweh. Hier ruht Franz Joseph Natt, Der sich zu Tod gesoffen hat. Herr, gib ihm die ewige Ruh Und ein Gläsle Schnaps dazu! Wie unbegrenzt, durch keine Rücksichten gebunden, die Wahrheitsliebe der Aelpler ist, darüber geben die nach stehenden Grabschriften Aufschluß. Die erste derselben be findet sich im Oberperfuß im Jnntal (Tirol) auf einem Grabe und lautet: In diesem Grabe liegt Anich Peter, Die Frau begrub man hier erst später. Man hat sie neben ihm begraben, Wird er die ewige Ruh nun haben? Diese Grabinschrift ist nebenher auch noch deshalb von Interesse, weil dieser „Anich Peter" derjenige ist, der mit Blasius Hueber eine unter den Alpenforschern im hohen Ansehen stehende Karte von Tirol (erschienen 1474) und einen Erd- und Himmelsglobus verfertigte. Auf einem Grabkreuze auf dem Kirchhofe zu Hall (Tirol) heißt es: Hier liegt begraben mein Weib, Gott sei Dank, Sie hat ewig mit mir zankt, Drum, lieber Leser, geh' von hier. Sonst steht sie auf und zankt mit dir. Wenn K. Stieler in einem seiner Dialcktgedichte einem Gast zum Wirt, der schlechtes Wer schenkt, die Worte in den Mund legt: Förchst net, es gehen dir im Schlaf Die armen Seelen nach? so finden wir einen ähnlichen Gedanken in der Grab schrift: Hier ruht der Bauersepp, Gott Gnad' für Recht ihm geb', Denn viele hat, was er gemacht. Frühzeitig in das Grab gebracht, Da liegt er nun, der Bierverhunzer, Bett, o Christ, fünf Vaterunser! - PaR «tz Verlag dm» Lenger t Winterlich^« Riesa. — Für di« Redaktion verantwortlich: H<rm'anrnS'.ch midt in Riesa. CrMler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Ta-evlat 1". Riesa, d« 18. IM iso». »0. Jahr* Nr. Ein Dämon. Roman von Th. v. RengerSdorsf. Fortsetzung. Erich wich nicht von der Seite seiner Kousine; ohne ihre Verstimmung zu bemerken, lachte und plauderte er unausgesetzt, durch seine Lebhaftigkeit zuweilen die Schweigsame mit sortreißend, die, niemand kennend, von niemand gekannt, all das Peinliche einer ersten Vor stellung zur Genüge zu durchkosten hatte. Frau Bergen hatte seit dem Tode ihres Gatten jeden Umgang abgebrochen und mit niemand mehr verkehrt. Wohl gab es noch einige alte Freunde, die sich der kleinen Elsa erinnerten, allein Feddersen lud die ehemaligen Be kannten seiner Schwägerin nie zu sich ein. Sein Haus stand überhaupt weniger den Einheimischen, als den Frem den offen, die, aus aller Herren Länder hergereist, mehr Leben und Abwechslung in die Gesellschaft brachten. Ueber- dies hatte sich Feddersen niemals wahre Freunde zu er werben verstanden. Erich hatte seine Kousine in den geschmackvoll dekorier ten Ballsaal geführt. Elsa nahm die an sie ergehenden Tanzcinladungen an, mehr um für einige Zeit von Erichs Gegenwart be freit zu sein, als weil sie Vergnügen am Tanz fand. Ihr Tänzer hatte sie soeben nach beendeter Tour zu ihrem Sitz zurückgeführt, als Erich in Begleitung eines jungen, dunkelbärtigen Mannes auf sie zutrat. „Meine liebe Kousine," sprach er in fast feierlichem Tone, „Herr Kapitän Claudius Franck wünscht Dir vorge stellt zu werden." Elsa erbebte und kaum fand sie die Kraft, einige artige Worte zu stammeln. Sie atmete erleichtert auf, als sie sah, daß Erich sich entfernte, um eine junge Dame zu dem beginnenden Tanz aufzufordcrn. Der Kapitän verneigte sich vor Elsa und bot ihr seinen Arm; vor Aufregung am ganzen Körper zitternd, blieb das Mädchen einen Augenblick zögernd stehen. Dann ergriff sie entschlossenen den gebotenen Arm und sagte im Flüsterton: „Herr Kapitän, führen Sic mich aus dem Saal hin aus, ich habe mit Ihnen zu sprechen." Claudius Franck blickte das junge Mädchen erstaunt an, aber er war zu taktvoll, um seiner Ueberraschung weiteren Ausdruck zu leihen. Schweigend führte er Elsa in eins der an den Saal stoßenden, zu Blumenlauben umgewandelten Gemächer. Kaum hatte sie dasselbe be treten, als sich Elsa forschend umsah, um dann, seinen Arm loslassend, mit bebender Stimme zu sprechen: „Mein Herr, verzeihen Sie mir eine unvermittelte Frage. Sind Sie ein Sohn des Altonaer Justizrats und Notars Claudius Franck?" „Sein einziger Sohn, mein Fräulein!" lautete die mit Verwunderung, doch im festen Ton gegebene Antwort. „Und Ihr Vater — lebt er noch?" - „Ja!" „Ja?" O, Gott sei Dank dafür!" IV. Claudius Franck. Elsa hatte diese Worte mit einem so innigen Aus druck hervorgebracht, daß der junge Kapitän sich über rascht fragte, welchen Anteil das junge Mädchen an dem Leben seines Vaters nehmen konnte. Seines Wissens hatze sein Vater Rolf Feddersens Haus noch niemals be treten. „Sie finden mein Benehmen seltsam," fuhr Elsa er regt fort, „allein mir bleibt kein anderer Ausweg. ES ist ein glücklicher Zufall, daß ich Sie hier treffe. Man hält mich in vollständiger Abgeschlossenheit von aller Welt und ich habe keine Seele um mich, der ich mich anver trauen könnte." Sie hielt aufatmend inne. Es war die erste Klage, die seit Jahren über ihre Lippen kam, und in dem Moment, daß sie dieselbe laut »verden ließ, fühlte Elsa, welche Wohltat es ist, sich vor jemand aussprcchen zu können. Mit steigender Verwunderung betrachtete der junge Mann das vor Aufregung bebende Mädchen. Was sollte er zu hören bekommen. „Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem Tode einen Brief an Ihren Vater übergeben," fuhr Elsa jetzt mit fliegendem Atem fort. „Ich hatte bisher keine Gelegenheit, den Auftrag der teuren Toten zu erfüllen, denn man ließ mich keine Stunde unbeobachtet. Ich beschwöre Sie daher, nehmen Sie diesen Brief, den ich stets bei mir trug, für Ihren Vater. Er war immer ein alter treuer Freund un seres Hauses, er wird es auch jetzt noch sein. Wollen Sie ihm das letzte Vermächtnis meiner toten Mutter ein händigen?" Claudius Franck sah zwei klare braune Augen mit flehendem Ausdruck auf sich geheftet. Ein unsagbares Mitleid für dieses zarte Mädchen erfaßte ihn. Er wäre, wenn sie es verlangt hätte, bis ans Ende der Welt ge gangen, um ihren Wunsch zu erfüllen. Als sie ihm den Brief hinreichte, begegneten sich beider Hände und die errötende Elsa fühlte einen leisen Druck, mit welchem er zur Bekräftigung seines Verspre chens ihre Rechte umschloß. „Morgen wird mein Vater im Besitz dieses Briefes sein," erklärte er mit treuher ziger Einfachheit. „Ich danke Ihnen, o ich danke Ihnen!" rief Elsa stürmisch bewegt. „Aber," fügte sie im nächsten Moment ängstlich hinzu, „Sie dürfen niemand auch nur eine Silbe davon sagen. Ich habe vier Jahre hindurch Tag und Nacht den Brief bei mir getragen, immer hoffend, immer harrend, und stets vor der Entdeckung meines Ge heimnisses zitternd!" „Seien Sie unbesorgt, ich werde das tiefste Schwei gen beobachten," versicherte der junge Kapitän, den Brief bedachtsam verbergend. „Unsere Entfernung könnte ausfallen," wagte Elsa schüchtern zu erinnern, „kehren wir in den Ballsaal zurück." „Wie Sie befehlen, mein Fräulein!" Beide traten eben aus dem kleinen Raum wieder her vor, als fast gleichzeitig Rolf Feddersen sich auf der Schwelle der in den Empfangssalon führenden Tür zeigte und seine scharfen Blicke spähend über die Reihen der Tanzenden gleiten ließ. Seine Stirn umdüstecte sich, als er Elsa am Arme des jungen Kapitäns gewahrte. Ein gebieterischer Wink beschied Erich an seine Seite. . .. ! . ).-.t «RMMMWWWWIWWWRW